Protokoll der Sitzung vom 02.07.2015

Beratung

Missbilligung des Ministers für Landesentwicklung und Verkehr

Antrag Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drs. 6/4198

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Knöchel. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Wenn ich es richtig verstanden habe, steht vor den Getränken nur noch dieser Tagesordnungspunkt: Antrag auf Missbilligung des Ministers für Landesentwicklung und Verkehr.

Vor dem Hintergrund, dass die Opposition im Landtag nur selten die Ziele und das Tun der Landesregierung teilt, sie also quasi grundsätzlich

missbilligt, kommen Missbilligungsanträge sozusagen dem Tragen von Eulen nach Athen gleich. Das Instrument des Missbilligungsantrages erleben Sie deshalb in diesem Hohen Haus nur selten.

Es ist der dritte Antrag dieser Art in dieser Legislaturperiode des Landtages. Das politische Handeln der Landesregierung kann und soll nach meiner Überzeugung nicht Gegenstand eines solchen Antrags sein. Verfassungsmäßige Aufgabe dieses Hohen Hauses ist jedoch die Überwachung der vollziehenden Gewalt. Zu dieser gehört unstrittig die Landesregierung in Ihrer Gesamtheit sowie jeder einzelne Minister im Rahmen des Ressortprinzips.

Zu den Aufgaben der vollziehenden Gewalt gehört es, Beschlüsse des Landtages umzusetzen. Des Weiteren erlegt Artikel 53 der Landesverfassung den Mitgliedern der Landesregierung auf, Fragen von Abgeordneten zu beantworten, in Ausschüssen unverzüglich und vollständig Auskünfte zu erteilen bzw. Akten vorzulegen.

In dem dem heutigen Antrag zugrunde liegenden Sachverhalt hat der Minister für Landesentwicklung und Verkehr Thomas Webel diesen Anforderungen nicht genügt. Nach Auffassung der antragstellenden Fraktionen sollte das Hohe Haus diesen Vorgang nicht hinnehmen und den Herrn Minister darum für sein Handeln und das des unter seiner Verantwortung stehenden Ressorts missbilligen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Zum Sachverhalt im Einzelnen. In seinem Jahresbericht 2011 griff der Landesrechnungshof unter Nr. 17 die Baumaßnahme „Altstadtkreisel Wernigerode“ auf, bei der erhebliche Mehrkosten entstanden waren. Die ursprüngliche Planung belief sich auf 14,6 Millionen €. Schlussendlich betrugen die Kosten 31 Millionen €. Der Landesrechnungshof führte einen Teil der entstandenen Mehrkosten auf unwirtschaftliches Verhalten des Maßnahmeträgers, der Stadt Wernigerode, zurück und kritisierte zudem die Anerkennung von nicht zuwendungsfähigen Kosten in Höhe von 1,47 Millionen € durch die Landesstraßenbaubehörde.

In ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 23. Januar 2012 führte die Landesregierung aus, dass Mehrkosten in Höhe von 14,7 Millionen € ihre Grundlage in der zwingenden Änderung von technischen Vorschriften für die Bauausführung hatten und somit unabweisbar waren. Weitere Hinweise des Landesrechnungshofes sollten im Verwendungsnachweisprüfungsverfahren beachtet werden und, soweit im Einzelfall erforderlich, zur Rückführung und gegebenenfalls Regressprüfung führen.

Der Unterausschuss Rechnungsprüfung empfahl dem Landtag, nach erfolgter Schlussverwendungs

nachweisprüfung durch das Landesverwaltungsamt die festgestellten und als berechtigt angesehenen Rückforderungen und Regressansprüche durchzusetzen. Hierzu sollte die Landesregierung durch das zuständige Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr bis zum 30. Juni 2013 berichten.

Der Landtag folgte in der 41. Sitzung dieser Beschlussempfehlung, mit welcher die Landesregierung unter Nr. 4 gebeten wurde, dem Unterausschuss Rechnungsprüfung entsprechend zu berichten. Mit Schreiben vom 8. Juli 2013 berichtete der Minister für Landesentwicklung und Verkehr dem Unterausschuss Rechnungsprüfung, dass die Berichterstattung zum geforderten Termin - -

(Unruhe)

Kollege Knöchel, könnten Sie einmal unterbrechen? Ich habe schon Kritik bekommen, dass ich nicht für Ruhe sorge, weil einige von der CDUFraktion Ihre Worte nicht hören. - Ich bitte darum, dass es im Saal ganz ruhig ist und dass Herr Knöchel vielleicht ein kleines bisschen lauter spricht. Dann bekommen wir das vielleicht hin.

(Herr Scheurell, CDU: Er müsste nur ins Mikrofon sprechen! - Herr Borgwardt, CDU: Und etwas lauter!)

Dann sehe ich doch meinen Zettel nicht mehr.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

- Und ich lese doch jetzt ganz viele Zahlen vor, meine Damen und meine Herren. Das sind wirklich ganz viele Zahlen und Daten.

(Zurufe von der CDU - Unruhe)

Denn ich möchte Sie davon überzeugen, dass unser Antrag seine Begründung hat und dass Sie alle ihm zustimmen sollten.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Landtag folgte in der 41. Sitzung dieser Beschlussempfehlung, nach welcher die Landesregierung unter Nr. 4 gebeten wurde, dem Unterausschuss Rechnungsprüfung entsprechend zu berichten. Mit Schreiben vom 8. Juli 2013 - das war acht Tage nach der Frist - berichtete der Minister für Landesentwicklung und Verkehr dem Unterausschuss Rechnungsprüfung, dass die Berichterstattung zu dem geforderten Termin nicht möglich sei, da der Schlussverwendungsnachweis noch nicht eingegangen sei.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Der Bericht wurde in der Sitzung des Unterausschusses am 18. September 2013 erörtert. Der

Vertreter des Ministeriums legte die Schwierigkeiten bei der Einholung des Schlussverwendungsnachweises nachvollziehbar dar und berichtete zudem von weiteren im Bericht des Landesrechnungshofs noch nicht aufgeführten Kosten. Im Weiteren berichtete der Vertreter des Ministeriums, dass nach seiner Prüfung einzelne vom Rechnungshof monierte Kosten nicht kreuzungsbedingt seien, und stellte dem Ausschuss eine Erörterung mit dem Landesrechnungshof in Aussicht. Der Ausschuss verlängerte daraufhin die Berichtspflicht bis zum 31. März 2014 und erbat zudem einen Bericht über die weiteren entstandenen Mehrkosten.

Mit Schreiben vom 14. März 2014 berichtete das Ministerium, dass es die Ausschussberatung vom September 2013 zum Anlass genommen habe, einen Bericht der Landesstraßenbaubehörde einzuholen, in dessen Ergebnis die nachgeordnete Behörde berichtete, sie könne die Zahlen des Landesrechnungshofes nicht nachvollziehen. Das Ministerium habe deshalb den Landesrechnungshof um eine Auflistung gebeten. Man werde sodann eine abschließende Stellungnahme abgeben.

Dies zur Kenntnis nehmend, vertagte der Unterausschuss Rechnungsprüfung die Berichterstattung auf die Sitzung am 25. Juni 2014. Tatsächlich wurde die Angelegenheit in der 23. Sitzung am 24. September 2014 wieder behandelt. Hier berichtete das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr, dass die Stadt Wernigerode den Schlussverwendungsnachweis für den 30. September 2014 angekündigt habe. Eine weitere Kostenfortschreibung sei nicht zu erwarten. Nach erfolgter Prüfung des Verwendungsnachweises werde das Ministerium erneut berichten. Der Ausschuss forderte eine Zusammenstellung der Kosten an und vereinbarte, das Thema im ersten Quartal 2015 wieder aufzurufen.

Das Ministerium berichtete mit Schreiben vom 11. Mai 2015 über die vom Ausschuss im September 2014 angeforderte Kostenentwicklung. Zugleich wies es auf eine angespannte Personalsituation im Referat 307 des Landesverwaltungsamtes hin, die eine Schlussberichterstattung nicht terminierbar mache.

Der Unterausschuss Rechnungsprüfung befasste sich in der 28. Sitzung am 13. Mai 2015 erneut mit der Angelegenheit. Der Beauftragte des Ministers führte aus, dass die Verwendungsnachweise nunmehr vorlägen. Er führte erstmals aus, dass das Ministerium für die Vorlage den Zuwendungsempfängern Fristverlängerung gewährt habe. Die Bearbeitung des Verwendungsnachweises liege beim Landesverwaltungsamt; dort herrsche eine angespannte Personalsituation, sodass eine Terminnennung für die Schlussberichterstattung nicht möglich sei.

Auf Nachfrage erläuterte er ferner, es gebe Bearbeitungsrückstände bei der Verwendungsnachweisprüfung. Zur Bearbeitung stünden acht Vollbeschäftigteneinheiten zur Verfügung; tatsächlich seien aber nur zwei Bedienstete mit dieser Aufgabe betraut. Aufgrund einer langfristigen Erkrankung nehme die Aufgabe derzeit nur eine Beschäftigte, und das auch nur teilweise, wahr. Man prüfe, ob ein externer Dienstleister mit der Verwendungsnachweisprüfung betraut werden könne. Der Vertreter des Ministeriums der Finanzen sagte im Ausschuss daraufhin zu, bezüglich der personellen Situation eine Klärung herbeizuführen.

(Minister Herr Stahlknecht: Machen Sie es doch kürzer!)

- Wir brauchen das exakt, Herr Minister. - Der Unterausschuss gab dem Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr auf, bis zu der Sitzung am 10. Juni 2015 über die personelle Situation und mögliche Lösungsansätze, die Zahl der offenen Verwendungsnachweise sowie einen Termin für die Schlussprüfung des infrage stehenden Verwendungsnachweises zu berichten.

Der Bericht lag in der Sitzung am 10. Juni 2015 nicht vor. Der Beauftragte des Ministers für Landesentwicklung und Verkehr sah sich auch nicht in der Lage, über die in der vorangegangenen Sitzungen aufgeworfenen Fragen zu berichten. Lediglich das Ministerium der Finanzen konnte berichten, dass die Altfälle der Verwendungsnachweise durch die Investitionsbank geprüft werden sollen.

Die Ausschussmitglieder, insbesondere die Vertreter der Opposition, brachten ihr Missfallen wegen der Nichtauskunfterteilung des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr zum Ausdruck und forderten eine unverzügliche Berichterstattung ein. Sie erklärten, dass, sofern der Bericht nicht zeitnah vorliege, eine öffentliche Rüge des Ministeriums unabwendbar sei.

In Reaktion auf eine Pressemitteilung der Oppositionsparteien teilte das Ministerium Medienvertretern am nächsten Tag die Zahlen der Bearbeitungsrückstände mit, zu denen sie am Vortag im Ausschuss nur geschätzte Angaben machen konnten.

Erst mit Schreiben vom 25. Juni 2015 und damit nach Einreichung des Missbilligungsantrags berichtete der Minister vollständig zu allen im Ausschuss aufgeworfenen Fragen und stellte die Schlussverwendungsnachweisprüfung bis Ende September 2015 in Aussicht.

(Der Redner trinkt etwas Wasser - Herr Borgwardt, CDU: Ist das Thema so trocken, oder was? - Zuruf von Herrn Scheurell, CDU)

Die antragstellenden Fraktionen halten an ihrem Ihnen vorliegenden Missbilligungsantrag fest. Der

von mir dargelegte Sachverhalt verdeutlicht, dass das Ministerium den Landtagsbeschluss vom März 2013 nur schleppend umgesetzt hat.

Die Berichterstattungsfrist konnte auch deshalb nicht eingehalten werden, weil das Ministerium den Zuwendungsempfängern Fristverlängerung ge

währte. Es unterließ es, den Ausschuss über diesen Umstand in Kenntnis zu setzen. Auch berichtete es nicht bzw. zu einem viel zu späten Zeitpunkt, dass ihm für die Umsetzung des Beschlusses nicht die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung standen. Dass die Nichtberichterstattung in der Ausschusssitzung am 10. Juni 2015, also einen Monat, nachdem die Fragen aufgeworfen wurden, schon vor dem Hintergrund der mehrmals verlängerten Fristen für ein Parlament nicht hinnehmbar sind, muss ich hier sicherlich nicht erläutern.

Bezüglich des Punktes 3 unseres Antrages schlage ich Ihnen vor, die Terminstellung auf den 30. September 2015 zu ändern und damit dem Vorschlag des Ministers zu entsprechen.

Herr Minister Stahlknecht, nun sehen Sie: Die Schilderung auch eines solchen ministeriellen Vorgangs bedarf einer gewissen Sorgfalt und Aufarbeitung. Denn wir wollen hier nicht in den Geruch kommen, Wahlkampf zu machen,

(Lachen bei und Zurufe von der CDU)

sondern wir wollten die Arbeit der Landesregierung schildern und deutlich machen, dass sie natürlich zu missbilligen ist.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Nichtauskünfte in Ausschüssen kommen öfter vor. Dass aber seit dem 30. Juni 2013 keine Angaben gemacht werden und Termine verschoben werden,