Protokoll der Sitzung vom 02.07.2015

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die vereinbarte Fünfminutendebatte eröffnet der Kollege Barth. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist heute nicht das erste Mal, dass wir uns mit diesem Thema befassen. Aber ich denke, in Anbetracht der Zustände - ich bezeichne es einmal so - auf der Bundesebene ist es notwendig, dass wir uns hierzu positionieren.

Ich denke, im Parlament sind wir uns generell darüber einig, dass von der Ausstiegsklausel zum Anbau von transgenen Pflanzen auf der Bundesebene Gebrauch gemacht werden muss. Der Weg dahin wird sicherlich unterschiedlich sein; der Minister und auch Frau Frederking wiesen darauf hin.

Ich will kurz aus dem Koalitionsvertrag zwischen der CDU/CSU und der SPD zitieren:

„Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an.“

Für mich heißt das, wir akzeptieren, dass der Anbau von GVO in Deutschland nicht gewollt ist. Folgerichtig sollte der Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt selbst die Initiative ergreifen und das recht schnell; denn die Zeit drängt.

Entsprechend dem Zweiphasenmodell der EU haben wir bis zum 3. Oktober 2015 die Möglichkeit, zu acht genehmigungsreifen Anträgen der EU einfach mitzuteilen, dass wir in Deutschland keinen GVO-Anbau möchten. Dann wäre das so zu entscheiden und auch nicht anfechtbar. Lassen wir diese Zeit allerdings verstreichen, so wäre danach

ein Verbot nur noch nach Abwägung von allen möglichen Interessen machbar und das Verbot könnte beklagt werden. Ich denke, wir sind uns darüber einig, dass das nicht gewollt sein kann.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die vom Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt angeführten Argumente für eine Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf die Länder halten wir für vorgeschoben. Unterschiedliche Agrarbetriebsstrukturen und Anbaubedingungen sowie einen starken regionalen oder lokalen Bezug als Argument zu nennen, können wir bei GVO nicht nachvollziehen. Gerade die Probleme, die transgene Pflanzen bei Nachbarbetrieben verursachen können, sind wohl weitestgehend unabhängig davon.

Eine Zuständigkeit der Länder würde zudem bedeuten, dass jedes Anbauverbot mit erheblichen Kosten verbunden wäre, um die notwendige Rechtssicherheit herzustellen. Frau Frederking wies schon darauf hin. Auch würden wir riskieren, dass einzelne Länder von den Herstellern verklagt werden, was auch zu erheblichen Kosten führen kann. Außerdem wäre es auch so, dass sich, je unterschiedlicher die Länder agieren und je unterschiedlicher die Verbotsgründe sind, umso mehr Angriffsflächen für Klagen bieten. Es gibt also viele gute Gründe für eine bundesweite Umsetzung der Ausschlussklausel.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die regierungstragenden Fraktionen haben sich in ihrem Alternativantrag auf die Kernaussage beschränkt. Sicherlich hätten wir als SPD-Fraktion dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen können, wie es in Schleswig-Holstein geschehen ist. Das geht aber in unserer Koalition nun mal nicht. Eine Ausschussüberweisung hätte uns in der Sache auch nicht weiter gebracht, weil die Zeit drängt - ich wies darauf hin - und wir eine schnelle Lösung brauchen.

Insofern möchte ich noch einmal bekräftigen, dass die SPD den Anbau von GVO in Sachsen-Anhalt ablehnt, und bitte um Zustimmung zu unserem Alternativantrag. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Barth. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Kollegin Hunger.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele Umfragestatistiken belegen, dass Argrogentechnik in Deutschland auf wenig Zustimmung stößt. Die große Mehrheit lehnt gentechnisch veränderte Pflanzen ab. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es

gibt ethische und gesundheitliche Bedenken. Naturschützer sehen die biologische Vielfalt gefährdet. DIE LINKE hat immer wieder die zunehmende Macht der Konzerne über das, was auf unseren Tellern landet, thematisiert und die Wahlfreiheit für die Verbraucher eingefordert.

(Zustimmung bei der LINKEN)

In anderen Ländern wird Agrogentechnik weniger kritisch gesehen. Seit etwa fünf Jahren versucht man deshalb, einen Kompromiss in der europäischen Gesetzgebung zu finden, der den Ländern Anbauverbote ermöglichen soll. Unter maßgeblicher Beteiligung des Europaparlaments liegt nun seit Ende 2014 ein Vorschlag zur Richtlinienänderung vor, in dem das Recht der Länder auf Anbauverbote festgeschrieben ist. Es bleibt zu hoffen, dass Brüssel damit nicht die Erwartung hegt, dass nun die Zulassungsverfahren beschleunigt werden könnten, da ja eine nationale Ausstiegsklausel bestehe.

Die Bundesregierung bereitet zurzeit die Umsetzung dieser Änderung in deutsches Recht vor. Darüber ist von anderen schon berichtet worden. In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag in der Drs. 18/3737 vom Januar 2015 gibt sie an, sie prüfe noch, ob sie ein bundesweites oder länderspezifisches Anbauverbot vorschlage. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich aber, wie es der Herr Minister bereits ausführte, sowohl die Agrar- als auch die Umweltministerkonferenz klar und ausdrücklich für eine bundesweite Lösung ausgesprochen.

Die Bundesregierung ist hierbei also offensichtlich auf dem Wege, gegen die Interessen der Bundesländer handeln zu wollen und damit den nationalen Flickenteppich zuzulassen. Deshalb würde ich dem im Antrag formulierten Auftrag an die Landesregierung, sich weiter für die bundesweite Verbotsregelung einzusetzen, zustimmen.

Es ist doch bekannt, dass nur möglichst großflächige Anbauverbote für gentechnikfreie Landwirtschaft und Imkerei die hohen Kosten zum Schutz vor Verunreinigung bei Ernte, Transport, Verarbeitung und Vermarktung zumindest minimieren können. Die rechtliche Zersplitterung dürfte neben anderen Klagegründen im Falle des Wirksamwerdens von TTIP das Einfallstor für Klagen weiter öffnen. Immerhin wäre damit die 16-fache Hoffnung auf Erfolg gegeben.

Meine Zustimmung findet auch der im letzten Absatz des Antrages geforderte Einsatz für eine bessere Risikobewertung im Zulassungsverfahren. Wir brauchen mehr vorsorgende, begleitende und kontrollierende Technikbewertungs- und Sicherheitsforschung, die unabhängig nur als öffentliche Forschung geleistet werden kann.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der Antwort auf die Kleine Anfrage, die ich bereits ansprach, konnte ich entnehmen, dass im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Jahr 2015 gar kein Projekt zur Überwachung oder Erforschung von Gentechnikproblemen geplant ist. Im Bundesumweltministerium sind zumindest zwei Projekte geplant. Ich meine, das reicht nicht aus.

Lassen Sie Sie mich zum ersten Satz Ihres Antrages noch etwas sagen. Diese Formulierung hat für mich etwas von „Basta“ - damit wollen wir nichts mehr zu tun haben; darum kümmern wir uns nicht mehr. Gentechnik ist eine Risikotechnologie. Es geht dabei wirklich um viel, um mögliche irreversible Schäden an Umwelt und Gesundheit.

Deshalb brauchen wir viel mehr Diskussionen in der Gesellschaft, und nicht nur in Sachverständigengremien, wie wir mit diesen Risiken umgehen wollen. Menschen brauchen Informationen und Bildungsangebote, um sachkundig entscheiden zu können und nicht in Technologiefeindlichkeit, Maschinenstürmerei oder unbedarfte bedingungslose Befürwortung getrieben zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Informationen werden auch immer wichtiger, da sich die Methoden der Gentechnik stets entwickeln. Mein Kollege hat vorhin gerade deutlich gemacht, dass viele gentechnische Veränderungen gar nicht mehr als solche erkannt werden können. Die Gesetzgebung muss immer wieder aktualisiert werden.

Eine umfassende Information, der Diskurs darüber und die Abwägung, wie man damit umgeht, ist in einer Gesellschaft, die durch Profitstreben und Verwertungsinteressen getrieben ist, nur durch außerparlamentarischen Druck, Öffentlichkeit und Bürgerbeteiligung durchsetzbar, und das auch nur begrenzt.

Ich denke, dass viele deshalb auch in dieses „Basta“ fliehen, weil sie meinen, ihre Werte anders nicht schützen zu können. Ich finde das schade, weil ich meine, dass man damit auch die Diskussion um die Chancen der Gentechnik abbricht. Ich kann es aber aus den vorher genannten Gründen des Nicht-gehört-, des Nicht-beachtet- und Nichtinformiert-Werdens verstehen. Ich werde aus diesen Gründen ihrem Antrag zustimmen, auch weil ich als Kernpunkt das Bemühen um das bundesweite Anbauverbot sehe.

Ich habe nur einen kleinen Änderungsantrag. In der Überschrift sollte zumindest die Agrogentechnik erwähnt werden; denn die anderen Bereiche haben wir heute gar nicht diskutiert.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dem Alternativantrag kann man natürlich auch zustimmen. Es geht um diese Ausstiegsklausel als Kernpunkt; das ist kein Problem. - Danke.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hunger. - Für die CDUFraktion spricht jetzt Herr Geisthardt. Bitte, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich musste an das schöne Lied „Alle Jahre wieder“ denken, als ich den Antrag gelesen habe. Andrea Nahles hätte vermutlich gesungen, ich tue es nicht.

Der Minister hat eigentlich recht deutlich gemacht, warum wir diesen Antrag, so wie er uns vorliegt, ablehnen müssen. Der Alternativantrag macht deutlich, dass ein Anbauverbot, sei es aufgrund der Bedenken der Bevölkerung, sei es aus anderen Gründen, nur dann sinnvoll ist, wenn man es bundeseinheitlich einführt. Hier sage ich klar: Der Föderalismus - so lieb er mir ist - ist hier fehl am Platze, ist hier nur hinderlich.

Nun zum Inhalt. Ich denke, wir sollten nicht dämonisieren und Ängste schüren,

(Zustimmung bei der CDU)

sondern wir sollten einfach auch einmal darüber reden, was der aktuelle Stand bei der grünen Gentechnik ist. Aus der grünen Gentechnik hat sich Deutschland und auch vielfach die Europäische Union aus wirtschaftlicher Sicht zurückgezogen. Die Unternehmen sind weg. Sie sind aus SachsenAnhalt weggegangen, sie sind aus großen Teilen Deutschlands weggegangen. Sie forschen jetzt in anderen Ländern. Es ist ein mächtiges Forschungspotenzial verlorengegangen. Das ist insbesondere für uns sehr schade; denn die Züchtungsforschung hat in Sachsen-Anhalt eine lange Tradition.

(Beifall bei der CDU - Herr Gürth, CDU: So ist es! Sehr richtig!)

Seitdem im Jahr 2013 die Feldzerstörer die letzten Wissenschaftler sozusagen aus dem Lande getrieben haben, ist die weltweit führende Stellung Sachsen-Anhalts auch beendet.

(Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

Es heißt dann immer: Teufelszeug. Grüne Gentechnik ist per se böse, nur rote und weiße Gentechnik sind in Ordnung. Aber worin besteht denn der Unterschied? Gentechnik bei tierischen Lebewesen ist okay, bei Pflanzen ist es nicht okay?

Wir brauchen Insulin. Das stellen wir im Wesentlichen - -

(Frau Frederking, GRÜNE: Das ist der Topf!)

- Das ist doch völlig egal. Bei Pflanzen ist das für Sie offensichtlich ein Problem. Denken Sie einmal an die Diskussion um den Goldreis, der vielen Menschen hätte helfen können, der aber wegen sehr kurzsichtiger ideologischer Vorstellungen verhindert worden ist.

Sie sollten einfach einmal anerkennen, dass in der Natur eine ganze Menge an Genaustausch stattfindet. Wir nutzen das in der Züchtungsforschung. Das eine ist gewollt, das andere ist eher zufällig. Aber im Prinzip ist es dasselbe.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)