- Herr Lange, lassen Sie es doch. Wir müssen uns doch einfach einmal mit den Realitäten beschäftigen. Es darf doch nicht ignoriert werden, dass mittlerweile auf etwa 13 % der gesamten Ackerbaufläche GVO angebaut werden. Erzählen Sie doch nicht, dass es möglich wäre, irgendwo eine Grenze zu errichten, durch die nichts heraus oder über die nichts herüber geht. Das geht nicht.
Sagen Sie den Menschen einfach, dass in den Geldscheinen, in der Kleidung, in der Baumwolle GVO steckt. Ich möchte wirklich wissen, wer von uns ein GVO-freies Kleidungsstück trägt. Wer weiß denn oder wer sagt den Leuten, dass jeder Deutsche etwa 60 kg GVO über Futtermittelimporte aus dem Ausland verbraucht? Jeder von uns nimmt das Zeug auf. Wenn Sie das nicht wollen, dann müssen Sie das Lebensniveau senken und weniger Fleisch und andere Produkte essen. Das müssen Sie den Leuten aber auch sagen.
Noch eines: Hier im Landtag sind Sie sehr dafür, dass wir GVO in Lebensmitteln kennzeichnen. Machen Sie es doch im Bund auch. Ich bin sehr dafür. Aber dann muss man auch zugeben, dass mindestens zwei Drittel aller Lebensmittel in irgendeiner Weise mit GVO zu tun haben. Das muss man den Verbrauchern sagen. Ich habe nichts gegen eine Kennzeichnung. Ich denke, das würde zur Klarheit beitragen.
Wenn Sie den Unterschied zwischen dem, was Sie vorgetragen haben, und dem, was die aktuelle Wissenschaft dazu sagt, wissen wollen, dann lesen Sie einmal nach, was Akademien wie beispielsweise die Leopoldina dazu gesagt haben. Das lässt sich im Internet nachlesen. Dort heißt es, dass zur Versachlichung der Debatte bei der Risikobewertung neuer Pflanzenzüchtungen die Eigenschaften der Züchtungsprodukte und nicht die Methode betrachtet werden sollten.
Wenn Sorten nur wegen der Züchtungsmethode unter das Gentechnikgesetz fallen, wird das Gesetz falsch angewendet. Ökologische und gesundheitliche Risiken sind Fragen des Einzelfalles. Fortschritte in der molekularen Züchtung, zum Beispiel die Kartoffel „Amflora“, ermöglichen eine gezielte Ausrichtung in der Pflanzenzüchtung - Herr Lange hat es vorhin angesprochen - auch auf ökologisch orientierte und nachhaltige Landwirtschaft.
Wenn wir uns hier die Dinge nicht wissenschaftlich anschauen, wenn wir in die Ideologie verfallen, dann verfallen wir in die Denkweise des Mittelalters, wo es einmal so schön hieß, dass die Philosophie die Magd der Theologie ist. Ich möchte nicht die Wissenschaft als die Magd einer Ideologie haben. - In diesem Sinne vielen Dank.
Lieber Kollege Geisthardt, vor einigen Tagen habe ich einen Artikel über die Verpachtung von kirchlichem Land in Sachsen-Anhalt und Thüringen durch die EKM gelesen. Sie haben vorhin das Thema Nutzung von gentechnisch veränderten Pflanzen auf Äckern angesprochen. Die Kirche ist ja einer der größten Landbesitzer in der Bundesrepublik und auch in Ostdeutschland, und eine Bedingung, eine Pacht zu vergeben, ist, dass die Pächter keine gentechnisch veränderten Pflanzen auf diesen kircheneigenen Ländereien anpflanzen. Wie beurteilen Sie denn als Mitglied einer christlichen Partei das Vorgehen der Kirchen, die dies für ihre Pachtverträge ausdrücklich ausschließt?
Könnte es sein, dass die Entscheidungsgremien in den Kirchen erst dann diesen Beschluss gefasst haben, als schon klar war, dass ohnehin keiner der Landwirte, der von ihnen die Äcker pachtet, GVOs anbaut?
Das kann ich nicht ausschließen. Die Diskussionen, denke ich, ist auch in den Kirchen recht breit gestreut, und solange die Kirchgemeinden darüber selbständig entscheiden und sich nicht von einer zentralen Entscheidung ihrer Landeskirche abhängig machen, halte ich das für gerechtfertigt.
Vielleicht darf ich noch ergänzen, Herr Kollege Tögel, bevor Sie die Frage stellen: Ich bin nicht Mitglied eines kirchlichen Entscheidungsgremiums und insofern sicherlich nicht der beste Zeuge für die Verfahrensweise dort.
Ich will nur sagen, dass es da in den Landeskirchen unterschiedliche Verfahren gibt. In der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands ist es so, dass das Landeskirchenamt im Einvernehmen mit den Gemeindekirchenräten die Entscheidung vorbereitet, aber dass der Vorschlag, an wen zu verpachten ist, von der Zentralen Verwaltungsstelle der Landeskirche kommt. Das wird in der anhaltischen Kirche anders gehandhabt. Dort machen es die Gemeindekirchenräte separat.
- Im Benehmen, genau. Okay, ich korrigiere mich: im Benehmen. Insofern ist es hier tatsächlich eine zentrale Stelle, und es sind nicht die Gemeindekirchenräte, die in der Kirchenprovinz darüber entscheiden.
Das sehe ich etwas kritisch, aber da wir uns darauf geeinigt haben, dass wir eine bundeseinheitliche
Regelung haben wollen, sollen das die Kirchen in ihren Bereichen so regeln, wie sie das möchten. Ich denke, dazu haben sie das Recht.
Vielen Dank. - Nun hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Frederking erneut das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Geisthardt, Sie fordern uns auf, uns mit den Realitäten zu beschäftigen. Ich möchte das gerne an Sie zurückgeben und Sie Ihrerseits auffordern, sich mit den Realitäten zu beschäftigen; und die Realität heißt: Gentechnik auf dem Acker ist nicht gewollt.
Das wollen die Menschen nicht, deshalb ist es auch gut, wenn wir unsere Landwirtschaft und unsere Lebensmittelwirtschaft schützen, indem wir keine gentechnisch veränderten Pflanzen zulassen und anbauen. Das sind die Realitäten. Es sind knallharte ökonomische Gründe, die hier eine Rolle spielen.
Sie fordern hier ständig, dass die Menschen wissen müssen, was in den Produkten steckt, und keiner würde ihnen das sagen. Ja, gehen Sie doch los und sagen den Menschen das. Dann machen Sie sich doch auf den Weg! Wir haben schon entsprechende Anträge in den Landtag eingebracht, dass tierische Lebensmittel gekennzeichnet werden, wenn die Tiere mit Gentechnik gefüttert wurden. Wer hat es denn wieder abgelehnt?
- Selbstverständlich wollen wir das, und ich kann Herrn Minister Aeikens auch versprechen, dass wir mit ihm gemeinsam - es war ja Ihre Aufforderung - den Weg gehen und uns für eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln einsetzen. Wir wollen eine Kennzeichnung, wenn Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Pflanzen hergestellt wurden. Es geht darum, transparent darzustellen, wenn Agrogentechnik im Spiel ist, das heißt, Gentechnik, die auf dem Acker stattfindet, Herr Geisthardt; denn gentechnisch veränderte Pflanzen auf dem Acker sind in der Umwelt und können sich auch weiter ausbreiten und zu Verunreinigungen auch auf benachbarten Äckern führen.
Sie haben gefragt, was der Unterschied zur anderen Gentechnik sei. Gentechnik beispielsweise zur Herstellung von Enzymen, Aromen oder Medikamenten findet in abgeschlossenen Behältern statt. Das heißt, diese gentechnisch veränderten Organismen können sich nicht unkontrolliert verbreiten.
Wenn dieser Einsatz gekennzeichnet werden soll, dann kann man das natürlich machen. Wir sind auf keinen Fall dagegen. Ich bin Herrn Minister Aeikens dankbar, dass er das heute anerkannt hat und sieht, dass wir nicht gegen eine Kennzeichnung sind.
Aber eine solche Kennzeichnung darf nicht verallgemeinernd auf den Lebensmitteln stehen, beispielsweise, indem nur geschrieben wird „Mit Gentechnik hergestellt“ - das wäre ja inflationär; dann wüsste man nicht, was gemeint ist, und die Verbraucherinnen und Verbraucher würden nicht die Informationen bekommen, die sie für eine Kaufentscheidung brauchen -, sondern eine Kennzeichnung muss echte Transparenz schaffen. Deshalb muss ganz klar gekennzeichnet werden, wenn gentechnisch veränderte Pflanzen genutzt wurden, insbesondere wenn es sich um tierische Lebensmittel handelt und die Tiere mit diesen Pflanzen gefüttert wurden -
also eine differenzierte Kennzeichnung. Dann gehen wir auch mit Ihnen gemeinsam den Weg für mehr Transparenz und eine bessere Kennzeichnung.
Ich freue mich, dass sich das Parlament so klar zum nationalen Anbauverbot bekennt und Verantwortung für Gentechnikfreiheit auf deutschen und damit auch auf sachsen-anhaltischen Äckern übernimmt. Nur so kann die starke Landwirtschaft und die starke Lebensmittelwirtschaft, die wir in Sachsen-Anhalt haben, geschützt werden, weil sie keine Verunreinigungen und Ertragseinbußen fürchten müssen.
Das, Herr Geisthardt, sind auch die knallharten Realitäten. Fragen Sie einmal bei einer Mühle nach, die Getreide verarbeitet und weiterverkauft, wie aufwendig die Analysen sind und mit welchen Schäden sie zu rechnen hat bzw. bereits hatte - einige sind schon pleite gegangen -, wenn dort Verunreinigungen gefunden werden.
Ich freue mich jedenfalls, dass ein nationales Anbauverbot auf den Weg gebracht werden soll, zu dem sich der Landtag eindeutig bekannt hat. Mit diesem klaren Votum des Landtages muss die Landesregierung beim Bund dann auch auf nationale Anbauverbote drängen. Ich bitte darum, dass die Landesregierung in der nächsten Woche im Bundesrat den Gesetzentwurf der grünen Bundes