Protokoll der Sitzung vom 17.09.2015

(Herr Kolze, CDU: Nein! Dann kommen Sie einmal in unseren Wahlkreis! - Weitere Zu- rufe von der CDU)

Deswegen brauchen wir den gemeinsamen europäischen Schutzraum. Wir brauchen in der Tat ein gerechtes Verteilsystem innerhalb Europas; das ist gar keine Frage. Nur bitte ich dann auch darum, dass wir alle - damit sind vorrangig natürlich auch die Koalitionsfraktionen gemeint - unseren Einfluss entsprechend geltend machen.

Wenn wir sagen, gerechtes Verteilsystem, dann geht das nicht zusammen mit „Dublin“, dann beinhaltet das das Abschaffen des Dublin-Systems.

(Herr Schröder, CDU: Nicht Abschaffung! Er- satz! Durch eine andere Regelung ersetzen! - Herr Borgwardt, CDU: Das machen Sie aber nicht! - Weitere Zurufe von der CDU)

Nichts anderes war der Auftrag des Antrages der Linksfraktion, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der CDU)

- Natürlich muss es abgeschafft werden.

Die Beschlussempfehlung ist zum Teil zynisch. Ich habe angesichts der Tausenden von Todesopfern, die wir unter den Menschen, die nach Europa strömen, zu beklagen haben, ehrlich gesagt, auch nicht mehr groß Lust, mich hier Betroffenheitsbekundungen anzuschließen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich finde das zynisch. Sätze wie: Wir zeigen uns tief betroffen darüber, dass in der Vergangenheit und aktuell Menschen bei dem Versuch der Überquerung des Mittelmeers zu Tode gekommen sind …; es ist die humanitäre Pflicht Deutschlands und Europas, dem nicht unbeteiligt zuzusehen … - Das ist mir zu wenig, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Herrn Wunschinski, CDU)

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Anfragen gibt es nicht. Wir fahren in der Aussprache fort. Als Nächste spricht für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Schindler.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der heutigen abschließenden Beratung des Antrages aus dem Innenausschuss könnte ich auch direkt auf meine Rede vom Juli dieses Jahres verweisen; denn dort wurde der zweite Antrag der LINKEN eingebracht; der Berichterstatter hat es erwähnt. Auch in Auswertung der Reise der Obleute des Innenausschusses nach Palermo ist eine Diskussion dazu erfolgt.

Wir müssen feststellen, dass sich die Hintergründe und auch die Argumente nicht verändert haben. Allerdings hat sich die Situation noch verschärft. Gleichzeitig möchte ich an dieser Stelle sagen, dass sich meine Einschätzung von damals wieder bestätigt.

Ich wiederhole es für unsere Fraktion, die SPDFraktion: Wir sind der Auffassung, dass das Dublin-Verfahren nicht greift und dass es gescheitert ist. Wir dürfen kein Europa der Abschottung werden.

Wie die Erfahrungen im Juli dieses Jahres gezeigt haben, geht es nicht mehr nur um die Flüchtlinge, die in Italien und in Griechenland ankommen und dann weitergeleitet werden. Wir reden jetzt von Zäunen, die wieder aufgebaut werden, von Verteidigung, von Grenzen innerhalb Europas. Wir dachten, dies hätten wir in Europa überwunden. Eine Abschottung - international, aber vor allen Dingen national - darf es nicht geben.

Dazu wiederhole ich meine Fraktionsvorsitzende, die am Anfang der Woche sagte: Das Problem heißt nicht Schengen, das Problem heißt DublinVerfahren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Flüchtlinge, egal wie und wo sie ankommen, gehen ihren Weg. Wird die eine Grenze geschlossen, finden sie eine andere, die sie zu überwinden versuchen. Gegenwärtig führt sie ihr Weg nicht mehr über Ungarn, sondern über Kroatien. Eine der größten Errungenschaft der Europäischen Gemeinschaft waren die offenen Grenzen. Deutschland und die Europäische Union leben von dieser Stärke. Wir dürfen dies nicht aufs Spiel setzen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD, und von Herrn Herbst, GRÜNE)

Verantwortung für Flüchtlinge müssen wir in Europa gemeinsam tragen. Das heißt, die Lasten müssen fair verteilt werden.

(Zustimmung von Herrn Herbst, GRÜNE)

Die Europäische Gemeinschaft ist eine Solidargemeinschaft. Dies gilt auch für die Flüchtlingspolitik. Das Prinzip der Zuständigkeit allein eines Staates, und zwar - das ist schon gesagt worden - desjenigen europäischen Staats, in den die Flüchtlinge zuerst einreisen, kann nicht mehr länger gehalten werden. Ich denke, dazu besteht über alle Parteien hinweg ein Konsens.

Deshalb noch einmal unsere Forderung: Das Dublin-Verfahren muss aufgehoben werden; wir brauchen eine neue solidarische Regelung in Europa, eine solidarische Teilung der Verantwortung aller Mitgliedstaaten.

(Zustimmung bei der SPD und von Minister Herrn Stahlknecht)

Wir werden uns in Land und Bund für eine entsprechende Änderung einsetzen. Wir stimmen der Beschlussempfehlung zu, weil dies auch Bestandteil dieser Beschlussempfehlung ist. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Danke schön, Kollegin Schindler. - Weitere Wortmeldungen in der Aussprache gibt es nicht. Dann können wir die Aussprache abschließen und ins Abstimmungsverfahren eintreten.

Wer der Beschlussempfehlung in der Drs. 6/4251 zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Ich sehe Zustimmung bei den Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Die Oppositionsfraktionen. Enthält sich jemand der Stimme? - Das ist nicht der Fall. Damit hat die Beschlussempfehlung die Zustimmung der Mehrheit der Koalitionsfraktionen gefunden. Der Tagesordnungspunkt 7 ist erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufnahmegesetzes und zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 6/4355

Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/4385

Den Gesetzentwurf bringt für die Landesregierung der Minister der Finanzen Jens Bullerjahn ein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will es kurz machen, weil ich glaube, dass wir zum Thema Haushalt, Nachtragshaushalt später im Zu

sammenhang mit dem Thema Kommunalfinanzen noch ausführlicher reden werden.

Ihnen liegt ein Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes für das Jahr 2016 und zur Änderung des Aufnahmegesetzes vor. Den politischen Hintergrund kennen Sie.

Die das FAG betreffenden Änderungen beruhen im Wesentlichen auf der Anwendung der Revisionsklausel gemäß § 2 Abs. 2 FAG. Diese sieht eine Revision für das Haushaltsjahr 2016 dahin gehend vor, dass bei Abweichungen von den bisherigen Prognosen der Steuerschätzung sowie des harmonisierten Verbraucherindex die Berechnung des FAG, der Ausgleichsmasse anzupassen ist - alle Jahre wieder.

Unter Berücksichtigung der aktuellen Steuerschätzung sowie der Veränderung der Preissteigerungsrate von 1,9 % auf 1,4 % verringert sich die Finanzausgleichsmasse für das Jahr 2016 um rund 1,3 Millionen €. Das ist, glaube ich, eine mathematisch nachvollziehbare Angleichung.

In Sachen Asyl - ich denke, das ist ein politischer Ansatz; das ist ein Thema, das sozusagen alle umtreibt - erfolgt für das Jahr 2016 eine Überführung von insgesamt 48 Millionen € in das Aufnahmegesetz zur Finanzierung der Aufgaben im Asylbereich, die dann über das Aufnahmegesetz finanziert werden. Ich sage aber: Das basiert auf den jetzigen Überführungen. Das Thema Nachtragshaushalt und Asyl wird uns aufgrund ganz anderer politischer Entscheidungen noch in größerem Umfang beschäftigen.

Die ursprünglich vorgesehene Kürzung des Ausgleichsstocks um 5 Millionen € wurde aufgrund des Vortrags der kommunalen Spitzenverbände und sicherlich auch aufgrund von Forderungen aus den Fraktionen nicht weiter verfolgt. Diplomatischer kann ich es nicht sagen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD, und von Frau Schindler, SPD)

Darüber hinaus wurde dem Wunsch der kommunalen Spitzenverbände auf weitere Auszahlungstermine im Rahmen das FAG dahin gehend Rechnung getragen, dass ab 2016 auch eine Auszahlung zum 15. Januar erfolgen soll. Dabei geht es schlichtweg immer um das Thema Liquidität.

Zwei weitere Dinge: Zum einen habe ich veranlasst - darüber haben wir, glaube ich, auch im Finanzausschuss schon informiert -, dass die Auszahlung der sechsten Rate der Auftragskostenpauschale statt im Dezember bereits am 11. September erfolgt ist. Ausschlaggebend war, dass die im Nachtragshaushaltsplan veranschlagten zusätzlichen Mittel für erhöhte Ausgaben im Bereich Asyl erst mit der Verabschiedung und dann voraussichtlich im Oktober zugewiesen werden können.

Die Auszahlung dient der Überbrückung bis zum Inkrafttreten des Nachtragshaushalts. Damit wird gewährleistet, dass Landkreise und kreisfreie Städte über Mittel in ausreichendem Umfang verfügen. Aus verwaltungsökonomischen Gründen wurde die Auszahlung jedoch an alle Kommunen vorgenommen. Die kommunalen Spitzenverbände wurden hiervon in Kenntnis gesetzt.

Zum anderen beabsichtige ich - das ist mit den Regierungsfraktionen und dem gesamten Kabinett abgesprochen -, soweit dem Nachtragshaushalt dann zugestimmt wird, den Kommunen eine Einmalzahlung in Höhe von 25 Millionen € jeweils für die Jahre 2015 und und 2016 zuzuweisen. Das war wichtig für unsere Planung. Über die konkrete Verwendung und die Zuweisung zu einem bestimmten Zweck reden wir im Finanzausschuss noch. Das ist auch Teil des Gesamtpakets Asyl für die Kommunen. Unter anderem sollen damit - das ist schon jetzt absehbar - zusätzliche Kosten bei der Kinderbetreuung, die mit dem Bereich Asyl zusammenhängen, finanziert werden können.

Wie bisher wird das FAG durch Stark-Programme flankiert. Im Hinblick auf das Programm Stark II habe ich entschieden - auch das haben wir schon öffentlich erklärt -, dass das Programm um zwei Jahre verlängert wird. Das bedeutet, dass die für 2017 und 2018 beantragten Kredite ohne Wirtschaftlichkeitsprüfung in den jeweiligen Jahren umgeschuldet werden können und dass eine mögliche Vorfälligkeitsentschädigung insoweit entfällt.

Der bisherige Erfolg des Programms spiegelt sich in dem zurückgehenden Schuldenstand der Kommunen wider. Sachsen-Anhalt weist - das haben Sie kürzlich in einer Veröffentlichung der Bertelsmann-Stiftung lesen können - in Euro je Einwohner den höchsten Rückgang aller Flächenländer auf. Seit 2006 haben sich die investiven Schulden der Kommunen um rund 1,34 Milliarden € verringert. Ich sage das deswegen, weil das im Zusammenhang mit dem Thema Kassenkredite, wenn man das zusammenrechnet, ein wesentlich höherer Betrag ist. Aber darauf werde ich in meiner Rede zum Nachtragshaushalt separat hinweisen.