Ich hätte mir sehr gewünscht, dass wir Vorreiter im Bundesgebiet gewesen wären. Wir hätten noch Baden-Württemberg und andere Länder überholen können, aber dieses Eindampfen der Berufsabschlüsse - das ist in den Beratungen im Ausschuss immer wieder gesagt worden -, um Fachkräfte im Land zu halten, halte ich für den absolut falschen Weg.
Ich glaube, das ist ein Modellprojekt, das ein bisschen nach blindem Aktionismus aussieht, um jetzt irgendwie etwas vorzuweisen. Über den Antrag wurde so lange diskutiert, bis die Realität den Antrag angeblich überholt hätte. Das erinnert mich aber sehr an das Überholen ohne einzuholen. Das macht es wirklich nicht besser.
Dass wir über die Akademisierung nicht nur reden, sondern sie tatsächlich flächendeckend einführen müssen, und dass wir auch die Praxisorientierung
Ich finde, das Verfahren ist auch ziemlich schleppend gelaufen. Ich habe es eben angedeutet. Es ist schon der Eindruck entstanden, dass Sie vom Grundsatz her unser Anliegen teilen, sich aber doch nicht trauen, so weit zu springen, um tatsächlich zu sagen, wir führen flächendeckend die dreijährige duale Ausbildung ein. Die Chance hätten wir in Sachsen-Anhalt gehabt; wir haben sie vertan.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der lange Weg des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit dem Titel „Reform der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern“ zurück in unser Plenum hat schon Erwähnung gefunden.
Der lange Diskussions- und Abwägungsprozess hat mit der nun vorliegenden Beschlussempfehlung in der Drs. 6/4430 aus meiner Sicht ein gutes Ergebnis erbracht. Der zentralen Forderung, mehr Männer und Frauen für einen pädagogischen Beruf im Bereich der Kindertagesbetreuung zu gewinnen, wird hiermit in verschiedener Hinsicht Rechnung getragen. Die Einführung einer dual orientierten Erstausbildung zur Fachkraft für Kindertageseinrichtungen in Form eines wissenschaftlich begleiteten Modellprojektes ermöglicht es Bewerberinnen und Bewerbern mit einem Realschulabschluss, bereits nach drei Jahren in das Berufsleben einzusteigen. Damit erreichen wir einen schnelleren beruflichen Einstieg in die Kindereinrichtungen, die dringend multiprofessionelle Verstärkung benötigen.
Damit schaffen wir die Möglichkeit, sowohl Theorie und Praxis zu verzahnen als auch die Ausbildungszeit zu verkürzen. Letztlich erreichen wir damit auch eine Stärkung der Sekundarschulen und verstetigen die hohe Attraktivität der dualen Berufsausbildung im Land Sachsen-Anhalt, um die uns viele europäische Länder beneiden.
Natürlich, sehr geehrte Damen und Herren, muss eine Erstausbildung nicht das Ende des beruflichen Lebenswegs bedeuten. Man kann mit dieser Erstausbildung sicherlich sogar Landtagsabgeordneter oder Landtagsabgeordnete werden.
Insbesondere Punkt 2 Buchstaben b und c der Beschlussempfehlung sind hervorzuheben. Maßnahmen zur Qualifizierung für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger sind besonders vor dem Hintergrund der vielen neuen kleinen Mitbürgerinnen und Mitbürger aus anderen Ländern heute wichtiger denn je. Die erleichterte Anerkennung von fachnahen Studienabschlüssen, zum Beispiel als Frühpädagogin und Frühpädagoge, ist dringend nötig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heute vorliegende Beschlussempfehlung trägt zur Fachkräftesicherung im Land Sachsen-Anhalt bei. Wie wir von Minister Dorgerloh gehört haben, hat das Tagesgeschäft schon einen Teil unserer Beschlussempfehlung überholt. Das ist außerordentlich erfreulich.
Erlauben Sie mir abschließend eine persönliche Bemerkung: Ich hoffe, dass andere mit dem „Kompetenzzentrum Frühe Bildung“ der Hochschule Magdeburg-Stendal verbundene Vorhaben nicht in Vergessenheit geraten; denn unsere Landeskinder haben im Sinne der bereits angesprochenen Fachkräftesicherung ebenso eine berufliche Perspektive verdient. - Ich bitte das Hohe Haus, der Beschlussempfehlung zuzustimmen.
Damit ist die Aussprache beendet. - Wir stimmen über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Kultur in der Drs. 6/4430 ab. Wer dieser zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen worden. Der Tagesordnungspunkt 17 ist erledigt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Schutz der Tiere ist im Grundgesetz und im Tierschutzgesetz verankert. Ich zitiere § 1 des Tierschutzgesetzes:
„Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“
Das sind starke Worte, die eindringlich sind und uns auffordern, uns für das Tierwohl aller Tierarten einzusetzen. Heute möchte ich das namens meiner Fraktion für die Mastputen tun.
Um ihre Rechte durchzusetzen, müssen die Standards ihrer Haltung sowohl verbessert als auch verbindlich gemacht werden. Wir fordern, dass unter Berücksichtigung ihrer arteigenen Verhaltensweisen und Bedürfnisse die Haltungsbedingungen von Mastputen rechtlich in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung verbrieft werden. Das ist derzeit für die Puten nicht der Fall, anders als zum Beispiel für Schweine, für Hühner und für Kälber. Für diese Tiere sind detaillierte Vorgaben in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung enthalten. Bei der Putenhaltung muss dieses Defizit beseitigt werden, damit der Tierschutz über verbindliche Regelungen besser durchgesetzt werden kann.
Die Haltung von Mastputen hat in den letzten Jahrzehnten in Deutschland mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. Betrug der Putenbestand im Jahr 1970 noch rund 850 000 Tiere, ist er inzwischen auf rund elf Millionen Puten in Deutschland angestiegen. Allein in Sachsen-Anhalt gibt es 38 Anlagen, die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt werden müssen, da sie den Schwellenwert von 15 000 Truthühnern pro Anlage überschreiten. Hierzulande haben die Anlagen - ich habe mir die Liste einmal angeschaut - Größenordnungen von 20 000, 30 000, 40 000 und sogar mehr als 50 000 Tierplätzen.
Wir haben es hierzulande also mit einem bedeutenden Wirtschaftszweig der Nutztierhaltung zu tun. Umso weniger ist es verständlich, dass es für die Haltung von Mastputen bis heute keine spezifischen tierschutzrechtlichen Vorschriften gibt. Es sind nur die allgemeinen Vorschriften des Tierschutzgesetzes und die allgemeine Vorschrift der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung anwendbar. Damit kann allerdings der Tierschutz bei der Mastputenhaltung nicht ausreichend gewährleistet werden.
Als konkreterer Beurteilungsmaßstab gilt lediglich eine Selbstverpflichtung der Geflügelwirtschaftsverbände. Das sind bundeseinheitliche Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen. Diese stammen aus dem Jahr 1999 und wurden im Jahr 2013 aktualisiert.
Auch wenn die Einhaltung dieser Vereinbarung freiwillig ist, wird sie von fast allen Betrieben umgesetzt, da sie a) Grundlage für die Kontrollen ist und b) die Erfüllung dieser Kriterien eine Voraussetzung für den Erhalt des QS-Siegels ist, das vom QS-Lebensmittelprüfsystem vergeben wird. Sie kennen dieses Zeichen auf Fleischpackungen. Putenfleisch ist heute nur zu vermarkten, wenn die Standards der Eckwerte eingehalten werden. Die Discounter lassen sich das auch bescheinigen.
Allerdings sind die mit den Eckwerten vereinbarten Standards in vielerlei Hinsicht überhaupt nicht ausreichend. Die meisten Mastputen werden in Intensivhaltung mit hoher Rationalität und unter mangelnder Berücksichtigung ihrer tiereigenen Bedürfnisse gemästet. Es kommt zu Schmerzen, Leiden und Schäden für die Tiere, die sich aus einer Kombination von Überzüchtung und unzureichenden Haltungsbedingungen ergeben. Daraus resultiert für die Tiere auch eine Vielzahl von Belastungen wie Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, des Skelettsystems und der Atemwege.
Vor dem Hintergrund der Problematik von Antibiotikarückständen und Resistenzbildung hat das Land Nordrhein-Westfalen untersuchen lassen, inwieweit diese Haltungsform mit einem deutlich erhöhten Arzneimittelverbrauch einhergeht. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz hat eine umfangreiche Studie zur Situation in der Putenhaltung unter besonderer Berücksichtigung der Arzneimittel- und Tierschutzbelange durchgeführt. Die Ergebnisse sind im November 2014, also vor einem Jahr, der Öffentlichkeit vorgestellt worden.
Die wichtigsten Ergebnisse sind: Neun von zehn Mastdurchgängen wurden mit Antibiotika behandelt. Einzelne Durchgänge, bei denen die Tiere über einen längeren Zeitraum gehalten wurden, erhielten bis zu 20 Behandlungen mit Antibiotika. Bei den Behandlungen kamen durchschnittlich zehn verschiedene Wirkstoffe pro Durchgang zum Einsatz.
Diese Studie zeigt, dass ein „Weiter so!“ auf der Grundlage von freiwilligen Willensbekundungen längst nicht ausreicht, um das Wohl der Tiere und letztlich auch die menschliche Gesundheit zu gewährleisten. Die Haltung der Puten und ihr gesundheitlicher Zustand müssen verbessert werden, und zwar durch höhere Standards, die rechtlich verbindlich gemacht werden müssen. Nur so ist die Grundlage für ihre Kontrolle und die amtliche Durchsetzung gegeben.
Nun hat sich das Land Nordrhein-Westfalen intensiv mit der Putenhaltung auseinandergesetzt, Pilotprojekte gestartet und - wie soeben dargelegt - auch Studien durchgeführt. Das Land hat also wissenschaftlich und fachlich fundiert gearbeitet, wie es die CDU und die SPD in ihrem Antrag fordern. Im Ergebnis ist daraus ein Entwurf für die Erweiterung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung entstanden. Ich möchte anhand von drei Punkten die vorgesehenen Verbesserungen verdeutlichen.
Erstens mehr Platz im Stall. Bei Putenhennen sollen pro Quadratmeter nutzbare Stallgrundfläche maximal 47 kg Lebendgewicht zulässig sein, bei Putenhähnen maximal 52 kg. Das bedeutet rund 10 % mehr Platz und ist ein wesentlicher Schritt, um den Puten mehr Raum für ihr tiergerechtes Bewegungs- und Ruheverhalten zu geben.
Zweitens bessere Beschäftigung über organisches Beschäftigungsmaterial, das gleichzeitig auch den Magen-Darm-Trakt stabilisiert. Den Mastputen soll zusätzlich zur Einstreu jederzeit geeignetes veränderbares organisches Beschäftigungsmaterial zur Verfügung stehen. Das können zum Beispiel Luzerne, Heu oder Grasheu sein. Die Hauptbeschäftigung der Puten ist Picken, Kauen, Schlucken. Das organische Beschäftigungsmaterial kann
gleichzeitig als eine Art Strukturfutter fungieren, das gut für den Magen-Darm-Trakt ist und zum Wohlbefinden beiträgt. Die Puten müssen dann nicht mehr gegen glitzernde CDs oder in ihrer eigenen Kotmatte picken. Wir wollen doch auch nicht ins Klo greifen, wenn uns langweilig ist.
Drittens Einführung von Tierschutzindikatoren mit dem Ziel, dass die Befunde am Schlachttier Konsequenzen für den jeweiligen Betrieb haben müssen. Wir brauchen also ein Gesundheitskontrollprogramm, das die Umsetzung von Maßnahmen im Betrieb erzwingt, wenn die Gesundheit der Puten schlecht ist. Bisher hat nur die Tierhalterin bzw. der Tierhalter vom Schlachthof die Ergebnisse bekommen und war dann gehalten, mit tierärztlicher Unterstützung Maßnahmen zur Verbesserung der Tiergesundheit einzuleiten. Das Verhältnis zwischen dem Schlachthof und dem Putenbetrieb ist aber ein rein privatrechtliches Verhältnis.
Im Rahmen ihrer amtlichen Fleischuntersuchung soll die Behörde tierschutzrelevante Befunde bzw. Tierschutzindikatoren, wie zum Beispiel Fußballenentzündungen, Lungengesundheit, Flügelbrüche, Blutergüsse, erheben und die Möglichkeit bekommen, Sanktionsmaßnahmen gegen den Betrieb auszusprechen, um die gesundheitliche Situation der Tiere zu verbessern.
Die Neuerung wäre, dass jetzt die Behörde mit ins Boot kommt. Die gucken sich vorher die Schlachtkörper schon an, aber jetzt können sie auch Befunde erheben und bekommen die Möglichkeit, zu handeln und den Betrieben Auflagen zu machen. Wenn sie beispielsweise feststellen, dass die Tiere verstärkt Lungenentzündungen haben, dann könnte man die Lüftung verbessern. Oder bei Flügelbrüchen müssen die Fängerkolonnen angehalten werden, ihre Arbeit fachgerecht zu vollziehen. Sie müssen dann also noch einmal eine Unterweisung bekommen, damit sie es zukünftig richtig machen.
Sehr geehrte Abgeordnete, lassen Sie uns gemeinsam die Landesregierung auffordern, in der Sitzung des Agrarausschusses am 19. Oktober 2015 und im danach folgenden Bundesratsplenum - vermutlich ist das dann schon am 6. November 2015 - für den Bundesratsantrag des Landes Nordrhein-Westfalen zu stimmen, der für die Putenhaltung höhere Standards rechtsverbindlich regeln will.
Mit dem Vorstoß des Landes Nordrhein-Westfalen, auch für Puten Haltungsvorgaben in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vorzusehen, würde endlich eine tierschutzrechtliche Lücke geschlossen werden, damit Puten wieder Tiere sein dürfen und keine Fleischberge auf zwei Beinen. - Vielen Dank.