Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

Mit dem Vorstoß des Landes Nordrhein-Westfalen, auch für Puten Haltungsvorgaben in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vorzusehen, würde endlich eine tierschutzrechtliche Lücke geschlossen werden, damit Puten wieder Tiere sein dürfen und keine Fleischberge auf zwei Beinen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr für die Einbringung, Frau Kollegin Frederking. - Für die Landesregierung spricht Herr Dr. Aeikens. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN wird die Landesregierung aufgefordert, einem aktuellen Bundesratsantrag des Landes Nordrhein-Westfalen zuzustimmen, der eine Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zur Festlegung von spezifischen Mindestanforderungen für die Haltung von Mastputen vorsieht.

Die GRÜNEN begründen ihren Antrag mit der Notwendigkeit spezifischer Regelungen, um den Tierschutz in der Putenmast zu verbessern. Die bestehende Selbstverpflichtung der Geflügelbranche in Form von bundeseinheitlichen Eckwerten für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen ist nach der Auffassung NordrheinWestfalens nicht ausreichend.

Lassen Sie mich kurz etwas Historisches zu den Eckwerten sagen. Der Verband Deutscher Putenerzeuger e. V. ließ im Jahr 2011 seine Initiative

„Nachhaltige deutsche Putenwirtschaft“ wieder aufleben, insbesondere um die bundeseinheitlichen Eckwerte zur Haltung von Mastputen zu überarbeiten. Neben mehreren Ländern, beispielsweise Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt, erklärten das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Bundesoberbehörden, tierärztliche Bildungsstätten und auch anerkannte Tierschutzorganisationen ihre Bereitschaft dazu, in einzelnen Fachgruppen und in der Gesamtarbeitsgruppe aktiv mitzuwirken.

Daraus resultierten die notwendigen Eckwerte, die am 1. Oktober 2013 in Kraft traten. Sie dienen der Umsetzung des § 2 unseres Tierschutzgesetzes. Das Kernstück dieser Eckwerte ist ein Gesundheitskontrollprogramm, mit dem durchgangsbezogene Parameter in Mast, Schlachtgeflügel und Fleischuntersuchungen erhoben, analysiert und für eine betriebsspezifische Schwachstellenanalyse genutzt werden.

In einer Pilotphase wurden im Jahr 2014 bundesweit tierbezogene Daten auf Schlachthöfen und in Herkunftsbeständen erfasst und datenbankbasiert in der Hochschule Osnabrück ausgewertet. Die im Ergebnis definierten Tierschutzindikatoren lassen vergleichende Rückschlüsse auf die Haltungsbedingungen in Mastbetrieben zu.

Zukünftig wird damit ein Benchmarking in der Putenhaltung möglich sein, insbesondere auf der Grundlage einer auf das Tierwohl ausgerichteten Zusammenarbeit zwischen dem Tierhalter, dem bestandsbetreuenden Tierarzt, dem Schlachthof und dem amtlichen Überwachungspersonal. Es ist vereinbart worden, dass die Eckwerte auf der Basis neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischer Erfahrungen bis zum Jahr 2018 überprüft werden. Ich glaube, das ist eine vernünftige Sache: eine gute Zusammenarbeit zwischen Tierhaltern, Wissenschaft, Administration und Tierschutzorganisationen.

Ich sage auch eindeutig, dass ich die Aufnahme eines Abschnitts Puten in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung grundsätzlich unterstütze und einen entsprechenden Beschluss der Agrarministerkonferenz am 2. Oktober 2015 in Fulda mitgetragen habe. Grundlage dieses Beschlusses war das Konzeptpapier einer Arbeitsgruppe der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz, die auf Initiative Sachsen-Anhalts anlässlich der Agrarministerkonferenz im Jahr 2014 in Potsdam einberufen wurde.

Mit Blick auf den Zeitpunkt der Initiative NordrheinWestfalens und die Inhalte des Verordnungsentwurfs sage ich aber auch ganz deutlich, dass ich nicht bereit bin, Aktionismus in dieser Frage zu unterstützen. Als Mitglied der Arbeitsgruppe unterzeichnete Nordrhein-Westfalen die überarbeiteten Eckwerte im Jahr 2013 genauso wie Sachsen

Anhalt und hat auch eine Überprüfung der Eckwerte bis zum Jahre 2018 mitgetragen.

Der nunmehr vorgelegte Verordnungsentwurf kam förmlich aus dem Nichts. Er ist mit anderen Ländern nicht abgestimmt worden und läuft in Teilen dem bereits Erreichten entgegen. Das ist keine verlässliche Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik, wie ich sie mir vorstelle, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme zum Antrag des Landes NordrheinWestfalen. Unsere eingehende Prüfung hat ergeben, dass der vorgelegte Entwurf nicht ausgereift und nicht nachvollziehbar ist. Es werden Forderungen erhoben, die einen zu weiten Interpretationsspielraum zulassen. Unbestimmte Rechtsbegriffe erschweren die Umsetzung von Regelungen oder die Ahndung von Verstößen. Die Zuständigkeiten, die Aufzeichnungsverpflichtungen und die Meldeketten sind nicht klar strukturiert. Es werden ohne schlüssige Begründungen neue Aufgaben für die zuständigen Behörden eingeführt. Diese Aufzählung ließe weiter fortführen. Redaktionelle Fehler lasse ich bei meiner Betrachtung unberücksichtigt.

Meine Damen und Herren! Der Antrag NordrheinWestfalens ist von Aktionismus getragen. Ich weiß nicht, warum man sich aus einer guten Vereinbarungssituation verabschiedet und ohne Rücksprache mit den Ländern und mit dem Bund einen derart unvollkommenen Antrag auf den Weg bringt. Das mag etwas für die Publicity sein; das ist aber nichts für die Sache, was der Kollege Remmel hier macht.

Verbindliche Regelungen für Puten in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung dürfen nicht

den bisher erreichten Ergebnissen und den bei der Umsetzung der Eckwerte-Vereinbarung seit dem Jahr 2013 gewonnenen Erfahrungen entgegenwirken, sondern müssen auf diesen aufbauen. Das wäre der logische Schritt.

(Zuruf von Frau Frederking, GRÜNE)

Das betrifft insbesondere die Bemühungen der Wirtschaft und der amtlichen Überwachung bei der Umsetzung des Gesundheitskontrollprogramms. Neue Regelungen müssen fachlich fundiert, wissenschaftlich abgesichert und in der Praxis umsetzbar sein. Das vermissen wir bei dem vorliegenden Entwurf Nordrhein-Westfalens.

Der von Nordrhein-Westfalen vorgelegte Verordnungsentwurf hat, wie dargestellt, gravierende fachliche Mängel. Insofern ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht nachvollziehbar. - Ich danke den Koalitionsfraktionen für den zielführenden Alternativantrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister. - Wir führen eine Fünfminutendebatte. Als erster Debattenredner wird Herr Barth für die SPD-Fraktion sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Verordnungsentwurf aus Nordrhein-Westfalen zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sieht umfangreiche Anforderung für die Haltung von Puten vor. Diese umfassen einen Sachkundenachweis, Fortbildungsmaßnahmen, Anforderungen an die Haltungseinrichtungen und die Besatzdichte, Beschäftigungselemente und das Management, die Luftzirkulation und die Beleuchtung sowie ein Gesundheitskontrollprogramm und einen besonderen Umgang mit kranken Puten. Frau Frederking hat das schon eingehend erläutert.

Grundsätzlich und weit überwiegend ist dieser Vorstoß, den das Land NRW mit seinem Antrag zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung unternimmt, zu begrüßen. Die bisher als Selbstverpflichtung der Geflügelbranche erstellten bundeseinheitlichen Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen reicht eben nicht aus, um flächendeckend einen angemessenen Tierschutz zu gewährleisten. Zum einen beruhen die Eckwerte auf Freiwilligkeit, zum anderen schafft eine Aufnahme in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Rechtssicherheit für die Putenhalter und für die für die Tierschutzüberwachung zuständigen Behörden.

Meine Damen und Herren! Der Verordnungsentwurf Nordrhein-Westfalens wird von anderen Ländern als nicht ausgereift angesehen. Der Minister hat schon darauf hingewiesen. Die Kritikpunkte bestehen darin, dass Zuständigkeiten, Aufzeichnungspflichten und Meldeketten nicht klar strukturiert sind. Auch soll eine neue Aufgabe für die für den Schlachthof zuständige Behörde eingeführt werden, welche über die bisherige Schlachttier- und Fleischuntersuchung hinausgeht. Dies betrifft zum Beispiel die Feststellung des Anteils an Fußballenentzündungen.

Wir waren mit dem Ausschuss schon in Möckern und haben uns das bei Hähnchen angesehen. Das funktioniert dort in dem Schlachtbetrieb sehr gut. Ich denke, das kann man auch weiterhin so machen. Dazu gibt es, wie gesagt, bereits im Rahmen der bundeseinheitlichen Eckwerte die Verständigung, dass dies firmeneigenes geschultes Personal machen soll, wie wir es auch in Möckern gesehen haben.

Nach unserer Auffassung sollte der Verordnungsentwurf zur Aufnahme der Putenmast in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung die bundesein

heitlichen Eckwerte nicht konterkarieren, sondern darauf aufbauen.

Der Bundesrat hat aus diesen Gründen die Beratung über den Verordnungsentwurf verschoben. Eine einheitliche Überarbeitung ist geboten und sollte von Sachsen-Anhalt unterstützt werden. Genau das haben wir in unserem Alternativantrag vorgesehen. In diesem Sinne bitte ich um Unterstützung und um Zustimmung zu unserem Alternativantrag. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Kollege Barth. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Krause.

Sehr verehrte Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Präsidentin! Verehrter Herr Minister! Ob Aktionismus oder nicht Aktionismus - ich glaube, auf dem Gebiet der Putenhaltung muss etwas passieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sage es gleich vorweg: Die Fraktion DIE LINKE wird dem vorliegenden Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen. Eigentlich dürfte das auch für die Koalitionsfraktionen kein Problem sein, wenn sie sich rein fachlich mit dem Anliegen beschäftigt hat und sich diesen Antrag und das Eckwertepapier angesehen hat.

Wer sich damit befasst, der wird erkennen oder hat erkannt, dass die Bundesratsinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen - ich war doch etwas erstaunt - in nicht wenigen Punkten fast deckungsgleich ist mit den Anforderungen des Verbandes der Deutschen Putenhalter, der seine Eckwerte vor zwei Jahren überarbeitet hat und in eine bundesweit einheitliche freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Puten gegossen hat. Sicherlich sind auch nicht wenige Ansprüche oder Haltungsstandards zugunsten der Verbesserung der Putenhaltung höher geschraubt worden; denn Veränderungen waren und sind aus unserer Sicht auch unbedingt erforderlich.

Diese vom Verband der Putenhalter erarbeiteten Eckwerte wurden mit der Begründung formuliert, dass bundeseinheitliche Kriterien für die Haltung von Mastputen im Rahmen einer Selbstverpflichtung festzuschreiben sind, bis - so steht es im Vorwort dieses Eckwertepapiers - auf nationaler oder EU-Ebene eine konkrete rechtsverbindliche Vorschrift erlassen wird.

Ich war doch etwas überrascht, als ich das fast wörtlich im Vorwort dieses Papiers gelesen habe. Denn das Fazit ist: Der Verband geht also selbst

davon aus, dass trotz ihrer bestehenden Selbstverpflichtung - der Minister hat das eigentlich auch so, ich sage einmal, angekündigt - im Gegensatz zu allen anderen Tierhaltungen für die Putenhaltung noch eine rechtsverbindliche Vorschrift fehlt und auch notwendig ist.

Diese Rechtslücke sollte mit dem genannten Bundesratspapier geschlossen werden. Praktisch gesehen, meine Damen und Herren, können wir heute diesem Antrag eigentlich nur direkt zustimmen und die Landesregierung beauftragen, dieser Initiative zuzustimmen. Eine Ausschussüberweisung - ich sage das, falls das aufgrund des Alternativantrages noch kommen sollte - wäre organisatorisch einfach nicht Erfolg versprechend und Augenwischerei. Frau Frederking hat die Termine genannt. Im nächsten Monat ist die Beschlussfassung im Bundesrat. - Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Kollege Krause. - Für die CDU-Fraktion spricht die Abg. Frau Take.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von dieser Stelle möchte ich zunächst meine Genesungswünsche an Herrn Daldrup übermitteln, der heute leider krank ist. Deshalb übernehme ich seinen Part.

In dieser Legislaturperiode haben wir uns so oft wie noch nie in den letzten zehn Jahren mit dem Thema „Tierwohl“ beschäftigt.

(Herr Striegel, GRÜNE: Da können Sie mal sehen, was die GRÜNEN alles bewirken können!)

Dabei lasse ich jetzt das Thema „Artenschutz“ außen vor. Es geht um Nutztiere und Heimtiere. Was fehlte, waren die Puten. Darüber sprechen wir heute.

Die Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erwarten von uns, dass wir einer Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen zur Einbringung eines Antrags zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung beim Bundesrat beitreten.

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

Um es vorwegzunehmen: Freuen Sie sich nicht zu früh! Die CDU-Fraktion kann sich dieser Initiative aus Nordrhein-Westfalen nicht anschließen, da sie unserer Meinung nach nicht wissenschaftlich und fachlich fundiert und auch ordnungspolitisch fehlerhaft ist. Der Minister hat ausführlich darauf hingewiesen.

Die Geflügelhaltung findet in Deutschland ausschließlich in Bodenhaltung statt. Die Tiere können