- Offensichtlich gibt es im Hinblick auf andere Themen einen großen Beratungsbedarf. Dies ist einsichtig. Hierfür stehen im Haus viele Räume zur Verfügung. - Jetzt haben Sie das Wort.
Herr Präsident, es gibt auch andere Beratungsgegenstände oder andere Themen, die besprochen werden müssen, deshalb danke ich Ihnen für die Verschiebung dieses Tagesordnungspunktes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/2550 mit dem Titel „Interkommunale Funktionalreform endlich auf den Weg bringen“ hat der Landtag - der Präsident sagte es bereits - in der 55. Sitzung am 15. November 2013 zur Beratung und Beschlussfassung an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen.
Eine interkommunale Funktionalreform hält die Fraktion nach der erfolgten Gemeindegebietsreform für erforderlich, um öffentliche Aufgaben in stärkerem Maße orts- und bürgernah zu erledigen und die Rathäuser zum Eingangsportal für möglichst viele Bürgeranliegen zu entwickeln. Diese Formulierung findet sich auch im Koalitionsvertrag wieder.
Der Ausschuss für Inneres und Sport befasste sich in der 40. Sitzung am 28. November 2013 erstmals mit dem Antrag. Im Verlauf der Beratung kündigte die Landesregierung an, einen Gesetzentwurf zur Funktionalreform im ersten Quartal 2014 in den Landtag einzubringen. Daraufhin verständigte sich der Ausschuss, den Antrag erneut nach der Vorlage dieses Gesetzentwurfs zu behandeln.
Der Gesetzentwurf ließ dann allerdings auf sich warten, was die Fraktion DIE LINKE offensichtlich dazu veranlasste, nachzulegen und im Oktober 2014 einen weiteren Antrag in der Drs. 6/3484 mit dem Titel „Interkommunale Funktionalreform nicht weiter verzögern“ in den Landtag einzubringen.
Der Antrag zielt darauf - das wird niemanden überraschen -, die Landesregierung aufzufordern, einen Gesetzentwurf zur interkommunalen Funktionalreform in Sachsen-Anhalt vorzulegen. Dieser wurde ebenfalls zur Beratung und Beschlussfassung an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen und am 12. November 2014 dort beraten.
Im Ergebnis der Beratung wurden die kommunalen Spitzenverbände und die Landesregierung gebeten, sich schriftlich zu dem Antrag zu äußern. An die kommunalen Spitzenverbände wurde außerdem die Bitte herangetragen, in ihrer Stellungnahme insbesondere auf das Konnexitätsprinzip und auf mögliche Auswirkungen einzugehen, weil es in der Vergangenheit bereits mehrfach Ansätze für eine interkommunale Funktionalreform gegeben hat, sich die kommunalen Spitzenverbände auch meist einig waren, was den Katalog der zu übertragenden Zuständigkeiten betrifft, es aber vermeintlich gelegentlich Differenzen bei der Frage des Übergangs des Personals und der Kostenregelung gegeben hat.
Ich hatte übrigens zuvor als Ausschussvorsitzender auch die kommunalen Spitzenverbände und die Landesregierung, vertreten durch den Chef der Staatskanzlei und Herrn Staatssekretär Gundlach, zu einer Gesprächsrunde eingeladen, um zu erörtern, wie es gelingen kann, den vorliegenden Referentenentwurf über die - ich nenne es einmal so - fachpolitischen Hürden zu bringen.
Ich nahm die Anträge dann am 1. Oktober 2015 zusammen mit dem Landesorganisationsgesetz erneut auf die Tagesordnung des Innenausschusses.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE legte dem Ausschuss zu Beginn dieser Beratung einen Beschlussvorschlag vor, der beide Anträge ersetzen sollte. Er bestand aus drei Punkten.
„Der Landtag bekennt sich erneut zum Grundsatz der Subsidiarität und zu einer interkommunalen Funktionalreform, die die orts- und bürgernahe Erledigung von hierfür zweckmäßigen Aufgaben ermöglicht, um die Rathäuser zum Eingangsportal für möglichst viele Bürgeranliegen zu entwickeln und die kommunale Leistungsfähigkeit zu steigern.“
Darüber hinaus sollte der Landtag die gemeinsamen Vorschläge der kommunalen Spitzenverbände, die der Landesregierung am 10. April 2012 übergeben worden sind - dabei handelte es sich um eine Konsensliste der Aufgaben, die von den Landkreisen auf die Gemeinden übertragen werden sollten -, begrüßen.
In einem weiteren Punkt sollte der Landtag feststellen, dass es bisher weder der Landesregierung noch den Koalitionsfraktionen der CDU und der SPD gelungen ist, auf der Grundlage der gemeinsamen Vorschläge einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Darauf konnte sich der Ausschuss nicht verständigen. Beschlossen wurde, wie gesagt, nur der erste Punkt.
Die Ihnen in der Drs. 6/4441 vorliegende und auf diesen einen Punkt beschränkte Beschlussempfehlung hat der Ausschuss einstimmig beschlossen.
Ich darf im Namen des Ausschusses um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung bitten und bedanke mich für die Aufmerksamkeit. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brachmann. - Für die Landesregierung hat jetzt Minister Stahlknecht das Wort. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident, herzlichen Dank. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Koalitionsvertrag in der Tat vereinbart, dass das Rathaus Eingangsportal für möglichst für viele Bürgeranliegen wird und dass deshalb eine interkommunale Funktionalreform mit dem Ziel der orts- und bürgernahen Erledigung hierfür angestrebt wird.
Sowohl der Landkreistag als auch der Städte- und Gemeindebund hatten entsprechende Vorschläge unterbreitet, auch wenn es unter diesen beiden Spitzengremien an einigen Stellen unterschiedliche Meinungen gab.
Es war - Herr Brachmann hat dies vorgetragen und ich sage dies in der gleichen Deutlichkeit - sehr, sehr schwierig, innerhalb der unterschiedlichen Ressorts und auch der unterschiedlichen Fachschwestern- und -bruderschaften eine Einigkeit zu erzielen, sodass am Ende nur eine Kleinigkeit übrig geblieben ist und wir weiterhin vor der Aufgabe stehen, uns mit einer solchen Funktionalreform zu beschäftigen.
Insofern bleibt auch für die nächste Legislaturperiode noch genügend Arbeit übrig, um dies umzusetzen.
Mehr gibt es aus meiner Sicht nicht zu berichten. Insofern bitte ich gleichwohl um Zustimmung zu der vorliegenden Beschlussempfehlung. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. - Es wurde eine Fünfminutendebatte vereinbart. Herr Grünert eröffnet die Debatte für die Fraktion DIE LINKE. Bitte, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Beschlussempfehlung in der Drs. 6/4441 ist aus unserer Sicht eine Bankrotterklärung der Koalitionsfraktionen sowohl von CDU und FDP als auch von CDU und SPD sowie mittlerweile dreier Landesregierungen, mit einer interkommunalen Funktionalreform, die bereits durch drei Enquete-Kommissionen fachlich untersetzt wurde, den durchgeführten Gebietsreformen auf Landkreis- und Gemeindeebene eine inhaltliche Rechtfertigung zu geben.
Beginnend mit dem Leitbild des Innenministers Dr. Püchel vom 22. Dezember 1999 zur Gemeindegebietsreform in der dritten Legislaturperiode sowie dem Beschluss des Landtages vom 17. Januar 2002 in der Drs. 3/68/5222 und mehreren Anträgen der Fraktion DIE LINKE in der vierten Legislaturperiode sollte die Funktionalreform zur Chefsache des Ministerpräsidenten Professor Dr. Böhmer werden. Nichts dergleichen wurde umgesetzt.
DIE LINKE forderte mit Anträgen in der Drs. 5/902, in der Drs. 5/1078, in der Drs. 5/2415, in der Drs. 6/2550 sowie in der Drs. 6/3484 wiederholt die Umsetzung der versprochenen Funktionalreform ein.
Die Landesregierungen stellten jedes Mal Termine für die Einbringung eines entsprechenden Gesetzentwurfes vor: Einmal war es der 31. Dezember 2002, dann der Juli 2006, dann Ende 2010, dann wiederum der 31. Dezember 2012, dann - Herr Brachmann hat es bereits gesagt - sollte der Gesetzentwurf im Oktober 2014 eingebracht werden usw. usf. Alles Schall und Rauch.
Die Krönung durften wir dann im Innenausschuss erfahren, indem der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion verkündete, die Funktionalreform sei weder im Leitbild zur Gemeindegebietsreform noch im Koalitionsvertrag verankert.
seine Gedächtnislücken aufzufrischen. Im damaligen Koalitionsvertrag der CDU und der SPD aus dem Jahr 2006 sprach sich die Koalition für eine erfolgreiche Durchführung einer Funktionalreform aus, mit der eine substanzielle Aufgabenverlagerung vom Landesverwaltungsamt und von den staatlichen Fachbehörden zu den kreisfreien Städten und Landkreisen einhergeht oder eingehen sollte.
Eine interkommunale Funktionalreform sollte folgen, die darüber hinaus die öffentliche Aufgabenwahrnehmung stärker in die Städte und Gemeinden verlagert und so die sachliche Notwendigkeit größerer, leistungsfähiger Gemeindestrukturen begründet.
In dem Leitbild für die letzte Gemeindegebietsreform können Sie auf den Seiten 15, 74 und 75 sowie im derzeit geltenden Koalitionsvertrag der CDU und der SPD auf der Seite 46 den Bezug auf die interkommunale Funktionalreform nachlesen.
Zusätzlich empfehle ich die Lektüre der Abschlussberichte der Enquete-Kommissionen der Jahre 1994, 2006 sowie 2015. Die Position der SPD war dabei immer durch die Einheit von Verwaltungs-, Funktional- und kommunaler Gebietsreform geprägt, die unsere Fraktion ausdrücklich befürwortete.
Aber auch der CDU-Fraktion möchte ich nachfolgende Ausführungen ins Gedächtnis rufen. Im Jahr 2002 führte der damalige Innenminister Jeziorski zur Funktionalreform aus - ich zitiere -:
„Das, was die CDU in den letzten zwei Jahren - eigentlich schon seit Mitte der 90erJahre - auch immer gefordert hat, ist, dass die Aufgabenerledigung in das Zentrum der Reformbemühungen gehört.“
Der Minister hatte das Ziel, auf dieser Grundlage und auf der Grundlage des Beschlusses des Landtages vom 17. Januar - ich habe es bereits erwähnt - dies mit einem Gesetz bis zum 31. Dezember 2002 zu untersetzen. Die Einbringung sollte im Oktober 2002 erfolgen.
Ausgehend von der Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes vom 14. November 2005 wollte die Regierung bis Juli 2006 einen Gesetzentwurf einbringen. Auch diesbezüglich gab es keinerlei Reaktion seitens der Regierung und der Koalition. Auf die Chefsache bin ich schon eingegangen.
In den zurückliegenden Jahren wurde dieser Prozess eben nicht als Chefsache durchgesetzt, sondern in den Fachministerien ausgesetzt. Daran ändern auch kleine Korrekturen, wie der gestern vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung der Zuständigkeiten im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, nichts.
Wiederum haben die kommunalen Spitzenverbände ihrerseits reagiert und am 10. April 2012, also vor dreieinhalb Jahren, dem Ministerium für Inneres und Sport gemeinsame Vorschläge für eine interkommunale Funktionalreform unterbreitet.
Meine Damen und Herren! Nunmehr am 15. Oktober 2015 wird konstatiert: Der Landtag bekennt sich zu einer interkommunalen Funktionalreform, die die orts- und bürgernahe Erledigung von hierfür zweckmäßigen Aufgaben ermöglicht, um die Rathäuser zum Eingangsportal für möglichst viele Bürgeranliegen zu entwickeln und die kommunale Leistungsfähigkeit zu steigern.
Diese Aussage finden Sie bereits im Beschluss des Landtags vom 17. Januar 2002 in der Beschlussdrucksache 3/68/5222 B. Mit Ihrer Arbeit haben Sie die Gebietsreform auf Kreis- und Gemeindegebiet nachträglich aus unserer Sicht inhaltlich entleert und delegitimiert.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion wird sich zur vorliegenden Beschlussempfehlung der Stimme enthalten, da diese nur deklaratorischen Charakter besitzt. Sie haben 13 Jahre weitestgehend Stillstand produziert. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen wollen, dass das Rathaus Eingangsportal für möglichst viele Bürgeranliegen wird. Wir streben daher eine interkommunale Funktionalreform mit dem Ziel der orts- und bürgernahen Erledigung für die hierfür zweckmäßigen Aufgaben an. Hierzu haben sich CDU und SPD im Koalitionsvertrag für die sechste Wahlperiode bekannt.
Keine Frage, die interkommunale Zusammenarbeit ist ein wichtiger Baustein für den Erhalt und den Ausbau der Leistungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung. Sie kann den Kommunen dabei helfen, die Folgen des demografischen Wandels besser zu bewältigen, und bietet damit insbesondere eine Chance für den ländlichen Raum.