Protokoll der Sitzung vom 15.10.2015

Doch heute kann ich feststellen, die zahllosen Visionen von damals sind heute im Kommunikationsbereich völlig normale Angelegenheiten. Aus diesem Grund habe ich auch inzwischen gelernt, scheinbar abgehobene Technikvisionen nicht mehr einfach zu belächeln, sondern sie ernst zu nehmen.

Nun ließe sich natürlich vortrefflich darüber diskutieren, ob eine WhatsApp-Nachricht weniger Wert und dafür ein persönliches Gespräch, Auge in Auge, angemessener wäre. Wir sind als Politiker jedoch nicht dazu da, das soziale Verhalten einer ganzen Gesellschaft zu verändern.

Wir sollten die Wirklichkeiten in unserer Gesellschaft betrachten und darauf in der Gegenwart Antworten für die Zukunft finden. Die Koalitionsfraktionen tun das heute mit dem Ihnen vorliegenden Antrag. Ich danke dem Koalitionspartner ausdrücklich dafür, dass wir heute diesen Antrag gemeinsam einbringen.

Wer heutzutage in Europa unterwegs ist, der wird schnell merken, dass im Land der Ingenieure und des Fortschritts etwas nicht stimmt. Fast überall gibt es freies WLAN. Freies WLAN, wie wir es in diesem Antrag bezeichnen, ist ein WLAN ohne Kenn- und Passwort, sondern ein wirklich freies WLAN für jedermann zu jeder Zeit.

Dieses freie WLAN gibt es im Ausland oft, ob man sich im Hotel, an der Tankstelle oder auf öffentlichen Plätzen aufhält. In Deutschland ist man in Sachen öffentliches WLAN noch ein Entwicklungsland. Denn die Hotspot-Betreiber, die jenes WLAN vorhalten, stehen mit einem Bein quasi vor dem Richter.

Der Bundesgerichtshof, meine Damen und Herren, hat im Jahr 2010 entschieden, dass WLAN-Anbieter für illegale Downloads und andere Rechtsverstöße in ihrem Netz haften. Diese sogenannte Störerhaftung schreckt viele Netzbetreiber ab.

Wenn man so will, ist dies die Umkehr eines Straftatbestands. Es wird nicht jener zur Verantwortung gezogen, der durch den illegalen Download eine Straftat begeht, sondern jener, der den Anschluss dafür bereitstellt. Das ist international ein einmaliger rechtlicher Anachronismus.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden mit dem Auto zu schnell unterwegs sein und der Erbauer der Straße würde Ihre Strafe zahlen müssen.

Bei allem Respekt vor Datenschutz und auch vor dem Eigentumsrecht - das, meine Damen und Herren, ist eben nicht nachvollziehbar, erst recht nicht, wenn man weiß, dass inzwischen jedes Gerät eine IP-Adresse im Netz hinterlässt, sodass illegale Downloads zweifelsfrei, wie bei einer DNA-Untersuchung, zurückverfolgt werden können.

Meine Damen und Herren! Der durch die Bundesregierung eingebrachte Gesetzesentwurf heilt diesen Umstand aus unserer Sicht nur unzureichend. Wohlwollend muss man feststellen, dass man in Berlin das Grundproblem erkannt hat und auch versucht, die Problematik zu lösen. In der allgemeinen Praxis jedoch sind die Regelungen weniger praktikabel, da sie für freie WLAN-Betreiber weiterhin keine Rechtssicherheit bieten. Private WLAN-Anbieter müssen ihre Nutzer zusätzlich namentlich kennen. Das gilt beispielsweise für Familienmitglieder oder Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft, so heißt es in einer Stellungnahme des zuständigen Ministeriums.

Meine Damen und Herren! Damit wird aus meiner Sicht der Status Quo zementiert; ein wirklich freier WLAN-Zugang würde so leider auch in den nächsten Jahren eine Utopie in Deutschland bleiben. Das ist sehr bedauerlich, da diese Regelungen kein gutes Licht auf den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland werfen.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Ich selbst - das erlauben Sie mir zu sagen - wohne in der schönsten Stadt Deutschlands, nämlich in der Welterbestadt Quedlinburg. Wir haben jedes Jahr Hunderttausende Touristen und gerade auch Touristen aus dem Ausland. Diese Touristen kommen mit der Erwartung nach Deutschland, in ein Hightech-Land zu reisen. Sie können sich sicherlich die langen und ratlosen Gesichter vorstellen, wenn Amerikaner oder Japaner auf dem Marktplatz in Quedlinburg stehen und keinen WLAN-Empfang haben, genauso wie wir auch enttäuscht sind, wenn wir im Ausland keine Bilder und Nachrichten nach Hause verschicken können.

Aus diesem Grunde habe ich mit dem Verein Freifunk e. V. Kontakt aufgenommen. Freifunk ist eine nicht kommerzielle Initiative, die sich dem Aufbau und Betrieb eines freien Funknetzes, so wie wir es uns wünschen, verschrieben hat. Sie baut und betreibt freie Funknetze, die aus selbst verwalteten lokalen Computernetzwerken bestehen. Über

160 Knotenpunkte haben sich schon mit dieser Initiative allein in Quedlinburg gebildet.

Auch in Sachsen-Anhalt gibt es dazu bereits eine breite Bewegung. Die Freifunkgemeinschaft ist dezentral organisiert. Jede Privatperson, welche einen Freifunkrouter aufstellt, darf und soll über die technische Ausgestaltung frei verfügen. Geografisch nah aneinander liegende Betreiber schließen sich oftmals zu Benutzergruppen, lokalen Communitys, zusammen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass die Netze auf Basis von WLAN-Technik aufgrund der geringen Funkreichweite sowieso nur eine beschränkte Ausdehnung haben und daher nur geografisch nah aneinander liegende Knoten ein physisch zusammenhängendes Netz bilden können.

Die Community dient der zur Vernetzung notwendigen Koordination zwischen den einzelnen Betreibern, zum Beispiel zur Einigung auf miteinander kompatible Software. Die einzelnen Communitys bieten daher oft auch Infrastruktur und Werkzeuge, wie zum Beispiel eine auf die Stadt oder den Stadtteil zugeschnittene Routerfirmware oder gegebenenfalls notwendige zentrale Server an und helfen Interessenten bei der Einrichtung.

Diese Freifunknetze sind stark im Kommen und werden auch von den Nutzern stark genutzt. Dafür an dieser Stelle den Freifunkern meinen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der LINKEN und von Herrn Herbst, GRÜNE)

Ich möchte ausdrücklich dafür werben, dass diese auch in weiteren öffentlichen Einrichtungen Verbreitung finden. Sie alle können mit Ihrem privaten oder mit Ihrem eigenen Wahlkreisbüro beginnen und darüber hinaus diese Freifunkidee weiter tragen.

Wenn man so will, ist sie ein Versuch - ein erfolgreicher Versuch, wie ich meine -, die geltende

Rechtslage auf legale Weise zu umgehen. Auch deswegen ist die Bundesregierung aufgefordert, ein Freies-WLAN-Gesetz zu formulieren, das den Zugang zum Internet für alle ermöglicht.

Die auf uns zukommenden technischen Entwicklungen werden zukünftig einen Internetzugang erforderlich machen. Verweigert sich Deutschland rechtlich, werden wir automatisch von der Lebenswirklichkeit eingeholt.

Aber nicht nur das. Auch bei der Verbreitung des schnellen Internets hinken wir anderen Ländern noch hinterher. Dank der Breitbandstrategie der Landesregierung wollen wir bis zum Jahr 2018 flächendeckend Anschlüsse bis zu 50 Mbit/s zur Verfügung stellen. Das ist ein hohes Ziel, aber ich verweise vorsorglich darauf, dass wir für Unternehmen zwischen 100 und 300 Mbit/s benötigen.

Die Datensicherheit spielt hierbei eine große Rolle. Auch hierbei hat Deutschland großen Nachholbedarf. Besonders möchte ich dabei viele kleine Unternehmen ansprechen, die recht lasch mit ihren Daten umgehen. Auch in diesen Bereichen muss mehr getan werden.

Ich möchte zum Schluss meiner Rede zwei Dinge zusammenfassen. Da sind die Möglichkeiten, den Freifunk in öffentlichen Räumen zu nutzen. Das soll keine Werbeveranstaltung für die Freifunker sein, aber die jetzige Situation ist unserer Meinung nach unbefriedigend und kein Aushängeschild für Deutschland.

Ich möchte die Bundesregierung von hier aus aufrufen, sich der Probleme der Rechtslage mit allem Ernst und aller Nachhaltigkeit anzunehmen und sich für freie WLAN-Zugänge stark zu machen. Wir hinken auf allen Ebenen beim freien Internetzugang hinterher. Hier gilt es, rechtlich zu anderen Ländern aufzuschließen.

Dass die Störerhaftung abgeschafft werden soll, steht übrigens auch im Koalitionsvertrag der Regierung. Am 12. März dieses Jahres wurde daher ein erster Entwurf zur Veränderung des Telemediengesetzes vorgeschlagen und im Juni verabschiedet, der WLAN-Besitzern mehr Sicherheit verschaffen soll. Vor allem soll er endlich die Frage klären, wer im Missbrauchsfall unter welchen Bedingungen haftet.

Meine Damen und Herren! Ich bin sehr optimistisch, dass dies gelingen kann, bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass auch wir, Herr Präsident, hier im Plenarsaal eines Tages, in absehbarer Zeit, ein freies WLAN zur Verfügung haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der LINKEN)

Danke schön. Herr Abgeordneter. Ein Leben ohne Hoffnung ist kein Leben. - Zum Tagesordnungspunkt 29 b spricht der Abgeordnete Wagner für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, vielen Dank! - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sehr schön, einmal einen Antrag vorliegen zu haben, bei dem ich lange suchen muss, um etwas zu finden, von dem ich sage, dass ich damit nicht ganz einverstanden bin. Das ist mir nicht ganz gelungen. Nein, ich freue mich heute sehr, dass die Koalitionsfraktionen diesen Antrag, den Herr Thomas soeben eingebracht hat, stellen. Wir sehen allerdings, dass dieser Antrag eine kleine Schwäche hat, die tatsächlich nicht in der Gesetzgebung des Landes liegt, die uns allerdings gleichwohl betrifft.

Das nehmen Sie im zweiten Punkt Ihres Antrages mit auf. Die Fraktion DIE LINKE ist allerdings der Auffassung, es benötigt einer besonderen Handlungsanweisung an die Landesregierung bezüglich Ihres Verhaltens zu dieser Novelle, die gerade eben angesprochen wurde, das sogenannte

WLAN-Gesetz. Wir müssen konstatieren, WLAN in Deutschland, das ist eher eine Wüste - nicht weil wir nicht viele WLANs zur Verfügung stellen. Es gibt Wohnblocks, da findet man 40 oder

50 WLANs, weil jeder seines nutzt. Aber keines davon ist frei verfügbar, und das muss so nicht sein.

Warum wird es aber zusehends immer entscheidender, dass das WLAN frei wird? Natürlich findet der meiste Konsum von Internet, gerade was die entsprechenden Datenvolumina anbelangt, mit dem leitungsgebundenen Internet statt. Es findet zu Hause und in den entsprechenden Büros statt. Nebenbei gibt es dann noch mobiles Internet. Mobiles Internet, das ist heute oftmals Mobilfunk. In der Perspektive und in einer immer mobiler werdenden Gesellschaft werden wir allerdings nicht umhin kommen, auch freie WLANs als Teil der mobilen Infrastruktur zu begreifen. Insofern ist Mobilfunk eine gute Ergänzung und freies WLAN wird ebenfalls eine gute Ergänzung sein.

Wenn wir uns heute den Ist-Stand anschauen, lohnt der Blick über den Tellerrand, lohnt ein Blick über die Grenzen. Egal wo man unterwegs ist, insbesondere in den Ländern der europäischen Union, ist es gang und gäbe, freie WLANs anzutreffen. Das wird oftmals unterschiedlich geregelt, aber Rechtsunsicherheit aufgrund der Zurverfügungstellung von Internet, das ist eine Eigenschaft, die man nur aus Deutschland kennt.

Eine kleine Anekdote: Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheit sowie Medien war im

Juni zur auswärtigen Sitzung in Brüssel. Da habe ich über die digitale europäische Agenda gesprochen, habe den Wunsch geäußert: Liebes Brüssel, macht einmal etwas Druck auf Deutschland, damit wir hier mit der Störerhaftung zu Rande kommen. Sie kannten das Problem gar nicht. Das ist so ein kleines deutsches Einzelproblem. Es wird international gar nicht wahrgenommen. Die Folge ist aber, dass wir uns mit dieser Störerhaftung international weiter abkapseln.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Warum gibt es so wenige freie WLANs in Deutschland? Das liegt daran, dass wir ein Haftungsprivileg haben, ein Haftungsprivileg, welches es Providern, also Personen und Institutionen, die einen Internetzugang zur Verfügung stellen, nicht gestattet, nicht für die sogenannte Störung, sprich: eine Rechtsverletzung im Wegerecht, zu haften.

Jetzt ist die Frage: Was ist ein Provider? Das ist schon in der Einbringung zum anderen Antrag ein bisschen klar geworden. Oftmals gelten Provider als Unternehmen, als Firmen, die ein Geschäftsmodell dahinter betreiben. Tatsächlich sagt das Telemediengesetz aus, Provider, das muss nicht notwendigerweise eine große oder kleine Firma sein, Provider sind auch bürgerschaftliche und genossenschaftliche Initiativen. Freifunk ist hierfür das beste Beispiel. Aber nein, Provider werden in dem Sinne auch Bürger und Bürgerinnen.

Ja, Freifunk hat eine gute Lösung gefunden, die Störerhaftung zu umgehen. Wir wollen tatsächlich mehr. Wir wollen auch, dass Bürgerinnen und Bürger ihre WLANs zur Verfügung stellen können. Wir wollen, dass Cafés und andere Einrichtungen der Begegnung ohne Probleme die Möglichkeit haben, ihre WLANs zu öffnen, ohne sich größere Gedanken zu machen, weil ihr Geschäftsmodell schlicht und ergreifend woanders liegt.

Wie kommt es jetzt in Deutschland dazu, dass wir eine so komplizierte Rechtssituation haben? Das liegt am Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2010. Das Urteil hat bei der Frage der Haftung beim Zugriff auf sogenannte Hostingdienste die Grundlage gesetzt, dies auch auf die Zurverfügungstellung via WLAN anzuwenden. Das ist nicht sehr sinnträchtig. Das ist auch fünf Jahre danach nicht sehr sinnträchtig, weswegen jetzt in dem unteren Gerichtsbereich dieses BGH-Urteil kaum noch Anwendung bei der Rechtsfindung findet. Es nützt uns nur deswegen nichts, weil dieses Urteil des Bundesgerichtshofs auf der Ebene des TMG nach wie vor bindend ist.

Aber das ist nur die rechtliche Dimension. Es gibt auch noch eine politische Dimension. Das ist grob zusammengefasst die: Wenn wir hier in Deutsch

land die WLANs aufmachen, dann haben wir es nur noch mit Terrorismus und Kriminalität zu tun.

(Herr Herbst, GRÜNE: Jawohl!)

Das ist eine Angstdebatte, die in Deutschland teilweise nach wie vor auf dieser Ebene geführt wird.

Ich will ein Beispiel nehmen, weil es jetzt auch in Sachsen-Anhalt in der letzten Woche eine Rolle gespielt hat. Der Stadtrat in Magdeburg hat auf Initiative der dortigen SPD-Fraktion einen Antrag auf Zurverfügungstellung des Freifunks in der Stadt Magdeburg angestrebt. Ein lokaler Internet

serviceprovider hat sich daraufhin zu einer Stellungnahme bemüßigt gesehen, aus der ich kurz zitieren muss:

Erstens dass