Protokoll der Sitzung vom 11.06.2020

„Vielfalt“ klingt immer gut, und DIE LINKE möchte Schullandschaft vielfältig erblühen lassen, indem sie fordert, was sie immer fordert: mehr Mittel und mehr Personal- und Sachkostenzuschüsse. Die Gehälter von Privatschullehrern sollen weiter an die Tariftabelle des öffentlichen Dienstes angepasst werden: statt Erfahrungsstufe 4 nun bitte Erfahrungsstufe 5 als Berechnungsgrundlage.

Was juristisch nach geltendem Recht rechtens sein mag, lässt dennoch Raum für Kritik. Wenn Schulen in freier Trägerschaft in enormer Höhe nach Schülerkostensätzen staatlich alimentiert werden, sind sie an sich gerade nicht frei, sondern hochsubventionierte Schulunternehmen, die es ohne Zuwendungen so nicht gäbe, schon gar nicht als tatsächlich freie Schulen.

Zwar unterstützt die öffentliche Hand mit Steuergeld private Schulen, um angeblich Vielfalt zu gewährleisten. Aber der Staat zieht sich damit eine Bildungskonkurrenz zu öffentlichen Schulen groß, die ihrerseits Schwierigkeiten haben: extremer Lehrermangel, extreme Krankenstände und extreme Ausstattungsdefizite.

Was der Staat sich in der Bildung selbst immer schlechter zu sichern versteht, das bekommen seine privaten Konkurrenzschulen mindestens in der Wahrnehmung der Besserverdienenden viel besser hin, und dies gerade wegen der generösen Zuwendungen des Staates.

Im Schuljahr 2018/2019 besuchten 18 918 Schüler eine Schule in freier Trägerschaft, rund 5 000 mehr als im Schuljahr 2012/2013. Damit lernt derzeit fast jeder zehnte Schüler im Land an einer Privatschule. Im Schuljahr 2012/2013 waren es nur 7,7 %. Privatschulen stehen bei Vermögenden also hoch im Kurs.

Der Verband Deutscher Privatschulen SachsenAnhalt e. V. beklagt in seiner Broschüre, dass seine Schulen eine staatliche Beihilfe erhalten, die meist nur 60 bis 80 % der tatsächlichen Kosten abbildet, die die öffentliche Hand für vergleichbare Schüler staatlicher Schulen aufbringt; „nur“ 60 bis 80 % dessen, was staatliche Schulen bekommen.

Dieses Geld bekommen sie für eine Bildungskonkurrenz, die im Gegensatz zu staatlichen Schulen keinen Versorgungsauftrag in der Fläche gewährleisten muss, die sich sozial und kulturell gut situierte und deutschsprachige Elternhäuser aussuchen kann und daher den öffentlichen Schu

len oft leistungsstarke Schüler entzieht mit der Folge, dass denen die eher schwächeren und problematischen bleiben.

Auf diese Weise wird sozial und mehr noch kulturell selektiert - ein Vorgang, dem ansonsten doch namentlich DIE LINKE vehement entgegentritt. Es gelte wie anderswo: Wer ein privates Unternehmen führt, muss auch seine Mitarbeiter privat bezahlen.

(Beifall)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Schmidt für den Redebeitrag. - Für die SPDFraktion spricht jetzt die Abg. Frau Prof. Dr. KolbJanssen. Einen Moment bitte, es wird noch desinfiziert. Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen, jetzt haben Sie das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben eben eine merkwürdige Sichtweise zu den sogenannten Ersatzschulen gehört; denn es sind weder staatlich subventionierte Privatschulen noch handelt es sich im Sinne des Wortes um freie Schulen.

Und ganz klar gesetzlich geregelt ist auch: Ersatzschulen haben einen Anspruch darauf, dass sie das gleiche Geld für die Erfüllung der Aufgabe, die sie an Staates statt erbringen, bekommen wie die allgemeinen Schulen.

Über dieses „Ob“ sind wir uns einig. Wir hatten uns in dieser Legislaturperiode als Koalition vorgenommen, dass wir klären, wie hoch dieser Anspruch auf jährliche Zuweisung konkret ist. Ich gestehe, nach dem, was die Berichterstatterin vorgetragen hat, bin ich ziemlich ernüchtert, weil wir eingestehen müssen, dass wir dieses Ziel als Koalition nicht erfüllt haben.

Herr Minister, ich bin auch nicht ganz einverstanden mit dem, was Sie gesagt haben. Entscheidend ist nicht, dass die freien Schulen jetzt mehr Finanzhilfen bekommen. Wenn man sich die Tarifentwicklung der letzten Jahre anschaut, stellt man fest, dass die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst mehr Geld bekommen. Sie haben gesagt, natürlich werden die Tarifverträge eins zu eins umgesetzt, was die Zuweisungen im Jahr betrifft. Das ist aber eben nicht der Fall. Die Kolleginnen und Kollegen an den privaten Schulen bekommen nicht das gleiche Geld wie die Kolleginnen und Kollegen an den allgemeinen Schulen. Wir haben es nicht geschafft, die Tarifentwicklung auch nur verzögert zu übertragen.

Wenn wir uns das einmal anschauen: Es gibt seit dem 1. Januar 2018 für die Schulen einen Tarif

vertrag, mit dem eine neue Erfahrungsstufe 6 eingeführt worden ist. Das erwarten die freien Schulen gar nicht von uns, die haben nur gefordert, dass sie endlich die schon lange bestehende Erfahrungsstufe 5 bekommen. Wir waren uns als Bildungspolitiker einig, dass sie diesen Anspruch haben, und haben das so auch in unserer Beschlussempfehlung für den Finanzausschuss formuliert.

(Zustimmung)

Nur leider ist diese Beschlussempfehlung nicht so aus dem Finanzausschuss herausgekommen. Insoweit hat der Bildungsminister Recht: Letzten Endes hat der Finanzminister entschieden, dass eine Finanzierung nach Kassenlage erfolgt, sodass wir aus meiner Sicht heute wieder am Anfang stehen oder eigentlich noch ein Stück zurückgegangen sind.

Ich wünsche dem Minister viel Spaß bei den Verhandlungen in der nächsten Legislaturperiode, aber vor allen Dingen nicht nur Spaß, sondern viel Erfolg, damit am Ende tatsächlich die Schulen rechtssicher

(Zuruf)

und verlässlich finanziert werden. Denn dieses Ziel - das muss ich an dieser Stelle selbstkritisch einschätzen - haben wir leider nicht erreicht. - Danke.

(Beifall)

Ich sehe keine Fragen. Ich danke Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen für den Redebeitrag. - Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Herr Lippmann das Wort. Herr Lippmann, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bereits einiges an Alternativ- oder Änderungsanträgen oder Beschlussempfehlungen zu Anträgen von uns erlebt. Aber als ich selbst im Finanzausschuss war und die jetzt vorliegende Beschlussempfehlung des mitberatenden Finanzausschusses der Koalitionsfraktionsvertreter zur Kenntnis genommen habe, ist mir schon ein bisschen der Mund offen stehen geblieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Beschlussempfehlung ist wirklich eine Zumutung. Sie ist eine Zumutung für die Schulen, die zur Kenntnis nehmen müssen, dass über zwei Jahre, nämlich 2018 und 2019, ihre berechtigten Erwartungen an die Berechnung der Schülerkostensätze nicht erfüllt wurden. Sie ist eine Zumutung für uns als Antragsteller, weil die Beschlussemp

fehlung wirklich komplett neben dem Inhalt des ursprünglichen Antrages liegt, und auch eine Zumutung für den Bildungsausschuss - das ist hier bereits angedeutet worden -, der sich als federführender Ausschuss so viel Mühe mit der vorläufigen Beschlussempfehlung gegeben hatte, dass wir uns dabei zumindest der Stimme enthalten konnten, während wir dieser natürlich auf gar keinen Fall zustimmen können.

Auch damit war längst nicht alles in Ordnung, aber wir haben uns gesagt: Sei es drum! Es war zumindest so viel Substanz in der vorläufigen Beschlussempfehlung enthalten, dass wir gesagt haben, wir können nicht dagegen stimmen.

Das so umzudrehen, ist wirklich heftig. Ich sage noch einmal, worum es geht. Es geht überhaupt nicht darum, ob man ein Herz für freie Schulen hat oder nicht. Es geht überhaupt nicht darum, wie man die freien Schulen im Schulsystem verortet. Es geht auch überhaupt nicht darum, ob irgendetwas verhandelt wird. Vielmehr geht es darum, dass wir eine Regelung im Schulgesetz haben, die nicht angewendet wird.

(Beifall)

Das wollten wir nicht zulassen und das wollen wir bis heute nicht zulassen. Das ist auch der Grund, warum es die Klagen gibt. Die klagen nicht ganz allgemein, dass sie schlecht finanziert sind; das machen sie sowieso. Das ist auch nicht das Ticket, auf dem wir fahren, sondern es geht darum, dass wir eine Schulgesetzregelung haben. Natürlich kann man die anders regeln. Das ist zwischendurch auch passiert, allerdings nur zweimal an einer Stelle in den Haushaltsberatungen mit den neuen Faktoren von 0,9 und 0,95 und 0,92. Aber diese Formel, um die es geht, hat noch ein paar andere Parameter. Der Streit geht darum, wie das durchschnittliche Lehrereinkommen der öffentlich beschäftigten Lehrkräfte schulformbezogen zu ermitteln ist. Das steht einfach im Gesetz.

Natürlich kann man die Schülerkostensätze völlig anders berechnen. Man kann dort etwas völlig anderes hineinschreiben, aber dann muss man es auch tun. Aber darum geht es in dieser Frage nicht, sondern es geht darum, dass das, was dort steht, gesetzeskonform von einem Ministerium ausgefüllt wird. Das wollten wir so nicht durchgehen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall)

Von der Seite hat der Minister an einer Stelle in der Tat sogar recht. Es wäre viel konsequenter gewesen, nachdem die vorläufige Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses im Finanzausschuss fast ein Jahr lang liegen geblieben ist, um dann zu sagen, das machen wir in den Haushaltsberatungen, dann hat man es aber in den Haushaltsberatungen nicht gemacht, dann war

dieser Antrag streng genommen, so wie wir ihn gestellt haben, erledigt, weil man es in den Haushaltsberatungen hätte machen müssen.

Die Koalition hat den Antrag praktisch benutzt, um etwas anderes aufzuschreiben. Das führt uns in der Tat sieben oder acht Jahre zurück in die letzte Legislaturperiode, als es gar nichts gab. Jetzt bin ich gespannt, was wir vorgelegt bekommen. Letztes Mal hat Herr Minister - -

Herr - -

Ich weiß, meine Redezeit ist um. - Ich habe bei Ihnen jetzt gehört, über das neue System wird in der nächsten Legislaturperiode zu entscheiden sein. In der Beschlussempfehlung heißt es, dass im ersten Quartal 2021 - also noch vor der nächsten Landtagswahl -

(Zuruf - Zustimmung)

etwas vorzulegen ist. Ich bin sehr gespannt darauf, was dann vorgelegt wird.

Ich sehe auch hierzu keine Fragen. Ich danke Herrn Lippmann für den Redebeitrag. - Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt der Abg. Herr Aldag, nachdem das Rednerpult desinfiziert wurde. Herr Aldag, Sie haben jetzt das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Wir haben mit der vorliegenden Beschlussempfehlung eine Vorlage auf dem Tisch, die zwei Dinge ans Licht bringt: zum einen, dass die Beschlussempfehlung irgendwie alternativlos ist, da der Landtag mit dem beschlossenen Haushalt bereits die Parameter für die Finanzhilfe für die freien Schulen in einem Gesamtpaket festgelegt hat. Zum anderen zeigt die Beschlussempfehlung, dass wir fast fünf Jahre lang in der Frage nach einer fairen und angemessenen Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft kaum einen Schritt vorangekommen sind.

Es herrscht große Unzufriedenheit, und das gesamte Prozedere, welches wir seit Beginn dieser Legislaturperiode durchlaufen haben, um zu einem transparenten und allseits akzeptierten Finanzierungsverfahren zu kommen, hat letztendlich das Gegenteil bewirkt und zu einem immensen Vertrauensverlust bei den Schulträgern und den Eltern der Kinder an freien Schulen geführt. Es droht eine Klagewelle der freien Schulen.

Meine Damen und Herren! Meiner Meinung nach kann und darf das nicht das Resultat unserer

Bemühungen sein. Der Verweis darauf, im ersten Quartal 2021 nun eine Lösung vorlegen zu wollen, ist lediglich ein schwacher Trost.

Was mich aber am meisten betrübt, ist die Tatsache, dass man auch nach der letzten Sitzung im Rahmen der Haushaltsverhandlungen mit den Vertreterinnen und Vertretern der freien Schulen keinen gemeinsamen Dialog und Lösungsweg gefunden hat.

Ich habe die Stimmung immer so wahrgenommen, dass die freien Schulen zu einem Kompromiss bereit sind. Hier gab es aber kein offenes Ohr. Zu dem anberaumten Termin im Februar war trotz Einladung das Finanzministerium nicht einmal anwesend.

Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, wie wichtig die freien Schulen sind. Sie sind fester Bestandteil unserer Bildungslandschaft und ergänzen diese durch besondere pädagogische Konzepte, durch freiere Formen des Lernens. Sie erfreuen sich wachsender Beliebtheit, gewinnen Preise bei Wettbewerben und werden dann auch öffentlichkeitswirksam vom Minister besucht.

Es muss unser aller Bestreben sein, die freien Schulen mit den ihnen gemäß unserer Verfassung zustehenden Mitteln auszustatten. Die Lösung der Finanzierungsfrage kann dabei kein weiteres Gutachten bringen; das haben wir jetzt gelernt. Die Lösung kann nur im Dialog erfolgen und dazu müssen alle Seiten bereit sein.

Wir fordern deshalb den Bildungsminister auf, schnellstmöglich das Gespräch zu suchen. Es muss dringend gemeinsam mit den freien Schulen ein Fahrplan erarbeitet werden, um vor dem ersten Quartal 2021 und damit auch vor dem Beginn des Landtagswahlkampfes zu einer Einigung zu kommen. Das sind wir letztendlich nach dieser langen Irrfahrt den Schulträgern, den Eltern, vor allem aber den vielen Schülerinnen und Schülern an den vielen und vielfältigen freien Schulen im Land schuldig. - Herzlichen Dank.

(Beifall)