Protokoll der Sitzung vom 11.06.2020

Bitte, Herr Ministerpräsident.

Dazu zwei Anmerkungen, Herr Raue. Die erste: Der Präsident der Leopoldina, den ich vorhin mehrfach zitiert habe, hat mir gestern Folgendes gesagt: Am Montag gab es eine Zusammenkunft mit der Royal Society Großbritanniens, der ältesten und größten Wissenschaftsakademie der

Welt - ich nenne als Stichwort nur Isaac Newton -, bei der sich die Royal Society von der Leopoldina hat beschreiben lassen, wie das Wunder Deutschland möglich gewesen ist. Dabei kann man sich über alle möglichen, auch zusätzlichen Defizite, die es auch bei uns gegeben hat - kein Staatswesen ist ideal bzw. ideal vorbereitet gewesen -, unterhalten. Aber man hat sich über das Wunder Deutschland berichten lassen: Wie war dieses möglich gewesen? - Es ging auch um die Beratung der Politik durch die Wissenschaft. Diese hat in Großbritannien überhaupt nicht stattgefunden. Erst in den letzten Tagen hat man die Royal Society - - Ich plaudere jetzt aus dem inneren Nähkästchen; wir sind hier alle unter drei, sage ich einmal, was dieses Gespräch anbelangt.

Aber das ist doch ein Zeichen dafür, dass wir froh sein konnten, in dieser Zeit in Deutschland und nicht in einem der anderen etwa 190 Länder dieser Welt zu sein. Das muss man doch einmal klar sagen dürfen.

(Beifall)

Die zweite Anmerkung. Es ist keine neue Erkenntnis und auch keine Erkenntnis der AfD, was Globalisierung im 21. Jahrhundert bedeutet, wenn es, neben allen Systemfragen, um die Kompatibilität von Wettbewerbsgesellschaften und Systemen, auch politischer und ideologischer Natur, geht. Das System Globalisierung ist neu zu denken - aber nicht so, wie Sie es denken, dass man nämlich von der globalisierten Arbeitsteilung zurückgehen kann und sollte. Denn das ist bis hin zur Ressourcen- und Rohstofffrage gar nicht denkbar. Wir sind zum Beispiel ohne russisches Erdgas volkswirtschaftlich faktisch nicht lebensfähig. Das heißt, wir brauchen Globalisierung in verschiedensten Facetten.

Die Frage unter dem Gesichtspunkt ist nur - - Es war schließlich keine Böswilligkeit, die von irgendjemanden praktiziert wurde, dass wir nicht beliefert werden konnten. Vielmehr müssen wir berücksichtigen, dass man bei einer solchen Pandemie - Pandemie ist in diesem Zusammenhang, was Infektionen anbelangt, der Begriff für das weltweite Eintreten eines Sachverhaltes - eben trotzdem seine eigenen Schutzmechanismen braucht. Man braucht Nationalstaaten, die in der Lage sind - so wie innerhalb Deutschlands die 16 Bundesländer mit ihren unterschiedlichen Betroffenheiten -, permeable Wände zu errichten, das heißt, Schutzräume zu sichern, die nicht jedes Mal global einen Shutdown erforderlich machen. Sie müssen entsprechend sehr verantwortungsbewusst und regionalisiert handeln.

Das muss neu gedacht werden. Es wird nationale Autarkien geben, aber es wird auf dieser Welt

weiterhin eine moderne, besser aufeinander abgestimmte und pandemiesichere globalisierte Arbeitsteilung geben müssen. Darin bin ich mir sicher. Daran müssen wir arbeiten.

(Zustimmung)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Keine Nachfrage mehr! Sie haben vorhin schon sehr viel ausgeführt und dabei sehr weit ausgeholt.

(Alexander Raue, AfD: Ich wollte nur sagen, ich hätte das nicht besser ausführen kön- nen, Herr Ministerpräsident - Weitere Zu- rufe - Unruhe)

- Nein, Herr Raue. Sie sind jetzt nicht mehr an der Reihe.

(Alexander Raue, AfD: Aber wir hatten eine Verantwortung! - Weitere Zurufe)

- Nein, Herr Raue, es tut mir leid; das geht nicht. Sie können Ihre Redezeit nicht immer weiter ausweiten.

(Zurufe - Unruhe)

Die nächsten Wortmeldungen habe ich bereits angekündigt. Zunächst wird der Abg. Herr Lange sprechen und dann der Abg. Herr Gallert. Weitere Redner - das habe ich vorhin gesagt - werden noch folgen. - Bitte, Herr Lange.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Ministerpräsident, Ihre CDU-Kollegen haben angekündigt, in den zukünftigen Haushalten Kürzungen vornehmen zu wollen. Ich erinnere an den Fraktionsvorsitzenden Herrn Borgwardt, der bereits gesagt hat, wenn Sie wieder in Regierungsverantwortung kommen, wird man an die Haushalte herangehen. Herr Thomas hat gesagt, man wird sich von lieb gewordenen Projekten verabschieden müssen. Der Finanzmister hat im Ausschuss Ähnliches angedeutet. Er hat sich leider schon durchgesetzt mit dem doppelten Konsolidierungsbeitrag, den die Hochschulen jetzt zu erleiden haben. In Zukunft werden den Budgets zusätzlich 6 Millionen € entnommen. Die Hochschulen sind damit das erste Opfer.

Wie schätzen Sie das ein? Was sind Ihrer Meinung nach lieb gewordene und in den Haushaltsplänen verankerte Projekte, von denen man sich aus Ihrer Sicht verabschieden muss?

(Zurufe)

Herr Ministerpräsident.

Sie wissen, dass der Haushaltsgesetzgeber hier sitzt; das ist der Landtag.

(Zurufe)

Demzufolge wird es - unabhängig davon, dass eine Regierung natürlich einen Haushaltsplanentwurf einzubringen hat -, auch eine sehr, sehr enge Kommunikation mit Ihnen in den Ausschüssen und in den Arbeitskreisen geben, wenn es darum geht, Prioritäten zu setzen.

Eines ist aber Fakt: Die Betroffenheit unserer Volkswirtschaft, die besonders exportabhängig ist - - Unsere Volkswirtschaft kommt nur dann wieder auf die Füße, wenn es global, zumindest in Europa, wieder aufwärtsgeht. Bei einer Exportquote von 40 % muss sozusagen über Deutschland hinweg ein Impuls gesetzt werden. Wir kommen nur dann wieder in Gang, wenn es an dieser Stelle nicht nur Entwicklungen gibt, sondern wenn wir die Lücken, die uns Corona bislang gerissen hat, wieder kompensieren. Das heißt, wir werden bis hin zur Kreditaufnahme in den nächsten Jahren so viel Geld ausgeben wie noch nie zuvor in der Geschichte des Landes Sachsen-Anhalt.

Trotzdem wird dieses Mehr an Geld, das wir unter anderem aufgrund von Kreditaufnahmen zur Kofinanzierung der Bundesprogramme - der Bund muss ja auch Kredite aufnehmen - benötigen, nicht reichen, um die Strategie und die Haushaltsproportionierung, wie sie in der Zeit vor Corona festgelegt wurde, einfach eins zu eins weiterzuschreiben und alle Dinge, die uns teilweise weggebrochen sind oder die kompensiert oder wieder aufgebaut werden müssen, noch zusätzlich zu finanzieren.

Auch als Großvater von fünf Enkelkindern sage ich: Meine Enkelkinder werden auch irgendwann einmal eine Pandemie zu bewältigen haben. Wir können deshalb, auch mit Blick auf die Generationenverantwortung füreinander, unsere Probleme nicht ständig ausschließlich auf die anderen Generationen abwälzen.

(Zustimmung)

Also müssen wir unsere Hausaufgaben machen und schauen, was wirklich existenziell ist.

(Zuruf)

Abschließend sage ich Ihnen eines: Als es um die Diskussion ging, was in unserer Gesellschaft in einer Pandemiesituation eigentlich systemrelevant ist, hat sich eigenartigerweise herausgestellt, dass es genau die Berufe sind, die sich im unteren Einkommensdrittel bewegen. Sie können sagen, das haben Sie als LINKE immer gesagt; das ist okay. Aber wir haben auch einen starken sozialen Flügel. Sie wissen, wo ich persönlich politisch

verankert bin. Es ist also nicht nur Ihre Meinung, dass Arbeit geleistet werden muss - auch von Tarifpartnern insgesamt mit allem Drum und Dran. Aber wie gesagt: Das geschieht in einer Tarifautonomie und nicht durch staatliche Verordnung.

Worauf will ich hinaus? - Wir sehen auch an dieser Stelle: Wenn wir auch in zukünftigen Pandemien und Herausforderungen im Gesundheitswesen Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte und all diejenigen, die jetzt wirklich die Kohlen aus dem Feuer geholt haben, bei uns im Beruf haben und motivieren wollen, dann müssen wir uns als Gesellschaft etwas einfallen lassen. Wir müssen Prioritäten neu setzen und uns fragen, wenn diejenigen, die ihre Produkte momentan nicht verkauft bekommen, aber auf der anderen Seite in der Gehaltsliste ganz, ganz oben stehen, sich schon über eine existenzielle Systemrelevanz Gedanken machen müssen, in dem Zusammenhang auch die Tarifverantwortlichen, ob das alles in unserer Gesellschaft richtig justiert ist.

Deswegen ist das die gleiche spiegelbildliche Aufgabe, die wir bei der Aufstellung des Haushaltes im Landtag und natürlich freundlich zusammen mit der Regierung zu machen haben. Dazu wird uns etwas einfallen. Ich weiß, was wir uns im Sinne dessen, dass wir von da eine Förderung bekommen haben und von dort Geld bekommen haben, alles an guten Projekten geleistet haben. Aber das könnten wir mit genauso guten Intentionen jetzt auch an anderer Stelle machen. Wir werden, denke ich, hervorragende Vorschläge unterbreiten. Aus der Pandemie zu lernen heißt für die Zukunft auch, die Zukunft gestalten zu lernen. Deswegen können Sie immer vertrauensvoll und ganz stark auf Ihre Landesregierung - sie wird von Ihnen zwar nicht explizit, aber indirekt mitgetragen - setzen.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Die nächste Wortmeldung kommt - - Haben Sie eine kurze Nachfrage? - Das haben Sie jetzt nicht signalisiert.

(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

- Ja, das heißt das nicht unbedingt. - Bitte.

Okay. - Erstens setze ich darauf, dass es bei der nächsten Wahl vielleicht Veränderungen geben wird.

Zweitens möchte ich Sie in einem Punkt korrigieren.

(Zuruf: Eine Frage!)

- Die Frage kommt gleich. Es gibt vorher noch einen Satz.

(Zuruf: Na dann los!)

Den Konsolidierungsbeitrag, der jetzt Coronasolidarbeitrag genannt wird, hat einzig und allein die Landesregierung beschlossen. Der Haushaltsgesetzgeber hat Ihnen mit den Verpflichtungsermächtigungen Vorgaben gemacht, die Sie dadurch brechen.

Sie haben gerade das Hohelied auf die Wissenschaft gesungen. Wie schätzen Sie denn diesen Konsolidierungsbeitrag in Anbetracht der Tatsache ein, dass Sie sagen, wie wichtig Wissenschaft und Forschung und unsere Hochschulen sind?

Herr Ministerpräsident.

Ich habe an diesen Gesprächen zum Teil ebenfalls teilnehmen können. Diese waren übrigens sehr interessant. Für mich war wichtig, dass der Ausmoderationsprozess des Hauses gut gelungen ist und dass bis auf einen Fall auch das gemeinsame solidarische Mittragen des Angebotes aus dem Wissenschaftsministerium in unsere Hochschullandschaft hinein gegeben war. Mir war wichtig, dass unabhängig davon in Summe mehr Geld hereinkommt.

Wir haben uns auch gemeinsam Gedanken darüber gemacht, wie wir den Druck, den ich ständig aus Berlin bekomme, was die Ausgabe und die Verwendung der Hochschulpaktmittel anbelangt, abbauen können und wie ich aus der Defensive herauskommen kann und mir nicht ständig etwas Neues einfallen lassen muss, wenn es um die Frage geht: Warum sind die Mittel noch immer auf der Kante, also in der Kasse, auf dem Konto, und warum sind diese Mittel, anders als teilweise in anderen Bundesländern, bei uns im Lande noch nicht ausgegeben worden? - Das ist ein ganz erheblicher Betrag - Herr Willingmann, Sie müssten ihn mir zurufen. Ich glaube, es sind

(Zuruf)

82 Millionen €, damit die Universitäten und Hochschulen an dieser Stelle nach wie vor - wohl wissend, dass die Mittel zweckgebunden, aber einsatzfähig sind und in vielen Teilen auch nicht explizit, aber implizit substitutionsfähig sind für bestimmte Vorstellungen - etwas im Bereich der Hochschulautonomie entwickeln können.