Protokoll der Sitzung vom 12.06.2020

(Unruhe)

Man wiederholt sich ja hin und wieder, aber an dieser Stelle will ich es ausdrücklich und mit Bedacht tun. Ich habe Ihnen immer schon gesagt, dass Dinge, die falsch sind, nicht dadurch wahrer werden, dass man sie laut herausbrüllt. Das merkt man bei Ihnen immer sehr deutlich.

Wir haben hier schon in mehreren Debatten, in denen Sie es sehr umfangreich begründet haben, die Frage erörtert, warum Sie ungedient sind. Folglich kann ich Ihnen vielleicht Nachhilfeunterricht geben.

Wer besetzt ein Kreisverbindungskommando? - Das besetzt nämlich nicht der Landrat des Burgenlandkreises oder der Kreistag oder wer auch immer, sondern die Bundeswehr benennt Reserveoffiziere, manchmal auch im Unteroffiziersdienstgrad, die Mitglied dieses Kreisverbindungskommandos sind.

Schließlich und endlich: Wenn Sie auf den jüngsten Fall, ich glaube, in der CDU in Bernburg anspielen,

(Robert Farle, AfD: Ja, genau!)

dann sage ich ganz ehrlich zur Ehrenrettung: Ich habe an der Konsequenz, an dem Handeln und an der Geschwindigkeit des Handelns der CDU in Sachsen-Anhalt an der Stelle überhaupt nichts auszusetzen.

(Zustimmung - Zurufe)

Meines Wissens ist der Mann wohl seit heute auch nicht mehr Mitglied der CDU. So habe ich es jedenfalls den Medien entnommen.

(Zuruf von Robert Farle, AfD)

- Ja, okay. Ich bin fertig.

(Zurufe)

Das ist jetzt alles nicht ganz unerwartet. Trotzdem werde ich mich jetzt darauf konzentrieren, die Debatte fortzuführen. Das ist auch möglich, sobald der Tisch gereinigt worden ist.

(Zuruf)

- Genau, desinfiziert. Ja, so heißt es. In Ordnung. Aber wir wollen nicht kleinlich sein, Herr Stahlknecht. - Wir fahren jetzt in der Debatte fort. Für die Landesregierung spricht Herr Innenminister Stahlknecht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als die erste Berichterstattung in der „taz“ erschien und es später die wohl per Screenshot abgebildeten Chatverläufe gab, habe ich angefangen, das zu lesen. Am Anfang habe ich mich gewundert, dann kam Befremden und - ich sage es für mich persönlich - ganz am Ende auch Ekel hinzu.

Wenn man diesen Verlauf liest, erkennt man, dass das keine einmalige Entgleisung der Akteure war, zu der man sagen könnte, dass es geschmacklos war oder dass es vielleicht auch, weil es Studenten und Burschenschafter waren, dem Alkohol geschuldet war. Ich will nur eine Sentenz nehmen. Es gab eine Gratulation mit den Worten „Sieg Heil, Herr Hauptmann! Gratulation!“ und der Gratulierte antwortet „Heil! Herzlichen Dank!“ - Dann kommen hitleristische Äußerungen und all solche Dinge.

Wenn man das durchliest, dann wundert man sich, dass es solches Gedankengut in unserer Gesellschaft überhaupt noch gibt, angesichts der eigenen Verantwortung, der eigenen Geschichte; insbesondere bei Männern - in diesem Fall waren es nur Männer -, die in der Bundeswehr aufgrund ihres Dienstgrades eine gewisse Vorbildfunktion haben. Insofern sage ich es ganz deutlich: Dieses Verhalten, egal von wem

(Oliver Kirchner, AfD: Genau!)

und egal in welcher Weise, ist in keiner Weise tolerierbar.

(Zustimmung)

Das Nächste ist - das beobachte ich seit dem Jahr 2015 mit großer Sorge -, dass wir in den digitalen Kommunikationswelten erleben, dass die Grenzen zwischen Realität und virtueller Wirklichkeit anfangen zu verschwimmen. Dort radikalisieren sich Menschen, weil das, was sie abends allein oder mit anderen aufschreiben, völlig enthemmt ist. In einem normalen Dialog würde es vielleicht noch gebremst werden.

Jeder Anstand, jede Zurückhaltung fällt. Die Agitation verlagert sich genau auf diese Schauplätze, in geschlossenen Gruppen, in Whatsapp-Gruppen usw. usf. Gerade diese sozialen Netzwerke und solche Gruppen, wie sie hier bekannt geworden sind, tragen verstärkt zu einer losen Vernetzung zwischen Extremisten und Nicht-Extremisten bei. Diese Abgrenzung verliert dadurch immer mehr an Trennschärfe.

Das, was der Kollege Erben angesprochen hat, macht es für alle Beteiligten so schwierig. Weil es in diesen geschlossenen Systemen stattfindet, ist

es schwierig mitzubekommen, was stattfindet und wie viele andere möglicherweise gleich geartete Chatgruppen es überhaupt in der gesamten Bundesrepublik - ich würde sogar sagen weltweit - gibt.

Für den Verfassungsschutz und auch für den Militärischen Abschirmdienst, ohne jetzt in die Tiefe gehen zu wollen, ist es schwierig zu erkennen, was in welchen Gruppen gesprochen wird. Sie können ja als Verfassungsschutz nicht ohne Anlass

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Gott sei Dank!)

- Gott sei Dank, sagt Herr Striegel;

(Zurufe)

das sage ich jetzt auch: Gott sei Dank - jeden einzelnen Chat- oder SMS-Verkehr daraufhin durchleuchten, ob man darin möglicherweise einen Zufallsfund hat. Das ist Gott sei Dank in unserem Staat nicht möglich, insbesondere nach zwei Diktaturen, die genau das gemacht haben, was wir zukünftig und jetzt nicht wollen.

(Zustimmung)

Selbst wenn Anhaltspunkte vorlägen, könnte unser Verfassungsschutz solche Chatgruppen gar nicht auswerten, weil wir nicht Rechtsgrundlage für eine Quellen-TKÜ haben. Deshalb sind wir darauf angewiesen, dass solche Dinge am Ende öffentlich werden. - Das war der erste Teil.

Der zweite Teil ist, dass wir zwischen den Innenministern vereinbart haben, dass der Verfassungsschutz solchen Dingen künftig besser begegnen können soll. Er soll seine Präsenz im Netz verstärken und Gefahren frühzeitig im Wege einer offenen Beobachtung erkennen. Wenn so etwas offen bekannt wird, kann der Verfassungsschutz gemeinsam mit dem Staatsschutz der Polizei in solchen Bereichen eingreifen.

Drittens und abschließend. Rechtes, fremdenfeindliches und rassistisches Gedankengut haben weder in der Bundeswehr noch in anderen Behörden und Einrichtungen des Bundes und der Länder etwas zu suchen und eigentlich nirgendwo.

(Zustimmung)

Es gilt daher, Extremisten jegliche Möglichkeit der Einflussnahme auf behördliches und auf politisches Handeln zu nehmen. Insofern ist es gut, dass dieser Vorfall bekannt geworden ist und die entsprechenden Konsequenzen erfolgt sind.

Den jetzt vorliegenden Sachverhalt betreffend wird der Verfassungsschutz im Verbund gemeinsam mit unserem Verfassungsschutz, mit Sachsen, aber auch mit dem MAD und dem Bundesamt für Verfassungsschutz die erforderlichen

Dinge auswerten. Auch die Polizei wird sie auswerten.

Wenn wir nähere Ergebnisse haben, dann ist die Frage zu beantworten, ob überhaupt eine strafrechtliche Relevanz vorliegt. Das muss man jetzt alles in Ruhe prüfen. Das ist die juristische Seite.

Die andere ist die politische Seite, nämlich dass die Art und Weise, wie sich einige im Netz geäußert haben, durch nichts erklärbar ist, durch nichts entschuldbar ist und auch unserer geschichtlichen Verantwortung nicht gerecht wird. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung)

Herr Innenminister, es gibt Fragen, und zwar von Herrn Poggenburg

Das soll so sein.

und von Herrn Tillschneider.

Sehr geehrter Herr Innenminister, das waren richtige, wichtige und kluge Worte. An einem Punkt möchte ich aber einhaken. Sie haben gesagt, dass rechtes Gedankengut in der Bundeswehr, in öffentlichen Einrichtungen usw. nichts zu suchen hat. Dazu möchte ich doch einmal fragen, ob man das bezüglich der demokratischen Aspekte nicht doch ein ganz klein wenig differenzierter sehen müsste.

Ist beispielsweise das Gedankengut eines Nationalkonservativen, das auch als rechtes Gedankengut anzusehen wäre, genauso wie linkes Gedankengut und liberales Gedankengut doch rechtmäßig und legitim? Das hätte ich gern einmal begründet und beantwortet. - Danke.

Jede Form extremistischen Gedankengutes hat im öffentlichen Dienst und in der Bundeswehr nichts zu suchen. Damit das klar ist: Das gilt für Rechtsextremismus genauso wie für Linksextremismus. Nur haben wir im Augenblick über rechtsextremistisches Gedankengut geredet.

(Zustimmung)

Insofern habe ich den Fokus meiner Rede darauf gelegt. Aber wir sind à jour. Beide Formen von Extremismus haben im öffentlichen Bereich und

eigentlich im gesamten gesellschaftlichen Miteinander nichts zu suchen.

Wir reden über Rechtsextremismus und nicht über konservatives Gedankengut. Man kann sich darüber streiten, ob jede konservative Äußerung mehrheitsfähig ist. Ich habe da manchmal auch meine Zweifel. Den Streit kennen wir ja alle. Deshalb reden wir immer über Extremismus. Das war auch mein Ansatz.