Protokoll der Sitzung vom 12.06.2020

Ich appelliere deshalb zumindest an die CDUFraktion. Keine der vorgeschlagenen Änderungen ist extrem, keine überspannt den Bogen. Es sind Akzentsetzungen, die eine Partei, die Volkspartei sein will, nicht ablehnen kann. Erklären Sie den Erhalt und Schutz von Heimat, Tradition und deutscher Leitkultur zu einem Ziel der politischen Förderung, einem neben anderen. Wagen auch Sie mehr Patriotismus und stimmen Sie unserem Antrag zu. - Vielen Dank.

(Beifall)

Wir steigen jetzt in die Dreiminutendebatte ein. Für die Landesregierung spricht, nachdem der Tisch desinfiziert worden ist, der Kollege Bildungsminister Herr Tullner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Veröffentlichung der Richtlinie über die Gewährung von Zuschüssen zur Förderung politischer Bildung an parteinahe Stiftungen und Bildungswerke sowie kommunalpolitische Organisationen ging ein umfangreicher Abstimmungsprozess innerhalb der Landesregierung und mit dem Landesrechnungshof voraus.

Die im vorliegenden Antrag vorgeschlagenen Änderungen der Richtlinie sind aus der Sicht der Landesregierung nicht zielführend, plausibel und umsetzbar. So erachten Sie im Hinblick auf die politische Arbeit parteinaher Stiftungen und kommunalpolitischer Organisationen eine Ausrichtung an der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen für entbehrlich und erbitten eine Streichung der betreffenden Textzeile. Wir konnten den Ausführungen ja gerade lauschen.

Aber warum sollte die Landesregierung dies tun? - Zwar ist die allgemeine Erklärung als solche völkerrechtlich nicht verbindlich, sie umfasst allerdings mit ihren 30 Artikeln die grundlegenden Rechte, die jedem Menschen zustehen sollten.

In Artikel 1 heißt es, alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Artikel 2 besagt unter anderem, dass jeder Mensch Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied etwa nach Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand hat.

Ich frage Sie: Was spricht dagegen, seine politische Bildungsarbeit auch an diesen Werten auszurichten? - Ganz im Gegenteil ist die Landesregierung der Auffassung, dass neben den Zielen und Wertvorstellungen des Grundgesetzes und der Landesverfassung auch die Grundrechte aus der Erklärung der Vereinten Nationen Richtschnur der diesbezüglichen politischen Bildungsarbeit in unserem Land sein sollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Des Weiteren schlägt die AfD-Fraktion bei den aufgeführten Themenbereichen im Hinblick auf eine Förderung eine Ergänzung um den Punkt Heimat, Tradition und deutscher Leitkultur vor. Die bisher unter Punkt 2 der Richtlinie aufgeführten Themenfelder sind von der Definition her klar, verständlich und abgrenzbar. Der Begriff der deutschen Leitkultur ist dagegen bislang nicht klar definiert.

In den vergangenen 20 Jahren gab es ohne Frage eine Reihe von Diskussionsanstößen verschiedener Parteien zum Begriff der deutschen Leitkultur, die in der Öffentlichkeit sehr kontrovers aufgenommen wurden. Eine abschließende Verständigung, was darunter einvernehmlich zu verstehen ist und ob es einer solchen überhaupt bedarf, gab es aber nicht.

Ebenso verhält es sich mit den Begriffen „Heimat“ und „Tradition“. Auch hier ergeben sich große Interpretationsspielräume. Aus diesem Grund wird eine solche Ergänzung der Themenbereiche abgelehnt.

Abschließend möchten Sie als Bewilligungsbehörde ein Referat im Ministerium für Bildung an

statt der Landeszentrale für politische Bildung einsetzen. Auch dem kann nicht gefolgt werden. Einerseits sind die entsprechenden Zuschusstitel im Haushaltsplan dem Kapitel 07 04, der Landeszentrale für politische Bildung, zugeordnet. Andererseits ist in der gemeinsamen Geschäftsordnung der Ministerien im Land Sachsen-Anhalt aus gutem Grund geregelt, dass nur vorbereitende, gesetzgeberische und allgemein lenkende Aufgaben sowie zentrale Aufgaben der Aufsicht, Erfolgskontrolle und Planung der Wahrnehmung durch die Ministerien unterliegen. Vollzugsaufgaben und die Bearbeitung von Einzelfällen sind den nachgeordneten Behörden vorbehalten.

Abschließend sage ich ganz klar, dass die Landesregierung die im Begründungsteil des Antrags aufgeführte Einschätzung, die Landeszentrale für politische Bildung lasse die für die Bearbeitung der Anträge notwendige politische Neutralität vermissen, ausdrücklich nicht teilt und dass sie sich davon distanziert.

Meine Damen und Herren! Vor dem dargestellten Hintergrund empfiehlt die Landesregierung, den Antrag abzulehnen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)

Damit sind wir am Ende dieses Redebeitrages angelangt. Dazu gibt es eine Wortmeldung von Herrn Kirchner. - Herr Kirchner, Sie haben das Wort.

Es ist im Grunde genommen eine Frage. - Sehr geehrter Herr Minister Tullner, ich habe die Frage, ob Sie den Direktor der Landeszentrale für politische Bildung als charakterlich und politisch empfehlenswert halten, solche Förderungen vorzunehmen, wenn es doch derjenige ist, der hier im Landtag eine Eingangsrede zu den Opfern an der innerdeutschen Grenze vor politisch Verfolgten gehalten hat und der gleichzeitig zu einem anderen Podium Anetta Kahane, eine Stasimitarbeiterin, eingeladen hat. Sind das die Leute in der Politik, die wir dazu nehmen sollten, um solche Entscheidungen zu treffen? Das würde ich von Ihnen gern mal wissen.

Sie haben das Wort.

Der Kollege R. ist ein engagierter Mitarbeiter und, ich glaube, er arbeitet für die Landeszentrale gemeinsam mit dem Kuratorium - die Kuratoriums

vorsitzende sitzt mir gerade gegenüber - gut zusammen. Ich habe daran nichts auszusetzen.

Wir sind am Ende dieses Debattenbeitrags angelangt. Dann kommen wir zur Debatte der Fraktionen. Die SPD-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Nach der Desinfizierung des Tisches wird für die Fraktion DIE LINKE die Abg. Frau Quade sprechen. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Es ist also wieder mal so weit: Es soll über Leitkultur debattiert werden. Was die Leitkultur oder präziser die deutsche Leitkultur eigentlich sein soll, das kann der vorliegende abstruse Antrag natürlich nicht klären.

Geht man davon aus, dass die Antragsteller für sich in Anspruch nehmen, diese ominöse Leitkultur zu leben, kann man sich ja anschauen, was das bedeuten könnte. Dann stellen sich gleich mehrere Fragen. Trachtenjanker? Pullunder? In die Jahre gekommener Rockerrebell? - Welche kulturelle Referenz soll‘s denn sein?

(Zustimmung - Zurufe)

Sollen sich Abgeordnete ein Beispiel an Herrn Lehmann nehmen, der Geflüchtete mit sexualisierter Sprache rassistisch beleidigte, oder sollen sie Fraktionskollegen angreifen, wie es ihm vorgeworfen wurde? Würde das Sommerfest des Landtages stattfinden, sollten Bedrängen und Angriffe auf Abgeordnete zukünftig Standard werden? Sollen alle hipp, trendy und urban sein, wie die Identitäre Bewegung versucht sich zu geben, oder doch eher völkische Siedler auf der eigenen Scholle? Ich kürze das ab: D i e Leitkultur gibt es nicht, meine Damen und Herren.

(Zustimmung - Zurufe)

Denn schon die Tatsache, dass nicht mal diejenigen, die sie fordern, in der Lage wären, konsistent zu beantworten, was sie eigentlich sein soll, zeigt das ja. Gibt die deutsche Leitkultur nun der Faschist Björn Höcke vor oder ist es die Orientierung an den Spießern und Nazis aus der zweiten Reihe?

(Zurufe)

Und, meine Damen und Herren, schon gar nicht ist diese herbeigewünschte Leitkultur, wie es die Antragstellerin in Verdrehung der Rechtslage behauptet, Voraussetzung für Demokratie und Verfassung. Im Gegenteil: Die Verfassungen der Bundesrepublik und des Landes Sachsen-Anhalt gehen davon aus und schützen, dass in der Gesellschaft und innerhalb des Rahmens der Verfassung und der Gesetze Unterschiedlichkeit,

Vielfalt und Differenz möglich sind, gelebt und gefördert werden.

(Beifall)

Anders als in einem totalitären Staat leitet nicht eine Gruppe mit einer von ihr einfach festgelegten Kultur alle anderen, sondern alle gestalten diese Gesellschaft mit ihren Unterschieden. Das kann bedeuten, im Ort im Musikverein aktiv zu sein. Das kann bedeuten, den „Christopher Street Day“ zu organisieren.

Dabei sind der Verfassung Über- und Unterordnung von kultureller Praxis fremd. Sie schützt nötigenfalls die Minderheit vor der Mehrheit. Denn die Verfassung geht von einer Gesellschaft unterschiedlicher Menschen, nicht von einer homogenen Gemeinschaft aus. Das ist der Unterschied zwischen Demokraten und Faschisten. - Herzlichen Dank.

(Beifall)

Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Nach dem Tischdesinfizieren spricht die Abg. Frau Gorr für die CDU-Fraktion bzw. - das kann sie aber selbst noch mal sagen - für die gesamte Koalition; so steht es hier. - Frau Gorr, Sie haben das Wort.

Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Zielrichtung des Antrags der AfD-Fraktion versteckt sich unter dem Mäntelchen eines Änderungswunsches zur Richtlinie über die Gewährung von Zuschüssen zur Förderung politischer Bildungsarbeit an parteinahe Stiftungen und Bildungswerke sowie kommunalpolitische Organisationen.

Diese Richtlinie ist im Zuge ihrer Erarbeitung intensiv diskutiert und abgewogen worden. Ihre Förderungsgrundlage bildet neben dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, welche Sie in Punkt 1 Ihres Antrags streichen wollen.

Werte Kollegin und Kollegen der AfD! Dieses Ansinnen verwundert mich natürlich überhaupt nicht; denn eine allgemeine Erklärung der Völkerrechte ist natürlich wesentlich weiter gefasst als

„deutsch“.

Ich habe in diesem Hohen Hause schon einmal bei Ihnen nachfragen müssen, für wen aus Ihrer Sicht Artikel 1 Satz 1 des Grundgesetzes gilt. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass sich die Koalition auch und gerade zu den Grundrechten aus der

Erklärung der Vereinten Nationen bekennt und wir daher Punkt 1 ablehnen.

Punkt 2 erkenne ich als Ihre eigentliche Zielrichtung; denn Ihr Antragstitel fordert ausdrücklich die Förderung deutscher Leitkultur, etwas verschämt an die dritte Stelle gesetzt bei der Ergänzung um Punkt f) nach „Heimat“ und „Tradition“.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Für die CDU-Fraktion haben Heimat und Tradition einen hohen Stellenwert in ihrem politischen Handeln. Allein an den im Landtag diskutierten Themen kann man ablesen, dass das für den Großteil aller Politikerinnen und Politiker in unserem Parlament über die Parteien hinweg zutrifft. Wir wollen damit die Verantwortung für unsere jeweiligen recht unterschiedlichen Regionen übernehmen und deren Anliegen im Parlament vertreten.

Sie allerdings - das möchte ich aus meiner Erfahrung mit Ihnen, verehrte AfD, annehmen - wollen damit diejenigen ausgrenzen, die für Sie nicht deutsch sind. Die Diskussion um den Begriff „Leitkultur“ hat der Minister bereits angesprochen. Die AfD fördert jedenfalls keine neutrale einvernehmliche Begriffsbestimmung. Punkt 2 ist daher ebenso abzulehnen.

Die Zielrichtung von Punkt 3 Ihres Antrags wird in der Begründung deutlich. Einmal wieder geht es um die von Ihnen gern betriebene negative, aus meiner Sicht geradezu diffamierende Darstellung der Landeszentrale für politische Bildung. Als Kuratoriumsvorsitzende weise ich Ihre Unterstellungen zurück und würde Sie bitten, wieder mal bei uns im Kuratorium aufzutauchen.

Hohes Haus! Die Koalitionsfraktionen lehnen diesen Antrag nachdrücklich ab.

(Beifall)

Jetzt wird erstmal der Tisch desinfiziert. Danach spricht der fraktionslose Abg. Herr Poggenburg. - Herr Poggenburg, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Wir haben heute schon heftig diskutiert und gestritten. Deswegen möchte ich in aller Unaufgeregtheit auf den Antrag der AfD-Fraktion zu sprechen kommen. Mir geht es vor allem um Punkt 2 und Punkt 3.

In Punkt 2 wird gefordert, Heimat, Tradition und deutsche Leitkultur als Gegenstand der Förderung direkt aufzunehmen. Dazu muss ich sagen: In einer Zeit, in der wir ein Heimatministerium haben, ist es doch nur recht und billig,