Protokoll der Sitzung vom 12.06.2020

Frau Frederking und Herr Höppner, warum machen Sie das jetzt und warum wurde überhaupt irgendetwas angefasst? Denn, wie gesagt, wir haben das so weit politisch vorangetrieben, dass erst einmal etwas getan wurde. Wollen Sie zu der Studie, die in Sachsen-Anhalt erschienen ist, jetzt erst einmal einen Bestätigungsbeschluss des Landtages zu deren Veröffentlichung herbeiführen, oder was soll das?

Der Höhepunkt ist der Gefährdungsumfang, der vor vier Jahren für Sie noch gar nicht existierte; denn die böse AfD hatte sich ja das Thema Giftschlammgrube, ohne Sie um Erlaubnis zu fragen, populistisch angeeignet. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern.

Wie kommen Sie eigentlich darauf, jetzt den Begriff „Giftschlammgrube“ zu verwenden, nachdem Sie jahrelang auf das Bergrecht und die besonderen Rechtslagen verwiesen haben und sich krampfhaft an den harmlos klingenden Begriff der Obertagedeponie für Ablagerungen von bergbaulichen Abfällen geklammert haben, bei der das ja alles rechtens ist und auch rechtens verläuft?

Und zeigen Sie uns bitte die Stelle im Abschlussbericht, die explizit darlegt, dass die Giftschlammgrube Brüchau Mensch und Umwelt in der Altmark gefährdet, also ein klar definiertes Gebiet, das 4 700 km² umfasst. Haben Sie einmal darüber nachgedacht, was Sie mit dieser Fehlleistung eigentlich aussagen? - Also, ich überspitze das jetzt, weil Sie auch immer so gerne jedes Wort der AfD auf die Goldwaage legen: Jetzt hat also die

Obertagedeponie das gesamte Grundwasser der Altmark kontaminiert. Die Gesamtbevölkerung ist auf Gesundheitsgefährdung und -schäden zu überprüfen.

Das wäre jetzt der Augenblick, dass Sie diesen Panikantrag zurückziehen. Der Landtag wird kaum einer derart unbewiesenen Übertreibung zustimmen. Falls - und jetzt hören Sie genau hin - das aber so ist und Sie wieder wichtige Informationen besitzen und zurückhalten, die eine Gesamtgefährdung der Altmark beweisen, dann müssen wir uns intensiv um die Konsequenzen für die Verantwortlichen unterhalten; denn sie haben die Gefährdungslage vier Jahre toleriert.

Abgesehen davon: Wie und mit wem wollen Sie auf einer Fläche von 4 700 km² Gefahren beseitigen, wenn Ihr Landeslabor es nicht einmal schafft, die Beprobung von einigen Hausbrunnen fehlerfrei über die Bühne zu bringen? Wo sind denn nun eigentlich die Ergebnisse der Überprüfungen von Hausbrunnen, oder blieben die seit 2019 durchgehend ausgetrocknet?

Was soll auch weiterhin diese gezirkelte Feststellung, dass vom zuständigen Ministerium am 6. Februar die Vorzugsvariante benannt wurde? Jeder hätte heute erwartet, dass Minister Willingmann bereits über den Stand der Angebotsaufforderung berichtet. Aber nein, der Herr Minister muss erst einmal klären, wer überhaupt das Sagen im Land hat. Dabei ist er es doch, der großspurig verkündete, Geld spiele keine Rolle oder der Altlastenfonds, der jetzt erst einmal anfängt zu rechnen,

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum letzten Satz.

der die wirtschaftlichen Entscheidungen in diesem Land trifft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte darum, unserem Alternativantrag zuzustimmen, weil der Antrag der Kenia-Koalition und auch der der LINKEN meines Erachtens inhaltslos ist. Wir haben von jeher davon gesprochen, was getan werden muss. Die Sachen haben sich bestätigt, und ich finde,

Frau Abg. Funke, ich habe Sie um den letzten Satz gebeten. Das sind jetzt schon mehrere gewesen.

es ist eigentlich Zeit zu handeln.

(Beifall)

Vielen Dank. - Frau Frederking hat signalisiert, dass sie eine Kurzintervention machen möchte. Es sind ganz wenige, die es tatsächlich so praktizieren, wie wir es selbst auch beschlossen haben. Sie ist an das Saalmikrofon gegangen und möchte von da aus eine Kurzintervention machen. Oder ist das nicht der Fall? - Doch, das ist korrekt. Bitte, Frau Frederking.

Frau Funke, ich stelle fest, dass Sie 95 % Ihrer Redezeit darauf verwendet haben, sich in Vorwürfen anderen gegenüber zu ergehen und dass es nur in 5 % Ihrer Redezeit um die Herausforderung der Giftschlammgrube Brüchau ging.

(Beifall - Zuruf)

Frau Abg. Funke, Sie haben die Möglichkeit, darauf zu erwidern.

(Unruhe)

Kleinen Moment. - Sehr geehrte Kollegen, Ihre Kollegin steht hier vorn. Lassen Sie ihr doch wenigstens die Möglichkeit, darauf zu erwidern. - Frau Funke, bitte.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Frederking, die AfD war vor 2016 noch nicht im Landtag. Aber seitdem wir im Landtag sind, haben wir uns rigoros auch um dieses Thema gekümmert. Wir waren vor Ort. Wir haben selbst Proben genommen, durch unsere Fraktion finanziert.

Ich muss dazu sagen: Man merkt an der Aussage, die Sie jetzt getroffen haben, dass Sie wahrscheinlich nicht einen Antrag der AfD überhaupt gelesen oder verstanden haben, auch nicht die Begründungen, die wir dazu hineingeschrieben haben.

Wir haben in unserem jetzigen Alternativantrag noch einmal auf alle Anträge, die wir gestellt haben, hingewiesen. Ich habe es vorhin klarzumachen versucht: Sie legen immer jedes Wort der AfD auf die Goldwaage. Aber wenn Sie solche Anträge wie diesen jetzt abliefern, die völlig inhaltslos sind, dann muss ich einfach so reagieren; es tut mir leid.

(Beifall)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die SPD spricht der Abg. Herr Hövelmann. - Auch Sie, Herr Hövelmann, können schon lang

sam Richtung Pult gehen. Es wird gleich bereit sein.

(Zuruf)

- Vielen Dank. Diesen Luxus bekommt jeder, der hier vorne an das Pult tritt. - Herr Abg. Hövelmann, Sie haben jetzt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon gesagt worden: Vor drei Jahren, im Mai 2017, hat dieses Hohe Haus einen ersten Beschluss zu Brüchau gefasst. Die Hauptbotschaften waren damals: Erstens. Die Prüfung der möglichen Stilllegungsvarianten muss ergebnisoffen erfolgen. Zweitens. Der Schutz der Bevölkerung, der Umwelt und des Grundwassers sind maßgeblich für die dann zu treffende Entscheidung über die Vorzugsvariante.

Dem sind weitere Debatten in diesem Parlament gefolgt. Es gibt kaum ein Thema, mit dem wir uns so oft auch im fachlich zuständigen Ausschuss befasst haben, das so oft auf der Tagesordnung stand.

(Zuruf)

Dazu zählen natürlich auch Fachgespräche mit zahlreichen Gästen, einschließlich der örtlichen Bürgerinitiative, umfassende Akteneinsichtnahmen, Abgeordnetenbesuche vor Ort und die Teilnahme an Gesprächsrunden vor Ort. Das ist schon ein Beleg dafür, wie ernst dieses Parlament das Thema tatsächlich nimmt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute kommen wir zu einer, wie ich finde, besonders wichtigen Zwischenpositionierung dieses Parlaments bei der parlamentarischen Behandlung des Themas Brüchau. Wir wollen mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen erreichen, dass der Landtag feststellt, welche Schritte jetzt erforderlich sind.

Die Feststellungen gehen zurück - das ist bereits angesprochen worden - auf die Ergebnisse des Erkundungsverfahrens, über das das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung den Ausschuss im Februar informiert hat.

Ich vermute, dass nicht viele von uns überrascht sind, dass das Ergebnis lautet: Die Grube ist nicht dicht. Jedenfalls kann ich das für mich sagen. Ich war auch nicht davon überrascht, dass Minister Willingmann aufgrund dieser Erkundungsergebnisse die Auskofferung der Grube als Vorzugsvariante bezeichnet hat.

Von diesem Ergebnis führt eine gerade Linie zu dem Beschluss, den wir heute fassen wollen. Ich will auch sagen: Ich bin Herrn Willingmann ausdrücklich dankbar für diese klare Position, die er heute eingenommen hat. „Nicht ein bisschen, son

dern ganz klar“ - das ist die Botschaft und so muss es auch sein. - Vielen Dank dafür.

Ich bin auch allen drei Koalitionsfraktionen ausgesprochen dankbar dafür, dass wir uns zu so einer klaren Positionierung haben durchringen können,

(Zustimmung)

dass wir gemeinsam diese Position tragen und dafür sorgen werden, dass nunmehr die nächsten Schritte konsequent eingeleitet werden.

Umso erstaunlicher war es für mich jedenfalls, dass in dieser Phase ausgerechnet aus dem Geschäftsbereich des Landwirtschafts- und Umweltministeriums eine Stellungnahme der Landesanstalt für Altlastenfreistellung kam, die neue Irritationen hervorruft.

Aus dieser Stellungnahme geht hervor - auch das ist bereits gesagt worden -, dass aus der Sicht der Landesanstalt nur eine einzige Variante in Betracht kommt, nämlich die Abdichtung der Grube, und zwar weil - die Begründung ist interessant - andere Varianten, wie die Auskofferung, aus finanziellen Gründen unverhältnismäßig sind.

Ich will noch sagen, dass wir diese Gemengelage als Landtag jedenfalls nicht auflösen können. Frau Ministerin Dalbert, ich möchte Sie herzlich bitten, dafür zu sorgen, dass das innerhalb der Landesregierung geklärt wird.

Der Landtag jedenfalls hat im Jahr 2017 eine klare Position eingenommen und hat diese auch beschlossen. Damals war die Position - ich hoffe, sie ist heute noch so -: Es wird ergebnisoffen untersucht. Es kommt auf die Untersuchungsergebnisse an, auf deren Basis wird entscheiden. Das war verbunden mit - ich zitiere aus dem Beschluss vom 4. Mai 2017 -:

„Der Entscheidung sollen ausschließlich Sachargumente und das Wohl von Mensch und Umwelt zugrunde gelegt werden. Finanzielle Aspekte sind nachrangig.“

(Beifall)

Daran sollten wir uns halten. Ich stelle fest, was die Untersuchungen ergeben haben, ist klar: Die Grube ist nicht dicht. Was der Landtag will, ist klar. Das werden wir durch den Beschluss heute, so hoffe ich, auch noch einmal untermauern. Was die Bevölkerung erwartet, ist ohnehin seit Langem nicht zu überhören.

Jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Landesregierung gefragt, für Klarheit zu sorgen. Frau Ministerin, ich habe Sie auch direkt angesprochen, dafür zu sorgen, dass das geschieht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn alle Fragen geklärt sind, wird die Sanierung

in Brüchau Zeit brauchen. Wer einen anderen Eindruck erweckt, der streut den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen.

(Zustimmung)