Ich betone an der Stelle noch einmal ausdrücklich: Ja, in der Vergangenheit sind Fehler gemacht worden. Im Lichte der absehbaren Entwicklungen sind nicht rechtzeitig Kapazitäten geschaffen worden. Aber der Blick nach hinten hilft uns nicht weiter. Wir müssen die Probleme lösen. Das tut diese Landesregierung, meine Damen und Herren.
Diese Trends wirken zusammen, lassen sich kurzfristig nicht grundsätzlich verändern und beeinflussen die Unterrichtsversorgung. Wir müssen mit diesen Rahmenbedingungen umgehen.
Die Versorgung der Sekundar- und Gemeinschaftsschulen reicht im Mittelwert aus, um den zugewiesenen Grundbedarf und damit die Stundentafel abzusichern. Unterschreiten Schulen aber diesen Wert, gerät die flächendeckende Umsetzung der bisherigen Stundentafeln an Grenzen.
Es war notwendig, konkrete Ansätze zu verfolgen, die den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen unter diesen Voraussetzungen realistische Wege eröffnen, um die Stundentafeln im Umfang der Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz abzusichern. Bisher wiesen die Stundentafeln für beide Schulformen höhere Volumina in den Schuljahrgängen, Fächergruppen und Fächern aus, als es in den KMK-Vereinbarungen über die Schularten und Bildungsgänge im Sekundarbereich I von der KMK festgelegt wurde, an denen Sachsen-Anhalt übrigens mitgewirkt hat.
Diesen Spielraum aufgreifend, sichert die Stundentafel im Unterrichtsorganisationserlass für Sekundar- und Gemeinschaftsschulen ab dem Schuljahr 2020/2021 die Anforderungen gemäß der Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz ab und flexibilisiert die Umfänge der in den Schuljahrgängen und Fächergruppen zu erteilenden Stunden. Dadurch wird verstärkt auf die kon
kreten Bedingungen an den Schulen sowie ihre Unterrichts- und Klassensituation reflektiert. Die Gestaltungspielräume für die Schulen werden erhöht.
Auch vor Übertreibungen warne ich. Die Wochenstundenzahlen in den Fächern Mathematik und Deutsch werden nicht erheblich oder um etwa ein Viertel reduziert, wie es in dem Antrag der AfDFraktion heißt. Vielmehr werden sie in den Schuljahrgängen der Klassen 5 bis 10 zusammengenommen um jeweils zwei Wochenstunden verringert - von zuvor 24 auf jetzt 22 Wochenstunden innerhalb von sechs Schuljahren. Auch in der naturwissenschaftlichen Fächergruppe Biologie,
Physik, Chemie und Astronomie wurde die Wochenstundenzahl insgesamt - die Schuljahre 5 bis 10 und alle vier Fächer zusammengenommen - um vier Wochenstunden gekürzt.
Die Schulbehörden haben die Verantwortung, möglichst alle Schulen im hinreichenden Umfang mit Lehrkräften zu versorgen. Um dies auch im mittelfristigen Zeitraum weiter abbilden zu können und gleichzeitig das in Sachsen-Anhalt vergleichsweise kleinteilige Schulnetz abzusichern, musste neben der Flexibilisierung der Stundentafel ergänzend die Zuweisung der Lehrerwochenstunden für den Grundbedarf über die schülerzahlbezogenen Faktoren mit Augenmaß angepasst werden.
Die Variation der Stundentafel verringert den Aufwand an Lehrerwochenstunden. Die Zuweisungen folgen dieser Logik und reichen aus, um die Stundentafel und Teile des Zusatzbedarfes abzudecken. Sollte das zum Beispiel wegen eines ausdifferenzierten Angebots an zweiten Fremdsprachen oder wegen schulfachlich begründeten kleineren Klassen nicht zutreffen, verfügt das Landesschulamt über einen Stundenpool von zusätzlich 1 000 Lehrerwochenstunden, mit dem diese Defizite ausgeglichen werden können. Das ist das Thema der Flexibilisierung.
Alle bisher zugewiesenen Zusatzbedarfe bleiben in ihrer Art und in ihrem Umfang erhalten. Die Stundentafeln und das Zuweisungsmodell wurden kooperativ von einer Arbeitsgruppe erarbeitet und vorgeschlagen, die sich aus Kollegen der Schulpraxis und der Schulaufsicht zusammensetzt.
Lieber Kollege Lippmann, jetzt spreche ich Sie einmal direkt an. Sie skizzieren in der Begründung des Antrages, dass sich das Unterrichtsangebot an den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen nur noch im unteren Drittel aller Bundesländer befinde. - Nun ja.
Bei den erteilten Stunden je Klasse liegen wir etwa auf demselben Niveau wie unsere Nachbarländer Thüringen und Sachsen. Das hat auch
Gründe. Wie auch Thüringen haben wir bundesweit vergleichsweise kleine Klassen an den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen. Das ist eine Folge unseres kleinteiligen Schulnetzes. Ich habe immer wieder gesagt, dass ich das bestehende Schulnetz nicht infrage stellen möchte. Natürlich könnte man das Defizit am Lehrkräftemarkt auch mit größeren Klassen untertunneln. Das hätte für das Schulnetz erheblichen Druck bedeutet. Den haben wir bewusst vermieden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch einige Sätze zu angeblichen Einstellungshindernissen und zur Qualifikation von Seiteneinsteigern. Um auf die Personalsituation an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen reagieren und die hohen Bedarfe decken zu können, wurden die Einstellungsvoraussetzungen weitestgehend flexibilisiert und ehemals bestehende Einstellungshindernisse
sukzessive abgebaut. Seit dem Frühjahr 2016 wurde der zugelassene Bewerberkreis kontinuierlich erweitert. Nunmehr werden Stellen sogar dauerhaft ausgeschrieben. Das ist eine Forderung, die das Hohe Haus immer wieder artikuliert und formuliert hat.
Zudem wurden finanzielle Anreize geschaffen. - Sie oder zumindest Ihre politische Heimat, Herr Lange, wollten schon vor 40 Jahren alles Mögliche: den Kommunismus errichten und anderes;
Über die Anpassungen im Ausschreibungs- und Einstellungsverfahren habe ich im Plenum und im Ausschuss mehrfach berichtet. Mit der Thematik Gewinnung und Qualifizierung von Seiteneinsteigern wird sich der Bildungsausschuss im Herbst erneut befassen. Wir werden uns somit mit den Fragen der Lehrkräftegewinnung im Ausschuss inhaltlich auseinandersetzen.
Ich entschuldige mich, dass ich ein bisschen länger gebraucht habe, aber ich hatte das Gefühl, die Sachen etwas ausführlicher erklären zu müssen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue mich jetzt auf Fragen, sofern sie vom Präsidenten genehmigt werden. Denn eine Meldung habe ich schon gesehen.
Aber natürlich; das tue ich doch sehr gern. - Mich interessiert Ihre Aussage schon, Herr Tullner. Nach dem letzten Unterrichtsorganisationserlass aus dem Jahr 2017, als die Reduzierung an den Grundschulen beschlossen wurde, hatten Sie sowohl im Plenum als auch im Bildungsausschuss mehrfach betont, dass es mit Ihnen in dieser Legislaturperiode keinen Einschnitt im Hinblick auf den Unterrichtsorganisationserlass mehr geben wird.
Jetzt frage ich mich doch: Was ist passiert, von dem Sie vorher vielleicht nichts wussten, sodass Sie es jetzt doch tun? Denn die Situation von Lehrerinnen und Lehrern war damals bekannt. Natürlich waren auch die Schülerzahlen damals bekannt. Warum erfolgt also jetzt dieser Schwenk weg von Ihrer Aussage, die Sie damals öffentlich hier getätigt haben?
Frau Hohmann, wir sollten uns im Ausschuss darüber vielleicht im Detail unterhalten. Aber die grundsätzlichen Fragen, die Sie gestellt haben, beziehen sich eigentlich auf die Frage: Ist es möglich, bedarfsmindernde bzw. effizienzsteigernde Maßnahmen - die Formulierungen sind je nach Zuschreibung der Rolle in diesem Hohen Hause zuordenbar - zu vermeiden, oder müssen wir uns darauf konzentrieren, unsere Einstellungspraxis und die ganzen Dinge, die damit zusammenhängen, zu flexibilisieren?
Ich glaube, wir haben in den letzten Jahren nachgewiesen, dass wir bei dem Thema Einstellungen und der Frage, was wir mit Seiten- und Quereinstieg an Personal in den Schulen rekrutieren können, an den Grenzen dessen angelangt sind, was unter dem Aspekt Qualitätssicherung möglich ist. Wir haben in den Schulen verschiedene Schwierigkeiten. Die Willkommenskultur für Seiten- und Quereinsteiger ist ein solches Thema, über das viele Kolleginnen und Kollegen berichten. Aber wenn wir mittlerweile schon bei der Frage der Anerkennung von Bachelorabschlüssen
sowie bei der Frage angelangt sind, ob man aus dem Beruf des Architekten das Fach Kunstgeschichte als Unterrichtsfach ableiten kann, dann kann man, glaube ich, erkennen, dass wir an den Grenzen dessen angelangt sind zu fragen: Ist es von den Qualifikationen und pädagogischen Fähigkeiten noch verantwortbar, weitere Grenzen zu setzen? Das ist der eine Punkt.
Bei dem zweiten Punkt kann ich mit dem Kollegen Lippmann sehr trefflich über die Definition eines potemkinschen Dorfes debattieren. Ich hätte es
mir leicht machen können. Wir hätten sagen können - Herr Lippmann war ja schon im Wahlkampfmodus -: Na ja, das eine Jahr werden wir noch mit ein paar Maßnahmen überstehen und dann tun wir so, als ob die Welt schön ist. Ich glaube, die Politik der Kenia-Koalition hat in weiten Teilen gezeigt, dass wir uns dem Problem ein Stück weit transparenter und ehrlicher widmen wollen, als es in der Vergangenheit vielleicht hier und da der Fall war.
Deswegen sage ich: Es hilft nichts, sich Scheinlösungen vorzugaukeln, die am Ende nicht funktionieren. Deswegen hat die Staatsekretärin sehr lange und sehr intensiv mit Vertreterinnen der Schulen und von Verbänden um eine Antwort auf die Frage gerungen: Wie können wir eine Organisation von Sekundarschulbeschulung in diesem Lande sichern, die auf der einen Seite den bildungspolitischen Erfordernissen und den Qualifikationen entspricht, die wir für die Wirtschaft und die Berufsorientierung und die ganzen Dinge im Blick haben, die aber auf der anderen Seite auch realistisch ist? Daraus ist dieses Maßnahmenbündel entstanden, das wir noch ein Stück weit durch solche Maßnahmen ergänzen wie freiwillige Mehrarbeit und Elemente der Digitalisierung, die wir im letzten Jahr schon an Sekundarschulen ausprobiert haben, um das Ziel zu erreichen.
Es geht nicht darum, dem Problem durch das Einhalten von Größen - durch Schulschließungen und sozusagen größere stabile Einheiten - Herr zu werden. Vielmehr wollen wir auch im ländlichen Raum ein Schulnetz erhalten. Dort geht am Ende das Sekundarschulangebot zurück, was die Stundenzuweisung angeht; darum brauchen wir nicht herumzureden. Das ist eine Maßnahme, die weh tut. Aber ich halte sie für verantwortbar im Sinne der beschriebenen Parameter.
Deswegen - um die Eingangsfrage noch einmal in den Blick zu nehmen - halte ich es nicht für einen Widerspruch zu den Maßnahmen. Vielmehr müssen wir zu allen Maßnahmen greifen, um diese schwierige Phase, bevor die jungen Leute in größeren Zahlen in die Schulen kommen und uns dabei helfen, den Lehrermangel zu beseitigen, zu überbrücken und zu überstehen. Dazu ist diese Maßnahme aus meiner Sicht notwendig, verantwortbar und richtig.
Ich habe drei sehr konkrete kurze Fragen. Die erste ist für das Plenum. - Könnten Sie bestätigen, dass die Schülerinnen und Schüler an den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen, die künftig keine zweite Fremdsprache erlernen - das ist zumindest an den Sekundarschulen, aber auch an den Gemeinschaftsschulen die ganz große Masse der Schüler -, mit den Stundenvolumina, die jetzt vorgesehen sind, gerade einmal zwei Stunden über der KMK-Vorgabe, also 178 Stunden gegenüber 176 Stunden, liegen und dies nur dann, wenn die Stundenumfänge, die jetzt aufgeschrieben worden sind, tatsächlich auch realisiert werden?