Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Grundanliegen des Antragstellers ist nachvollziehbar. In Fachkreisen wird die Auskömmlichkeit der Diagnosis Related Groups - zu Deutsch: diagnosebezogene Fallgruppen, kurz DRG genannt - im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin schon seit Langem in Zweifel gezogen. Man könnte auch überspitzt formulieren: Man muss es sich als Krankenhaus schon leisten können, eine Kinder- und Jugendstation zu haben.
Es gehört aber auch zur Wahrheit dazu, dass dies auch auf andere Bereichen zutrifft, während andere Leistungen auskömmlich oder sogar darüber hinaus durch die Krankenkassen und damit uns als Beitragszahler finanziert werden.
Daher war es absolut richtig, dass unser Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff und mit ihm die ganze Landesregierung die Initiative aus Mecklenburg-Vorpommern zur Abschaffung bzw. Neufassung des DRG-Systems für diesen Versorgungsbereich unterstützt. Ich habe natürlich die Pressemitteilung des MP dazu wahrgenommen. Dies
kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Finanzierung der entsprechenden Angebote landesweit sicherzustellen.
Grundsätzlich positiv zu bewerten ist, dass im Rahmen des Versorgungsverbesserungsgesetzes jede Fachabteilung der Kinder- und Jugendmedizin eine jährliche pauschale Förderung in Höhe von 400 000 € erhalten soll. Aber durch eine ausreichende Finanzierung werden natürlich nicht die anderen Probleme beseitigt. Dabei geht es insbesondere um die Gewinnung von ausreichend fachärztlichem und nichtärztlichem medizinischem Personal. Hierfür sind kreative Lösungen gefragt, zum Beispiel durch die Bildung klinikeigener MVZ, in denen die Ärztinnen und Ärzte neben ihrer Arbeit in der Klinik entsprechend tätig sein können.
Im Übrigen ist es für Ärztinnen und Ärzte auch durchaus relevant, welche Fallzahlen und Fallschweren sie in ihrer Klinik oder Praxis behandeln, wenn es darum geht, sich einen Arbeitsplatz auszusuchen. Sie haben natürlich die Möglichkeit, sich einen auszusuchen; denn es herrscht Fachkräftemangel.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Genauso wie in allen anderen Bereichen der Krankenhausversorgung gelten für die CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt in diesem Bereich die drei folgenden Kriterien: Erreichbarkeit, Bedarfsorientierung und Qualität. Es muss darum gehen, entsprechende Angebote, auch fachärztlicher Natur, bedarfsorientiert und in entsprechender Qualität vorzuhalten, und das in einer Entfernung, die für die Betroffenen annehmbar ist. Das gilt insbesondere für Notfälle.
Jeder von uns wird nachvollziehen können und kennt vermutlich aus eigenem Erleben, dass man für planbare Operationen auch gern einmal eine weitere Strecke in Kauf nimmt, wenn es darum geht, die bestmögliche Behandlung zu bekommen. Etwas anderes ist es, wenn man als Elternteil mit einem Kind mit hohem Fieber am späten Abend ganz schnell noch medizinische Hilfe sucht oder, wie ich es persönlich erlebt habe, kontrollieren lassen muss, ob der Sohn seine Nase gebrochen hat, als er mit seinem Spielgerät kollidiert ist.
Auch wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die Pädiatrie nicht als Bestandteil einer Grundversorgung in einem Krankenhaus definiert, müssen solche fachärztlichen Bereiche gerade in einem Flächenland wie Sachsen-Anhalt mit in die Überlegungen einbezogen werden.
Als Koalitionsfraktionen haben wir einen Alternativantrag erarbeitet, der aus unserer Sicht das Anliegen des Ursprungsantrages aufgreift und weiterqualifiziert. Daher bitte ich um Zustimmung zu diesem Alternativantrag. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Krull für den Redebeitrag. - Für die AfD spricht der Abg. Herr Siegmund. Herr Siegmund, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Kollegen! Wie stiefmütterlich mit dem Thema der Kinder- und Jugendmedizin umgegangen wird, das sehen wir, finde ich, aktuell in Gardelegen. Frau Zoschke, ich denke, das war auch Ihr Anliegen. Gardelegen ist in meinen Augen wirklich im Moment sinnbildlich für diese Situation. Deswegen möchte ich auch das Anliegen Ihres Antrages vollumfänglich unterstützen. Aber konkret dem Thema Gardelegen widmen wir uns morgen. Dann bin ich sehr gespannt, ob wir hier eine Lösung für die Betroffenen in der Region präsentieren können.
Mit der Schieflage in der Kinder- und Jugendmedizin haben wir uns schon oft befasst und viele Anträge mit Lösungen für die gesamte Situation eingebracht. Ich möchte jetzt nicht wie die anderen Kollegen allgemein reden, sondern ich möchte konkret auf Ihren Antrag eingehen. Ich finde, das kam gerade ein bisschen zu kurz.
Die Punkte 1 und 3 sind in meinen Augen unkritisch, mit diesen kann ich mitgehen. Inhaltlich sind wir d'accord. Ähnliche Punkte haben wir morgen in unserem Antrag, insbesondere was die Gewinnung von Fachärzten betrifft. Es nützt nichts, wenn Sie die schönste Klinik haben, wie in Gardelegen, aber niemanden, der sie betreibt. Deswegen ist das ein ganz, ganz wichtiges Thema.
Aber womit wir überhaupt nicht mitgehen können, das ist der vierte Punkt, nämlich die Verpflichtung von Fachärzten in Kliniken zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Ich finde, darüber hätten wir jetzt etwas intensiver sprechen können. Das hört sich alles wunderbar an. Aber ich habe mir einmal die Mühe gemacht, mit einigen Praxen darüber zu sprechen. Ich habe mit Ärzten darüber gesprochen und ich habe herausgefunden, dass Sana das schon einmal probiert hat - ich weiß nicht, ob Sie das wissen -, und zwar im Bereich der Augenheilkunde. Sie haben das kurz vorher doch noch gestoppt, weil sie in ihrer Planung festgestellt haben, dass das alles sprengen würde.
Was würde denn passieren? - Es würde zulasten der Patienten in der Akutmedizin in den Einrichtungen gehen. Das wäre nämlich eigentlich das Prinzip „rechte Tasche - linke Tasche“. Wenn Sie den Arzt dort abziehen und ihn woanders hinstecken, dann fehlt er an der Ursprungsstelle. Das löst das Problem überhaupt nicht. Im Gegenteil: Wir sehen hier ein riesiges Risiko. Davon würde ich auf jeden Fall die Finger lassen. Wenn der
Zu dem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. Herr Krull - er ist gerade nicht anwesend -, ich muss Ihnen ein bisschen widersprechen. Sie haben gesagt, Sie haben das verifiziert. So viel Blabla hört man selten von der Koalition. Das war wieder ein Rumgeeiere und Überhaupt-nicht-zumPunkt-Gekomme. Ihr müsst euch eure Anträge einmal durchlesen, euch genau ansehen, was ihr hier manchmal beantragt. Dazu werden wir uns der Stimme enthalten; dann kann man nichts verkehrt machen. Der Antrag würde überhaupt nichts ändern. Bei dem anderen Antrag ist es das Gleiche, das habe ich begründet. Aber der spannendere Antrag wird der konkrete Antrag morgen zu Gardelegen. Ich freue mich auf eine angenehme Debatte. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Siegmund für den Redebeitrag. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Lüddemann. Frau Lüddemann, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Kollege Siegmund, ich bin mir nicht sicher, ob Sie das richtig einordnen. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass der heute vorliegende Antrag der wesentlichere ist. Über Gardelegen reden wir morgen.
Es ist keine Frage, dass wir uns für den Standort dort eine Lösung überlegen müssen. Da sind wir dran. Aber heute geht es um eine grundsätzlich auskömmliche Finanzierung von pädiatrischen Stationen, pädiatrischen Kliniken.
Dafür gibt es aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten: Man kann in dem bestehenden System der Fallpauschalen, dem ich sehr kritisch gegenüberstehe, bleiben; dann muss man die Fallpauschalen sehr deutlich erhöhen. Das wird aus meiner Sicht aus verschiedenen Gründen nicht funktionieren. Deswegen bin ich sehr dafür - ich bin der Landesregierung auch sehr dankbar dafür, dass sie der Initiative des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat eben nicht nur zustimmt, sondern ihr tatsächlich beigetreten ist -, das anders zu finanzieren.
Dabei geht es ja darum, quasi von den Fallpauschalen wegzukommen und - wie soll ich es sagen - vielleicht eine Art neue Grundfinanzierung zu haben, um dem Rechnung zu tragen, was Herr Kollege Krull sehr richtig ausgeführt hat. Wenn ich eine Hüft-OP habe, kann ich sagen: Okay, ich
warte noch drei Wochen länger; dafür fahre ich auch 100 km weiter, aber dort ist ein Arzt, der macht das am laufenden Band, dem vertraue ich. Aber das hätte ich damals für mein Kind nicht gewollt und das will ich jetzt auch für andere Kinder und für junge Familien nicht. Genau das verspreche ich mir hier von diesem Bundesratsantrag. Deswegen sind wir da in großer Einigkeit und auch ohne Diskussion dem Anliegen beigetreten.
Dass das viele Menschen in diesem Land so sehen, zeigt zum Beispiel, dass sich im Jahr 2014 zahlreiche kinder- und jugendmedizinische Verbände in der Aktion „Rettet die Kinderstationen!“ zusammengeschlossen haben, dass es im September 2019 über die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin eine Petition im Deutschen Bundestag gab, die mehr als 17 000 Menschen mitgetragen haben. Das ist für eine solche Petition enorm. Die ist nämlich noch viel komplizierter, als uns das heute Morgen eine Frau erzählt hat, als sie schilderte, wie man solche Unterschriften sammelt. Beim Deutschen Bundestag muss man das noch sehr viel mehr verifizieren. Die Petition haben 17 000 Menschen unterzeichnet, die das als ein wichtiges Anliegen angesehen haben. Deswegen finde ich es gut, dass wir dieser Bundesratsinitiative beigetreten sind.
Natürlich stimmt es, dass dem Ganzen, wie die Kollegin in der Einführung gesagt hat, eine, wie ich auch finde, falsche Betrachtungsweise zugrunde liegt, die wir im Übrigen nicht nur im medizinischen Bereich haben - wir kennen das auch aus dem Grundsicherungsbereich oder aus anderen Bereichen -, dass Kinder eben keine kleinen Erwachsenen sind, dass man sie anders behandeln muss, dass man andere Leistungen einbeziehen muss. Das ist sozusagen die grundsätzliche Systematik.
All das steht heute hier in Rede. Deswegen halte ich die heutige Initiative wirklich für die wichtigere. Ich finde es wichtig, dass wir uns hier engagieren. Tatsächlich ist Gardelegen morgen ein Thema, deswegen würde ich dazu auch morgen etwas ausführen. - Vielen Dank.
Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Frau Lüddemann für den Redebeitrag. - Für die SPD spricht die Abg. Frau Dr. Späthe. Frau Dr. Späthe, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Seit Monaten diskutieren wir, und nicht nur wir hier in Sachsen-Anhalt, über die Zukunft der Gesundheitsversorgung. Ganz besonders
leidenschaftlich diskutieren wir natürlich über den Erhalt von einigen Kliniken und Standorten - Havelberg, Bitterfeld und Gardelegen, die Namen sind schon genannt worden.
Gesundheitsversorgung ist ein Thema, das uns alle angeht und das jeden draußen beschäftigt und jeden berührt. Wenn es ganz einfache Lösungen gäbe, wie sie sich mancher hier wünscht, dann würden sie sicherlich schon längst auf dem Tisch liegen.
Ich versuche, die Debatte noch einmal grundsätzlich aufzumachen, und zwar zu den Grundfesten dieses Systems. Denn die Gemengelage ist noch immer sehr komplex und der Kardinalfehler - das ist schon gesagt worden - ist systemimmanent: der Zwang zur Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsfinanzierung und der Hang privater Akteure zur Gewinnmaximierung. Beides lässt das derzeitige System eben zu.
Der Sicherstellungsauftrag für die stationäre Gesundheitsversorgung liegt bei den Kommunen. Die Finanzierung aber erfolgt dual. Die Betriebskosten der Krankenhäuser werden über die Krankenkassen finanziert, die Investitionskosten wiederum durch das Land. Die Behandlungskosten werden über das DRG-System abgerechnet, das wurde schon gesagt. Das ist auf den ersten Blick nachvollziehbar: gleiches Geld für gleiche Leistungen. Aber es führt eben dort zu einer Schieflage bis hin zur Aufgabe von Standorten, wie wir es erleben, wo die medizinische Grundversorgung, etwa Geburtshilfe oder Kinder- und Jugendmedizin, im ländlichen Raum zur Debatte steht. Das ist kein Phänomen, das nur Sachsen-Anhalt betrifft, sondern das besteht bundesweit.
Meine Damen und Herren! Deshalb ist es außerordentlich erfreulich, dass die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig eine Bundesratsinitiative dazu auf den Weg gebracht hat, die Kinderkliniken aus den Fallpauschalen herauszunehmen. Dieser Bundesratsinitiative sind wir bereits beigetreten. Das Ministerium, der Ministerpräsident und wir sind damit äußerst einverstanden. Genau diese Initiative wird bereits in der 993. Sitzung am 18. September 2020 diskutiert werden; das ist bereits am nächsten Mittwoch.
Darüber hinaus haben unsere Fraktionsvorsitzende Dr. Katja Pähle und unsere Parteivorsitzende Esken ein Papier vorgelegt, das weitere sehr konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Kinder- und Jugendmedizin enthält, zum Beispiel den Vorschlag, 13 % der Mittel des „Zukunftsprogramms Krankenhäuser“ für Kinderkliniken aufzuwenden und eine verlässliche Finanzierung für innovative Strukturen der stationären und der ambulanten Versorgung auf den Weg zu bringen.
Über die Reform der Fallpauschalen ist ebenfalls gesprochen worden. Wir haben hierbei eine umfangreiche Arbeit vor uns. Wir haben versucht, Teile davon in dem Alternativantrag zu formulieren. Deshalb bitte ich Sie hiermit um Zustimmung zu unserem Alternativantrag. - Danke.
Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Frau Dr. Späthe für den Redebeitrag. - Für die LINKE hat noch einmal Frau Zoschke das Wort.
Danke, Herr Präsident. - Ich will an dieser Stelle die Möglichkeit ergreifen, etwas zu Ihrem Alternativantrag zu sagen. Ich habe in diesem Hause zu Anträgen, die wir einbringen, selten so viel verbale Einigkeit erlebt wie heute. Deswegen verstehe ich nicht ganz, dass Sie nicht die Traute haben, die für meine Begriffe auch wichtigen Punkte, was die Fachärzteversorgung betrifft, in Ihren Antrag aufzunehmen.
Die ersten drei Punkte sind unstrittig, denen werden wir auch zustimmen. Das ist kein Problem. Aber ich finde, bei Punkt 4 beginnt die Schwierigkeit. Frau Ministerin, die Sicherung des Versorgungsauftrages unabhängig von der Krankenhausplanung beginnt doch gerade dort, wo Fachärztinnen und Fachärzte fehlen. Die kriegen wir auch nicht herbeigezaubert, indem wir der Bundesratsinitiative ganz viel zutrauen. Das mache ich auch; das ist ganz in Ordnung, das ist alles unstrittig. Wir müssen hier für uns, ähnlich wie bei den Hausärzten, eine Lösungsmöglichkeit schaffen, um eine flächendeckende Versorgung mit Kinder- und Jugendmedizinern auf den Weg zu bringen.
Das ist auch das, was der Kollege Krull anfänglich aufgegriffen hat. Ja, Sie mögen vielleicht meinen, das Ganze qualifiziert zu haben. Aber allein durch das Weglassen von bestimmten Forderungen qualifiziert man einen vorliegenden Antrag nicht.
Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns irgendwann in nächster Zeit tatsächlich dazu verständigen, ein langfristiges Konzept für mehr Fachärzte auf den Weg zu bringen.
Herr Siegmund, man kann sich mit einem Augenarzt unterhalten und feststellen, dass Ermächtigung nicht funktioniert. Das mag sein, das will ich auch nicht in Abrede stellen. Aber Sie könnten zum Beispiel auch einen Besuch im Paul-Gerhardt-Stift in Wittenberg machen. Dort hat die Klinik zu Beginn des Jahres zwei Ermächtigungen
für Chefärzte erhalten - keine Augenärzte, sondern ganz normale Allgemeinmediziner - und es funktioniert. Es funktioniert tatsächlich. Deswegen ist die Forderung nach mehr Ermächtigung auch für den ambulanten Bereich durchaus gerechtfertigt.