Protokoll der Sitzung vom 27.10.2016

Meine Kollegen sind zwar nicht beglückt, dass ich kurz etwas dazu sage. Aber ich werde es trotzdem tun.

(Zuruf von Katrin Budde, SPD)

Ich finde, bei CETA und TTIP geht es im Wesentlichen um das gleiche Problem.

(Unruhe)

- Ich bin wirklich in zwei Minuten fertig. - Für sachdienliche Hinweise, die Sie hier äußern, sind wir selbstverständlich immer aufgeschlossen. Aber das ändert nichts daran, dass diese beiden Abkommen aus unserer Sicht abzulehnen sind und wir sowieso alles ablehnen werden, was hinter verschlossenen Türen stattfindet. - Danke sehr.

(Beifall bei der AfD)

Ich danke dem Abg. Farle. Wenn es keine weiteren Interventionen gibt, fahren wir fort. - Ich bitte jetzt die Abg. Frau Frederking von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nach vorn. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine Aktuelle Debatte am Donnerstagnachmittag; ich glaube, das hatten wir noch nie. Das CETA-Thema ist brandaktuell. Die Vertragsunterzeichnung für heute wurde gestern Nacht abgesagt, und heute um 12:20 Uhr erhielten wir die Nachricht, Belgien könne jetzt doch zustimmen.

Doch das ursprüngliche Nein der Wallonie und das der Regionalregierung der Hauptstadtregion Brüssel zu CETA zeigen, wie fatal es ist, wenn Bedenken und Kritiken nicht ausreichend berücksichtigt werden. Es geht bei der vorgesehenen Vertragsunterzeichnung um das vorläufige Inkrafttreten eines Teils des Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada.

Das Agieren der belgischen Regionen ist ein Vorbeben für das, was sich spätestens im anschlie

ßenden Ratifizierungsverfahren in den Nationalstaaten als starkes Beben entladen wird. Die erforderliche Einstimmigkeit steht auch für die Zukunft auf der Kippe.

Hieran zeigt sich die Absurdität von jahrelangen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen und vorbei an den Bedürfnissen vieler Menschen. Da reicht es nicht, CETA auf den letzten Metern mit Erklärungen und nationalen Zusatzprotokollen heilen zu wollen. Das sind reine Placebos; denn der Vertragstext selbst wird überhaupt nicht geändert.

Das System der kritikwürdigen privaten Schiedsgerichte ist weiterhin im Vertrag vorgesehen. Diese Schiedsgerichte sollen jetzt bei der vorläufigen Inkraftsetzung von CETA zwar nicht zur Anwendung kommen. Doch das reicht eben nicht aus.

Klar ist, wenn Einwände nicht ernst genommen werden, rächt sich diese Ignoranz früher oder später. Diejenigen, die jetzt die Unzuverlässigkeit und Nichthandlungsfähigkeit der EU beweinen und das Agieren von zwei Regionen als undemokratisch kritisieren, haben niemals ihr eigenes Demokratieverständnis hinterfragt.

Beispielsweise wurde die europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA verboten. 3,5 Millionen Menschen in der EU haben das Anliegen dennoch selbstorganisiert unterstützt.

Selbst Sachsen-Anhalt könnte im Endeffekt über den Bundesrat zum Zünglein an der Waage werden und CETA verhindern, sobald es um die Zustimmung von Deutschland zum endgültigen Inkrafttreten des kompletten Handelsabkommens geht. An dieser Stelle sage ich ganz deutlich für meine Fraktion: Mit uns GRÜNEN wird es im Bundesrat keine Zustimmung zu diesem CETA-Abkommen geben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und von Ministerin Prof. Dr. Clau- dia Dalbert)

Für uns GRÜNE lautet die logische Konsequenz aus den misslichen und intransparenten Verhandlungen und dem Hin und Her der letzten Stunden: Jetzt Neustart der Verhandlungen und Änderung des Verfahrens. Es muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Die Interessen der Regionen müssen von Anfang an berücksichtigt werden. An den Anfang gehören Zielvereinbarungen, und zu Beginn müssen Voraussetzungen und Vorbedingungen festgelegt werden, damit eine Zustimmung überhaupt möglich wäre. Wir brauchen größtmögliche Transparenz und öffentliche Beteiligung.

Es ist gut, dass wir in Sachen Handelsabkommen im Europaausschuss mit der vorliegenden Beschlussempfehlung eine sehr klare Linie gefunden haben. Es ist auch gut, dass wir gerade mit dem

Punkt 3 der Beschlussempfehlung den systematischen Verfahrensschritt einer regelmäßigen Befassung mit dem CETA-Abkommen einführen wollen. So wollen wir mehr Beteiligung sicherstellen auch hinsichtlich der Positionierung der Landesregierung zur Abstimmung im Bundesrat.

Handelsabkommen müssen global gerecht sein sowie auf fairen und verlässlichen Regeln basieren. Dazu zählen auch die Vorgaben der EU-Klimaschutzpolitik. Auch das haben wir in die Beschlussempfehlung aufgenommen. In diesem Sinne sind lange Transporte über den großen Teich völlig kontraproduktiv und machen keinen Sinn, wenn es sich um gleichwertige Produkte handelt, die klimafreundlicher bei uns vor Ort produziert und angeboten werden können.

Ein Beispiel: Kanada und die USA wollen über CETA und TTIP die Rindfleisch-Exporte in die EU erhöhen. Doch viel besser für das Klima und die Umwelt und damit letztlich auch für die Menschen wäre mehr Weidehaltung in der EU.

Wir müssen uns fragen, was eine radikale Marktöffnung mit niedrigen Umwelt- und Tierschutzstandards bei Agrarprodukten bringt. Wir GRÜNEN meinen, bei den Lebensmitteln brauchen wir eine regionale, qualitätsorientierte und klimafreundliche Erzeugung statt einer Exportschlacht auf den Weltmärkten. - Ich habe das jetzt als ein Beispiel genommen.

Frau Abgeordnete, Sie haben Ihre Redezeit überschritten.

Ich habe das als ein Beispiel genommen. Gerade über solche Aspekte und die inhaltliche Ausrichtung von Handelsabkommen muss zuerst eine Verständigung erfolgen, bevor ein Handelsabkommen abgeschlossen wird.

(Zustimmung bei der AfD)

Das CETA-Debakel sollte nicht bedauert, sondern als Aufforderung für einen Neustart verstanden werden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der AfD und von Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert)

Ich danke der Abgeordneten. Es gibt eine Nachfrage des Abg. Gürth. Möchten Sie diese beantworten?

Geschätzte Kollegin Frederking, Ihnen ist bekannt, dass Deutschland rund 100 Handelsabkommen geschlossen hat und 29 die EU für uns Deutsche. Ihnen müsste bekannt sein, dass das Zustandekommen und das rechtliche Inkraftsetzen dieser 29 Freihandelsabkommen der Europäischen Union nach derselben Methodik wie bei TTIP und CETA erfolgten.

Wenn dies so ist, frage ich Sie: Können Sie mir erklären, warum die politische Linke in Deutschland und Europa bei all diesen Freihandelsabkommen - 29 davon mit Schiedsgerichten - geschwiegen hat - darunter waren sogar Staaten, die nicht demokratisch sind; manche würden sie sogar als Schurkenstaaten bezeichnen -, während bei zwei Freihandelsabkommen, die mit den ältesten Demokratien der Welt, wie zum Beispiel den USA und Kanada, verhandelt werden, so getan wird, also ob wir die Kindermörder an den Abendbrottisch holen? Ich verstehe das nicht.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Gürth, die Welt dreht sich ja weiter und sie dreht sich eigentlich nicht nur immer um sich selbst, sondern es gibt auch Weiterentwicklungen. Ich erkläre mir das so, dass es auch eine erhöhte Sensibilisierung bei den Umweltbewegungen und den Bürgerinitiativen gibt.

Sie haben auch die großen Demonstrationen im September in sieben Städten Deutschlands mitbekommen. Es sind ganz, ganz viele Menschen auf die Straße gegangen, die erkannt haben, dass diese Handelsabkommen nicht fair sind. Sie unterliegen keiner globalen Gerechtigkeit. Ich erkläre mir das mit einer höheren Sensibilisierung der Menschen. Es wird auch aufgerufen zu diesen Demonstrationen, es wird mehr aufgeklärt zu den Hintergründen. Es werden auch Details bekannt. Deshalb habe ich jetzt auch dieses ganz konkrete Beispiel mit dem Rindfleisch gebracht. Was bedeutet so etwas eigentlich?

(Siegfried Borgwardt, CDU: Methan! Das hat mich gewundert, Frau Kollegin! Unsere Rinder machen kein Methan, oder?)

- Wir sparen uns dann zumindest die Transporte, Herr Borgwardt. Das ist alles energieintensiv. Eine Weidehaltung hat einfach auch viele Vorteile für die biologische Vielfalt.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Ich bin sofort dafür!)

- Sehen Sie.

Wenn es keine weiteren Fragen gibt, danke ich der Frau Abg. Frederking. - Ich bitte jetzt den Herrn Abg. Kunze von der CDU nach vorne.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Kurze! - Frank Scheurell, CDU: Kurze!)

- Kurze.

(Heiterkeit bei der CDU)

Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Das hat ein ehemaliger Ministerpräsident auch schon einmal gesagt, aber den habe ich dann auch ganz nett darauf hingewiesen, dass ich nicht Kunze heiße, sondern Kurze. - Da Sie heute auch das erste Mal hinter mir sitzen, sehe ich Ihnen das nach. Ich denke, es wird nicht noch einmal passieren.

(Beifall bei der AfD)

Danke schön. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland unterhält eine Vielzahl von bilateralen und multilateralen Freihandelsabkommen mit insgesamt 160 Ländern. Ich hatte bisher zu den anderen Freihandelsabkommen wenig - bis eben von Herrn Gürth - im Parlament gehört. Die CDUFraktion steht uneingeschränkt für eine Umsetzung von TTIP und CETA.

(Zustimmung bei der CDU)

Denn Freihandelsabkommen sind für eine Exportnation wie Deutschland wichtig, sowohl für Arbeitsplätze als auch für Wohlstand. Wir sind auch für TTIP und CETA, weil noch nie zuvor mehr Parlamente in Europa so eng in die Verhandlungen über Freihandelsabkommen einbezogen waren wie in diesen beiden Fällen. Dazu gehören das Europäische Parlament und auch der Bundestag.

Auch wir haben alleine in diesem Jahr bisher mehr als dreimal darüber diskutiert und in den Ausschüssen darüber gesprochen. Diese Einbindung der Parlamente verdeutlicht ganz klar die demokratische Legitimation der Verhandlungsprozesse.

Ich finde aber auch - das muss auch einmal gesagt werden -, dass oftmals eine Reihe vermeintlicher Inhalte und Folgen des Freihandelsabkommens besprochen werden, obwohl sich beide Verhandlungspartner in Europa wie in Amerika längst einig sind, dass diese Themen gar nicht Gegenstand des Abkommens sein sollen. Das heißt, wir diskutieren über Dinge, die gar nicht stattfinden, sondern längst ausgeschlossen sind.