Protokoll der Sitzung vom 14.10.2020

(Zurufe)

Wir haben das geregelt - ich weiche jetzt von meinem Sprechzettel ab; ich will das gar nicht ablesen; das kann ich Ihnen alles nachher geben -, sodass wir genau die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen haben, dass eine unabhängige Wahlleiterin sehr wohl in den Abwägungen und in der Verhältnismäßigkeit entscheiden wird. Diese ist übrigens weder Mitglied der CDU noch wird sie von der CDU irgendwie geführt, sondern sie ist eine brillante Mitarbeiterin, eine Volljuristin meines Hauses, die in dem Fall weisungsunbefugt ist. Alles das ist geregelt.

Insofern: Seien Sie sich dessen versichert, dass es die Ultima Ratio wäre, dass eine solche Entscheidung fiele, damit hier nicht Abgeordnete im Landtag oder im Bundestag sitzen würden - jetzt geht's um den Landtag -, die weit über das ihnen von den Bürgern anvertraute zeitliche Mandat hinaus ihr Mandat wahrnehmen können. Das ist die Grundvoraussetzung in einer Notfallsituation.

Alles, was Herr Farle ausgeführt hat, fällt unter das übliche Raster, den Menschen Angst zu machen, den Untergang der Demokratie hier zu dokumentieren und dann noch die Unverschämtheit zu besitzen, geschichtsvergessen das gesamte Parlament unter den Generalverdacht zu stellen, es würde ähnlich wie die NSDAP 1933 agieren. Mehr muss ich dazu nicht sagen.

Ich bitte Sie, diesen Antrag deshalb abzulehnen und dem Rest - das erlaube ich mir als Minister zu erbitten - zuzustimmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Minister Stahlknecht. - Es gibt eine Wortmeldung. - Herr Abg. Dr. Tillschneider, bitte, Sie haben das Wort.

Ja, Herr Stahlknecht, zu dem NS-Vergleich.

Den haben Sie gewählt, nicht ich.

Mag sein, dass der polemisch überspitzt ist.

(Unruhe)

Aber: Wir sitzen jetzt hier auch schon vier Jahre in diesem Hohen Hause. Wenn wir erleben, dass sich die Altparteien, vor allem die Linksparteien, aber auch die CDU, nicht länger mit der AfD auseinandersetzen können, ohne dass mindestens drei NS-Vergleiche kommen, dann färbt das halt auf uns ab und dann bekommen Sie den NS-Vergleich auch mal zurück, Herr Minister Stahlknecht.

(Unruhe - Zurufe)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Das war so selbsterklärend,

(Unruhe)

dass ich mich dazu nicht äußern muss.

(Zurufe)

Es gibt noch eine zweite Wortmeldung. - Herr Abg. Roi, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Wir haben heute hier zum einen die Wahlrechtsgrundsätze oder die beiden Wahlgesetze, zum anderen Änderungen am Kommunalverfassungsgesetz zu beschließen. Nun haben Sie sich, als Sie Innenminister wurden, als Kommunalminister inszeniert, sind durch die Lande gereist und haben den Leuten erzählt, wie toll doch nach der Gebietsreform, die Sie durchgedrückt haben, das Instrument der Ortschaftsräte ist, was man da alles so Schönes beschließen kann.

Jetzt haben Sie in den heute vorliegenden Gesetzentwurf in § 56a - Abstimmungen in außergewöhnlichen Notsituationen - eingebaut, dass es ausreicht, dass die Ortsbürgermeister, wenn dem zugestimmt wird, angehört werden. Beide kommunalen Spitzenverbände haben auch noch mal im Innenausschuss auf meine Nachfrage hin betont, dass sie das nicht wollen, dass sie das bitte gestrichen haben wollen oder dass das zumindest unter den Vorbehalt gestellt werden soll, dass der Ortschaftsrat dem zustimmen muss.

Wir haben doch das Problem, Herr Stahlknecht, dass wir uns bei jeder Kommunalwahl darüber beschweren, dass wir keine Leute für die Ortschaftsräte mehr finden, weil die sagen: „Wir haben nichts mehr zu entscheiden.“ Jetzt wollen Sie die komplette Kompetenz in die Hand des Ortsbürgermeisters geben. Meine Frage an Sie ist: Ist Ihnen die Stellungnahme der Spitzenverbände bekannt? Was sagen Sie zu unserem Änderungsantrag? Wie ist Ihre Haltung dazu? Finden Sie das schön, dass die Ortschaftsräte gar nichts mehr zu sagen haben, zumal Sie vor Jahren etwas anderes versprochen haben?

Herr Minister Stahlknecht, bitte.

In normalen Zeiten, die nicht von einer solch außerordentlichen Krise geprägt sind, ist das Amt des Ortschaftsrates unabdingbar wichtig. Aus dessen Mitte wird im Übrigen auch der Ortschaftsbürgermeister gewählt. Das findet in den kommunalen Ebenen statt und wird dort auch sehr stark gelebt.

Und nach anfänglichen Bedenken - ich kenne die ganzen Diskussionen damals gemeinsam mit Herrn Hövelmann und Herrn Erben noch -, dass man nur noch entscheiden könne, ob die Parkbank grün oder gelb gestrichen würde - das war so dieses Argument -, haben die sich eben sehr gut in ihre Funktion hineingefunden und gestalten auch ihr dörfliches Leben sehr wohl mit. Niemand käme auf die Idee, das irgendwie zu beschränken.

Wir reden jetzt aber über eine Krise. Und wenn Sie eine außerordentliche Krise haben, dann brauchen Sie auch zügige und schnelle Entscheidungen, weil in einer Krisensituation der Führungsfaktor Zeit entscheidend ist. Insofern kann ich durchaus nachvollziehen, wenn - wie heute hier vorgeschlagen - es nach dem heute vorliegenden Entwurf bei den Ortschaftsbürgermeistern bleiben soll.

Ich habe beide Meinungen zur Kenntnis genommen. Aber ich habe auch selbst gelegentlich Verantwortung in Krisenstäben dieser Landesregierung tragen dürfen und ich weiß, was zeitliche Entscheidungen bedürfen. Und manchmal muss man handeln. Dann muss man hinterher das Handeln erklären, weil man dann auch nicht immer alle mitnehmen kann. Das ist aber nicht eine Aushebelung der Demokratie.

Im Übrigen habe ich mich nicht als Kommunalminister - was haben Sie gesagt? - „initiiert“. Das brauche ich gar nicht, denn ich bin es nämlich.

(Heiterkeit)

Vielen Dank. - Sie haben eine kurze Nachfrage.

Ja, eine kurze Nachfrage.

Bitte.

Haben Sie die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände gelesen?

Ja, wir haben die im Innenausschuss doch auch erörtert.

Ich will noch auf das eingehen, was Sie gesagt haben und Sie dazu etwas fragen. Sie haben eindeutig den Nachsatz hinterhergeschoben, wonach die Möglichkeit besteht, Vorratsbeschlüsse zu machen und der Ortschaftsrat muss zustimmen. Warum wollen Sie denn nicht die Rechte des Ortschaftsrates bewahren und sagen: „Wenn der Ortschaftsrat zustimmt, dann ist das so“? Sie wollen das per Gesetz so definieren. Damit schneiden Sie doch sämtlichen Ortschaftsräten das Bestimmungsrecht ab. Das ist doch unser Problem, das wir hier haben.

Herr Minister, bitte.

Sie wiederholen den gleichen Vortrag und Sie suggerieren den Eindruck, dass wir auf Dauer für alle Fälle den Ortschaftsrat begleiten würden. Das tut doch kein Mensch, sondern es ist eine Ausnahmesituation in einer Ultima-Ratio-Begebenheit, in der - jetzt wiederhole ich mich - entschieden werden muss, wie Sie Vorratsbeschlüsse machen wollen. Wenn der Ortschaftsrat sagt, für die krisenhafte Situation segnet er den Ortschaftsbürgermeister ab, er darf dann allein entscheiden, dann kommt es aufs Gleiche raus. Darüber können wir trefflich streiten.

Die Entscheidungen werden heute hier im Parlament fallen. Der Entwurf ist deshalb heute so eingebracht worden. Gucken wir mal, wie die Entscheidung fällt. Ich halte diese Variante, die jetzt gefunden worden ist, für krisenhafte Situationen, die natürlich definiert sein müssen, für nachvollziehbar und begründbar.

Vielen Dank, Herr Minister. Ich sehe keine weiteren Fragen. - Wir steigen nunmehr in die Fünfminutendebatte der Fraktionen ein. Die erste Debattenrednerin wird für die SPD-Fraktion die Abg. Frau Schindler sein. - Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, die Pandemie stellt uns seit nun fast einem halben Jahr vor viele Herausforderungen. Im Frühjahr wurde hier viel darüber diskutiert, wie wir es ermöglichen, dass auch in den Städten und Gemeinden weiterhin die Gremien tagen und die Gremien weiterhin auch ihrer Verantwortung gerecht werden können. Da gab es auch immer wieder den Hinweis darauf, dass wir uns darauf verständigt haben, die Kommunalverfassung diesbezüglich anzupassen und Regelungen zu schaffen, mit denen auch unter Pandemiebedingungen Möglichkeiten bestehen, die Demokratie vor Ort aufrechtzuerhalten. Genau das machen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf. Wir schaffen Ausnahmeregelungen für die Ausnahme der Notsituation, für die Ausnahme der Pandemie.

Die Koalitionsfraktionen haben sich auf den Weg gemacht, diesen Gesetzentwurf vorzulegen. Dieses ist nach den Beratungen im Innenausschuss geschehen. Ihnen liegt heute die entsprechende Beschlussempfehlung vor. Diese Entscheidung ist vor Ort wichtig, weil es sich zeigt, dass wir noch längst nicht an dem Punkt sind, die Pandemie überwunden zu haben. Auch in Zukunft - wir wissen nicht, wie sich das weiterentwickelt - müssen

diese Instrumente vorhanden sein. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir heute darüber entscheiden.

Die Pandemie hat uns aber auch gezeigt, dass die Frage der Digitalisierung der Ratsarbeit noch weiter vorangetrieben werden kann und muss und dass diese Möglichkeiten jetzt auch ihren Niederschlag im Gesetz finden sollen und deshalb dort verankert werden.

Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen sind in dem Gesetzentwurf vorgesehen. Wir mussten diese zusätzlichen gesetzlichen Handlungsoptionen für die Kommunen schnell eröffnen und haben gehandelt.

Mit dem neu eingeführten § 56a des Kommunalverfassungsgesetzes wird nun den Kommunen eine sehr ausführliche rechtliche Handlungslinie für Notfallsituationen gegeben. Außergewöhnliche Situationen sind aber auch verbunden mit außergewöhnlichen Maßnahmen.

Hierzu setze ich an der Stelle an, an der Sie, Herr Roi, mir wahrscheinlich die Frage stellen werden, warum in dem Fall, gegebenenfalls mit Einverständnis, auch der Ortsbürgermeister entscheiden kann. Das bedeutet, dass der Ortsbürgermeister entscheiden kann, ob er alleinig entscheidet

(Zuruf)

oder ob er dem Ortschaftsrat weiterhin die Möglichkeit gibt, zu entscheiden, wenn er die Lage so einschätzt, dass Beratungen unter den Bedingungen möglich sind.

Aber genau das ist ja die Frage. Es muss vor Ort entschieden werden, ob ich Räumlichkeiten habe, die Sitzung unter Pandemiebedingungen durchzuführen, ob ich vielleicht eine Videokonferenz mache, in der entschieden werden kann, oder ob der Notfall und die Bedingungen es erfordern, dass der Ortsbürgermeister mit seinem Einverständnis alleine entscheidet, wenn es sich um schnelle Entscheidungen handelt. Auf jeden Fall muss die Handlungsfähigkeit möglich gemacht und geschaffen werden.

Nun zu den Änderungen des Wahlrechts. Auch für die besonderen Bedingungen unter der Pandemie und anderen Notlagen müssen die Wahlmöglichkeiten geschaffen werden. Wir haben natürlich das Wahlrecht per Briefwahl. Ich frage mich bei dem Vortrag von Herrn Farle schon, ob das Wahlrecht tatsächlich so anfällig für Wahlmanipulation ist, wie Sie das beschrieben eben haben.