Protokoll der Sitzung vom 14.10.2020

Corona hat auch die Hochschulen erreicht. Sie wissen, dass sich die Rektoren und der Wissenschaftsminister bereits Mitte März, also noch vor dem offiziellen Lockdown, darauf verständigt hatten, dass für das Sommersemester besondere Regelungen gelten sollten. Wir hatten seinerzeit sehr früh schon festgelegt, dass mit dem Regelbetrieb erst sehr viel später begonnen werden sollte. Darüber ist die Zeit hinweggegangen. Das Sommersemester war im Wesentlichen, aber nicht ausschließlich, ein Digital-Semester.

Nun müssen wir uns mit einer Folge der Pandemie beschäftigen, nämlich der Frage, wie man mit verschiedenen finanziellen Auswirkungen dieser Pandemie umgeht. Hierbei geht es vor allen Dingen darum, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, um jetzt für das Sommersemester eine Regelung zum Umgang mit der Regelstudienzeit zu treffen und für die Zukunft eine Möglichkeit zu schaffen, nicht jedes Mal das Gesetz ändern zu müssen, wenn wir an dieser Stelle möglicherweise Regelungsbedarf haben.

Darüber hinaus geht es um eine staatliche Anerkennung und institutionelle Akkreditierung nicht staatlicher Hochschulen. Hierbei geht es vor allen Dingen um die Frage, welche Standards Hochschulen einhalten müssen, die nicht staatlich eingerichtet werden, sondern im Grunde privaten Ursprungs sind.

Meine Damen und Herren! Die Coronapandemie hat Herausforderungen für beinahe alle Lebensbereiche mit sich gebracht. Auch der Studienbetrieb an den Hochschulen war und ist durch die Coronapandemie beeinträchtigt. Hierdurch bedingte unverschuldete längere Studienzeiten dürfen sich aber nicht zulasten der Studierenden auswirken. Darüber herrscht, glaube ich, in diesem Hause Einigkeit. Es herrscht auch bei den Wissenschaftsministern insoweit Einigkeit.

Es können daher auch Studierende, die BafögLeistungen empfangen haben, benachteiligt sein, insbesondere dann, wenn das Sommersemester auf die Regelstudienzeit angerechnet werden würde, obwohl wegen des eingeschränkten Studienbetriebs keine oder geringere Studienleistungen erbracht werden konnten.

Der Gesetzentwurf sieht nun vor, dass sich die Förderungshöchstdauer für Bafög-Leistungen für den betroffenen Personenkreis um ein Semester erhöht. Diese Erhöhung erfolgt pauschal und generell.

Die Länder - das gilt für fast alle - haben lange mit dem BMBF darüber verhandelt, ob die außergewöhnlichen Umstände des Sommersemesters schlicht als schwerwiegender Grund im Sinne von

§ 15 Abs. 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes anerkannt werden, sodass man auf eine vertiefte Einzelfallprüfung der pandemiebezogenen Verzögerung durch die Bafög-Ämter hätte verzichten können. Damit hätten wir eine im Grunde bundeseinheitliche Handhabe bekommen.

Der Bund mochte sich dazu mit uns nicht verständigen, sondern sagte, jedes Land möge selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang es die Regelstudienzeit anpassen möchte. Er hat grundsätzlich aber ein bundesweit einheitliches Vorgehen der Länder begrüßt.

Wir haben davon Gebrauch gemacht und haben Ihnen für eine solche landesrechtliche Regelung nunmehr eine Änderung des Hochschulgesetzes vorgeschlagen. Bis zum heutigen Tag hat die Mehrzahl der Bundesländer - inzwischen sind es neun Bundesländer - diesen Weg ebenfalls so eingeschlagen, landesgesetzlich sondergeregelt in den jeweiligen Hochschul- oder Wissenschaftsgesetzen, mit denen dann aufgrund einer Verordnung oder des Gesetzes die Regelstudienzeit um ein Semester verlängert werden kann.

Es geht um eine pauschale Regelung; das ist wichtig. Sie führt zu mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten, insbesondere für die Studierenden, zu einer einfacheren Handhabung durch die BafögÄmter und die Hochschulverwaltungen sowie zu einer Gleichbehandlung aller Studierenden unabhängig davon, in welchem Studiengang sie eingeschriebenen waren, und unabhängig davon, wie im Einzelfall die jeweiligen Veranstaltungen stattgefunden haben oder nicht. Aus diesem Grund streben wir an, dass die Regelung in Sachsen-Anhalt landesweit einheitlich durch Nichtanrechnung erfolgt. Wir halten dies für politisch sinnvoll und angemessen.

Die Hochschulen können darüber hinaus - auch das steht im Gesetz - über diese BAföGProblematik hinaus Schlussfolgerungen aus der Verlängerung der Regelstudienzeit ziehen. Dazu zählen insbesondere die Fragen, ob auf Antrag der Studierenden Studien- und Prüfungsleistungen wiederholt werden können, im Fall des Nichtbestehens von Prüfungen solche als nicht durchgeführt gewertet werden usw. usf.

Wir haben uns gedacht, dass wir möglicherweise in der Zukunft häufiger mit pandemischen Situationen, mit Krisensituationen, die solch eine Maßnahme erfordern, zu tun haben werden. Deshalb halten wir es für geboten, dass wir im Wege einer Verordnungsermächtigung - auch wieder eine Verordnungsermächtigung! - die Möglichkeit bekommen, außerordentlich kurzfristig und flexibel auf so etwas zu reagieren, und es künftig nicht mehr durch das Hochschulgesetz selbst regeln müssen.

Die weiteren Regeln betreffen die Anerkennung nicht staatlicher Hochschulen und deren Akkreditierung. Einzelheiten dazu kann ich mir an dieser Stelle, glaube ich, ersparen. Ich bitte Sie, sich diesem Gesetzentwurf zu nähern. - Vielen Dank.

(Beifall)

Ich sehe auch hierzu keine Fragen. Danke, Herr Minister.

(Zurufe - Zuruf: Darf ich eine Frage stellen, Herr Präsident? - Heiterkeit)

- Nein, Sie dürfen keine Frage stellen. So läuft das hier nicht. Sie müssen jetzt einen Abgeordneten finden, dem Sie Ihre Frage mitteilen. Der kann dann die Frage jemandem stellen, den Sie gern möchten, falls der hier redet, aber auch nur dann.

Auch der Herr Lange muss sich hier ein bisschen zurückhalten, denn jetzt treten wir in die Dreiminutendebatte ein. Die wird begonnen mit dem Abgeordneten der AfD Herrn Dr. Tillschneider. - Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf verbindet zwei unterschiedliche Anliegen. Zum einen soll das Coronasemester 2020 nicht auf die Regelstudienzeit angerechnet werden. Bei Universitätsbeschäftigten im Beamtenverhältnis auf Zeit soll die Dienstzeit verlängert werden. Das ist sehr human, sehr freundlich, im Grunde selbst erklärend. Deshalb stimmen wir diesem Anliegen zu.

Sodann aber - diesen Punkt sehen wir kritischer - sollen die Vorschriften über die Akkreditierung nicht staatlicher Hochschulen neu geregelt werden. Problematisch erscheint, dass die staatliche Anerkennung einer nicht staatlichen Hochschule daran geknüpft wird, dass die Hochschule mehrere Akkreditierungsverfahren durchläuft. Sie darf nur Studiengänge anbieten, die akkreditiert wurden. Das gesamte Konzept der Hochschule muss noch vor der staatlichen Anerkennung durch eine Akkreditierungsagentur beurteilt werden, und die Hochschule muss sich in regelmäßigen Abständen reakkreditieren lassen.

Die AfD-Fraktion lehnt Akkreditierungsverfahren prinzipiell ab. Akkreditierungsverfahren sind nichts anderes als überflüssige Bürokratie und unzulässige Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit. Qualitätsmessungen und -sicherungen ja, aber universitätsintern durch Evaluationen, durch freien Wettbewerb der Universitäten, Universitätsrankings und dann informell durch den Ruf, den die verschiedenen Universitäten genießen. Aber bitte nicht durch diese höchst seltsamen Gebilde, die

sich „Akkreditierungsagenturen“ nennen, die aufgrund der erforderlichen Staatsferne keine staatlichen Einrichtungen sein dürfen, die aber, weil man irgendwie den Universitäten misstraut, auch nicht den Universitäten überlassen werden.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass der vorliegende Gesetzentwurf notwendig wurde, weil das Bundesverfassungsgericht die zunächst geübte Akkreditierungspraxis im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle für verfassungswidrig erklärt und eine gesetzliche Neuregelung angeordnet hatte. Dieses Urteil hält jedoch nicht, was es verspricht. Wir lesen im Urteil - ich zitiere daraus -:

„Grundsätzlich steht es dem Gesetzgeber frei, der Hochschullehre eine externe […] Qualitätssicherung vorzugeben. Aus Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 GG lässt sich […] nicht ableiten, dass einer Hochschule, einer Fakultät oder einem Fachbereich ein verfassungsrechtlich geschütztes autonomes

Recht zukommt, […] selbst über Umfang und Inhalt des Lehrangebots zu bestimmen.“

Das ist ein starkes Stück. Was zunächst so aussah, als habe Karlsruhe die Wissenschaftsfreiheit gestärkt, entpuppt sich beim näheren Hinsehen als das genaue Gegenteil. Das Akkreditierungsverfahren wurde nur dahin gehend bemängelt, dass es durch Gesetzesgrundlagen besser abzusichern und die Wissenschaft selbst ein wenig stärker zu beteiligen ist, mehr nicht.

Dass der Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit in der weiteren Begründung des Urteils auch noch in Rückgriff auf die Berufsfreiheit abgesichert wird, halte ich für höchst fragwürdig. Karlsruhe spielt zur Legitimation des Akkreditierungsirrsinns die Berufsfreiheit gegen die Wissenschaftsfreiheit aus; das ist Murks. Die darauf aufbauenden Gesetzesänderungen sind auch Murks. Deshalb stimmen wir diesem zweiten Teil dieses Gesetzentwurfes nicht zu. - Vielen Dank.

Ich sehe auch hierzu keine Fragen. Deswegen können wir in der Debatte fortfahren. Und zwar spricht als nächster Redner für die CDU-Fraktion der Abg. Herr Kolze. Er könnte sich so langsam auf den Weg machen. - Ich hätte Ihre Mimik und Gestik so werten können, dass Sie auf einen Redebeitrag verzichten. Aber das wäre eine Fehlinterpretation gewesen, Herr Kolze. Alles ist gut. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vor der Sommerpau

se verabschiedete Hochschulgesetz ist ein gutes, ein zukunftsorientiertes, ein flexibles Hochschulgesetz. Der weltweite Wettbewerb um die besten Köpfe macht selbstverständlich keinen Bogen um Sachsen-Anhalt.

Mit dem neuen Hochschulgesetz wird vieles leichter und einfacher, weil die Hochschulen in ihrer Entscheidungs- und Fachkompetenz gestärkt werden. Andere Bundesländer sind bereits ähnliche Wege gegangen.

Im Rahmen des Föderalismus bekennen sich Land und Parlament zu einer leistungsfähigen Hochschullandschaft, auch wenn wir uns immer vor Augen führen müssen, dass die Schaffung einer modernen Wissenschaftslandschaft immer ein Balanceakt ist. Die Koalition eint, dass wir diesen Spagat im Sinne der Hochschulen geschafft haben.

Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang noch an die Zielvereinbarungen. Diese bringen unserer Hochschullandschaft die nötige Planungssicherheit. Der aktuelle Gesetzentwurf zur Hochschulrechtsänderung, so wie ihn Herr Minister Willingmann eingebracht hat, soll die Folgen der Coronapandemie für die Hochschulen abmildern. Gleichzeitig wollen wir eine Rechtsgrundlage für vergleichbare Regeln für den Fall schaffen, dass die Pandemiesituation weiter anhält.

Das Bundesverfassungsgericht definierte im Jahr 2016 die rechtlichen Anforderungen an das System der Programmakkreditierung als Qualitätssicherungsinstrument. Im Kern geht es darum, inhaltliche, Verfahrens- und organisationsbezogene Anforderungen gesetzlich zu verankern.

Die KMK und Vertreter des Wissenschaftsrates sind zwischenzeitlich zu dem Ergebnis gekommen, dass auch die Regelungen für die sogenannten institutionellen Qualitätssicherungsverfahren gesetzlich zu verankern sind, denn diese Verfahren stellen Eingriffe in die Grundrechte nicht staatlicher Hochschulen dar. Dem Ansinnen wollen wir mit der neuerlichen Gesetzesinitiative gern folgen. Entsprechende Regelungen und Anpassungen finden Sie in den §§ 104 bis 107.

Angesichts meiner knappen Redezeit möchte ich der Versuchung widerstehen, alle Details des neuen Hochschulgesetzes aufzuzählen; das hat der Minister bereits einführend getan. Nur so viel: Die Änderungen beziehen sich unter anderem auf die Definition der rechtlichen Struktur einer privaten Hochschule, die inhaltlichen Kriterien der institutionellen Qualitätssicherung oder die Einhaltung von Mindeststandards von privaten gegenüber staatlichen Hochschulen. Die Koalitionsfraktionen ergänzen das Hochschulgesetz um einige sinnvolle Maßnahmen und passen es an die aktuelle Pandemiesituation an.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Überweisung in den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung zur federführenden Beratung. - Vielen Dank.

(Beifall)

Danke. Ich sehe keine Fragen. - Jetzt kann Herr Lange so langsam für die Fraktion DIE LINKE nach vorne kommen. Los geht‘s, Herr Lange.

Jawohl, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das heute eingebrachte Hochschulgesetzänderungsgesetz - ein schönes Wort, das dort geprägt wurde: „Hochschulgesetzänderungsgesetz“ - irritiert mich doch mehr als erwartet. So ist es erstaunlich, dass gleich auch noch Neuregelungen für die nicht staatlichen Hochschulen eingeführt werden. Das kann man natürlich machen, insbesondere wenn es ein Verfassungsgerichtsurteil gibt. Allerdings hätte der Biologe Lange vom Juristen Willingmann erwartet, dass dann auch die Gesetzesüberschrift angepasst wird, weil das eigentlich so Usus ist, dass man in der Überschrift die wesentlichen Inhalte schon erkennen sollte. Das ist vielleicht noch eine Kleinigkeit.

Eine Kleinigkeit ist es für mich aber nicht, dass der Minister - das war meine Einlassung vorhin - in seiner Rede nicht einmal darauf eingegangen ist und erläutert hat, was er da vorhat. Das hat mich schon sehr erstaunt.

Als Freund von staatlichen Hochschulen bin ich froh, dass die getroffenen Regelungen nicht hyperliberal sind. Allerdings ist es erstaunlich, dass den nicht staatlichen Hochschulen ein einfacherer Zugang zum Promotionsrecht ermöglicht wird, als er unseren Hochschulen für angewandte Wissenschaften zugestanden wird. Darüber werden wir noch einmal reden müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wichtig ist, dass nun auch Sachsen-Anhalt Regelungen trifft, damit das turbulente Coronasemester Studierenden und Wissenschaftlerinnen in der Qualifikation nicht „auf die Füße fällt“. So darf es keine Nachteile beim Bafög geben, weil Studienleistungen nicht erbracht werden konnten. Beispielsweise auch Juniorprofessorinnen dürfen keine Nachteile für ihre Qualifikation haben.

Ob es nun aber der Königsweg ist, die Entscheidungen über die Prüfungen an die Hochschulen zu delegieren, das werden wir im Ausschuss noch einmal besprechen. Wichtig ist, dass die Studierenden sicher sein können, dass die Entscheidungen zu den Prüfungsleistungen an allen Hochschulen gleich getroffen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über ein Gesetz, das notwendig ist, weil ein normales Studium im letzten Semester nicht möglich war. DIE LINKE sagt ganz klar, dass in dieser Situation keine Gebühren erhoben werden dürfen.

(Beifall)

Eingezahlte Gebühren müssen zurückgezahlt werden. Das Land und ganz besonders der Bund lassen die Studierenden schon mit ihrer sozialen Lage weitestgehend allein, wenn beispielsweise der Nebenjob weggebrochen ist. Da wird jede Entlastung gebraucht. Darum bringen wir einen Änderungsantrag ein. Das ist nicht nur sozial, sondern auch fair. - Vielen Dank.

(Beifall)

Jetzt kann als nächster Redner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Meister sprechen. - Bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mich überrascht, dass wir das Hochschulgesetz in dieser Legislaturperiode noch einmal anfassen. Das hätte ich nicht gedacht. Aber so ist es und das hat Sinn.