Protokoll der Sitzung vom 16.10.2020

Wenn Sie sagen, wir bräuchten das nicht, weil wir nicht sanktionsfrei seien und die Betreffenden von der Beförderung ausschließen könnten, dann folgt das dem Motto „Schraps, du hast den Hut verloren.“ Ich brauche dafür keine eigenen Leute; darum sollen sich die Beförderungsbetriebe kümmern. Das ist eine Art und Weise, wie ich mit dieser Krise nicht umgehen kann, Herr Haseloff.

Herr Ministerpräsident.

Herr Gallert, Sie haben eine andere ideologische Grundvorstellung.

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Daran liegt es nicht! - Lachen - Zurufe)

Für Sie ist Staat nur Staat, wenn er knallhart mit Polizei und Rechtsmitteln,

(Zuruf von Wulf Gallert, DIE LINKE)

wenn er mit Gewalt usw. durchregiert mit allem Drum und Dran.

(Zustimmung - Zurufe)

Das kennen wir alles. Wir wissen, wie früher - -

(Zurufe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Fragen gestellt werden, müssen Sie es doch wenigstens zulassen, dass Antworten gegeben werden können.

(Zurufe)

Ansonsten brauchen wir keine Fragen stellen, wenn Sie diese Antworten gar nicht abwarten wollen.

Das müssen Sie dann auch einmal aushalten. Es ist einfach eine andere Vorstellung.

(Zurufe)

- Dann kann ich mich auch hinsetzen, kann ich machen. - Es ist einfach eine andere Vorstellung von einer Gesellschaft.

Meine Vorstellung von Gesellschaft ist die, dass es mehrheitlich oder zu großen Anteilen vernünftige, verantwortungsbewusste und solidarische Bürger gibt und dass ich bestimmte Maßnahmen, die auch für einige wenige Unbelehrbare Sanktionen enthalten, letztlich nicht prioritär über das Interesse der gesamten Gesellschaft und die Durchsetzungsfähigkeit bestimmter anderer Dinge stelle. Es geht immer um die Verhältnismäßigkeit.

Machen wir doch einmal einen kurzen Strich darunter und sagen Folgendes: Momentan funktioniert es im Quervergleich Deutschlands in Sachsen-Anhalt hervorragend. Wir haben im Quervergleich Deutschlands sehr gute Infektionszahlen.

Jede Infektion ist eine zu viel, aber wir haben im Verhältnis zu anderen Regionen sehr gute Infektionsquoten pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, und zwar aufgrund des positiven und bewussten Mitwirkens der Bürgerinnen und Bürger, der Kommunen, der Gesundheitsämter und all der Dinge, die wir letztlich hier gemeinsam und geeint umgesetzt haben.

Denn alle Entscheidungen einschließlich der ordnungspolitischen Maßnahmen haben wir im Einvernehmen abgesprochen mit dem Landkreistag, mit dem Städte- und Gemeindebund und mit all denjenigen, die Verantwortung vor Ort haben, bis hin zu den Trägern von Verkehrsbetrieben.

Wenn die Situation eintreten sollte, dass sich das gravierend verändert, sowohl das Infektionsgeschehen als auch das, was wir an bisherigen Instrumenten zum Einsatz gebracht haben, dann sind wir sehr gut in der Lage, sofort nachzusteuern. Ich kann innerhalb von zehn Minuten eine Kabinettsitzung per Videoschaltung einberufen und nach elf Minuten ist eine Verordnung geändert. Das können wir machen.

Aber warum sollte ich das zum jetzigen Zeitpunkt in Sachsen-Anhalt tun, wo wir bisher so gut durchgekommen sind?

(Zustimmung)

Mein Appell in Richtung der anderen Kollegen war folgender: Ich möchte nicht in die Situation weiterer Eskalationsstufen mit meinem Kabinett und denjenigen, die Verantwortung in den vielen einzelnen Ebenen tragen, kommen. Deswegen erwarte ich, dass man das, was wir dort gemeinsam vereinbart haben, was bei uns genauso zum Einsatz käme, wenn bei uns die Situation einträte, stringent und knallhart umsetzt.

Denn ansonsten haben wir das Problem, dass wir deren Probleme zu uns importiert bekommen. Das halte ich bezüglich der Leistungen, die wir in Sachsen-Anhalt bisher zur Bewältigung der Pandemie erbracht haben, einfach für unfair und dagegen werden wir uns wehren.

(Zustimmung)

Herr Ministerpräsident, wir haben weitere sechs Wortmeldungen. Als Nächste sind Herr Lange und dann Frau Frederking an der Reihe. - Sie haben das Wort, Herr Lange.

Ich stolpere immer noch über das, was der Ministerpräsident Herrn Gallert unterstellt hat in Bezug auf die Ideologie, zumal die Worte „knallhart“ und „stringent“ nun wirklich von ihm selber gekommen sind. Wenn man sich anguckt, wie Polizeigesetze eingebracht wurden und wer sich wie verhalten hat, dann ist das schon irritierend.

Für mich stellt sich noch einmal eine Frage zum Beherbergungsverbot. Herr Gallert hat darauf hingewiesen, dass das für die Beherbergungsbranche ein riesiges Problem ist, nicht nur für die, sondern auch für die kleinen Touristikunternehmen, die gerade wieder ein bisschen Luft bekom

men haben und jetzt die nächste Stornierungswelle erleben. Meine Frage ist: Wie werden diese Unternehmen entschädigt und wie werden unsere kleinen Pensionen und unsere kleinen Hotels entschädigt?

Erstens ist Herrn Willingmann keine Stornierungswelle bei uns in Sachsen-Anhalt bekannt. Wer sich in den letzten Tagen auch einmal im Harz umgesehen hat, der weiß, dass die Städte noch nie so voll waren wie derzeit. Ich war in Wörlitz.

(Zurufe)

Bestätigt wird das durch den Dehoga. Malen Sie doch nicht irgendein Bild vom Land SachsenAnhalt und von bestimmten Branchen, bei denen wir wirklich durch tagesaktuellen Kontakt mit den Betroffenen sehr gut Bescheid wissen; davon können Sie ausgehen.

Zweitens. Wir werden auf jeden Fall an den Stellen, an denen bestimmte Branchen zum Eindämmen der Pandemie Opfer bringen müssen, flankieren müssen. Das war ein ganz klares Thema in dem Moment, in dem wir den Clubs und den Diskotheken die Prognose gaben, wenn sich in Deutschland alles gut weiter entwickelt, könnten sie isoliert in Sachsen-Anhalt durchaus wieder öffnen.

Das Problem ist nur, welchen Eindruck es macht, wenn die Infektionszahlen in Deutschland steigen, und wir öffnen die Diskotheken, weil bei uns momentan alles noch im überschaubaren Bereich ist. Welches Signal ist das, zumal es dann auch einen Tourismus mit allem Drum und Dran gäbe? - Also, das wäre das falsche Signal. Wir haben uns entschieden, dass wir an dieser Stelle mit Augenmaß auch die gesamte Sichtweise und den gesamten Blick immer auch wahren.

Aber entscheidend ist: Es ist klar, an den Stellen, an denen ein wirtschaftlicher Schaden durch Eingriffe des Staates zur Eindämmung der Pandemie entstehen könnte, werden wir helfen.

Der Bundeswirtschaftsminister wird dazu im nächsten Coronakabinett - so die Festlegung der Kanzlerin vorgestern - etwas vorschlagen. Wir werden uns das ansehen, werden gucken, wo Lücken sind, an welchen Stellen eine Kofinanzierung vorzunehmen ist und wie ein Förderschema letztlich aussehen kann. Wir werden diese Branchen nicht hängen lassen.

(Beifall)

Vielen Dank. - Frau Frederking, Sie sind die Nächste, die die Möglichkeit hat, eine Frage zu

stellen. Danach können sich Herr Gebhardt und Herr Farle vorbereiten.

Herr Ministerpräsident, ich glaube, niemand hat das Interesse, die Erfolge, die wir in Sachsen-Anhalt haben, kleinzureden. Vielmehr geht es darum, noch besser zu werden und immer vom Ziel her zu denken. In den Hotelzimmern wird das Virus nicht auf andere übertragen; dort sind die Leute allein.

(Zurufe)

Man könnte viel eher sagen, damit die Leute nicht zusammenkommen, serviert man das Frühstück auf dem Zimmer und verzichtet auf die Buffets. Solche Maßnahmen können ergriffen werden.

Ich denke, wir sind in Sachsen-Anhalt tatsächlich ganz gut. Mein Anliegen ist, dass wir besser werden und dass wir nicht solche Zustände wie in anderen Bundesländern bekommen.

So sind auch die AHA-Regeln von Anfang an ziemlich gut kommuniziert worden, also Abstand halten, Hygieneregeln beachten, wie in die Arme zu niesen, und Alltagsmasken tragen. Das ist gut erklärt und umfangreich kommuniziert worden. Überall stehen entsprechende Schilder.

Aber die Erkenntnisse sind inzwischen gewachsen. Wir wissen, dass sich die Viren auch auf den kleinen feinen Aerosoltropfen, die in der Luft schweben, anreichern. Das Lüften hilft, um die Konzentration zu verringern.

Meine Frage ist: Was wird die Landesregierung tun, um die große Bedeutung des richtigen Lüftens in die Breite zu tragen, darüber umfangreich aufzuklären und Lüften auch als verbindliche Regel zu erlassen?

Herr Ministerpräsident.

Dazu gibt es umfängliche Konzepte. Die KMK tagt heute auch wieder, um genau dazu eine einheitliche Philosophie zu finden, immer auch in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Örtlichkeiten und baulichen Gegebenheiten; das ist klar.

Wir haben dazu ebenfalls bereits Festlegungen im Lande getroffen. Die werden auch ständig überprüft. Die Sensibilisierung läuft. Ich habe selber Enkelkinder in der Schule und weiß, dass es dort eigentlich sehr gut praktiziert wird.

Ich will aber auch einmal Folgendes sagen, um noch einmal Missverständnisse auszuräumen, liebe Frau Frederking: Es geht nicht darum, dass sich durch die Übernachtung eines Hotelgastes