Protokoll der Sitzung vom 20.11.2020

Herr Minister, teilen Sie meine Freude auf diese konstruktive Diskussion in den nächsten Monaten?

Ausdrücklich.

(Heiterkeit)

Jetzt hört der Minister wieder zu und Herr Lange hat die Chance, seine Frage zu stellen. - Bitte.

Herr Minister, da Sie in Halle leben, gehe ich davon aus, dass Sie die Situation an den Schulen der Stadt ganz gut kennen. Sie wissen, dass unsere Schulen dort aus allen Nähten platzen. Wir haben ein riesiges Problem, weil wir in den letzten Jahren wesentlich mehr Schüler haben, als in den Prognosen jemals vorhergesagt wurde, und weil wir nicht genügend Schulen haben.

Jetzt hat die Stadt Halle eine Schulentwicklungsplanung aufgeschrieben, in der sie vorschlägt, mehrere Schulen neu zu gründen. Ist Ihnen bewusst, dass Ihr Landesschulamt bereits darauf hinweist, dass die Neuregelungen, die Sie jetzt getroffen haben, dazu führen können, dass uns diese Neugründungen unter Umständen nicht genehmigt werden können?

Das schafft in der Stadt ein Riesenproblem. Ich möchte gern wissen, welche Antworten Sie den Leuten in Halle geben möchten, die dann eben Schwierigkeiten haben, ihre neuen Schulen zu finden.

Herr Minister, ganz kurz, bevor Sie antworten: Wir denken bitte daran, dass wir uns in einer Dreimi

nutendebatte befinden und Interventionen und Frage maximal eine Minute dauern dürfen. - Herr Minister, Sie haben jetzt das Wort.

Mein lieber Kollege Lange, ich kenne Sie nun auch schon ein paar Jahre. Ich kenne die Taktik, zu sagen, ich habe gehört, dass jemand irgendjemandem irgendetwas erzählt habe und dass alles ganz furchtbar sei. Und dann soll ich darauf antworten. Das gucken wir uns in Ruhe an. Aber lassen wir doch einfach mal Taten sprechen. Was ist denn im letzten Jahr passiert? - Der Stadtrat hat - ich glaube, es war im Mai - eine IGS gegründet. Wohlgemerkt eine IGS, Herr Lippmann.

(Zuruf von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

Und was hat das Schulamt, die Bildungsverwaltung gemacht? - Innerhalb von vier Wochen haben wir dort Lehrer organisiert, um sozusagen im Schweinsgalopp zum neuen Schuljahr diese IGS an den Start zu bringen. Ich glaube, diese Taten sprechen doch dafür, dass sich dieses Schulamt erstens freut, dass wir neue Schulen gründen können, und zweitens in einem Maße und einem Tempo die Stadt Halle, aber auch andere Schulträger unterstützt, um diese Dinge hinzubekommen. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir innerhalb von vier Wochen, nachdem der Beschluss ziemlich spät kam, Lehrerinnen und Lehrer besorgt haben, damit im neuen Schuljahr diese Schule an den Start gehen konnte.

An diesen Taten können Sie, so glaube ich, sehen, dass Ihre finsteren Befürchtungen, die Sie hier und da gehört haben, a) nicht stimmen und b) durch Taten mehr als ersetzt worden sind.

(Zustimmung)

Nur noch eine ganz kurze Nachfrage, Herr Lange. Bitte.

Erstens. Ich hatte den Vorschlag schon im Januar gemacht. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre es nicht erst der Mai gewesen.

Aber der Beschluss lag ja relativ spät vor.

Das lag aber an der Verwaltung. - Zweitens. Das war kein Hörensagen, sondern das steht schwarz auf weiß in den Stellungnahmen des Landesschulamtes zur Schulentwicklungsplanung. Deswegen können Sie sich dort nicht herauswinden.

Wir werden das demnächst thematisieren. Halle ist auch Ihr Wahlkreis.

Herr Lange, vielen Dank für den Hinweis. Ich freue mich darauf, weil wir an der Stelle dann ganz klar mit Fakten arbeiten können. Das Beispiel IGS - ich habe das schon einmal gesagt - zeigt doch eindeutig, wie wir an dieser Stelle unterwegs sind und wie tatkräftig und erfolgreich die Landesregierung arbeiten kann. Daran sehen Sie, dass ich diese Diskussion nicht scheue, sondern ich würde sie sogar initiieren und Sie herzlich einladen, das zusammen zu machen.

(Zustimmung - Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Jetzt ist schon so viel Freude zum Ausdruck gekommen. Ich will die Freude bei den folgenden Rednerinnen und Rednern noch erhöhen und stelle die Überschreitung der Redezeit durch den Minister um eine Minute fest. Das bedeutet, die nachfolgenden Redner haben eine Redezeit von nicht drei, sondern vier Minuten.

(Minister Marco Tullner: Tut mir leid!)

- Das muss Ihnen nicht leidtun. Wenn Sie die Dinge sagen müssen, dann müssen Sie sie sagen. Das ist ja die Sonderregelung für die Landesregierung. - Jetzt spricht für die AfD-Fraktion der Abg. Herr Tillschneider.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der LINKEN ist der Versuch, Vorschläge der AfD halbherzig umzusetzen.

(Zuruf: Ach Gott!)

Bei Grundschulen sieht die aktuelle Verordnung zur Schulentwicklungsplanung eine Mindestgröße von 60 Schülern vor. Die AfD hat immer schon 40 gefordert, um auch kleine Schulen im ländlichen Raum leichter erhalten zu können. Das heißt nicht, dass eine Gemeinde eine kleine Schule mit nur wenig mehr als 40 Schülern nicht auch schließen kann, wenn sie will. Aber sie soll durch die Verordnung dazu eben nicht mehr gezwungen werden und die Schulschließungsbefürworter in den Gemeinderäten, die zumeist von der CDU kommen, sollen durch die Verordnung keine Argumente mehr geliefert bekommen; sie sollen nicht mehr achselzuckend behaupten können, sie seien gezwungen, so zu handeln.

(Beifall)

Die LINKE will jetzt diese Mindestschülerzahl von 60 auf 52 senken - wie großzügig aber auch -,

(Zuruf von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

also 13 pro Klasse. Ich frage mich Folgendes: Wenn Unterricht in einer Klasse mit 13 Schülern möglich ist, weshalb dann auch nicht in einer Klasse mit zehn Schülern? Ob zehn oder 13 Schüler - das macht gruppenpädagogisch doch wirklich keinen großen Unterschied.

Für noch viel absurder aber halte ich, dass diese Mindestschülerzahl nach dem Vorschlag der LINKEN nur dann gelten soll, wenn das Einzugsgebiet der Schule 90 km² übersteigt. Dieser Vorschlag unterstellt, dass die Entfernung des Schulwegs das einzige Kriterium für den Schulerhalt ist, und wird nicht einmal diesem Kriterium gerecht. Denn je nachdem, wie der Schuleinzugsbereich geschnitten ist, kann die Entfernung zur Schule auch bei einem Einzugsgebiet von 50 km² für einzelne Schüler unzumutbar sein, während bei einer annähernd kreisförmigen oder quadratischen Fläche des Einzugsbereichs bei zentraler Lage der Schule und bei günstiger Wegeführung auch bei 100 km² keine unzumutbar langen Wege entstehen müssen.

(Zustimmung)

Es ist also blanker Unsinn, was Sie in Ihrem Entwurf geschrieben haben. Abgesehen davon sind noch andere Gründe denkbar, weshalb eine kleine Schule erhalten werden sollte, etwa weil sie zum Ort gehört, weil sie ihn aufwertet und den Familien das Leben leichter macht.

Ihre Umgestaltung des Grundschulverbundes bringt ebenso kaum eine Verbesserung mit sich. Die von der AfD schon immer geforderte und dringend notwendige Erweiterung von zwei auf drei Grundschulen soll als Modellversuch nur ausnahmsweise zugelassen und von der Voraussetzung abhängig gemacht werden, dass der neue Dreierverbund eine Gesamtgröße von 160 Schülern aufweist. Das ist viel zu hoch gegriffen. 120 Schüler wären beim Dreierverbund eine angemessene Größe. Der Schulverbund im Entwurf der Schulentwicklungsplanung der LINKEN bleibt damit fast genauso wirkungslos wie in der aktuellen Fassung der Regierung.

Da das, was die LINKE vorschlägt, zwar völlig unzureichend ist, aber prinzipiell in die richtige Richtung geht, werden wir ihrem Antrag nach unserem Grundprinzip zustimmen, jede Verbesserung für die Bürger zu unterstützen, egal wer sie vorlegt. - Vielen Dank.

(Beifall)

Ich schau mich noch einmal um. - Ich habe hierzu keine Wortmeldungen gesehen. Als Nächste spricht für die Koalitionsfraktionen in Gänze die Abg. Frau Gorr. - Frau Gorr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich gestehe, wir sind über Ihren Antrag schon ein wenig verwundert. Sie sind doch auch Mitglied im Bildungsausschuss und Sie wissen, dass sich der Ausschuss über ein Jahr lang mehrheitlich ausführlich mit der Thematik der Schulentwicklungsplanung beschäftigt hat.

(Zuruf von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

Und Sie wissen auch, dass der Bildungsausschuss sein Benehmen zu der Verordnung vor der Sommerpause in der Sitzung am 26. Juni 2020 hergestellt hat. Die Verordnung wird zum 1. August 2022 in Kraft treten und ist bereits veröffentlich.

Es besteht zum heutigen Zeitpunkt der Debatte keine Möglichkeit mehr, Änderungen an der neuen Verordnung vorzunehmen. Die Debatte über mögliche Änderungen an einzelnen Paragrafen oder über Ihre konkreten Vorschläge hätte früher geführt werden müssen und nicht heute. Zudem bedingen einige der Vorschläge der LINKEN, zum Beispiel zum Grundschulverbund mit mehr als zwei Standorten, eine Änderung des Schulgesetzes.

Im Übrigen wurde zum Thema „Zweiter Bildungsweg“ sogar noch in der Sitzung des Ausschusses im Juni eine Änderung vorgenommen.

Es ist, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, kein Geheimnis, dass die Auffassungen zur Schulentwicklungsplanung zwischen der SPDFraktion und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einerseits und dem Ministerium andererseits auseinandergingen und dass wir sehr lange um einen Kompromiss gerungen haben. Insbesondere

haben sich die beiden Fraktionen, also SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, über eine aus ihrer Sicht nachteilige Behandlung der Gemeinschaftsschulen und deren gymnasialer Oberstufe geärgert, wenn ich das einmal so nennen darf. Hierzu konnte allerdings ein Kompromiss erzielt werden.

Weitere Kritikpunkte waren die Festlegung der Mindestschülerzahlen für Gemeinschaftsschulen oder die Datengrundlage, die auf Zahlen von 2014 basiert. Die Liste ließe sich noch um einige Punkte ergänzen.

Auch die CDU-Fraktion hat natürlich mehrfach über die Grundlagen der Schulentwicklung diskutiert.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Insgesamt versucht die Verordnung zur Schulentwicklungsplanung jedoch den Spagat zwischen Unterrichtsqualität und der Sicherung von Standorten; der Minister ging schon darauf

ein. Daher konnte im Ausschuss auch das Benehmen hergestellt werden.

Bei der nächsten Schulentwicklungsplanung in der kommenden Legislaturperiode müssen allerdings sicherlich einige Aspekte, wie zum Beispiel die Vorgaben für den ländlichen Raum, natürlich unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung, stärker in den Fokus genommen werden. Zur demografischen Entwicklung führte Herr Minister Tullner eben aus.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE aus den genannten Gründen des Faktischen abzulehnen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal unsere Verwunderung über diesen Antrag zum Ausdruck bringen. - Danke.