Herr Lehmann, Sie werden sich vielleicht daran erinnern können. Zum 1. Januar 2008 wurden in einer Polizeistrukturreform in diesem Lande zwei Maßnahmen vorgenommen, es wurde nämlich die Kreisgebietsreform nachgebildet, die ja im Sommer 2007 stattgefunden hat.
Sie werden sicherlich nicht bezweifeln wollen, dass es richtig war, dass das Prinzip „ein Landkreis, ein Revier“ weiter gelten sollte. Das gilt auch für den Harz. Am selben Tag wurden aus sechs Polizeidirektionen drei Polizeidirektionen gebildet. Das ist in Kraft getreten.
Pro Polizeidirektion sind ungefähr 150 Vollzugsbeamte freigesetzt worden, die anderen Aufgaben zugeteilt werden konnten, weil natürlich eine Polizeidirektion einen entsprechenden Overhead braucht, unabhängig davon, wie groß sie ist.
Wir hatten beispielsweise im Harz eine Situation, dass die Polizeidirektion Halberstadt quasi deckungsgleich mit dem neuen Harzkreis war. Sie
werden sicherlich auch einsehen, dass man dort keine Polizeidirektion mehr betreiben kann. Insofern kann ich in dem Zitat, das Sie mir gerade vorgehalten haben, überhaupt nichts objektiv Falsches finden. Ich würde das auch nicht bestreiten. Ich habe das bestimmt auch gesagt.
Herr Erben, ich will Sie nicht angreifen. Ich möchte Ihnen nur eine sachliche Frage stellen. Wie ernst nehmen Sie die zunehmende Deutschenfeindlichkeit? Ist das auch nach Ihrer Auffassung ein rassistisches Delikt? Die Deutschenfeindlichkeit umgibt uns tatsächlich an Schulen und im öffentlichen Raum. Sie greift auch immer mehr um sich und verunsichert die Bürger.
Die zweite Frage lautet: Wie bewerten Sie selbst diesen teils extremen offenen Rassismus, Sexismus und die Dominanz von großen Ausländergruppen, die mittlerweile in vielen Stadteilen, auch in meiner Stadt, aber wahrscheinlich in vielen Städten Sachsen-Anhalts gegenüber der einheimischen Bevölkerung zu beobachten sind, die sich dadurch auch extrem bedroht fühlt? Die Menschen meiden inzwischen bestimmte Stadtteile.
Meine Frau maßregelt mich, weil ich sie nicht abholen kann, weil ich einen anderen Termin hatte. Den Termin habe ich versäumt. Aber sie hat tatsächlich Angst davor gehabt, durch einen Stadtteil in Halle zu gehen. Ich hatte ihr versprochen, sie abzuholen, aber das ist eine Nebensächlichkeit.
Aber das sind Dinge, die für mich nicht mehr greifbar sind, weil die Politik an dieser Stelle mittlerweile auch schon wegschaut. Das ist ein wichtiger Punkt, der für viele Bürger in Halle sehr wichtig geworden ist.
In großen Stadteilen, wie dem Südpark, oder am Markt gibt es viele Vorfälle. Das sagen die Bürger zu mir. Sie kommen ins Bürgerbüro und beschreiben Tatbestände, die aus strafrechtlicher Sicht erst einmal niederschwellig sind. Dort stehen etwa fünf, sechs Leute, die eben keinen Platz machen. Die machen einer Oma keinen Platz, die machen einer Frau mit Kind nicht Platz. Das gibt es in allen Gesellschaften.
Aber die Dominanz der Ausländergruppen - das war eigentlich meine Frage - bei diesem Tatgeschehen ist jetzt einfach so groß geworden. Das dürfen wir aus meiner Sicht nicht mehr länger ausblenden. Wie bewerten Sie das, Herr Erben? Das ist kein Angriff. Ich möchte auch eine sachliche Antwort.
Ich versuche aus Ihrem Redebeitrag die Fragen irgendwie herauszufiltern. Was Sie mit Deutschfeindlichkeit meinen, weiß ich jetzt nicht so genau. Aber wenn jemand deswegen beschimpft oder beleidigt wird, weil er Deutscher oder deutscher Staatsangehöriger ist, dann gelten in diesem Zusammenhang genau dieselben Gesetze für den Täter, die gelten, wenn ein deutscher Staatsangehöriger einen Ausländer beleidigt. Hier gilt die gleiche Strafrechtsvorschrift; hier kann ich keinen Unterschied erkennen.
Das zweite Thema, das Sie angesprochen haben, das ist - darüber habe ich heute übrigens gesprochen - eine Frage des Sicherheitsgefühls. Die sechs Leute, die eine Frau mit dem Kinderwagen oder auch den Läufer - ich kenne so etwas auch - nicht durchlassen wollen, die werden das nämlich nicht tun, wenn in dem Wohngebiet die Polizei regelmäßig Streife geht oder wenn an einem Brennpunkt, an dem so etwas stattfindet, Videoüberwachung stattfindet, weil es ein gefährlicher Ort ist.
Das ist eine Frage des Sicherheitsgefühls. Das Sicherheitsgefühl hängt für mich wesentlich mit Polizeipräsenz zusammen. Und Polizeipräsenz steht mit der personellen Ausstattung der Polizei in engem Zusammenhang. Darüber habe ich hier vorhin, glaube ich, zehn Minuten lang erzählt.
Es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Raue. - Nicht mehr. Okay. Dann kommen wir zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Quade.
„Die innere Sicherheit im Land steht immer wieder vor neuen, gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen, denen Staat und Zivilgesellschaft nur gemeinsam begegnen können.“
So haben es die Kollegen der CDU-Fraktion formuliert. - So weit, so unstrittig. Die Frage ist - das hat sich in der Debatte auch gezeigt -, was genau wovon bedroht wird und wie dem begegnet werden kann. Hierbei konstatiere ich eben doch erhebliche Differenzen.
Es beginnt bei den Begriffen. Innere Sicherheit ist ein Begriff, den ich höchst ungern verwende, suggeriert er doch gerade in Reflexion der politischen Debatten der gegenwärtigen Zeit, Bedrohungen für eben diese Sicherheit könnten eigentlich nur von außen kommen. Wer zum Inneren unserer Gesellschaft gehört, wer schutzwürdig ist und wer nicht, darüber haben wir hier sehr unterschiedliche Auffassungen gehört.
Der Begriff innere Sicherheit ist politisch geprägt worden in der Zeit der Notstandsgesetzgebung. Es kommt nicht von ungefähr, dass bis heute Maßnahmen, die unter dem Label der inneren Sicherheit propagiert werden, mit massiven und oftmals unverhältnismäßigen Eingriffen in den anderen großen Werte- und Rechtsbereich unserer Gesellschaft, den der Freiheit, einhergehen.
Ich halte es daher für angebracht, über öffentliche Sicherheit zu reden. Wenn wir als LINKE das tun, dann heißt das vor allem, weg von diesem verheerenden Wechselspiel von Alarmismus einerseits und Ignoranz andererseits zu kommen.
Genau das prägt die bundesdeutschen Sicherheitsdebatten. Ich muss sagen, Herr Schulenburg, auch Ihre sozusagen Einbringungsrede zur Aktuellen Debatte war ein Musterbeispiel dafür. Wenn Sie die Debatte um Gruselclowns nervt - was ich durchaus verstehen kann -, warum machen Sie sie dann zum Gegenstand Ihrer Aktuellen Debatte?
Seit Jahren erleben wir die immer gleichen Reaktionen auf unterschiedlichste Ereignisse: In einem Nachbarland gab es einen Terroranschlag - die Geheimdienste müssen mehr Befugnisse haben und alle Sicherheitsbehörden im Grunde am allerbesten selbst über ihren Auftrag entscheiden und von sonstigen Rechten und Pflichten entbunden werden.
In Deutschland wird ein Terrorverdächtiger gefasst und verhaftet - es ertönt der Ruf nach härteren Gesetzen und mehr Befugnissen. Dabei zeigt doch gerade der Fall des Terrorverdächtigen al-Bakr, der in Leipzig verhaftet wurde, dass das Problem keineswegs zu lasche Gesetze sind. Was notwendig ist, ist Polizei, die personell auf solche Lagen reagieren kann, und zwar qualitativ wie quantitativ.
Defizite bestehen nicht bei Eingriffsbefugnissen. Defizite bestehen offenbar in der Erreichbarkeit der Polizei für alle Einwohnerinnen und Einwohner, Stichwort: Sprachbarrieren bei der Verständigung mit der Polizei, die sie zunächst scheitern ließen. Defizite bestehen in der personellen Ausstattung der Polizei und sie bestehen massiv in der Einschätzung von Gefährdungen.
Reichsbürger erfahren derzeit ein Interesse, das sie bisher nie hatten, obwohl es sie seit Jahrzehnten gibt, obwohl sie aktiv sind, obwohl sie politisch motivierte Straftaten begehen, obwohl sie sich bewaffnen und obwohl sie all das tun, was Nazis eben tun,
Sie rücken in den Fokus, weil sie in mehreren Fällen Repräsentanten des Staates, Polizisten attackiert und sogar einen Polizisten getötet haben. Doch sie rücken zu spät in den Fokus und sie stehen, obwohl sie ein Sonderfall sind, dennoch exemplarisch für die von Polizei und Sicherheitsbehörden schlichtweg nicht adäquat vorgenommene Beurteilung der Gefahren durch die extreme Rechte.
Die Ignoranz gegenüber terroristischen Bestrebungen von Neonazis, die große und wieder größer werdende Wahrnehmungslücke in der polizeilichen Statistik bei rechtsmotivierten Gewalttaten, die nicht enden wollenden Debatten um das Image, wenn öffentlich wird, dass eine Region ein Naziproblem hat, die Verharmlosung von Belagerungen und Blockaden von Flüchtlingsunterkünften als asylkritische Aktionen, das Stillschweigen über seit Jahren bekannte Bewaffnungstendenzen militanter Rechter und gleichzeitig die hektischen Rufe nach härteren Gesetzen zur Abwehr insbesondere islamistischen Terrors - als ob das irgendetwas dabei helfen würde, islamistische Terroranschläge abzuwehren -, genau das ist der kreuzgefährliche Gleichklang von Alarmismus und Ignoranz, der die politische Debatte auch heute noch prägt.
Wir haben heute wieder eine innenpolitische, eine sicherheitspolitische Debatte erlebt, in der der Innenminister und auch der Redner der CDUFraktion über Sicherheit und Terror, über die Lage in Deutschland und sogar auch über Reichsbürger sprechen, ohne über die Gegenwärtigkeit rechten Terrors in diesem Land zu sprechen. Das halte ich für einen Skandal.
Es ist ein ebenso unfassbarer Skandal, dass wir es eben nicht nur mit Fehlern, falschen Einschätzungen und Verharmlosungen zu tun haben, sondern dass wir es eben auch mit der Involvierung und Verstrickung von Behörden und Personen, deren Auftrag es ist, die öffentliche Sicherheit zu garantieren, in rechte Organisationen und in den rechten Terror zu tun haben.
Noch immer ist der Umfang der Verbrechen des Terrornetzwerks NSU und die Zahl seiner Opfer nicht klar. Noch immer werden nahezu täglich neue engste Verwobenheiten der Behörde Verfassungsschutz bekannt. Noch immer müssen die Hinterbliebenen damit leben, dass die Behörde, die die Gewalt, die ihnen angetan wurde, nicht verhindert hat, die Aufarbeitung der Verbrechen blockiert.
Sie müssen damit umgehen, nicht zu wissen, wie viele Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn nicht die eine Sicherheitsbehörde Ermittlungen zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe torpediert hätte, während die andere Sicherheitsbehörde, die Polizei, sie selbst verdächtigte, in einer Soko Bosporus Opfer zu Tätern erklärte und einschätzte, dass angesichts der Brutalität der Verbrechen die Täter keine Deutschen sein könnten.