Schon als feststand, dass der Haushalt ungewöhnlich spät eingebracht werden würde, war doch klar, dass sich auch alle weiteren Schritte verspäten würden. Schon zu diesem Zeitpunkt hätte man doch handeln können. Aber nein, weit gefehlt. Es mussten erst Ausschussdebatten geführt werden und Zeitungsartikel erscheinen.
Am Montag verschickten neun der vielen, vielen - sicherlich weit über 100 - Träger im Land einen offenen Brief an Sie als Abgeordnete und an die Medienvertreter. Allein diese neun Träger verfügen über 160 Personalstellen und arbeiten mit mehr als 1 600 Ehrenamtlichen zusammen. Die Träger finanzieren in jedem Jahr mit Eigen- und Drittmitteln in Höhe von mehr als 7 Millionen € die gesellschaftlichen Aufgaben mit. Ich finde, das ist immens viel Geld und immens viel Engagement.
Nur zum Vergleich: Das Land gibt lediglich ein bisschen mehr dazu. Es scheint mir, als wären diese paar Milliönchen im Haushalt zu wenig Geld, als dass sich einfach so etwas bewegen würde.
Hauptamtlichen und die zahllosen Ehrenamtlichen in diesem Land es nicht wert, dass 87 Abgeordnete und eine Ministerbank von ihrem Sitzungsrhythmus abweichen und versuchen, den Haushalt schneller zu beschließen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Landtagswahl war erst im März 2016. Ja, die Landesregierung hat den Haushaltsplanentwurf ungewöhnlich spät eingebracht. Und ja, ich muss Ihnen glauben, wenn Sie sagen: Wir brauchen mehr als drei Monate Zeit für die Haushaltsverhandlungen. Ich muss Ihnen das glauben, weil ich selbst noch keine Haushaltsberatungen mitgemacht habe. Im nächsten Jahr weiß ich, ob Sie recht hatten.
Trotzdem können wir all die Probleme, die sich durch die späte Verabschiedung des Haushaltsplans ergeben, nicht auf die Menschen in diesem Land abwälzen.
Am meisten leidet immer der Schwächste in der Reihe. Einige der Menschen, die durch Ihre Politik, durch Ihr Zögern die mühsam aufgebauten Strukturen, Netzwerke für Ehrenamt oder ihre Arbeitsplätze verlieren könnten, sitzen dort oben. Der Präsident hat sie vorhin begrüßt. Sie können sich nicht wehren, wenn im Finanzausschuss festgelegt wird, dass wir bis März 2017 verhandeln. Sie können sich nicht wehren, wenn die Ministerien zu spät Geld auszahlen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ihr Umgang mit Verbänden und Trägern lässt einen tiefen Einblick in Ihr Demokratieverständnis zu.
Wenn Desinteresse und Behäbigkeit Politik prägen, dann sind Verdrossenheit und geringe Wahlbeteiligungen vorprogrammiert.
weil Ihnen die Menschen zutrauen, dass Sie sich für sie einsetzen. Sie sind hier, weil Ihnen die Wählerinnen und Wähler zutrauen, Gutes für das Land, Gutes für die Menschen zu bewirken. Sie sind hier, weil man Ihnen zutraut, mutig zu sein, voranzuschreiten, Lösungen zu finden und Verantwortung zu übernehmen.
Aber das haben Sie nicht getan. Sie suchen Ausreden, sie hörten nicht zu, sie schoben die Verantwortung auf den Wahlzyklus, auf die Landesregierung oder auf den Koalitionsvertrag. Das ist feige. Das kann ich Ihnen als Opposition, als jun
Nehmen Sie die Verantwortung wahr. Tun Sie mehr für das Land. Sie haben hier jetzt heute die Chance dazu.
Wenn die Lösung des Problems so einfach ist, wie in Ihrem Alternativantrag geschildert, wenn es Möglichkeiten im Zuge des Nothaushaltsrechts gibt, dann frage ich mich: Warum müssen wir dann erst eine Debatte darüber führen? Warum müssen wir erst abwarten, bis die ersten Mitarbeiter der Organisationen zum Arbeitsamt gehen müssen, um sich arbeitsuchend zu melden?
Verehrte Koalitionsfraktionen! Für Ihren Alternativantrag werde ich kein Lob aufbringen. Wenn Recht und Gesetz die Möglichkeit zur Auszahlung von Geldern auch ohne beschlossenen Haushalt einräumen, dann hätte dies den Trägern schon vor Wochen mitgeteilt werden müssen. Das wäre Ihre Verantwortung gewesen.
Ehrlich gesagt, ich traue Ihrem Antrag nicht. Heute wird mit Ihrem Antrag nicht beschlossen, dass die Träger zum 1. Januar 2017 Geld bekommen. Sie formulieren lediglich verklausulierte Optionen. Der Antrag enthält kein eindeutiges Willensbekenntnis, kein klares Signal an die Träger.
Wo sind denn Ihre guten Worte aus dem Koalitionsvertrag, in dem es heißt: Wir stehen für eine gesicherte Finanzierung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten. Oder: Strukturen, auf die sich alle Beteiligten verlassen können, Kontinuität bei ihren Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern, Verlässlichkeit in den Rahmenbedingungen.
Meinen Sie das etwa mit der Formulierung in Ihrem Antrag: die Zielbestimmung und Sinnhaftigkeit förderpolitischer Maßnahmen kontinuierlich zu evaluieren?
Apropos evaluieren: Bereits im Jahr 2009 gab es hier im Plenum eine große Diskussion zu dem Thema Stabilisierung und Finanzierung durch Zweckbindung und Mehrjährigkeit. Damals war die FDP Zugpferd der Debatte. Aber hat der damalige Beschluss etwas geändert?
Noch immer leben die vielen Träger und Verbände mit einjährigen Projekten, mit kurzfristiger Förderung, ohne Sicherheit, ohne auch nur ansatzweise über nachhaltige, qualitativ hochwertige Arbeit nachdenken zu können.
Wie sollen langfristige Kontakte zu Kindern und Jugendlichen aufgebaut werden, wenn ständig die Ansprechpartner wechseln? Wie soll man gut ausgebildete, qualifizierte Menschen hier im Land
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von der CDU, das System, das Sie über Jahre aufgebaut haben, funktioniert nicht. Es ist geprägt von einem rein finanziellen Kalkül mit vordergründigen Sparüberlegungen, der Überzeugung, dass soziale Arbeit immer mit der heißen Nadel gestrickt werden kann, und der Grundannahme, dass nur über und nicht mit den Trägern geredet werden kann.
Wer von Ihnen hat beispielsweise dem Trägerbündnis auf den offenen Brief geantwortet? - Ich kann es Ihnen sagen: Es war eine einzige Abgeordnete.
Verehrte Koalition, wenn das Angebot Ihres Antrages lautet: Friss oder stirb, dann werden wir uns enthalten. - Vielen Dank.
Ich sehe keine Nachfragen. - Dann können wir in der Debatte fortfahren. Minister Herr Schröder erhält für die Landesregierung das Wort. Bevor er dieses ergreift, begrüßen wir ganz herzlich in unserer Mitte Schüler und Schülerinnen der Sekundarschule „Leben lernen“. Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im Landtag schon über das Problem der vorläufigen Haushaltsführung gesprochen, im Übrigen auch im Finanzausschuss. Ich mache es deswegen kurz.
Einzelheiten zu den Möglichkeiten und Voraussetzungen für eine Haushaltswirtschaft während der etatlosen Zeit regelt zwar das Finanzministerium in einem Runderlass zur vorläufigen Haushaltsführung, dieser Erlass konkretisiert aber nur die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Artikels 94 unserer Landesverfassung.
Hiernach ist die Landesregierung bis zum Inkrafttreten eines Haushaltes ermächtigt, alle Ausgaben zu leisten oder Verpflichtungen einzugehen, die nötig sind, um erstens gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen, um zweitens die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Landes zu erfüllen und um drittens Bauten, Beschaffungen und sonstige Leistungen fortzusetzen oder Beihilfen für diese Zwecke weiter zu gewähren, sofern durch den Haushaltsplan eines Vorjahres bereits Beträge bewilligt worden sind. -
Ich kann an dieser Stelle deswegen allgemein sagen, dass hiernach alle gesetzlichen oder durch einen Zuwendungsbescheid schon festgelegten Finanzierungen an die Träger geleistet werden können. Zuwendungen von bereits bisher institutionell geförderten Einrichtungen sind darüber hinaus zulässig, wenn diese zur Weiterführung einer bestehenden Einrichtung unerlässlich sind.
Wo kann es also Probleme geben? - Probleme kann es in Einzelfällen geben, wenn zum Beispiel Projektplanungen nur bis zum Ende dieses Jahres bewilligt worden sind und im neuen Haushaltsplan keine Fortsetzung finden oder wenn es Projekte gibt, die wir erstmalig im Haushaltsplanentwurf 2017 finanziell unterlegt haben. Im Lichte des Artikels 94 der Landesverfassung wären diese dann nicht finanzierbar.
Meine Haushaltsabteilung hat hierzu mit den Ressorts bereits Einzelfälle erörtert und natürlich - das will ich ganz deutlich sagen - wird alles getan, um unnötige Unterbrechungen von langfristig angelegten Projekten zu verhindern.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, - auch das gehört dazu - niemand ist an dieser Stelle in der Lage, sich über die Regelungen des Artikels 94 der Verfassung des Landes SachsenAnhalt hinwegzusetzen, auch der Landtag nicht.
Wenn ich die gestrige Debatte zur Einbringung des Haushaltes Revue passieren lasse, dann muss ich sagen: Das Budgetrecht nur ernst zu nehmen, wenn man Kritik an Minderausgaben übt, beispielsweise bei der globalen Minderausgabe, das Budgetrecht aber zu ignorieren, wenn man über Haushaltsvorgriffe Mittel verteilt unter dem Stichwort der Verlässlichkeit - diese Rechnung geht natürlich nicht auf.