Protokoll der Sitzung vom 25.11.2016

Die Politik muss also die Probleme der Basis genauestens erkennen, untersuchen und bewerten, um entsprechende Weichen stellen zu können. - So viel zur Elektromobilität in Sachsen-Anhalt. Danke.

(Zustimmung bei der AfD)

Danke. - Ich sehe keine Nachfragen oder Interventionen. Demzufolge können wir in der Debatte fortfahren. Für die SPD-Fraktion spricht Herr Dr. Grube.

(Zuruf von Birke Bull-Bischoff, DIE LINKE)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Elektromobilität ist eines der wichtigsten Zukunftsthemen. Das ist nicht nur so, weil es schon einige Rednerinnen

und Redner hier gesagt haben oder weil heute die Verkehrspolitikerinnen und Verkehrspolitiker am Pult stehen oder weil es eines unserer Kernthemen ist, sondern das ist so, weil die Elektromobilität eines der Themen ist, die in Zukunft spürbar in das Leben von Menschen eingreifen werden.

Ich möchte es einmal auf eine Kurzformel bringen: Elektromobilität ist schlicht und ergreifend Lebensqualität. Das hat drei Gründe: erstens die Nachhaltigkeit, zweitens den Klimaschutz und drittens den Gesundheitsschutz.

Ich habe das, was dahintersteht, einmal Lebensqualitätspotenzial genannt. Ich möchte Sie an dieser Stelle einmal mit ein paar Zahlen langweilen. Ja, schön ist das nicht, aber es muss sein.

Zum Thema Nachhaltigkeit. Wir haben in der Bundesrepublik - das sind Zahlen vom Umweltbundesamt aus dem Jahr 2014 - einen Verbrauch von 2 400 Terrawattstunden. Der Anteil des Verkehrs beträgt 30 %, das entspricht 730 Terrawattstunden. Wenn man sich anschaut, was davon verbrannt und in die Luft gepustet wird, also wieviel Energie aus Mineralölprodukten im Verkehr verbraucht wird, dann sind das 684 Terrawattstunden, das entspricht einem Anteil von 73,7 % am gesamten Mineralölverbrauch. Gemessen am Gesamtenergieverbrauch entspricht das 28,5 %.

Pkw und Kombis haben einen Anteil von 84,8 % bzw. von 2,3 % am Verkehr. Ich komme mit den Zahlen irgendwann zu einem Ende; das wird immer spannender. Wenn wir das, was an Potenzial dahintersteckt, durch Elektromobilität ersetzen würden, dann könnten wir 64,2 % des Mineralölverbrauchs ersetzen bzw. 24,8 % des Gesamtenergieverbrauchs - das entspricht einem Viertel - auf Strom umstellen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich finde, das sollten wir auch wollen, auch wenn das nicht von heute auf morgen geht.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der zweite Aspekt ist der Klimaschutz. Wenn man sich die Treibhausemissionen anschaut, dann wird deutlich, dass 95 % davon vom Straßenverkehr verursacht werden.

(Dorothea Frederking, GRÜNE: Wie viel?)

- 95 %. Entweder sagt das Umweltbundesamt etwas Falsches oder ich habe etwas Falsches gelesen.

Im Jahr 2014 war der Verkehrssektor für 18 % der gesamten Treibhausemissionen in Deutschland verantwortlich. Wenn ich das wieder auf Pkw und Mopeds umrechne, können wir 15,7 % der Schadstoffemissionen ersetzen.

Dritter Punkt, Gesundheitsschutz. Ich möchte einen alten Werbespruch abwandeln: Was für den

Umweltschutzgut ist, kann für den Menschen nicht schlecht sein. Wenn ich mir anschaue, was wir dadurch an Lebensqualität in den Städten gewinnen, dann stelle ich fest, das ist erheblich.

Ich möchte das - um von den Zahlen wegzugehen - an einem kleinen Beispiel deutlich machen. Stellen Sie sich vor, Sie wohnen hier in Magdeburg, und zwar nicht irgendwo an der Elbe oder am Stadtpark, wo man wunderschön im Grünen laufen kann, sondern irgendwo in Olvenstedt oder im Neustädter Feld, wie ich früher, und Sie wollen sich dort sportlich betätigen und Joggen gehen.

Es ist doch, wenn ich mir die Welt in 20 oder 25 Jahren mit Elektromobilität vorstelle, besser, hinter einem surrenden Auto herzurennen, als an einem Auspuff zu nuckeln. Niemand von uns würde sich doch wachen Geistes hinter ein laufendes Auto stellen und tief einatmen. Und das, was direkt hinter einem Auto einzuatmen ist, das ist auch ein paar Meter weiter noch in der Luft. All das, was da zu ersetzen ist, sollte ersetzt werden. Dabei ist Elektromobilität eben ein Kernthema.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ein weiterer Punkt beim Gesundheitsschutz ist der Lärmschutz. Wenn Sie sich die Zahlen angeschaut haben, dann wissen Sie, dass sich 55 % der Bevölkerung mehr oder weniger von Straßen- und Verkehrslärm belästigt fühlen. Damit kommen wir zu dem großen Vorteil des Elektromotors: Elektromotoren sind leise.

Wir haben das Thema letztens bei uns in der Arbeitsgruppe diskutiert. Da kam irgendjemand mit der schönen Idee: Wenn die so leise sind, dann machen wir halt Lautsprecher dran, damit die Leute sie wieder hören.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das gibt es aber heute schon!)

- Ja, ich weiß, dass es das gibt. Ob man das unbedingt machen soll, da bin ich mir, ehrlich gesagt, nicht so sicher. Mir wäre das mit der leisen Nummer, ehrlich gesagt, ein bisschen lieber.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Elektromotoren sind nicht nur leise, sie haben auch einen hohen Wirkungsgrad. Sie sind nämlich drei- bis viermal effizienter als Verbrennungsmotoren. Der Strom kann - damit sind wir bei dem Gesamtthema der Energiewende - aus erneuerbaren Energien kommen. Ja, dabei haben wir in Sachsen-Anhalt diversen Nachholbedarf. Wir sind zwar das Land der erneuerbaren Energien, aber erleben dürfen wir es nur am Windkraftrad und nicht auf der Straße. Das ist ziemlich schade.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Elektromotoren haben ein höheres Anfahrtdrehmoment - das wird unter den Verkehrsenthusiasten bei uns großen Beifall auslösen - und sie sind in der Regel auch wartungsärmer, weil weniger bewegliche und Verschleißteile im Motor sind. Wir haben den Rotor und das Untersetzungsgetriebe; alles andere, was heute viel Wartung erfordert, fällt schlicht und ergreifend weg.

Weil ich gerade bei der Technik bin, möchte ich kurz etwas zum Thema Batterien sagen. Ja, der VW-Konzern hat in Salzgitter sein großes Batteriewerk gebaut. Das ist nicht völlig unverständlich. Salzgitter ist vom Strukturwandel betroffen. Das Land Niedersachsen hält einen Anteil von mehr 25 % am VW-Werk. Wenn unsere Landesregierung in der gleichen Lage wäre und würde das in ein anderes Bundesland ziehen lassen, würden wir ihr wahrscheinlich mit Rücktrittsforderungen kommen, und das nicht völlig zu Unrecht.

Wenn man sich aber das anschaut, was in den nächsten Jahren, wenn wir tatsächlich darangehen, die Verbrennungsmotoren abzuschaffen und auf Elektromobilität umzustellen, im VW-Konzern an Batterien gebraucht wird, kann man schon heute die Vermutung anstellen, dass das Werk möglicherweise nicht das letzte ist, das gebaut wird. Vielleicht ist in Salzgitter auch nicht mehr so viel Platz und möglicherweise bekommen wir das dann auch nach Magdeburg und ins Sülzetal.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Wir sollten etwas dafür tun!)

- Wir sollten etwas dafür tun, ja. Werbetour immer. Wir haben jetzt einen neuen Wirtschaftsminister, er hat sich das schon aufgeschrieben. Vielleicht klappt das ja.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Sehr gut!)

Zusammenfassend zum Lebensqualitätspotenzial: Ja, wir können es schaffen, 64,2 % fossile Energieträger einzusparen. Wir können es schaffen, 15,7 % an Schadstoffemissionen einzusparen. Wir können es schaffen, für 55 % der Bevölkerung weniger Lärm zu fabrizieren. Wir als SPD sind der Meinung, dass es an der Zeit ist, dass wir das in Sachsen-Anhalt schlicht und ergreifend auch anpacken.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD - Beifall bei den GRÜNEN)

Der Minister hat vorhin davon gesprochen, dass Elektromobilität eine Frage der Überzeugung und auch des Geldbeutels ist. Damit hat er recht. Elektromobilität ist heute noch nicht alltagstauglich, aber sie muss alltagstauglich werden.

Wir haben ein Reichweitenproblem. Das ist nicht nur ein technisches Reichweitenproblem, das ist vor allem ein organisatorisches Reichweitenproblem, ein infrastrukturelles Reichweitenproblem. Wir müssen als Staat, und zwar nicht nur die Lan

desregierung, sondern auch der Bund - dazu braucht es eine Partnerschaft von Industrie und Staat -, das Netz der Ladestationen ordentlich fördern. Das müssen beide zusammen tun. Das ist keine rein staatliche Aufgabe, die Industrie muss etwas dazu tun. Aber ich bin der Meinung, der Staat kann das ordentlich mitfinanzieren. Ich denke, dabei ist der Bund gefragt.

Wenn man sich Sachsen-Anhalt anschaut, sieht man, dass wir bei der Versorgung mit Ladestationen relativ weit am Ende sind. In Magdeburg haben wir neun. Ich habe mir von nachfolgenden Rednern sagen lassen, dass das woanders anders sei. Ich lasse das jetzt einmal weg; das kommt nachher noch.

(Ulrich Thomas, CDU: Bessere Batterien wären auch nicht schlecht! Dann brauchen wir nicht so viele Ladestationen!)

- Ja. Es ist eine mehrfache technische Frage. Es geht nicht nur um die Quantität der Batterien, sondern auch um die Qualität der Batterien. Es geht nicht nur um die Frage, wo ich laden kann, sondern auch um die Frage, wie ich laden kann, wie schnell ich laden kann. Ich habe heute eine Reichweite von 200 km bei einem durchschnittlichen deutschen Elektroauto. Es gibt in China welche, die weiter kommen. Die sind dort übrigens weiter, das muss man sagen. Dort gibt es auch Städte, die komplett mit Elektromobilität laufen. Was die können, sollten wir als Industrienation eigentlich besser können.

(Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Dann ist die Frage eben nicht nur, wo ich lade, sondern auch wie schnell ich lade. An vier oder fünf Minuten für einen komplett aufgeladenen Akku glaube ich erst, wenn ich das sehe. Ich hoffe, wir kommen irgendwann dahin.

(Ulrich Thomas, CDU: Die gibt es schon!)

- Ja, aber leider zu teuer und noch nicht für den Massenmarkt.

Da ich nicht mehr so viel Zeit habe, möchte ich noch zwei Punkte ansprechen, die bisher ein bisschen zu kurz gekommen sind - nicht mit Absicht, sondern aus Zeitgründen.

Das eine ist: E-Mobilität darf nicht zur sozialen Frage werden. Wenn wir uns aufmachen, der Vision einer elektromobilen Welt zu folgen, dann brauchen wir vernünftige Übergangsfristen. Denn egal wie preiswert Elektromobilität wird und auch wenn wir mit E-Mobilen auf das Preisniveau eines heutigen Neuwagens kommen - gerade untere Einkommensschichten können sich auch dann kein E-Mobil leisten, jedenfalls kein neues.

Das heißt, wenn wir ab 2030 tatsächlich dahin kommen, dass es Neuzulassungen nur noch für

Elektrofahrzeuge gibt, brauchen wir ordentliche Übergangsfristen für diejenigen, die dann noch Verbrennungsmotoren fahren. Denn es kann nicht sein, dass die schöne neue saubere Welt in den Innenstädten nur von denen genutzt werden kann, die das bezahlen können.