Protokoll der Sitzung vom 25.11.2016

(Beifall bei der AfD - Eva Feußner, CDU: Das ist eine Einstellung zur Demokratie!)

Selbstverständlich sieht die AfD diesen ganzen Themenaspekt nicht einseitig. Demokratie muss gegen alle Angriffe verteidigt und bewahrt werden, kommen diese von links, von rechts oder aus religiösen Motiven.

Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht und sorgen Sie mit für eine lebendige demokratische Kultur in Deutschland und Sachsen-Anhalt. - Ich bedanke mich für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Ich schaue noch einmal in die Runde. - Fragen oder Zwischeninterventionen sehe ich nicht. Gut.

(André Poggenburg, AfD: Vielen Dank!)

Dann können wir fortfahren. Die Landesregierung hat angekündigt, auf einen Debattenbeitrag zu verzichten.

(Oh! bei der AfD)

Das scheint sich auch nicht zu ändern.

(Volker Olenicak, AfD: Wortlose Regie- rung!)

Demzufolge werden wir in der Debatte der Fraktionen fortfahren. Für die SPD-Fraktion hat die Fraktionsvorsitzende Frau Pähle das Wort. Bitte, Frau Pähle.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns über demokratische Kultur streiten. Am 13. November 2016 veröffentlichte der Kreisverband Saalekreis der Alternative für Deutschland bei Facebook einen Post, der sich folgendermaßen liest:

„Herr Justizminister Maas (SPD), gedenken Sie zur Bundestagswahl 2017 Konzentrationslager einzurichten, um AfD-Wähler, AfD-Mitglieder, AfD-Förderer in Schutzhaft zu nehmen?“

(Unruhe bei der AfD - André Poggenburg, AfD: Das war eine Frage!)

Hiermit wurde in Frageform Ungeheuerliches unterstellt,

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

das gleichzeitig dazu geeignet ist, Menschen anzustacheln und Hass gegen eine öffentliche Person zu schüren.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Was in dieser Form vor Jahren im politischen Raum noch undenkbar war, ist inzwischen leider Teil einer weitreichenden Verrohung in sozialen Netzwerken. Mit Kalkül werden niedrige Instinkte angesprochen und Unwahrheiten als denkbar inszeniert.

Ein gewisses Unrechtsbefinden mag jedoch manchmal vorhanden sein. Der entsprechende

Post wurde entfernt, als Vertreter der Presse auf Twitter darauf hinwiesen, dass solche Aussagen den Holocaust verharmlosen würden.

Ich will darauf hinweisen: Der Vorstandssprecher des Kreisverbandes Saalekreis der AfD, dessen Logo man auf dem Post sehen konnte, ist das Mitglied des Landtags Gottfried Backhaus. Sein Stellvertreter ist der Landtagsabgeordnete Dr. HansThomas Tillschneider

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Das wundert mich nicht!)

und der Landtagsvizepräsident Willi Mittelstädt gehört dem Kreisverband an. Sie alle wiederum sind Mitglieder der Fraktion, die in der Begründung dieser Aktuellen Debatte ein Schaden der demokratischen Kultur beklagen. Meine Damen und Herren! Dazu fällt mir nur noch ein sehr harmloses Wort ein. Das heißt Scheinheiligkeit.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Sieg- fried Borgwardt, CDU, und von Eva Feuß- ner, CDU)

Anders lässt es sich nicht beschreiben, wenn man regelmäßig verbal und schriftlich provoziert und sich dann anschließend über die Polarisierung der Gesellschaft und die Aufheizung des Klimas beklagt.

(Zuruf von der AfD: Aber nicht an Schulen!)

Die Beispiele in der Antragsbegründung dafür, dass sich Veranstalter entscheiden, eine Veranstaltung abzusagen oder Personen auszuladen, sind hingegen nur wenig geeignet, einen allgemeinen Verfall demokratischer Kultur zu konstatieren.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Um das erste Beispiel aufzugreifen: Mit wem sich die Privatperson Renan Demirkan auf ein Podium setzt, ist immer noch ihre freie Entscheidung. Meinungsfreiheit heißt, dass man sich im öffentlichen Raum frei äußern kann. Sie heißt aber nicht, dass jeder einem zuhören oder sogar genauso reden muss.

Um es ganz lapidar zu sagen: Meine Kinder haben relativ früh gelernt, wenn sie andere Kinder mit Schlamm beschmeißen, dann werden sie halt nicht zum Kindergeburtstag eingeladen. Schön ist das nicht, aber es ist so.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - André Poggenburg, AfD: Hoffentlich tun sie es dann nicht! - Eva von Angern, DIE LINKE: Kann man nur hoffen, dass nichts zurück- kommt!)

Anders sieht es hier im Landtag aus, aber auch hier basiert die demokratische Kultur auf Grund

lagen, die sich nicht nach Belieben auflösen lassen. Was bedeutet also demokratische Kultur gerade hier im Parlament?

Sie lebt nicht nur vom Austausch, sondern vom fairen Streit der Meinungen und Ansichten. Im parlamentarischen Raum ist das Plenum der zentrale Ort für öffentliche Debatten, aber auch für Entscheidungen des Gesetzgebers. Es ist daher unabdingbar, auch demokratisch legitimierte

Mehrheiten zu akzeptieren, die Entscheidungen treffen, egal wie sich diese zusammensetzen. Auch das ist Demokratie: Mehrheit ist Mehrheit.

(André Poggenburg, AfD: Ja!)

Wer diesen Mehrheiten vorwirft, einen vermeintlichen Mehrheitswillen der Bevölkerung nicht zu beachten, diesen aber generell für sich selbst reklamiert, macht sich unglaubwürdig - definitiv.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Siegfried Borgwardt, CDU)

Demokratie ist nicht nur reines Verfahren, sondern basiert auf Werten - Werten, die nicht zur Disposition gestellt werden können, beispielsweise, so wie es der Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel sagt, auf Werten, die zum Teil auch nicht kontrovers auszudiskutieren sind, die nicht Inhalt, sondern Grundlage für fairen und demokratischen Wettstreit sein sollen. Zu diesen Werten gehören Minderheitenschutz und Pluralismus sowie unveräußerliche Grund- und Menschenrechte.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ihre Beachtung und das Streben nach ihrer Bewahrung müssen unserem Handeln zugrunde liegen. Zuvorderst gilt dies für die unantastbare Würde des Menschen, und zwar jedes Menschen.

(André Poggenburg, AfD: Auch für AfD-ler!)

Meine Damen und Herren! In dieser Hinsicht hat das Hohe Haus in den letzten Monaten einige Tiefpunkte erleben müssen. So sprach ein Abgeordneter der antragstellenden Fraktion im Zusammenhang mit Homosexuellen von Fehlern der Natur oder Normabweichungen, um nur ein Beispiel zu nennen.

Wenn sich wie hier die Grenzen des Sagbaren zulasten einzelner Gruppen von Menschen verschieben, dann besteht die reelle Gefahr, dass sich auch die Grenzen des Machbaren immer weiter verschieben.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Sieg- fried Borgwardt, CDU)

Dass Ressentiments zu Hass werden und Hass zu Handlungen führt, können wir seit dem letzten

Jahr am verstärkten Anstieg entsprechender Straftaten sehen.

(André Poggenburg, AfD: Antifa!)

- Sie haben anscheinend Ihre eigenen Kleinen Anfragen nicht richtig gelesen.

(Beifall bei der SPD - Jan Wenzel Schmidt, AfD: Und Sie haben sie nicht verstanden!)