Protokoll der Sitzung vom 16.12.2016

Sehr geehrte Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 18. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der siebenten Wahlperiode. Dazu begrüße ich Sie, verehrte Anwesende, auf das Herzlichste.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir setzen nunmehr die 9. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen die heutige Beratung mit den Tagesordnungspunkten 2, 3, 4 und 5.

Ich erinnere daran, dass sich für heute Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff, Ministerin Frau Prof. Dr. Dalbert und Minister Herr Prof. Dr. Willingmann ganztägig entschuldigt haben. Minister Herr Tullner entschuldigt krankheitsbedingt seine Abwesenheit am heutigen Tag.

Wir steigen nunmehr in die Beratung ein.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 2

Beratung

Radverkehr in Sachsen-Anhalt professionell und zielgerichtet fördern

Antrag Fraktionen CDU, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drs. 7/714

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/741

Einbringerin ist die Abg. Frau Lüddemann. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist zeitlos und genial einfach. Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts gibt es das Fahrrad weitgehend in der heute existierenden Form. Es ist also eine Erfindung, die weiterhin Standards setzt und die im Vergleich zu motorisierten Fortbewegungsmitteln Vorteile bietet.

Erster Vorteil: Radfahren ist gut für die Gesundheit. Nicht nur für die eigene Fitness - - das kennen Sie hoffentlich alle -, sondern durch null Emissionen im Bereich Lärm und Schadstoffe schont das Fahrrad generell die Gesundheit der Bevölkerung.

Daraus ergibt sich unmittelbar der zweite Vorteil: Radfahren ist gut für das Klima. Die Emissions

freiheit des Fahrradfahrens ist im besten Sinne klimafreundlich und damit ökologisch beispielhaft.

Das erklärte Ziel Deutschlands und Sachsen-Anhalts, die CO2-Emissionen zu reduzieren, werden wir nicht erreichen, wenn wir uns nicht stärker auf das Fortbewegungsmittel Fahrrad konzentrieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dritter Vorteil: Fahrradfahren ist gut für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Es ist unschlagbar, wenn man Kosten-Nutzen-Analysen anstellt und es macht auch noch Spaß.

(Ulrich Thomas, CDU: Na ja!)

- Den meisten jedenfalls. - Der vierte Vorteil: Fahrradfahren ist gut für die Innenstädte. Man kommt mit dem Fahrrad unschlagbar schnell von A nach B und die lästige Parkplatzsuche entfällt. Die Innenstädte werden immer mehr von Menschen aufgesucht. Immer mehr Menschen ziehen in die Innenstädte. Das ist für Verkehrslogistiker eine große Herausforderung; das Fahrrad ist hierbei eine Lösung.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Der fünfte Vorteil: Fahrradfahren ist gut für den Tourismus. Kein zweiter Tourismusbereich boomt derartig schnell wie der Aktiv- und Wellnesstourismus. Wir in Sachsen-Anhalt kennen das sehr gut. Der Elberadweg ist in den letzten Jahren immer wieder zum beliebtesten Radweg Deutschlands gewählt worden. Wir können darauf durchaus aufbauen.

Wir haben wenige Berge - -

(Angela Gorr, CDU: Aber herausragende Berge!)

- Wir haben wenige, aber herausragende Berge, aber wir haben auch sehr viel flache Strecken mit vielen Kulturdenkmälern, die für den Radtourismus ideal sind. Es ist also gut und richtig, dass der Radverkehr einen prominenten Platz im Koalitionsvertrag erringen konnte.

Neben den generell guten Gründen, die Sie alle mehr oder weniger aus eigenem Erleben kennen werden, gibt es zusätzliche aktuelle Trends. Die Pedelecs und E-Bikes haben wir in der letzten Debatte über die E-Mobilität ausreichend gewürdigt. Ältere und schwächere Menschen können so in flachen und in hügligen Gegenden sehr viel schneller und besser das Rad benutzen und auch für größere Distanzen ist das Radfahren für viele Menschen wieder attraktiv. Elektrofahrräder haben inzwischen einen Marktanteil von 12 %.

Auch Lastenfahrräder haben einen höheren Stellenwert erreichen können. Der Kleingüternahverkehr wird immer häufiger mit Lastenfahrrädern abgedeckt. Anika Meenken vom Deutschen Ver

kehrsclub sagt hierzu - ich zitiere -: „Gerade im gewerblichen Bereich beobachten wir seit 2013 einen regelrechten Trend hin zum Lastenfahrrad.“ Dies ist die logische Weiterentwicklung der Fahrradkuriere.

Deswegen finden wir es gut, dass unsere grüne Bundestagsfraktion ein Bundesprogramm zur Errichtung von 2 000 Verleihstationen für Lastenfahrräder fordert. Denn das bietet den Einstieg, um nicht nur gewerblichen, sondern auch privaten Güterkleinverkehr mit Lastenfahrrädern abwickeln zu können.

Ebenso zu begrüßen ist die Forderung der grünen Bundestagsfraktion ein Programm von 100 Millionen € für den Bau von Radschnellwegen aufzulegen. Radschnellwege waren in Deutschland lange Zeit ein Stiefkind. Jetzt haben sie es immerhin in den neuen Bundesverkehrswegeplan geschafft. Wer in Dänemark unterwegs war, der weiß, dass es dort ein regelrechtes System von Radschnellwegen gibt.

Der ADFC Sachsen-Anhalt fordert so etwas, aus meiner Sicht zu Recht, auch für unser Bundesland. In Magdeburg wird vorgeschlagen, unter Umständen - ich will mir als Nichtmagdeburgerin nicht anmaßen zu sagen, ob dies die richtige Stelle ist, aber grundsätzlich finde ich die Diskussion gut - die ehemalige Kanonenbahn zu einem Radschnellweg auszubauen.

Ich sehe, dass die Magdeburger lachen. Deswegen will ich das gar nicht propagieren. Was ich sagen will und was ich richtig finde, ist, dass wir eine grundsätzliche Diskussion über den Bau von Radschnellwegen in Sachsen-Anhalt anstreben.

In diese Diskussion fällt auch die Debatte über die Metropolrouten. Wenn wir uns ansehen, wie überfüllt zum Teil die Züge zwischen Halle und Leipzig sind und wie viele junge Leute damit unterwegs sind, dann ist ein Radschnellweg zwischen diesen beiden Metropolstädten eine sinnvolle Alternative.

(Unruhe)

Auch der im Koalitionsvertrag formulierte Prüfvertrag, aus stillgelegten Bahntrassen Fahrradwege - -

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, geben Sie unserer Kollegin Lüddemann die Möglichkeit, ihren Beitrag darzulegen. - Danke.

Das gibt mir die Gelegenheit, auf den formulierten Prüfauftrag im Koalitionsvertrag hinzuweisen, aus stillgelegten Bahntrassen ebenfalls Radwege zu machen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Das ist sicherlich nicht in allen Fällen, aber in vielen Fällen - wie häufig muss dies im Einzelfall entschieden werden - eine gute Alternative.

Jenseits dieser technischen und infrastrukturellen Neuentwicklungen - aber eben auch nicht zu verachten - finden derzeit kulturelle Entwicklungen im Bereich des Radverkehrs statt. Das Fahrrad ist neben den erwähnten praktischen Vorteilen, die es für viele Menschen bietet, inzwischen ein Statussymbol und ein Kultgegenstand.

Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen die sogenannten Fixies kennen. Vermutlich nicht so viele. Da Sie vermutlich mehr die motorgebundene Mobilität pflegen, werden Ihnen die Chopper-Maschinen vielleicht ein Begriff sind. Fixie-Fahrräder sind diesen Chopper-Maschinen nachempfunden. Sie finden eine immer stärkere Verbreitung und sind unter jungen Menschen ein Kultgegenstand, genauso wie die BMX-Räder unter Jugendlichen sehr viel stärker verbreitet sind.

Zusammenfassend lässt sich also von einer Aufwertung und Differenzierung der Fahrradkultur sprechen, auch hier in Sachsen-Anhalt. Neben praktischen, funktionalen und preislichen Aspekten geht es auch um kulturelle Distinktionen und Selbstinszenierung.

Ich will auf die aktuelle Ausgabe des Magazins „Men‘s Health“ verweisen. Dort wird massenmedial thematisiert, dass das Fahrrad einen hohen Wert als Fitnessgerät hat, dass man zur Arbeit pendeln soll, um einen schlanken Körper zu gewinnen. Ich möchte wissen, darüber müssen wir nicht öffentlich abstimmen, wer nicht Interesse an einem solchen schlanken Körper hätte. Zur Körperoptimierung ist das Fahrrad also auch geeignet.

Das ist insbesondere in einem Bundesland bemerkenswert, in dem es noch nicht so lange her ist, dass die Mainstream-Meinung besagte, Fahrrad fährt nur derjenige, der sich ein Auto nicht leisten kann. Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist Vergangenheit. Heute ist das Fahrrad in Sachsen-Anhalt sehr viel mehr verbreitet. Ich glaube, das ist auch gut so.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich nehme gern - Sie kennen das - Bezug auf meine Heimatstadt Dessau. Ich will auch in dieser Rede auf Dessau verweisen. Dessau war vor der friedlichen Revolution nach Amsterdam die zweitgrößte Radfahrerstadt in Europa. Auch heute noch werden in Dessau 25 % der innerstädtischen Wege mit dem Fahrrad erledigt.

Dies ist besonders bemerkenswert nicht nur, weil ich aus Dessau komme, sondern weil wir in Sach

sen-Anhalt im Modalsplit bundesweit mit einem Anteil von 15 % am Fahrradverkehr an der Spitze liegen. Damit belegen wir bundesweit eine Spitzenposition. Ich glaube, es ist bemerkenswert, dass wir am oberen Ende stehen.

Mit Blick auf den Anteil des Radverkehrs auf den Landesstraßen liegen wir eher im Mittelfeld. Diesbezüglich haben wir Nachholbedarf, dem wir nachkommen wollen. Mit 15 % liegen wir deutlich hinter Mecklenburg-Vorpommern mit 24 %, und - das habe ich extra für Sie recherchiert, Kollege Scheurell, weil ich weiß, dass Sie an Vergleichen zu unserem grün geführten Bundesland interessiert sind - wir liegen immerhin noch vor BadenWürttemberg, das in diesem Bereich nur 13 % vorweisen kann.

(Frank Scheurell, CDU: Daraus kann man Schlüsse ziehen!)