Protokoll der Sitzung vom 16.12.2016

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk begründet seine Existenz auf Artikel 5 Abs. 1 unseres Grundgesetzes. Danach muss gewährleistet sein, dass sich jedermann aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert informieren und unterrichten kann. Daraus leitet sich ein sogenannter Grundversorgungsauftrag ab, der zum Zeitpunkt der Gründung von ARD und ZDF nur staatlich gewährleistet werden konnte. Dies war die Stunde der Rundfunkstaatsverträge.

In diesen Verträgen ist viel von Staatsferne und Unabhängigkeit der Sender, gar von einem Neutralitätsgebot die Rede. Es gibt also den Auftrag des neutralen Informations- bzw. Nachrichtenangebots und es gibt zudem einen Bildungsauftrag.

Wir müssen aber ganz klar feststellen, dass eine neutrale Berichterstattung des Öffentlich-Rechtlichen zu Geschehnissen im In- und Ausland nicht mehr ausreichend gegeben ist. Da werden Informationen teils völlig unterdrückt oder stark tendenziös wiedergegeben,

(Dorothea Frederking, GRÜNE: Bitte was?)

wie beispielsweise der Multikulti-Supergau zu Silvester in Köln oder vor Kurzem die Weigerung der ARD, über den Mord an einer jungen Frau durch einen abgelehnten afghanischen Asylbewerber zu berichten, obwohl dieses Thema von ausländischen Medien längst aufgegriffen und gesendet wurde.

Es kann mittlerweile von einem systemtreuen Staatsfernsehen gesprochen werden, welches versucht, die Geschehnisse im Einklang mit linker Propagandavorgabe an den Mann bzw. den deutschen Bürger zu bringen.

(Beifall bei der AfD)

Egal ob es sich um die Ukraine-Berichterstattung oder um Informationen zu Assad in Syrien handelt, immer wird der moralisch überhebliche westliche Wertekanon gegen eine tatsächliche klare und freie Berichterstattung eingetauscht.

(Robert Farle, AfD: Richtig!)

Um es klar zu sagen: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich in Teilen stark zu einer Aktuellen Kamera 2.0 deklassiert,

(Beifall bei der AfD)

und er ist weit mehr darauf bedacht, die herrschenden Verhältnisse oder Unverhältnisse propagandistisch zu unterstützen, als den zwangszahlenden Bürger einwandfrei neutral zu informieren. Um es noch deutlicher zu sagen: Der deutsche Michel wird gezwungen, dafür zu zahlen, dass er vom Rundfunk teilweise belogen und betrogen wird. Und das ist eine Unverschämtheit über alle Maßen.

(Beifall bei der AfD)

Ich wiederhole nochmals: Die AfD fordert nicht die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks; aber dessen Finanzierung und dessen Auftrag müssen geändert und neu konzipiert werden.

Wir alle wissen aber, dass, solange keine Kündigung stattfindet, kein Vertragspartner den Weg an den Verhandlungstisch findet. Somit ist die Kündigung der Rundfunkstaatsverträge die einzige Möglichkeit, alle Beteiligten zu veranlassen, sich ernsthaft Gedanken über eine Neuausrichtung von Finanzierung und Auftrag zu machen.

Die AfD versteht sich insofern als Initiator, um genau diesen Prozess in Gang zu setzen und bis 2018 eine lebhafte Debatte und eine Lösungsfindung zu ermöglichen, um dann im Jahr 2019 den öffentlich-rechtlichen Rundfunk neu vorzustellen.

Auch die Struktur und die Wirtschaftlichkeit dieses Medienkolosses müssen auf den Prüfstand. Die Gehaltsstruktur an der Spitze der öffentlich-rechtlichen Sender ist beachtlich. Soweit bekannt ist, beziehen fünf Intendanten der insgesamt zehn

Sendeanstalten ein Gehalt von über 300 000 € jährlich und erhalten damit mehr als Bundeskanzlerin Merkel oder Bundespräsident Gauck, welche ein Jahreseinkommen von ca. 290 000 € bzw. 217 000 € aufweisen. Die MDR-Chefin erhält immerhin Bezüge in Höhe von ca. 243 000 €, was sich aber vergleichsweise bescheiden ausnimmt gegenüber dem Einkommen des WDR-Chefs, der ein Gehalt von jährlich ca. 375 000 € erhält.

(Lydia Funke, AfD: Mein Gott!)

Dem steuerzahlenden Bürger ist nicht mehr zu vermitteln, dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk mit ca. 100 Sendern und Programmen aufgrund eines Informations- und Bildungsauftrags verfassungsrechtlichen Bestandsschutz haben

soll. Über das noch freie Internet informieren und bilden sich mittlerweile weitaus mehr Bürger und Menschen als über ARD und ZDF.

(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Eine grundlegende Reform ist daher unausweichlich. Der erste notwendige Schritt ist die längst - längst! - überfällige Kündigung der Rundfunkstaatsverträge. - Ich danke sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Poggenburg. - Ich sehe keine Anfragen. Somit erteile ich dem Staats- und Kulturminister Herrn Robra für die Landesregierung das Wort. Sie haben das Wort, bitte.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Dass man mal zu so etwas reden muss, hätten Sie sich auch nicht vorgestellt!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der AfD - wir haben es eben gehört - zielt auf eine Kündigung sämtlicher rundfunkrechtlicher Rechtsgrundlagen, die derzeit in der Bundesrepublik Deutschland gelten. Dafür gibt es - das sage ich gleich am Anfang - keinen hinreichenden Grund.

(Zuruf von der AfD: Och! - Oliver Kirchner, AfD, lacht)

Die Konsequenzen wären für die heterogene Gemeinschaft der Länder - es müssen am Ende immer wieder alle 16 zusammenfinden - schlichtweg nicht mehr beherrschbar.

Die geltende Rundfunkordnung beruht auf Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes und den dazu ergangenen verfassungsgerichtlichen Entscheidungen. Bei der Lektüre des Antrages selbst und bei den Ausführungen von Herrn Poggenburg

eben hatte man das Gefühl, da hat einer in das kleine Volkshandbuch zum Grundgesetz geguckt und hat die 60 Jahre Rechtsprechungsgeschichte schlicht ausgeblendet.

(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Olaf Meister, GRÜNE, und Dr. Falko Grube, SPD, lachen - Eva von Angern, DIE LINKE: Das wird auch total überschätzt!)

Deswegen möchte ich dazu jetzt etwas sagen. Nach dem Bundesverfassungsgericht handelt es sich bei der Rundfunkfreiheit um eine sogenannte dienende Freiheit, also ein Freiheitsrecht, das der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dient. Diese besondere Stellung in der Grundrechtsdogmatik findet ihre Begründung in dem herausragenden Wert des Rundfunks für den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat und in seinem bedeutenden Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, der auf seiner, wie das Verfassungsgericht formuliert, Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft beruht.

Nur die Länder - Adenauers Vorstoß für ein Bundesfernsehen ist schon in den 50er-Jahren gescheitert - haben den Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit, und zwar durch Herstellung einer positiven Rundfunkordnung. Diese muss sicherstellen, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. Dabei hat der Gesetzgeber - das sind die Länder mit ihren 16 Parlamenten - einen weiten Spielraum im Rahmen der Verfassung.

Das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass sich an der Bedeutung des Rundfunks für die Meinungsbildung durch neue Technologien nichts geändert hat. Im Gegenteil haben die Wirkungsmöglichkeiten des Rundfunks zusätzliches Gewicht dadurch gewonnen, dass das Internet zu einer Vergrößerung und Ausdifferenzierung des Angebots sowie der Verbreitungsformen und Verbreitungswege geführt hat. Wir haben darüber im Landtag wiederholt diskutiert. Auch im Internet muss es verlässliche Angebote geben, die den öffentlich-rechtlichen Standards redaktioneller

Qualitätssicherung entsprechen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in der dualen Rundfunkordnung des Grundgesetzes die Aufgabe, als Gegengewicht zu den kommerziellen Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Rationalität folgt als der der marktwirtschaftlichen Anreize; er soll entwicklungsoffen zu einer inhaltlichen Vielfalt beitragen, wie sie allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden kann. Denn der publizistische und ökonomische Wettbewerb führt nicht automatisch dazu, dass in den Rundfunkprogrammen die Vielfalt der in einer Gesellschaft verfüg

baren Informationen, Erfahrungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster abgebildet wird, so das Verfassungsgericht.

Zur Freiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört seine Programmautonomie. Die Entscheidung über die zur Erfüllung des Funktionsauftrages als notwendig angesehenen Inhalte und Formen des Programms stehen den Rundfunkanstalten zu, deren Gremien dabei eine wichtige Rolle spielen, und zwar auch, wenn man so will, als Haushaltsgesetzgeber. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist kein Selbstbedienungsladen, wie es eben dargestellt worden ist.

Deswegen steht der Rundfunk nicht unter staatlicher Kontrolle, sondern er ist staatsfern organisiert. Von systemtreuem Staatsfernsehen zu sprechen, wie es Herr Poggenburg getan hat, ist schlicht und ergreifend abwegig.

(Zustimmung bei der SPD - Zurufe von der AfD)

Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde durch die Staatsverträge, die die AfD nun in Gänze kündigen will, das Modell einer binnenpluralistischen Kontrolle gewählt, in dem die Aufsicht über die jeweilige Rundfunkanstalt durch ein plural zusammengesetztes Gremium erfolgt. Die Aufsichtsgremien sind Sachwalter der Interessen der Allgemeinheit. Beim Mitteldeutschen Rundfunk gehört inzwischen auch eine von der AfD entsandte Person dem Rundfunkrat an.

Vor diesem Hintergrund verzichte ich als Vertreter der Landesregierung darauf, die Programmkritik zu kommentieren, die in der schriftlichen wie mündlichen Begründung zu dem AfD-Antrag aufschien. Das ist Sache der Öffentlichkeit, vor allem auch der Gremien. Ich denke, die Öffentlichkeit wird sehr genau beobachten, wie die AfD in den Gremien agiert.

In Sachsen-Anhalt hat der Landtag in der ersten Legislaturperiode am 14. November 1991, also vor fast genau 25 Jahren, mit großer Mehrheit dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland zugestimmt. Mit diesem Staatsvertrag wurde nach Jahrzehnten staatlich gelenkter Medien auf dem Gebiet dieses Landes erstmals die Grundlage für einen freien Rundfunk geschaffen nach den rechtlichen Maßstäben des Grundgesetzes, die ich eben in wenigen Eckpunkten vorgestellt habe.

Angesichts dessen ist es ebenfalls schlicht ungehörig, von „Aktueller Kamera 2.0“ oder dergleichen zu reden; das ist einfach geschichtsvergessen. Tut mir leid, das kann ich nicht anders bezeichnen.

(Zustimmung von Siegfried Borgwardt, CDU, von Dr. Katja Pähle, SPD und von Olaf Meister, GRÜNE - Zuruf von André Poggenburg, AfD)

Hiervon ausgehend hat sich in Sachsen-Anhalt bis heute eine bunte Vielfalt öffentlich-rechtlicher und privater Medienangebote entwickelt, vom Mitteldeutschen Rundfunk bis hin zu nichtkommerziellen Angeboten, wie denen der offenen Kanäle. Auch diese Bürgermedien werden übrigens aus dem von der AfD kritisierten und zur Abschaffung empfohlenen Rundfunkbeitrag finanziert. Nicht nur der Mitteldeutsche Rundfunk, sondern die gesamte duale Rundfunkordnung einschließlich Radio Brocken und Radio SAW und der Medienanstalt, die die Aufsicht über die privaten Anbieter führt, beruhen auf den Staatsverträgen, denen die AfD jetzt die Grundlage entziehen will.

Dass Beitrag Beitrag ist, haben die Gerichte entschieden; das muss Ihnen nicht passen. Ich empfehle Ihnen, ein bisschen Respekt vor den Entscheidungen der dritten Gewalt zu haben.

Dass man das anders organisieren kann, ist auch klar. Es gab schon immer Parteien, die gesagt haben, man solle eine Steuer daraus machen; das hat bisher keine Mehrheit gefunden. Wenn Sie das wollen, sagen Sie das bitte auch, dann sagen Sie bitte, wie die Finanzierungsgrundlagen geschaffen werden sollen. Und sagen Sie nicht einfach, das muss alles weg und dann findet sich das schon.

(André Poggenburg, AfD: Haben wir nicht gesagt!)

- Aber Sie haben nicht gesagt, wie es gestaltet werden soll.