Protokoll der Sitzung vom 03.02.2017

leistungen im Rahmen der Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes mit den

Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, unbeschadet der Kostentragung durch die Landkreise und Städte, vertraut.“

Um einem möglichen Einwand von Ihnen gleich zu begegnen, bevor er kommt: Wir bleiben bei unserem Ziel der Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung, in die alle entsprechend ihrer Einkommensstärke einzahlen.

Der entsprechende Antrag ist nach wie vor in der Ausschussberatung. Dazu findet im Mai ein Fachgespräch statt. Es geht nicht um eine Besserstellung von Migrantinnen und Migranten gegenüber der hiesigen Bevölkerung. Mit der Bürgerversicherung könnten wir auch die bestehenden Ungerechtigkeiten zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung beheben und für Personen mit niedrigem Einkommen, die den Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung verloren haben, selbigen wiederherstellen und das oben genannte Problem beheben.

Es ist möglich, Kommunen zu entlasten und die gesundheitliche Versorgung von Migrantinnen und Migranten zu entbürokratisieren und zu verbessern. - Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke. - Wir treten nunmehr in die Debatte ein. Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Grimm-Benne das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Landtagsabgeordneten! Sehr geehrte Frau Zoschke! Es ist richtig, dass wir uns im Landtag mehrfach mit der Thematik der gesundheitlichen Versorgung von Migrantinnen und Migranten befasst und Möglichkeiten erörtert haben, wie das Verfahren der Kostentragung und des Zugangs für die Betroffenen erleichtert und auch die Kommunen entlastet werden können. Auch für die Landesregierung ist und war das immer ein wichtiges Anliegen.

Frühzeitig, schon im Herbst 2015, hat das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration versucht, mit den Kommunen und den Krankenkassen im Land Vereinbarungen zu schließen, die für die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Asylbewerber erforderlich sind. Sie kennen das Ergebnis.

Das Ergebnis hat aber nichts mit den unterschiedlichen politischen Auffassungen von CDU, SPD

und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu tun, sondern es hat insbesondere damit zu tun, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen, voran die AOK, gesagt haben, sie sehen im Augenblick nicht die Notwendigkeit, eine solche Gesundheitskarte einzuführen. Sie sehen die Notwendigkeit auch deshalb nicht, weil es viel damit zu tun hätte, das auf dem Rücken der Beitragszahler auszutragen. Das war immer die Begründung zu sagen, wir führen hier eine Gesundheitskarte ein.

Die Begründung heute, warum man keine Gesundheitskarte einführen will, haben wir erleben können, als wir die Koalitionsverhandlungen geführt haben. Die AOK hat immer gesagt, dadurch, dass sich der Aufenthaltsstatus der Asylbewerber schnell verändert und sehr viele Anerkannte hier sind, führt es dazu, dass insbesondere - - Die Zahlen hat mir Ralf Dralle gesagt. Sie liegen Ihnen auch vor, Frau Zoschke. Er hat mit Ihnen darüber auch persönlich gesprochen.

Wir haben im Augenblick im Lande, jedenfalls mit Stand August 2016, 20 500 Ausländer, die einen ALG-II-Bezug haben. Sie haben den Anspruch auf eine ganz normale Krankenversicherungskarte. Das sind 20 500. Davon trägt allein die AOK 17 830. Sie sagen, was man zukünftig für die Folgejahre erwartet hatte, dass man etwas braucht, um den Bürokratieabbau zu betreiben, um zu schauen, wie schnell die Menschen, die hier Asyl suchen, in gesundheitliche Versorgung kommen. Das alles war die Intention, als wir 2015/2016 darüber verhandelt haben.

Ich bin gern bereit zu verhandeln. Wir können auch die Krankenversicherung verpflichten, etwas zu tun. Aber ich glaube, selbst wenn ich sie verpflichte, müssen die Konditionen dennoch in einem Vertrag zwischen Krankenkasse und Kommune geregelt werden. Ich halte von Bedingungen wenig, wenn sie nur der Form halber geschlossen werden, wenn wir ihnen etwas aufdrücken und das in der Praxis nicht erwartbar umgesetzt wird.

Sie wissen, in der Koalitionsverhandlung hat Jens Hennecke den Vorsitz für die CDU geführt, der auch einer großen Krankenversicherung angehört. Er hat herausverhandelt, dass es auf Kostentragung der gesetzlichen Krankenversicherung läuft. Dabei ging es um die Asylbewerberkarte. Es ging darum, den direkten Gang von Asylbewerbern zur ärztlichen Versorgung zu ermöglichen und kranken Asylbewerbern einen erleichterten Zugang zur medizinischen Versorgung zu bieten. Eine Leistungsverbesserung war ohnehin damit nicht verbunden. Das wäre im Asylbewerberleistungsgesetz rechtlich problematisch gewesen.

Wir haben in einem Fachgespräch am

16. November 2016 sehr lange alle finanziellen und praktischen Schwierigkeiten beraten. Sie

haben das noch einmal dargestellt, wie es im Innenministerium geschildert und diskutiert wird. Wir sind dabei im Augenblick stehen geblieben. Dazu gibt es jetzt unterschiedliche Auffassungen.

Das Innenministerium - darüber werden wir noch einmal in der gemeinsamen Arbeitsgruppe debattieren - sagt, auch die Asylbewerberkarte würde vom Aufwand her nur dann Sinn machen, wenn wir nach wie vor mehr Zuzug hätten. In den letzten Monaten sind weniger als 500 Geflüchtete zu uns gekommen. Sie sagen, es würde hinsichtlich der Kosten und dessen, was wir damit überhaupt erreichen würden, nicht das bringen, was wir uns vorgestellt haben.

Sie wissen auch, wie es in den anderen Bundesländern ist. Man bekommt ja mit, dass die Einführung dieses Systems insbesondere in den Stadtstaaten etwas gebracht hat. In den Flächenstaaten ist es überall kompliziert. Das zuständige Gesundheitsministerium in Hessen macht gerade eine Länderumfrage zur gegenwärtigen Situation.

Ich bin ganz dankbar dafür, dass wir darüber noch einmal breit im Ausschuss debattieren werden. Mir wäre es auch ganz lieb, wenn dann die Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen anwesend wären, damit wir wirklich noch einmal den Stand erfahren. Wir können politisch nichts bewegen, wenn wir keine Partner haben, die es mit uns gemeinsam tun wollen.

Ich habe noch einen Punkt. Sie sagen, dass Sie sich für die Abschaffung des § 5 Abs. 5a SGB V einsetzen wollten. Ich gebe dabei immer zu bedenken, dass es einen Hintergrund für diese Regelung gibt. Dieser Personenkreis würde durch diese Änderung zwar begünstigt, ich würde die zu erwartenden Auswirkungen aber gerne noch einmal richtig prüfen lassen; denn im Ergebnis sollte keine Regelung angestrebt hatten, mit der weitere Kostenlasten auf die gesetzliche Krankenversicherung und damit letztlich auf die Versicherten übertragen werden. Vielmehr müssen wir eine generelle Lösung finden.

Ich freue mich auf die Ausschussberatung. Ich finde, in der Zeit hat sich eine Menge getan. Wir sollten schauen, ob die Kosten und das, was wir erreichen wollen, wirklich noch in der Waage sind. - Herzlichen Dank.

Danke, Frau Ministerin. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Deswegen können wir in der Debatte fortfahren. Für die SPD-Fraktion hat der Abg. Herr Steppuhn das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte jetzt noch einmal das Gleiche erzählen, was die Ministerin hier vorgetragen hat,

nur mit anderen Worten. Ich denke, das sollten wir uns aus Zeitgründen ersparen. Ich will aber dennoch ein, zwei Punkte nennen, die, glaube ich, wichtig sind.

Die Ministerin hat es angesprochen, dass wir schon eine veränderte Situation haben, der man natürlich Rechnung tragen muss. Natürlich ist es richtig, dass wir in der Koalitionsvereinbarung beschrieben haben, dass wir an diesem Projekt weiter festhalten. Ich glaube aber, wir wären als Politik schlecht beraten, wenn wir veränderten Rahmenbedingungen nicht Rechnung tragen

Ich will daran erinnern, dass wir kürzlich mit einem Teil des Ausschusses die zentrale Aufnahmestelle in Halberstadt besucht haben.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ehrlich, ich war positiv überrascht davon, wie gut es dort auch mit der medizinischen Versorgung funktioniert. Das hat sicherlich auch mit einer veränderten Flüchtlingssituation zu tun. Wir haben dort mit den Ärzten und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geredet. Sie schaffen ihr Pensum und sie schaffen es, den Migrantinnen und Migranten, die zu uns kommen, dort eine bestmögliche gesundheitliche Versorgung zuteil werden zu lassen.

Wir haben auch gehört, dass wir dort nicht unbedingt mit mehr oder anderen Krankheiten zu tun hätten, als es bei unserer Bevölkerung der Fall ist. Natürlich gibt es immer auch fluchtbedingte Krankheiten, die hinzukommen, aber im Prinzip machen die Kolleginnen und Kollegen, die Ärzte und das Krankenpersonal dort, glaube ich - zumindest war das meine Erkenntnis -, eine vorzügliche Arbeit. Ich denke, das ist etwas, was man einfach anerkennen und hier auch einmal sagen muss.

Von daher, glaube ich, ist es gut, dass wir sagen können, dass unser Gesundheitssystem bei uns im Land auch für die Menschen funktioniert, die als Zuwanderinnen und Zuwanderer zu uns kommen.

Ich glaube, richtig ist auch, was Frau Ministerin gesagt hat, dass eine Karte - das wäre ein Aspekt, über den man nachdenken kann, ob es eine Karte braucht, wie wir sie oft genug auch in den Diskussionen beschrieben haben - an dem Leistungsspektrum, das wir den Menschen zukommen lassen, nicht viel ändern würde.

In der Diskussion ging es ja immer darum, dass eine gesundheitliche Versorgung aufgrund irgendwelcher bürokratischer Hürden, aufgrund irgendwelcher Hemmnisse nicht stattfindet. Das können wir im Moment nicht als gravierendes Problem erkennen, dass man unbedingt sagen müsste, wir brauchen solch eine Karte.

Natürlich wäre eine Karte gut, wenn man den Menschen damit tatsächlich helfen könnte. Ich

glaube, dass man dauerhaft ein System, am besten bundeseinheitlich, benötigt, das letztlich auch funktioniert. Wir stellen ja fest, dass sich Asylbewerber, die zu uns kommen, auch innerhalb Deutschlands bewegen. Ich würde es für falsch halten, wenn wir von Land zu Land unterschiedliche Systeme hätten.

Wir wissen, es gibt in den Stadtstaaten eine Regelung, es gibt aber auch viele Bundesländer, in denen diese Diskussion stattfindet, in denen man auch ein bisschen auf eine Lösung wartet. Deshalb, glaube ich, wäre es gut, wenn man zu einer bundeseinheitlichen Lösung kommen könnte.

Was ich für wichtiger halte - deswegen sollten wir das Anliegen auch nicht aufgeben, Kollegin Zoschke -, ist, dass wir diese Erkenntnisse, die wir in Halberstadt gewonnen haben, noch einmal im Ausschuss auswerten und überlegen, ob wir noch einmal zu neuen Erkenntnissen kommen können. Deshalb, glaube ich, ist das Thema nach wie vor wichtig. Wir haben aber keinen unmittelbaren Handlungsbedarf.

Daher schlagen wir vor, uns mit dem Thema elektronische Gesundheitskarte für Migrantinnen und Migranten noch einmal ausführlich im Ausschuss zu beschäftigen, das Ministerium noch einmal zu hören, unsere Erkenntnisse aus Halberstadt einfließen zu lassen und dann bestmöglich im Sinne der Menschen, die zu uns kommen und gesundheitliche Versorgung benötigen, zu entscheiden. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung von Rüdiger Erben, SPD, und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Danke. Ich sehe keine Nachfragen. - Für die AfDFraktion hat der Abg. Herr Siegmund das Wort.

(Zustimmung bei der AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Freibier für alle, und der Letzte zahlt“ - das kam von Edmund Stoiber. Das wird einigen noch bekannt sein. Inzwischen können wir ein wenig konkretisieren, wer der Letzte ist. Es ist unsere Solidargemeinschaft, welche zahlen soll, und damit der deutsche Bürger und Steuerzahler. Dieses Zitat beschreibt den vorliegenden Antrag relativ gut. Ich möchte nicht polemisch sein. Ich möchte faktentechnisch, konkret Sachverhalt für Sachverhalt durchgehen und das darlegen.

Womit haben wir es in diesem Antrag zu tun? Welches Ziel verfolgt die Fraktion DIE LINKE damit? - Die Zielsetzung dieses Antrags ist die Eingliederung im Prinzip aller ausländischen Mitbürger auf unserem Boden in unser Gesundheitssystem.

Wie soll das volkswirtschaftlich langfristig und nachhaltig funktionieren

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Sie sollen doch keine anderen Leistungen kriegen als jetzt!)

und welchen moralischen Hochmut nehmen Sie sich heraus, dies der Gebergesellschaft ungefragt zuzumuten? - Das versteht man relativ einfach, wenn man auf der Website des Landtags ein Statement der Fraktion DIE LINKE liest. Ich zitiere:

„Die bestehende Gesundheitsversorgung in Deutschland sei inhuman und einem so reichen Land wie der Bundesrepublik unwürdig, erklärte Dagmar Zoschke, Fraktion DIE LINKE.“

Kurzer Einwurf von mir: Warum ist es unwürdig? Jeder Mensch in diesem Land hat ein Recht auf eine gesundheitliche Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Niemand in diesem Land muss gesundheitliche Einschränkungen fürchten. - Ich führe das Zitat fort:

„Man könne und dürfe nicht so tun, als ob die Asylbewerber in kurzer Zeit wieder weg seien und deshalb keinen Anspruch auf medizinische Leistungen hätten.“

Meine Damen, meine Herren! Genau das aber bedeutet Asyl. Asyl ist ein temporärer Aufenthalt, der Menschen, die vor der Bedrohung durch Krieg und Terror fliehen, gesundheitlich bewahren soll. Das bedeutet Asyl.