Protokoll der Sitzung vom 03.02.2017

Deswegen sind unsere einheimischen Wölfe eine nach internationalen und nationalen Rechtsvorschriften streng geschützte, nun wieder heimische Tierart. Zu den internationalen Rechtsvorschriften gehören zum Beispiel das Washingtoner Artenschutzabkommen und die FFH-Richtlinie der EU. Wir als Landesregierung stehen daher in der Pflicht, den Rückkehrer Wolf zu schützen.

Der Wolf ist keine fremdländische invasive Tierart wie der Waschbär oder der Mink. Er ist der Urahn unseres geliebten Hundes und über Jahrtausende hinweg der natürliche Begleiter der Schalenwildarten wie Reh, Rot- und Damwild oder Wildschwein. Der Wolf hilft als deren natürlicher Feind damit auch unsere Wälder zu schützen. Wo der Wolf ist, haben Waldbesitzer weniger Verbisse durch die zu hohen Wildbestände zu beklagen. Das reduziert Material- und Arbeitskosten für Zäune sowie Nachpflanzungen erheblich, und es ermöglicht zukünftig die spontane Verjüngung aller Baumarten, auch der Laubbäume.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das ist ein Ar- gument!)

- Das ist ein Argument. Nicht umsonst sagen Waldbesitzer,

(Eva Feußner, CDU: Ob das Tierbesitzer auch so sehen?)

wo der Wolf lebt, geht es dem Wald gut.

(Beifall bei den GRÜNEN - Eva Feußner, CDU: Fragen Sie einen Tierbesitzer! Die sagen etwas anderes!)

- Ja.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Das sagen die Förster! Die Jäger sagen etwas anderes!)

- Genau.

(Eva Feußner, CDU: Nee! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Das ist jetzt aber meine Redezeit. Ich würde jetzt gern weiterreden. Ansonsten werde ich hier ermahnt.

Aber selbstverständlich liegt uns das Wohl unserer Nutztiere und unserer Nutztierhalter und -halterinnen am Herzen. Hier spreche ich natürlich zuerst die Schafhaltung an. Wir haben hier schon an anderer Stelle sehr ausführlich darüber debattiert, dass gerade die Schafhaltung naturschutzfachlich sehr wichtig für die Erhaltung von Offenlandlebensräumen und natürlich auch für die naturnahe Deichpflege ist.

Aber bevor ich zu dem komme, was wir als Landesregierung tun, richte ich noch einmal den Blick auf die aktuellen Daten der Bestandsentwicklung in unserem Land. Im abgelaufenen Monitoringjahr 2015/2016 gab es in Sachsen-Anhalt inklusive der grenzübergreifenden Territorien zehn Rudel und drei Wolfspaare. Es wurden insgesamt 78 Wölfe nachgewiesen. Diesen Monitoringbericht haben wir gestern veröffentlicht. Natürlich geht auch bei den Wölfen das Leben weiter. Zwei der drei Wolfspaare haben inzwischen Nachwuchs bekommen und zählen dann ebenfalls als Rudel, sodass wir aktuell von zwölf Rudeln und einem territorialen Paar ausgehen.

Nach Einschätzung unserer Fachleute erwarten wir in den nächsten Jahren eine moderate Erhöhung der Zahl der Wolfsrudel. Warum? Der überlebende Nachwuchs unserer Rudel wird überwiegend auf den von den Wölfen bereits besiedelten Regionen Sachsen-Anhalts abwandern, um zur Gründung eines neuen Rudels eigene Territorien zu erschließen. Die Migration geht nach unseren Beobachtungen von Südosten nach Nordwesten. Das heißt, dass sich viele der überlebenden Nachwuchswölfe in Richtung Niedersachsen auf den Weg machen werden. - Das so weit zum Bestand der Wölfe bei uns.

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zu den Aufgaben der Landesregierung. Wir haben jetzt mehrfach gehört, dass es Konflikte gibt. Es ist unsere Aufgabe als Landesregierung, mit diesen Konflikten konstruktiv umzugehen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

den Menschen die Angst von dem Wolf zu nehmen, unsere Tierhalter und Tierhalterinnen und die Nutztiere zu schützen und gleichzeitig dem Wolf ein Leben zu ermöglichen.

Deswegen sage ich, die Landesregierung hat drei Aufgaben: beraten, schützen und entschädigen. Wir haben verlernt - das haben wir eben auch vom Kollegen Borchert gehört -, mit dem Raubtier Wolf zu leben. Deswegen ist es wichtig, die Bevölkerung aufzuklären und zu beraten, damit eben keine wilden Erzählungen kursieren und rationale Entscheidungen getroffen werden können.

Wir müssen Fragen beantworten. Ist es normal, dass ein Wolf nachts durch eine Ortschaft streift? Ist es normal, dass ein junger Wolf beim Anblick eines Menschen nicht sofort flüchtet? Was muss

ich tun, wenn ich einem Wolf begegne? Solche Fragen und viele mehr müssen beantwortet werden. Alle diese Fragen können von unseren Experten und Expertinnen beantwortet und erläutert werden. Und unsere Wolfsberater können in die Schulen, in die Kitas und in die Vereine gehen und alle Fragen rund um den Wolf beantworten.

Meine Damen und Herren! Den Tierhaltern und Tierhalterinnen werden wir als kompetente Ansprechpartner rund um den Herdenschutz zur Verfügung stehen. Gerade die Nutztiere in der nachhaltigen ökologischen Landwirtschaft, wie zum Beispiel die Schafe bei der Landschaftspflege und beim Deichschutz, sind leider durch den Wolf besonders bedroht. Deswegen ist es zwingend erforderlich, dass hier professionell Präventionsmaßnahmen ergriffen werden. Die Koalitionsfraktionen haben deswegen auch im Koalitionsvertrag vereinbart, dass Präventionsmaßnahmen stärker zu fördern sind.

Ziel eines effektiven Herdenschutzes ist, dass es gar nicht zu Schäden kommt. Insofern versuchen wir, durch Maßnahmen die Zahl der Wolfsrisse an unseren Nutztieren zu minimieren und damit natürlich auch das Leid der Tiere zu minimieren. Ich denke, hier müssen wir noch besser werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Welche Schutzmaßnahmen können ergriffen werden? Worum geht es? Wir werden natürlich weiter mobile Elektrozäune nebst Zubehör fördern. Im Jahr 2016 wurden hierfür mehr als 93 000 € ausgezahlt. Ich denke, das ist gut angelegtes Geld.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Zukunft werden wir die Anschaffung von Herdenschutzhunden fördern. Die Förderrichtlinie ist auf den Weg gebracht worden. Wir hoffen, dass ab März Anträge möglich sein werden. Gefördert werden Hunde der Rassen Pyrenäenberghund und Maremmano-Abruzzese oder Mischungen aus diesen beiden Rassen.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Warum nur die beiden?)

- Das können Sie nachher gern fragen. - Die individuelle Tauglichkeit als Herdenschutzhund muss durch die Zertifizierung anhand von Prüfungszeugnissen nachgewiesen werden. Wir kommen damit einer zu Recht gestellten Forderung der Schafhalter und Schafhalterinnen nach. Die bisherige Nichtförderung dieser Hunde ist ein Versäumnis aus dem Jahr 2014, wo das nicht in die ursprüngliche Herdenschutzrichtlinie aufgenommen wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Einzelfällen werden wir darüber hinaus weitere Maßnahmen ermöglichen. Hier ist an Vergrämungsmaßnahmen zu denken, um Wölfe von

Schafherden oder Siedlungen fern zu halten. Hier können und müssen wir auch auf das Know-how anderer Bundesländer wie Niedersachsen und Brandenburg oder auch auf die Erfahrungen anderer europäischer Länder zurückgreifen. Dieses Wissen wird beim Herdenschutzbeauftragten im Wolfskompetenzzentrum gebündelt werden. Seine oder ihre Aufgabe wird es sein, den Herdenschutz Schritt für Schritt zu verbessern. Wir haben viel zu tun. Doch das Ziel ist klar: Herdenschutz ist Wolfsschutz.

Zum Schutz gehört natürlich auch der Umgang mit sogenannten Problemwölfen und deren Entnahme, sprich die gezielte Tötung eines Wolfes als allerletztes Mittel. Doch dies wird immer einer Einzelfallbewertung unterliegen. Die Rechtsgrundlage hierfür ist § 45 Abs. 7 des Bundesnaturschutzgesetzes. All dies wird in der Leitlinie Wolf klar geregelt, die jetzt in die Verbändeanhörung kommt.

Nun bleibt noch eine Frage offen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was ist, wenn der Wolf ein Nutztier gerissen hat? Auch bei der Umsetzung aller erforderlichen Schutzmaßnahmen wird dies leider nicht vollständig zu vermeiden sein. Im Jahr 2016 wurden uns insgesamt 58 Vorfälle gemeldet, bei denen ein Übergriff vom Wolf vermutet wurde. Bei jedem vierten Vorfall konnte der Wolf als Verursacher ausgeschlossen werden. In allen weiteren Fällen wurde der Wolf als Verursacher ermittelt oder war zumindest nicht auszuschließen. Es wurden dabei insgesamt 135 Nutztiere getötet.

Als Schadensausgleich für diese Tiere zahlte das Land 18 500 €. Als Ausgleich werden regelmäßig Tierarztkosten und Abdeckerkosten sowie die Kosten für die getöteten oder verletzten Tiere bis zur Höhe des Marktwertes ersetzt sowie die Sachkosten für kaputte Zäune anerkannt.

Und - da möchte ich auch sehr klar sein - der Schadensausgleich für die betroffenen Tierhalter und Tierhalterinnen muss in Zukunft zügiger vonstatten gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Das heißt, wir werden auch das Entschädigungsverfahren, also das Kompensationsverfahren entschlacken. Ich will es einmal ein bisschen locker formulieren. Man muss nicht aus jedem Wolfsriss einen Tatort machen. Wenn es eindeutige Bissspuren und eindeutige Fähren gibt, dann ist das ein Wolfsriss, und man kann sich wie in anderen Fällen auch darauf beschränken, dass man genetische Proben nach dem Zufallsprinzip entnimmt, um eine gewisse Fehlerkontrolle oder eine Kontrolle zu haben, wenn es wirklich ein zweifelhafter Fall ist.

Aber da müssen wir entschlacken. Und wir werden die Auszahlung dieses Schadensausgleiches

in unserem Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten Anhalt konzentrieren, wo auch schon die Mittel für die Prävention ausgereicht werden, sodass wir da eine Bündelung an einer kompetenten Stelle haben.

Und wir werden - das ist ganz wichtig - die Kapazitäten für die Rissbegutachtung in der Fläche durch ein Netz von nebenamtlichen Gutachtern mit sechs Bediensteten aus den Landesforsten verstärken, die im Wolfskompetenzzentrum geschult werden, sodass überall im Land immer sehr schnell ein Rissbegutachter zur Verfügung steht. Auch das gehört dazu. Die Nutztierhalter sollen zukünftig schnell wissen, woran sie sind. Ist das ein Riss, der als Wolfsriss anerkannt wird? Und sie sollen ihr Geld dann auch zügig bekommen.

Meine Damen und Herren! Beraten, schützen und entschädigen - mit den geschilderten Maßnahmen, denke ich, haben wir ein gutes Rüstzeug, um mit dem Wolf in unserer Kulturlandschaft leben zu können und einen Interessenausgleich zu schaffen.

Alle Maßnahmen finden sich in der aktuellen Überarbeitung der Leitlinie Wolf wieder, die wir gestern der Öffentlichkeit vorgestellt haben. Sie geht nun in die Verbändeanhörung. Sie regelt die Zuständigkeiten im Wolfsmanagement und beim Herdenschutz. Sie wird eine Richtschnur für die Verwaltung und vor allem eine Orientierung für die Tierhalter und die Bürgerinnen und Bürger sein.

Wir haben außerdem entschieden, dass ein Wolfskompetenzzentrum in Iden auf dem Gelände des Zentrums für Tierhaltung und Technik eingerichtet wird. Mit der örtlichen Nähe dieser beiden Zentren, also dem Tierkompetenzzentrum Iden und dem Wolfskompetenzzentrum, werden wir den Herdenschutz verbessern und eine umfassende Beratung bei der Wolfsprävention gewährleisten.

Das Wolfskompetenzzentrum ist eine Stabsstelle des Landesamtes für Umweltschutz und wird in Zukunft die zentrale Einrichtung für das staatliche Wolfsmanagement und den Herdenschutz in Sachsen-Anhalt sein.

Ich sage es gern noch einmal: Beraten, schützen, entschädigen, damit sind wir auf einem guten Weg, die Konflikte mit dem Wolf zu entschärfen und unsere Nutztierhalter und Nutztierhalterinnen besser zu unterstützen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Es gibt mehrere Anfragen. Ich würde pro Fraktion zwei Anfragen zulassen. Mir liegen zurzeit Meldungen von Herrn

Harms, Herrn Loth und Herrn Gürth vor. Die weiteren nehme ich jetzt noch auf.

(Alexander Raue, AfD, und Thomas Höse, AfD, melden sich)

- Sie müssten sich einigen; denn eine Anfrage liegt schon vor. - Herr Raue. - Herr Harms ist der erste Fragesteller.