Protokoll der Sitzung vom 03.02.2017

Als großer Jäger übernimmt er Funktionen, die seit seinem Verschwinden der Mensch übernehmen musste, sprich die Eindämmung von Schalenwild. Er sorgt zum Beispiel dafür, dass Rehe nicht lange an einem Fleck verweilen und die Fraßschäden dort groß werden. Untersuchungen haben ergeben, dass Hirsche zur Abwehr sogar größere Geweihe ausbilden, was für manchen Jäger vielleicht ein interessanter Aspekt ist. Die Anwesenheit eines großen Prädators wie des Wolfs sorgt also für die Vervollkommnung des hiesigen Ökosystems und dessen funktionieren.

In Sachsen-Anhalt sind derzeit 78 Wölfe in zehn Rudeln und drei Einzelpaaren nachgewiesen - die Ministerin hat über den Fortschritt der Population berichtet -, die dauerhaft hier leben. Dazu ist schon vieles gesagt worden. Wir wissen auch, wie sich das Siedlungsgebiet entwickelt hat.

Aber dass 78 Tiere zu einem handfesten Koalitionskrach führen, sagt viel über den Zustand der Koalition und es sagt viel über so manchen Wolf im Schafspelz.

(Beifall bei der LINKEN - Siegfried Borg- wardt, CDU: Du reimst dir was zusammen, mein Hase! - Minister Marco Tullner: Ein Wortspiel!)

- Herr Borgwardt!

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das war ein doppeltes Wortspiel!)

- Ein doppeltes Wortspiel kommt auch in meiner Rede vor, aber das nehme ich jetzt ernst und wir reden nach der Debatte darüber.

Meine Damen und Herren! Dass Wölfe wieder in unseren Wäldern leben, verunsichert viele. Isegrim hat durch Märchen und Mythen ein gefährliches Image als böses Wesen. Mit diesen Ängsten und Unsicherheiten müssen wir umgehen, sie ernst nehmen und Aufklärung leisten.

Auch der respektvolle Umgang mit dem Wolf will gelernt sein; so wie wir alle gelernt haben, zu Wildschweinen einen respektvollen Abstand zu halten. Dass die Tiere scheu sind und sich eher verkrümeln, wenn der Mensch kommt, gehört dabei zur Wahrheit dazu.

Mir ist gerade eine Trillerpfeife gegeben worden. Es stellt sich die Frage, wie wir den Wolf abwehren wollen, wenn er da ist. Er hört zigmal besser als Menschen und reagiert auf Lärm sehr, sehr empfindlich. Die Trillerpfeife ist mir gerade zur einfachen Wolfsabwehr in die Hand gedrückt worden.

Es ist zudem eine gewisse Anpassung der eigenen Gewohnheiten nötig. Um den Wolf nicht anzulocken und daran zu gewöhnen, dass der Mensch mit Futter in Verbindung gebracht wird - verstehen Sie das nicht falsch -, also der Geruch des Menschen durch den Wolf damit verbunden wird, dass der Mensch kommt, um ihn zu füttern, sollten Jäger Tierreste nach dem Aufbruch nicht einfach im Wald liegen lassen.

Wir müssen in unseren Siedlungen einfach zugängliches Futter wieder unzugänglich machen, damit Wölfe nicht angelockt werden. Ja, wenn sich Rehe in der Nähe von Siedlungen bewegen, ist es auch nachvollziehbar, dass ihnen dann ein Wolf folgen kann.

Meine Damen und Herren! Da sind wir dann eben bei den realen Begegnungen mit dem Wolf, die auch in unserem Bundesland die Debatte anheizen. Ich verstehe jeden Schäfer, der wütend ist, wenn er Tiere an den Wolf verliert. Schäfer haben es ohnehin ökonomisch meist nicht ganz so einfach und jeder Verlust schmerzt. Ich sage auch, der Natur- und Artenschutz ist ein gesellschaftliches Anliegen. Das heißt auch, dass wir als Gesellschaft diejenigen unterstützen müssen, die schwierige Anpassungsleistungen dafür erbringen.

Ich finde es richtig, dass die Anschaffung von Zäunen gefördert wird. Ich finde es richtig, dass mit Landesunterstützung zukünftig auch Schutzhunde angeschafft werden können.

(Rüdiger Erben, SPD: Schutzesel!)

- Darauf komme ich noch. Immer mit der Ruhe. - Zu den Schutzhunden bleibt noch zu sagen, dass eine Zeitung mit riesigen Buchstaben diese als Riesenhunde beschrieben hat und dadurch schon wieder versucht, Ängste zu schüren. Ich finde es manchmal grotesk, was teilweise daraus gemacht wird. Vorhin war von Hysterie schon einmal kurz die Rede.

Ich fand es als Biologe ganz interessant, dass es Erfahrungen mit sogenannten Schutzeseln gibt. - Sehen Sie, da sind sie. - Man sollte diese Erfahrungen durchaus weiter ausloten. Interessanterweise stehen Esel, anders als Schafe, zu unterschiedlichen Zeiten, sie sind größer als Schafe, sie sind laut und vor allem sehr wehrhaft und haben noch einen wehrhaften Instinkt. Wir sollten diesen Ansatz weiter verfolgen und sehen, wie diese Erfahrungen vielleicht auch in Sachsen-Anhalt genutzt werden können.

Ja, sollte es zu einem Riss kommen - das ist auch schon passiert -, dann muss es schnelle und unbürokratische Hilfe geben. Dabei haben wir im Land noch Verbesserungsbedarf. Das hat die Ministerin auch betont. Hierbei sind wir auf einem Weg.

Zudem sollte die Ausbildung von Beratern vorangebracht werden. Mit dem Kompetenzzentrum Wolf ist das Land auf einem guten Weg. Beim Wolfsmanagement lohnt sich aber auch der Blick in andere Länder, die schon lange Erfahrungen haben, weil der Wolf dort in der Wildnis mit den Menschen lebt.

(Zuruf von der CDU: Frankreich!)

Diesbezüglich sollten Erfahrungen ausgetauscht und in unser Wolfsmanagement mit einbezogen werden. Ich gehe davon aus, dass wir an der Stelle bundesländerübergreifend arbeiten. Anders macht es keinen Sinn, denn der Wolf hält sich ja nicht an Ländergrenzen.

Beraten, schützen, entschädigen- diesen Dreiklang unterstützen wir. Mir wurde, wie gesagt, gerade noch die Trillerpfeife in die Hand gedrückt. Das ist auch eine Möglichkeit, wie man in der Beratung mit Menschen reden kann, damit sie sich zur Wehr setzen können.

Was nun gar nichts nützt, ist die Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht, denn der hohe Schutzstatus in Deutschland und Europa und in deren Artenschutzabkommen, lässt das Bejagen nicht zu. Herr Barth hat gerade das Verfahren beschrieben, das notwendig wäre, wenn man dort etwas ändern möchte.

Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass auch die Jagd, insbesondere auf die falschen Tiere, das sensible Gefüge der Geburtenkontrolle in den Wolfsrudeln zerstören und dadurch die Vermehrung noch beschleunigen kann. Außerdem ist ein Wolfsrudel, welches sein Revier verteidigt, eine größere und kontrollierbare Konstante.

Eine Diskussion, dass Deutschland das Artenschutzabkommen aufkündigen soll, weil es 78 Wölfe in Sachsen-Anhalt gibt, sollen und können wir uns weltweit nicht leisten.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist mehrfach gesagt worden, dort, wo die Tiere nachweislich immer wieder Probleme verursachen, sich dem Menschen dauerhaft nähern, die Herden permanent bedrohen, sind auch heute schon Vergrämungsmaßnahmen möglich bis hin zur letztlichen Entnahme.

Meine Damen und Herren! Ja, die Anpassung daran, dass es wieder Wölfe bei uns gibt, ist mit Zumutungen verbunden. Sie ist aber auch ein Zeichen des Respekts vor der Natur. Es ist ein kultureller Erfolg, dass wir es zulassen, den Großraubtieren den Platz in der Natur zurückzugeben, den sie einst durch die von Menschen gemachte Ausrottung verloren haben. Es ist ein Anerkenntnis des Selbstwertes der Natur.

In diesem Sinne sind wir aufgefordert, das Zusammenleben von Mensch und Wolf so erträglich

wie möglich zu gestalten und dort zu unterstützen, wo es Schwierigkeiten gibt. Denn eines ist klar: Der Wolf gehört zu den streng geschützten Tierarten in Deutschland und Europa.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Lange. Es gibt eine Nachfrage. Möchten Sie diese beantworten?

Es kommt darauf an.

Herr Loth möchte eine Frage stellen. Bitte, Herr Loth.

Herr Lange, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklären, meine Nachfrage zu beantworten. - Wie wäre das von Ihnen als Biologe eingestufte Verhältnis zwischen Schutztier und Nutztier? Was würde das kosten? Und woher kommen die Tiere jetzt plötzlich, die Sie ansiedeln wollen?

Herr Lange, bitte.

Oh, oh, Herr Loth! Ich sage so: Natürlich muss man schauen, wenn es darum geht - - Sie spielen jetzt auf die Schutzhunde an?

(Hannes Loth, AfD: Hunde!)

Ich gehe davon aus, dass es demnächst Regelungen geben wird. Das hat die Ministerin ausgeführt. Ja, wir müssen dafür Sorge tragen, dass diese Tiere auch gezüchtet werden, selbstverständlich. Und ja, es braucht einfach Zeit. Man muss dafür Sorge tragen, dass damit jetzt endlich begonnen wird.

Was das kostet - es tut mir leid, das kann ich jetzt nicht beantworten. Mir ist es aber wichtig zu sagen, dass es da, wo es darum geht, das Zusammenleben zwischen Wolf und Mensch erträglich zu gestalten, notwendig ist, dass der Staat an der Stelle unterstützt. Ich gehe auch davon aus, dass wir gerade mit Forschung, Beobachtung, Monitoring viel dazu beitragen können, Aufklärung zu leisten. Vielleicht lernen wir auch noch das eine oder andere über den Wolf. Das bereichert uns auch.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Lange. - Der letzte Redner zu diesem Thema ist der Abg. Herr Aldag für BÜND

NIS 90/DIE GRÜNEN. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir kurz zwei Vorbemerkungen. Zunächst möchte ich mich bei Ihnen, werter Kollege Borchert, bedanken, dass Sie die Debatte heute sehr unaufgeregt und sachlich eröffnet haben. Das war nach den letzten Bemerkungen in den Zeitungen nicht ganz so zu erwarten. Ich möchte mich auch bei den danach nachfolgenden Rednerinnen und Rednern bedanken, dass sie die Debatte entsprechend sachlich und unaufgeregt weitergeführt haben.

Dann muss ich noch kurz aufklären, wieso der Kollege Loth weiß, wieso ich angeblich Ängste beim Joggen hatte. Vermutlich hatte er einen Tweet von mir gelesen, hat dort aber den ironischen Unterton nicht ganz mitbekommen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das ist bei der AfD nichts Neues!)

Vielleicht bezieht er sich auch auf meine Aussagen damals auf dem Podium beim Landesbauernverband, als ich erklärte, dass ich so manche Ängste beim Joggen habe, wenn es nachts im Gebüsch raschelt, wenn ich im Rotehornpark unterwegs bin. Da habe ich aber nicht von meinen Ängsten gesprochen, sondern davon, dass ich nicht wüsste, wie ich mich verhalten sollte, wenn ich dem Wolf begegnen würde. Das haben wir heute gehört, wie man sich richtig verhält. Das werde ich dann berücksichtigen.

Kommen wir zurück zum Thema. Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen wurde das Thema Wolf durch unglückliche Zeitungsberichte, dramatisierte Halbwahrheiten und unnötige Panikmache völlig undifferenziert in die Öffentlichkeit getragen.

Damit ich nicht falsch verstanden werde, mir gefällt die radikale Ablehnung des Wolfes ebenso wenig wie die naive Begeisterung für ihn. Der Wolf ist als wieder in unserer Kulturlandschaft lebendes Wildtier viel komplexer. Dementsprechend muss auch die Diskussion geführt werden. Deshalb ist es gut und wichtig, dass wir uns heute im Landtag mit dem Thema beschäftigt haben und einige Dinge auch geradegerückt werden konnten.

Die CDU-Fraktion hat eine Aktuelle Debatte dazu angestoßen mit dem Titel: Praxistaugliches Wolfsmanagement in Sachsen-Anhalt ermöglichen. In der Begründung heißt es: Der Wolf werde verharmlost und der zögerliche Umgang zuständiger Behörden mit der Wolfsproblematik vergrößere den bereits eingetretenen Akzeptanzverlust.

Lassen Sie mich gleich zu Beginn erwähnen, dass der Wolf nicht erst seit März 2016 hier in Sach