Protokoll der Sitzung vom 03.03.2017

(Robert Farle, AfD: Ich war fair!)

Ich sehe auch keine Anfragen. Die nächste Debattenrednerin wird Frau Dr. Pähle für die SPDFraktion sein.

(Eine Reihe von Abgeordneten der AfD- Fraktion verlässt den Plenarsaal)

Bevor ich Frau Dr. Pähle das Wort erteile, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler des Börde-Gymnasiums Wanzleben recht herzlich bei uns im Hohen Hause begrüßen zu dürfen.

(Beifall im ganzen Hause)

Weiterhin begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Landesbildungszentrums für Körperbehinderte aus Halle. Sehr geehrte Damen und Herren, sehen Sie es bitte nach, wenn der eine oder andere Laut fallen wird. Ich bitte dafür einfach um

Verständnis. Sie sind auch recht herzlich bei uns im Hohen Haus willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich lade den Landtag ein, aus dem Land der Mythen, Unterstellungen und Verschwörungstheorien zurückzukommen.

(André Poggenburg, AfD, lacht)

Lassen Sie uns wieder über den Haushalt reden.

(Zustimmung bei der SPD - André Poggen- burg, AfD: Das hatten wir gerade! - Oliver Kirchner, AfD: Machen wir gerade!)

- Herr Poggenburg, die Unterstellungen, die Herr Farle hinsichtlich der Einnahmen eines EU-Abgeordneten vorgebracht hat - - Ich bin gespannt, woher Sie diese Infos haben, entweder von Beatrix von Storch - sie kann Ihnen sicherlich sagen, wie man Sitzungsgeld bekommt, ohne da zu sein - oder von Marine Le Pen. Darüber können wir uns sicherlich an anderer Stelle austauschen.

(Beifall bei der SPD - Robert Farle, AfD: Völlig falsch! - Oliver Kirchner, AfD: Völlig falsch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer sich in der Sendung „Wer wird Millionär?“ nicht allzu dämlich anstellt und nach der 16 000-EuroFrage noch drei Joker hat, der wird irgendwann vom Moderator Günther Jauch mit der Frage konfrontiert: Was machen Sie mit einer Million? - Ich mag diese handfesten Kandidaten, die nicht anfangen, über Weltreisen zu philosophieren, sondern ganz praktisch sagen, das Erste, was ich brauche, wäre ein neuer Kühlschrank.

Wir sind hier im Land in einer etwas anderen Situation. Erstens. Wir sitzen nicht unter so hohem Druck auf einem unbequemen Stuhl. Unsere Stühle sind sicherlich bequemer. Zweitens. Nach der Bereinigungssitzung sind alle Joker verzockt. Drittens. Die Summe ist höher.

Wir müssen denen, die uns das Geld anvertraut haben, die Frage beantworten, was SachsenAnhalt mit 22 Milliarden € macht. Man kann die Antwort kompliziert machen und sich in Einzelpositionen verlieren. Man kann auf die Frage aber auch ganz konkret antworten.

Wir sorgen mit diesen 22 Milliarden € dafür, dass der Staat seine Aufgaben für das Gemeinwohl in unserem Land erfüllen kann, für Krankenhäuser, den Straßenbau, Gerichte, Theater, den ÖPNV. Wir sorgen dafür, dass die Kommunen dies in

ihrer Zuständigkeit und in ihrem Verantwortungsbereich auch tun können.

Wir kümmern uns darum, dass die Entwicklung in den Bereichen, in denen in den letzten Jahren zu viel Personal eingespart wurde, jetzt wieder deutlich in die andere Richtung geht. Wir leisten unseren Beitrag dafür, dass niemand zurückgelassen wird, wenn sich Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft verändern. Wir achten dabei darauf, dass im Landeshaushalt auch in Zukunft die Stabilitätskriterien eingehalten werden und dem Land kein Geld verloren geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den ersten Verbesserungen am Kinderförderungsgesetz und der Reform der kommunalen Finanzausstattung ist dieser erste gemeinsame Haushalt eine weitere Nagelprobe für diese ungewöhnliche Koalition, die dieses Land regiert. Damit wird die Grundlage gelegt, die wir brauchen, um den Koalitionsvertrag umzusetzen und die darin vereinbarten Vorhaben Wirklichkeit werden zu lassen.

Wenn das Haushaltsgesetz heute Mittag angenommen wird, dann zeigen wir, dass wir gemeinsam gestalten können, obwohl wir von sehr unterschiedlichen politischen Positionen kommen. Ich will nicht sagen, dass wir die Aufgabe bravourös gelöst haben. Dafür hat es zu oft gescheppert und gehakt. Ich sage aber aus Überzeugung, dass wir heute wirklich zufrieden sein können.

(Zustimmung bei der SPD und von Olaf Meister, GRÜNE)

Zufrieden, weil niemand in der Koalition seine Ansprüche an diesen Haushalt überdehnt hat und weil das Umsteuern in der Personalpolitik von der Koalition gemeinsam getragen wurde; zufrieden, weil das, was heute zur Beschlussfassung vorliegt, solide gerechnet und tragfähig ist; zufrieden vor allem deshalb, weil die Menschen in Sachsen-Anhalt von diesem Haushalt profitieren werden.

Es ist Zeit, dass dieser Haushalt in Kraft tritt und bewirtschaftet wird. Es ist Zeit, dass die Landesregierung in allen Ressorts vom Verwalten zum Gestalten übergehen kann mit Spielraum für neue Projekte; denn erst wenn aus dem Geld, das heute freigegeben wird, sichtbare Fortschritte werden, können die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen, was sie von unserer Politik haben. Erst dann werden Haushaltszahlen greifbar und verständlich, zum Beispiel 14,5 Millionen € in diesem Jahr und 20,5 Millionen € im nächsten Jahr für die Ausbildung des Nachwuchses bei der Polizei. Das ist eine Verdopplung des Ansatzes des Jahres 2016. Dieses Geld macht es möglich, dass im Jahr 2019 700 Polizistinnen und Polizisten neu in den Polizeidienst eingestellt werden können. Das haben wir versprochen, das werden wir halten.

Auch wenn wir - das zeigen die Presseveröffentlichungen in den letzten Tagen - noch einige gute Lösungen brauchen, um diesen Beruf attraktiv zu machen, um junge Leute für diesen Weg zu motivieren - unsere Unterstützung hat der Innenminister dabei.

Zum Beispiel geben wir 182 Millionen € mehr für die Kommunen aus. Dieses Geld gibt Städten und Gemeinden die Chance, das bislang von der Schließung bedrohte Schwimmbad offenzuhalten, den Eigenanteil für die Sanierung von Schulen bereitzustellen und die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung stabil zu halten. Das haben wir versprochen, das werden wir halten.

(Zustimmung von Rüdiger Erben, SPD)

Zum Beispiel geben wir zusätzlich 4,4 Millionen € für neue Lehrerinnen und Lehrer aus. Das bedeutet, am Ende dieses Jahres werden vor unseren Schulklassen 80 neue Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich zu denen stehen, die aus Altersgründen ausscheiden und ersetzt werden. Das haben wir versprochen, das werden wir halten.

Große Zahlen, aber auch kleine, wichtige Zahlen finden sich im Haushaltsplan. Für 850 000 € wird jedem Frauenhaus eine halbe Stelle für eine Betreuungskraft bereitgestellt für die Betreuung von Kindern, die aufgrund von Gewalterfahrungen traumatisiert sind und mit ihren Müttern im Frauenhaus sind. Ich und viele andere hier im Hohen Haus hätten sich, glaube ich, geschämt, wenn wir dieses Geld im Haushalt nicht gefunden hätten. Aber wir haben es gefunden und ich freue mich darüber.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Mi- nisterin Petra Grimm-Benne)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zwei Vorhaben besonders hervorheben, die exemplarisch für den Gestaltungsansatz der SPD bei diesem Haushalt sind. Das ist zum einen die Grundfinanzierung der Hochschulen, die wir um jährlich 15 Millionen € erhöhen. Das ist das sichtbare Zeichen für eine Korrektur im Bereich der Hochschulfinanzierung, damit für die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit unseres Landes etwas getan wird. Wir bekennen uns zu dieser Leuchtturmfunktion unserer Hochschulen, die SachsenAnhalt eine Ausstrahlungskraft verleihen, die durch nichts anderes zu ersetzen ist.

Hinzu kommen 16,8 Millionen € für dringend notwendige Investitionen in die Unikliniken. Mit auch für die Jahre 2017 und 2018 hinaus eingeplanten Mitteln in Höhe von rund 120 Millionen € wird in Magdeburg der Bau des Herzzentrums und in Halle der Ersatzneubau für das Bettenhaus II vorangebracht.

Das sind zum anderen die Vorhaben im Bereich des sozialen Arbeitsmarkts. Mit 15 Millionen € für

die Jahre 2017 und 2018 und Verpflichtungsermächtigungen für die Folgejahre ist das Programm über die gesamte Legislaturperiode ausfinanziert.

Mit den Landesmitteln, die wir hierfür investieren, soll vor allem eine Gruppe eine Chance bekommen, die bei den klassischen Arbeitsmarktprogrammen durch den Rost fällt: Menschen, die seit langer Zeit keine Arbeit haben oder noch nie Arbeit hatten und die sich ohne intensive Betreuung nicht in Arbeitsverhältnisse einfügen können. Sie stehen im Mittelpunkt unseres Programms. 2 000 Menschen, 2 000 Menschen in Sachsen-Anhalt sollen davon profitieren.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, kann ich Ihren Änderungsantrag beim besten Willen nicht nachvollziehen.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Dann lesen Sie ihn mal!)

Sie wollen das Programm sozialer Arbeitsmarkt mit einem Sperrvermerk belegen und fordern, dass die zu schaffenden Arbeitsplätze voll sozialversicherungspflichtig sein sollen. Das klingt sicher gut, aber es zeigt mir, dass Sie sich überhaupt nicht damit auseinandergesetzt haben, welcher Zielgruppe hiermit geholfen werden soll, die im Mittelpunkt des Programms steht, und wie sie Schritt für Schritt durch wirkliche Einzelbetreuung erst wieder an den Arbeitsmarkt herangeführt werden soll.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Mit Ein-Euro- Jobs! - Zuruf von Monika Hohmann, DIE LINKE)

Genauso wenig Verständnis habe ich für den Vorschlag, das Kompetenzzentrum Soziale Innovation zu streichen. Ihre Vorstellung, dass die sachsen-anhaltische Politik auf eigene Ideen und Gestaltungsansprüche verzichten soll und Konzepte irgendwo abschreibt und einsammelt, ist nicht unsere Vorstellung.

Wir haben vielmehr folgende Vorstellung: Innovation stärken, Wirtschaftsentwicklung fördern, Zusammenhalt sichern. Man kann es auch so beschreiben: Voranschreiten und niemanden zurücklassen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Mi- nisterin Petra Grimm-Benne)

Nur beide Ansätze zusammen machen SachsenAnhalt zu einem lebenswerten Land. Diese Ansätze integriert voranzubringen, das ist zukunftsfähige Politik.

Petra Grimm-Benne und Armin Willingmann mit ihren Ressorts werden gemeinsam in den nächsten Jahren am Thema Arbeit 4.0, Industrie 4.0 arbeiten. Wir wollen die Entwicklung, die uns ins

Haus steht, nicht erdulden und abfedern, sondern offensiv gestalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Haushalt steht auch für die Förderung von demokratischer Kultur und politischer Bildung, für die Zurückdrängung von Rechtsextremismus und für den Schutz vor terroristischen Bedrohungen, für die Integration von Flüchtlingen in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt, für die Förderung des friedlichen Zusammenlebens der Menschen in unserem Land, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihrem Geschlecht und ihrer sexuellen Identität. Dazu bekennen wir uns ausdrücklich.

Die AfD tut so, als könnte Sachsen-Anhalt im finanziellen Schlaraffenland leben, wenn man alle Ausgaben streicht, die auch nur im Entferntesten mit Flüchtlingen zu tun haben.

(Zuruf von der AfD)

Abgesehen davon, dass das eine Milchmädchenrechnung ist, oder wie es in einem Kinderlied heißt: Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune - in Wahrheit richtet sich doch die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit der AfD genauso gegen Einheimische wie gegen Migrantinnen und Migranten.