Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

Lag es daran, dass Sie über Monate immer wieder mal die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss erhoben, diesen aber nie selbst ins Werk gesetzt haben? Oder lassen Sie Zurückhaltung walten, weil auch bei Ihnen Wahlfälschungen dazugehören? - Ich habe aufmerksam verfolgt, dass eine Parteikollegin in NRW gerade wegen mindestens 22 gefälschter Unterstützungsunterschriften nicht zur Wahl zugelassen wurde.

Die Aufklärung des CDU-Wahlfälschungsskandals in Stendal ist kein Selbstzweck. Es geht uns GRÜNEN neben dem Blick in die Vergangenheit maßgeblich um die Frage, was wir aus dem Skandal lernen können und müssen. Ich meine, die Briefwahl hat nur eine Zukunft, wenn ihre Missbrauchsanfälligkeit reduziert wird. Dabei ist das Vollmachtsystem ebenso unter die Lupe zu nehmen wie Möglichkeiten einer verbesserten Authentifizierung. Auch das Wählen im Wahllokal muss sicherer gemacht werden.

Vor dem Untersuchungsausschuss zur Wahlfälschung in Stendal liegen große Aufgaben. Ich hoffe, dass alle demokratischen Fraktionen sich der Größe dieser Aufgaben bewusst sind. Ich erwarte, dass alle Abgeordneten im Hause ihren Beitrag zur Aufklärung dieses Skandals leisten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich will mit einem Zitat aus meiner Rede vom Dezember 2014 zum selben Thema hier im Hause schließen:

„Demokratie […] darf nicht zur Fassade werden. Das engagierte Vorgehen gegen Wahlfälscher und das Engagement für eine streitbare Demokratie, in der unterschiedliche politische Konzepte debattiert wer

den und der Wechsel von demokratischen Mehrheiten das einzig Konstante ist, muss uns einen.

Es gilt, in Stendal den demokratischen Normalzustand wiederherzustellen.“

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Striegel. Es gibt zwei Nachfragen. Möchten Sie die beantworten? - Herr Jan Wenzel Schmidt zuerst, dann Herr Poggenburg.

Herr Striegel, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede gesagt, dass es Parteien in Sachsen-Anhalt gibt, die ihre Wahlfälscher decken. Welche Parteien meinen Sie explizit?

Herr Striegel, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich habe nicht gesagt, dass es Parteien gibt, sondern ich habe mich auf die örtliche CDU in Stendal bezogen, wo ich ein Defizit an politischer Aufklärung sehe.

Herr Poggenburg, stellen Sie bitte Ihre Frage.

Eine Kurzintervention, wenn es genehm ist, und zwar möchte ich damit auf die Frage von Herrn Striegel antworten. - Die AfD hat sich nicht aus taktischen Erwägungen zurückgehalten, sondern sie hat sich einfach, wie man sie kennt, aus Besonnenheit zurückgehalten

(Zustimmung bei der AfD)

mit der Überlegung, einen PUA einzurichten. Denn wir wollten einfach abwarten, welches Ergebnis das Strafverfahren bringt, und danach wollten wir reagieren. So gehört sich das auch. - Danke.

(Beifall bei der AfD - Robert Farle, AfD: Richtig!)

Vielen Dank. - Das war eine Kurzintervention. Daher braucht Herr Striegel nicht zu antworten.

Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die CDU-Fraktion ist das der Abg. Herr Thomas. Sie haben das Wort. Bitte, Herr Thomas.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE nimmt die Ereignisse um die Briefwahlaffäre in Stendal zum Anlass, heute hier im Hohen Hause einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu beantragen.

Der Sachverhalt wurde bereits mit dem Urteil des Landgerichts Stendal vom 15. März 2017 aus strafrechtlicher Sicht bewertet, wenngleich mit der Revisionseinlegung das Urteil noch nicht rechtskräftig und somit das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist.

Meine Damen und Herren! Die CDU steht ebenfalls für Aufklärung. Unser Landesvorsitzender Herr Webel hat dies öffentlich kundgetan. Wir stellen gemeinsam mit unseren Partnern in der Koalition den folgenden Änderungsantrag, auf dessen Inhalt ich im Folgenden näher eingehen werde.

Entsprechend dem Antrag der Fraktion DIE LINKE soll sich der parlamentarische Untersuchungsausschuss auf die Kommunalwahlen in den Jahren 2009, 2012, 2014 und 2015 beziehen. Die Jahre 2009 und 2015 sollen gemäß unserem Änderungsantrag gestrichen werden. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen haben sich weder auf die Stadtratswahl noch auf die Kreistagswahl im Juni 2009 erstreckt. Außerdem ist anzunehmen, dass bereits Verjährung vorliegt.

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, sind gemäß § 86 der Kommunalwahlordnung des Landes Sachsen-Anhalt die Wahlunterlagen 60 Tage vor der Wahl einer neuen Vertretung zu vernichten. Danach ist anzunehmen, dass die Wahlunterlagen der Stadtrats- und der Kreistagswahl im Jahr 2009 vor den jeweiligen Wahlen im Jahr 2014 vernichtet wurden.

Somit geht meine Fraktion davon aus, dass diese Unterlagen dem Ausschuss nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Eine Einbeziehung als Untersuchungsgegenstand in den Untersuchungsausschuss ist somit obsolet.

Meine Damen und Herren! Im Jahr 2015 fanden die Wiederholungswahl zum Stadtrat sowie die Oberbürgermeisterwahl in Stendal statt. In den zurückliegenden zwei Jahren sind keinerlei Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten bei diesen beiden Wahlen bekannt geworden. Deshalb halten wir die Streichung des Jahres 2015 ebenfalls für angezeigt.

Bezüglich des Vorwurfs mangelnder Kontrollmechanismen unter Abschnitt I Buchstabe b ist die Formulierung „Landesregierung, der ihr nachgeordneten Behörden“ zu streichen und durch „Landeswahlleiter und der Kommunalaufsichtsbehörden“ zu ersetzen.

Die Zuständigkeiten und Möglichkeiten einer Wahlprüfung sind abschließend im Kommunalwahlgesetz geregelt. Danach sind ausschließlich die Kommunalaufsichtsbehörden inklusive des Landeswahlleiters zuständig. Deshalb ist der Vorwurf einer fehlenden oder ungenügenden Kontrolle auf diejenigen Behörden zu beschränken, die tatsächlich die Kontrolle ausüben können. Der Landesregierung wird hierbei keine Prüfungskompetenz eingeräumt.

Unter Abschnitt I Buchstabe c sind die Wörter „ausgelegt oder“ zu streichen. Auslegungen, die sich nicht in Anwendungen nach außen manifestiert haben, bleiben außer Betracht. Hierbei handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsantrag. In einem freiheitlichen Staat sind die Gedanken frei und dürfen nicht erforscht werden. Gegenstand von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen sind Handlungen, Taten oder Unterlassungen, die einer Beweiserhebung zugänglich sind.

Unter Abschnitt I Buchstabe d sind die Wörter „vermuten lassen“ zu streichen. Auch hierbei handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsantrag. Vermutungen sind innere Prozesse, die keine Konturen haben und die in die Beliebigkeit führen.

Mit Blick auf Abschnitt II ist die Formulierung „in Erwägung gezogen und praktizierte Lösungsansätze“ zu streichen und durch das Wort „Handlungen“ zu ersetzen. Auch hierbei handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsantrag. Mit der in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE gewählten Formulierung sollen Erwägungen einbezogen werden, um Ereignisse zu relativieren. Erwägungen sind das gedankliche Durchspielen von Entscheidungsalternativen, die sich auf alle Aspekte beziehen können. Daher sind solche Erwägungen nicht ausforschbar.

Zu einer umfangreichen Erklärung gehört für uns ebenfalls die Einbeziehung der Justiz. Daher haben wir Abschnitt II um den Satz - ich zitiere -: „Hierzu sind insbesondere auch die bei Polizei, Staatsanwaltschaften und im Ministerium der Justiz vorliegenden Erkenntnisse zu berücksichtigen.“ erweitert.

Meine Damen und Herren! In der Begründung haben wir den dritten Satz im zweiten Absatz gestrichen. Der Vorwurf seitens der LINKEN zielt darauf ab, der Landesregierung mangelnde Offenheit vorzuwerfen. Dies ist jedoch - das wissen Sie genauso gut wie ich - mitnichten der Fall. Die Landesregierung hat bereits im Innenausschuss sowie hier im Hohen Hause mehrfach zu der Briefwahlaffäre in Stendal berichtet und ist sämtlichen Aktenvorlagebegehren in vollem Umfang nachgekommen. Mangelnde Offenheit kann der Landesregierung keinesfalls vorgeworfen werden.

Damit, meine Damen und Herren, werbe ich für unseren Änderungsantrag. Ich möchte auch dafür werben, dass die Kollegen im Parlament, die sich für eine Mitarbeit im Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt haben, unvoreingenommen und ergebnisoffen diesen Untersuchungsausschuss begleiten.

Ich empfinde es zum Teil als schwer zu ertragen, dass Vermutungen, Behauptungen und Konjunktive als Tatsachen und Fakten dargestellt werden, obgleich sie jeglicher Grundlage entbehren.

(Beifall bei der CDU)

Damit, meine Damen und Herren, werden wir dem grundsätzlichen Auftrag dieses Untersuchungsausschusses nicht gerecht. Wir werden ihm nur gerecht, indem wir das, was wir tatsächlich feststellen, als gesichert verkünden.

Ich glaube, so mancher Kollege in unserem Haus sieht sich momentan Vorwürfen ausgesetzt - -

Herr Kollege Thomas, Sie haben Ihre Redezeit schon längst überschritten.

Ich bringe - mit Ihrer Genehmigung - den Satz noch zu Ende.

Ja, bitte.

Ich glaube, einige Kollegen unter uns sehen sich momentan auch Vorwürfen ausgesetzt, die uns hier als Tatsachen verkauft werden, die sie gern entkräften würden. Man sollte in einem Zeitalter, in dem die bloße Anzeige bei der Staatsanwaltschaft medial schon wie eine Verurteilung gewertet wird, sehr zurückhaltend und sehr vorsichtig sein.

Dafür möchte ich werben, ebenso für unseren Änderungsantrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Thomas. - Es gibt eine Wortmeldung von der CDU-Fraktion. Aus der eigenen Fraktion?

(Zuruf: Das geht nicht!)

- Das geht nicht. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner.

(Zuruf von der CDU: Eine Kurzintervention!)

- Eine Kurzintervention. - Wir haben festgelegt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass aus der eigenen Fraktion die Debatte nicht verlängert werden sollte. Deswegen, denke ich, sollten wir davon Abstand nehmen, Herr Kollege.