Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Rüdiger Erben, SPD)

Meine Herren von der AfD, das Ziel meiner Fraktion ist es, ein Transparenzgesetz auf den Weg zu bringen, von dem alle Bürgerinnen und Bürger profitieren, indem es den Zugang aller Bürgerinnen und Bürger zu Akten, Vorlagen und Dokumenten in öffentlichen Behörden ermöglicht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir wollen erreichen, dass das Informationszugangsgesetz deutlich verbessert wird, indem zum Beispiel die Gebühren und Kosten, die den Bürgern entstehen, minimiert oder besser sogar abgeschafft werden. Genau hierzu ist die Fraktion DIE LINKE erst vor Kurzem tätig geworden. Anlässlich des Tätigkeitsberichts des Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit und der Stellungnahme der Landesregierung hierzu beantragte meine Fraktion mit einem Antrag vom 21. März 2017 zum einen, die Landesregierung solle bis Ende 2017 ein modernes Transparenzgesetz vorlegen, um die Informationsfreiheit für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, zum anderen soll Kostenfreiheit für den Zugang zu Informationen eingeführt werden.

Die einzigen Stimmen für diesen Antrag im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung kamen von unserer Fraktion. Die AfD-Vertreter im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung haben diesem Ansinnen nicht zugestimmt. Und nun kommen Sie hier mit dem Vorschlag, die Landesverfassung zu ändern, um die eigenen Rechte zu stärken. Meine Herren von der AfD, das unterscheidet uns eben auch radikal voneinander: Wir setzen uns für die Rechte der Bürgerinnen und Bürger ein und Sie sich für Ihre eigenen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Anders lassen sich Ihr Antrag und Ihr Abstimmungsverhalten nicht erklären. Wir lehnen die von Ihnen vorgeschlagene Verfassungsänderung daher ab.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Auch hierzu sehe ich keine Nachfragen. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verfassung - das ist bereits festgestellt worden - ist das zentrale Rechtsdokument unseres Bundeslandes. Sie konstituiert die Grundrechte aller Bürgerinnen, regelt den Staatsaufbau und beschreibt das grundsätzliche Verhältnis der Verfassungsorgane zueinander.

Sie hat sich, inzwischen fast 25 Jahre alt, als grundlegendes Rechtsdokument bewährt. Sie schützt Bürgerinnen und deren Rechte. Sie wahrt auch die Rechte der Mitglieder des Hohen Hauses, wie nicht nur erfolgreiche Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht, betrieben von Abgeordneten und Fraktionen, beweisen. Sie verdient es, auch parlamentarisch mit Achtung und Respekt behandelt zu werden.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Der verfassungsändernde Gesetzgeber ist nicht ohne Grund besonderen Anforderungen unterworfen. Gesetzentwürfe zur Änderung der Landesverfassung sind dreimal zu lesen. Sie bedürfen zudem einer qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder dieses Hohen Hauses. Ihr Gesetzentwurf ist deshalb falsch angepackt.

Statt zunächst informell auf die anderen Fraktion zuzugehen, Änderungsbedarfe gemeinsam zu identifizieren und um gute Lösungen zu ringen, greifen Sie mit einem Gesetzentwurf, der die Rechte des Parlaments gegenüber der Regierung stärken soll, willkürlich einen winzigen Aspekt heraus. Warum genau diese Bestimmung? Was ist mit der Notwendigkeit? Reicht das bisherige Instrumentarium, Auskunftsrechte, Aktenvorlageverlangen oder das individuelle, jedem Bürger zustehende Informationszugangsgesetz, nicht aus? In wie vielen Fällen konnten Sie Informationen nicht erlangen, weil die Regierung Ihnen Auskünfte verweigerte? - All das sind Fragen, die Ihr dürftiger Gesetzentwurf nicht beantwortet.

Da Sie es nicht tun, habe ich mich dazu auf die Strümpfe gemacht. Die AfD hat in dieser Legislaturperiode genau ein Aktenvorlageverlangen von

insgesamt sechs eingebracht. Diesem wurde durch die Landesregierung entsprochen.

In der vergangenen Legislaturperiode gab es insgesamt 43 Aktenvorlageverlangen. Nur eines wurde abgelehnt, weil die betreffenden Unterlagen bei der Landesregierung schlicht nicht vorhanden waren. Dieses Parlament kommt grundsätzlich an Informationen, die es braucht.

Sie behaupten mit Ihrem Gesetzentwurf nur, es bräuchte es. Ihre Begründung bleibt schmal und dennoch entlarvend für Ihr Politikverständnis und Ihre Sicht auf die Welt. Zentraler Bezugspunkt in Ihrer Begründung ist - Zitat - „der Wille des Volkes“.

Ganz abgesehen davon, dass ich uns als Parlamentarier nicht nur dem Volk, sondern allen in Sachsen-Anhalt lebenden Menschen, der Bevölkerung, verpflichtet sehe, kann ich auch nicht erkennen, dass die Kontrollfunktion des Parlaments durch politische Mehrheiten unterlaufen würde, die im Widerspruch zum Willen des Volkes stehen. Im Gegenteil: Durch Wahlakt hat sich dieser Wille in politischen Mehrheiten niedergeschlagen. Das muss Ihnen nicht passen, aber es ist so.

Auch Ihre nächste Behauptung bleibt ohne Begründung und Substanz. Angeblich richteten sich die politischen Anliegen der Bürger häufig gegen die Regierung und politische Mehrheiten. Diesen Antagonismus gibt es so nicht. Sie stellen hier einen künstlichen Widerspruch zwischen Regierenden und Regierten her; so er bestünde, würde er im parlamentarisch-repräsentativen System durch Wahlen regelmäßig aufgelöst.

Was hindert Sie, wenn er denn da wäre, morgen einen neuen MP zu wählen und damit den jetzigen durch ein konstruktives Misstrauensvotum abzuwählen, wenn Sie andere Mehrheiten, die den Bevölkerungswillen abbilden, hier vorhanden haben?

Im konkreten Fall ist die in Verantwortung gestellte Landesregierung getragen durch die Mehrheit der Bevölkerung. Die sie tragenden Fraktionen arbeiten daran, diesen Mehrheitswillen auch politisch gestaltend umzusetzen.

Die Landesverfassung ist von diesem Gestaltungsanspruch umfasst. Als Koalitionspartner haben wir uns deshalb bereits verständigt, das Merkmal der sexuellen Identität in die Verfassung aufzunehmen und damit einen Schritt zu mehr Gleichberechtigung und Anerkennung sexueller Vielfalt zu gehen.

Aus der Landesregierung erreichte uns zudem die Anregung, auch den ländlichen Raum durch Aufnahme einer Verfassungsbestimmung zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu stärken. Wir werden auch darüber beraten, zu einer klugen

Entscheidung kommen und beim Verfassungsgesetzgeber um Mehrheiten werben.

Es gibt gute Gründe, auch die Kontrollrechte des Parlaments und seiner Mitglieder im Zuge einer Verfassungsreform zu betrachten, zumal seit Verabschiedung des Informationszugangsgesetzes tatsächlich eine Diskrepanz zwischen den Rechten aller Bürgerinnen und Bürger auf der einen Seite und denen der Abgeordneten, besteht. Hier hat der Gesetzgeber den Verfassungsgesetzgeber bereits überholt.

Eine Diskussion darüber kann und sollte im Rahmen einer allgemeinen Parlamentsreform erfolgen, die wir uns als GRÜNE mit unseren Partnern für diese Legislaturperiode vorgenommen haben. Wir werden dabei auch auf alle demokratischen Fraktionen zugehen. Alleingänge und Schnellschüsse, wie die AfD sie plant, sind mit uns GRÜNEN nicht zu machen. Die Verfassung ist kein Spielball. Wir wollen und brauchen hierbei einen breiten Konsens. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der SPD)

Ich sehe auch hierzu keine Nachfragen. - Demzufolge spricht für die CDU-Fraktion Herr Kurze. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Staatsorganisation ist im dritten Hauptteil der Landesverfassung von Sachsen-Anhalt geregelt. In den Artikeln 41 ff. unserer Landesverfassung ist der Landtag als Verfassungsorgan beschrieben. Im Speziellen regelt Artikel 53 der Landesverfassung das Frage- und Auskunftsrecht der Mitglieder des Landtages und die Aktenvorlage durch die Landesregierung.

Der vorliegende Gesetzentwurf der AfD-Fraktion beabsichtigt nun, die Absätze 3 und 4 des Artikels 53 neu zu regeln. Die bisherigen Absätze 3 und 4 lauten wie folgt - ich zitiere -:

„Die Landesregierung hat, wenn es mindestens ein Viertel der Ausschussmitglieder verlangt, zum Gegenstand einer Ausschusssitzung Auskünfte zu erteilen, Akten vorzulegen und Zugang zu öffentlichen Einrichtungen zu gewähren. Die Auskunftserteilung und die Aktenvorlage müssen unverzüglich und vollständig erfolgen.

Sie braucht dem Verlangen insoweit nicht zu entsprechen, als dadurch die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung oder Verwaltung wesentlich beeinträchtigt würde oder zu befürchten ist, dass

durch das Bekanntwerden von Tatsachen dem Wohl des Landes oder des Bundes Nachteile zugefügt oder schutzwürdige Interessen Dritter verletzt werden. Die Entscheidung ist zu begründen.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Vorredner der Koalition und auch unsere Ministerin sind schon darauf eingegangen, dass wir insgesamt die Regelungen in der Landesverfassung für ausreichend halten. Wir gehen davon aus, dass sich das, was darin geregelt ist und ich eben noch einmal zitiert habe, in der Vergangenheit bewährt hat und dass diese Dinge ausreichen. Auch wir wollen die Verfassung nicht mit einem Schnellsprung aufmachen. Wir wollen die Verfassung in dieser Legislaturperiode grundsätzlich nicht aufmachen. Das will ich noch einmal klar betonen.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegen von der AfD sprechen von Politikverdrossenheit. Ob die angebliche Politikverdrossenheit, die Sie feststellen, mit diesem Regelungsbedarf aus Ihrer Sicht zu tun hat, das ist nun die Frage. Wenn wir anschauen: Mit unserer Landtagswahl beginnend, bis heute, haben wir feststellen können, dass bei den Wahlen, die in Deutschland durchgeführt wurden, stets eine höhere Wahlbeteiligung zu verzeichnen war.

(Zuruf von Robert Farle, AfD)

Ich glaube, das ist kein Anzeichen von Politikverdrossenheit, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich glaube schon, dass die Menschen sich momentan mit der Politik, die in Deutschland läuft, intensiv auseinandersetzen.

Ob sie mit allem, was geregelt wird, einverstanden sind, das können wir von hier aus sicherlich nicht beantworten. Das beantworten die Wählerinnen und Wähler am Ende mit ihrer Wahlentscheidung. Diese bleiben entsprechend den Wahlterminen abzuwarten.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der sechsten Legislaturperiode in diesem Landtag eine umfangreiche Parlamentsreform durchgeführt. Das war wirklich ein Kraftakt, der am Ende mit großem Einvernehmen in diesem Parlament verabschiedet worden ist.

Wir als Koalition haben in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass wir an dieser Parlamentsreform weiterarbeiten wollen. Wir wollen dabei keine Schnellschüsse, sondern das muss in Ruhe vorbereitet und ausgiebig diskutiert werden.

Mit der Fortführung der Parlamentsreform werden wir sicherlich auch über Inhalte der Geschäftsord

nung reden. Dann werden wir schauen, ob wir unsere Beteiligungsrechte und die Rechte der Abgeordneten insgesamt noch weiter verbessern können, ob wir sie im Parlament noch weiter formen können; denn das Parlament ist für uns als Union maßgeblich der Ort in der Demokratie, an dem diejenigen, die direkt gewählt wurden, Demokratie leben. Das kann man Ende auch mit lebendigen Debatten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus diesen Gründen werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen. Wir sind mit den Regelungen - ich habe es gesagt -, die wir in unserem Land haben, derzeit zufrieden. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kurze, es gibt eine Frage oder Intervention des Abg. Herrn Farle, die ich jetzt zulassen würde.

Es ist nur eine Kurzintervention. - Ihnen ist zuzustimmen, dass die Wahlbeteiligung bei der letzten Landtagswahl um fast 10 % höher geworden ist. Daran ist die AfD sicherlich nicht unschuldig; denn sehr viele Stimmen aus dem Nichtwählerbereich haben für die AfD votiert. Deswegen sitzen wir hier im Parlament und freuen uns, dass wir aktiv an der Gestaltung des Parlaments teilnehmen können.

Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte, ist: Der Gesetzentwurf, den wir hier eingebracht haben, ist wortwörtlich deckungsgleich mit einer Regelung in der Landesverfassung von, ich glaube, Brandenburg.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Den haben Sie abgeschrieben!)