Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Diese Herstellung der Öffentlichkeit halten wir für eine Qualitätsverbesserung. Deswegen sind wir auch dafür, den Gesetzentwurf in den Ausschuss zu überweisen.

Auf diesen Gesetzentwurf trifft aus meiner Sicht tatsächlich das zu, was oft, wie ich finde, ein bisschen lapidar gesagt wird: Ich freue mich auf die Befassung und die Diskussion im Ausschuss. Denn in der Tat kann man an die Sache sehr unterschiedlich herangehen. Man kann die eine Sache stärker wichten als die andere. Aber ich meine, dass es tatsächlich zu einer fachlichen und qualitativen Diskussion hierüber kommen sollte.

Denn auch auf der Landesebene - das will ich zur Verdeutlichung sagen - haben wir als Politiker oftmals das Problem, dass Dinge aus dem eigentlichen politischen Raum ausgelagert werden, dann per Verordnung von der Verwaltung zu regeln sind und wir etwas abseitsstehen und sagen: Das hätte ich mir eigentlich ein bisschen anders gewünscht. Insofern ist die Richtlinien- und Satzungsproblematik analog zu der Vorgehensweise auf der Landesebene.

Wir GRÜNE sind immer dafür, möglichst oft und möglichst breit auch den politischen Raum einzubeziehen.

Zudem ist es für die Betroffenen einfacher. Wir haben gerade im SGB-II-Bereich nach wie vor sehr viele Klagen zu verzeichnen. Wenn eine Richtlinie erlassen worden ist, muss quasi jedes Mal im Einzelfall wieder bei einem Klageverfahren

der Gegenstand, die Richtlinie angesehen werden, weil diese quasi jeden Tag verändert werden kann.

Wenn wir eine Satzung haben und ein Fall ist einmal ausgeurteilt bzw. beurteilt worden, gilt das auch für folgende Fälle, wenn die Satzung in der vorliegenden Fassung nach wie vor gilt.

Das hätte also für die Betroffenen eine höhere Rechtssicherheit zur Folge und es hätte für die Gerichte natürlich auch eine Minimierung von Tatbeständen zur Folge, was, glaube ich, in diesem Land auch ein hoher Qualitätsgewinn wäre.

Über diese Fragen wird also zu reden sein. Ich darf auch ankündigen, dass ich zur Wohnsituation von ALG-II-Empfängern insgesamt - das war wirklich genau in dieser Zeit - eine Kleine Anfrage gestellt habe. Aus der Antwort darauf werden wir dann auch noch einmal aktuelles Material haben, was sicherlich wertvollerweise in die Beratungen im Ausschuss einfließen kann.

Worüber man auch diskutieren muss - das will ich der Ehrlichkeit halber abschließend noch dazu sagen, jetzt auch wieder in Replik auf Dessau -, ist die Tatsache, dass wir meinen, dass es jetzt schön möglich ist, direkt aus dem SGB II eine Satzung rechtskonform abzuleiten und in einem Stadtrat einer Kommune zu vollziehen. Ich möchte jetzt hier nicht den Beweis antreten oder darauf reagieren müssen, wenn jemand sagt, Dessau hätte rechtswidrig gehandelt.

Wir gehen davon aus, dass man das so ableiten kann und dass eine generelle Rechtssetzung von Landesebene nicht zwingend nötig ist. Sie würde die Dinge vereinfachen; das kann sein. Wenn man in seinem eigenen Kreistag oder Stadtrat nicht auf Wohlwollen stößt, könnte man sich auf die Landesregelung berufen. Insofern müssen wir darüber diskutieren.

Ich meine aber, dass es auch jetzt schon die Möglichkeit gibt. Da kann man wieder auf das Beispiel Dessau reflektieren. Insofern bin ich in diesem Fall tatsächlich auf die Ausschussberatungen gespannt und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Vielen Dank, Frau Lüddemann. Ich sehe keine Anfragen. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die SPD-Fraktion spricht der Abg. Herr Steppuhn.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Jetzt bin ich einmal gespannt!)

Sie haben das Wort, Herr Steppuhn.

Ich muss erst das Pult hochfahren.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Es ist doch schön, wenn alles so läuft!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Problemschilderung, die die Kollegin Hohmann hier vorgetragen hat, kann man, glaube ich, in Teilen folgen.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Danke!)

Nicht richtig ist aber aus meiner Sicht die Schlussfolgerung, dass wir aus Richtlinien jetzt Satzungen machen müssen. Ich will auch der Kollegin Lüddemann widersprechen, die sagte, dass Satzungen heute schon möglich sind. Genau das ist eben nicht der Fall, sondern das Gesetz sieht vor, dass es eine Landesgesetzgebung zum SGB II geben muss, um Satzungen zu ermöglichen.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Dann müs- sen Sie nach Dessau fahren! - Zuruf von Swen Knöchel, DIE LINKE)

Die Frau Ministerin hat in ihren Ausführungen schon einmal dargestellt - deshalb brauche ich das fachlich alles nicht zu wiederholen -, dass es bereits Stadtstaaten gibt, die Satzungen zulassen. Aber man muss wissen, dass es da völlig andere Voraussetzungen und Vorgehensweisen gibt.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Sachsen!)

Dann gibt es zwei Bundesländer, nämlich Hessen und Schleswig-Holstein, die explizit Satzungen zulassen,

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Sachsen auch!)

aber in den Kreisen wird davon kaum Gebrauch gemacht.

Wenn man sich dem Problem in der Gesamtheit nähert - das ist, glaube ich, auch das Problem, das dazu führt, dass wir wir von vielen Klagen vor den Gerichten Kenntnis erlangen -, stellt man fest, dass oft die gängige Praxis in den Kommunen - - Das Dilemma ist, wenn es um die Angemessenheit geht, dass das immer wieder ein Streitpunkt ist, weil die Formulierung „Angemessenheit“ ein aus meiner Sicht unbestimmter und dehnbarer Rechtsbegriff ist, der letztlich zu diesen Klagen führt. Deshalb wäre, glaube ich, der Ansatz der, dass man auch auf der Bundesebene Überlegungen anstellt, wie man auch dort unter Umständen zu Veränderungen kommen kann.

Ich will aber vielleicht zur Problemlage kommen. Deshalb bin ich sehr dafür, dass wir das auch in einem Fachgespräch im Ausschuss noch einmal tiefer mit allen Beteiligten erörtern, dass wir das also aufgreifen.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Das ist gut!)

Es ist, denke ich, richtig, dass wir uns mit dem Thema befassen, weil die Situation in der Tat unbefriedigend ist. Wenn wir zum Beispiel in einem Kreis Richtlinien haben und unterschiedliche Strukturen und Verhältnisse in den Städten haben - - Also, im Landkreis Harz haben wir in Wernigerode eine völlig andere Situation als in Quedlinburg oder zum Beispiel in Halberstadt, wo viel mehr Wohnraum zu günstigen Preisen zur Verfügung steht.

Deshalb glaube ich, dass es schon ein Problem ist, wenn zum Beispiel eine junge Familie, die mit Arbeitslosengeld II aufstockt, Nachwuchs bekommt, eine größere Wohnung braucht und dann zum Beispiel mit den Kosten für eine größere Wohnung nicht mehr klarkommt und vielleicht in der eigenen Stadt keinen Wohnraum findet, weil das Angebot nicht da ist.

Deshalb ist, glaube ich, die Problemlage dabei sehr vielschichtig. Sie haben auch vom Landkreis Harz berichtet. Wenn wir darüber reden, dass die Diskussion stattfinden soll, dann kann man das, denke ich, auch mit einer Richtlinie machen. Dazu braucht man keine Satzung.

Die Frau Ministerin hat auch vorgetragen, dass eine Satzung unter Umständen dazu führt, dass die Situation noch starrer wird und dass Veränderungsprozesse noch länger dauern als bei einer Richtlinie. Das möchte ich nicht. Ich bin aber trotzdem bereit, darüber zu reden.

Wenn wir über Richtlinien reden und die Diskussion führen und wir wissen, dass wir unterschiedliche Diskussionslagen auch in den Landkreisen und kreisfreien Städten haben, dann, glaube ich, kann man auch in einem Kreistag, wenn die Fraktionen das wollen, eine Diskussion über die Richtigkeit und über die Angemessenheit einer Richtlinie führen. Dem kann sich dann kein Landrat verweigern.

Deshalb setzen wir darauf, diese Debatte und diese Diskussion gemeinsam mit den Kommunen zu führen und dabei natürlich auch die Problemlage als Grundlage zu nehmen. Deshalb wäre unser Vorschlag, das im Ausschuss zu vertiefen.

Deshalb schlage ich vor, dass wir, wie es der Kollege Kolze schon vorgetragen hat, den Gesetzentwurf der LINKEN in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration zur federführenden Beratung und zur Mitberatung in den Finanzausschuss und in den Innenausschuss überweisen. Dann werden wir auf der Grundlage ein ordentliches Fachgespräch machen. Auf die Ergebnisse bin ich gespannt, Kollegin Hohmann. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Steppuhn. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt noch einmal Frau Hohmann. Sie haben das Wort, Frau Hohmann. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erst einmal ein Wort zur AfD: Als die Partei für den kleinen Mann haben Sie heute völlig versagt.

(Beifall bei der LINKEN - Sebastian Strie- gel, GRÜNE: Und für die kleine Frau!)

Herr Kolze, ich glaube, Sie sind aus Dessau, ja? Ich kann eigentlich nur sagen, Arroganz ersetzt keine Sachkenntnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Das, was Sie heute hier gesagt haben, ist Null zutreffend. Deshalb bin ich auch froh, dass Frau Lüddemann zur Rettung von Dessau gesprochen hat; denn die haben erkannt, welcher Vorteil in der Gesamtangemessenheitsgrenze liegt. Die haben es auch sofort umgesetzt, obwohl sie es nicht gedurft hätten; denn Satzungen dürfen nun einmal nur auf der Grundlage von Landesgesetzen erlassen werden.

(Zuruf von Jens Kolze, CDU)

- Doch, natürlich. Im SGB II ist es genauso - -

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Warum ma- chen es dann die Sachsen?)

- In Sachsen - das hat die Frau Ministerin vergessen - hat man das. Ich habe mir auch die Anhörungsprotokolle mit den Stellungnahmen zum Gesetzentwurf in Sachsen angesehen und durchweg positive Meinungen gefunden.

Dass die Satzungen noch nicht so der Renner sind, hat damit zu tun, dass bis zum letzten Jahr bei den SGB-II-Gesetzen, bei den KdU-Richtlinien, entweder die Produkttheorie - da kam man nicht drum herum - angewendet wurde, oder man konnte auch sagen, wir nehmen die Pauschale. Das waren die beiden Möglichkeiten.

Durch das Vereinfachungsgesetz, das erst seit Sommer 2016 in Kraft ist, haben wir jetzt eine Möglichkeit, Gesamtangemessenheitsgrenzen einzuziehen. Das haben wir jetzt erst, seit gut einem halben Jahr. Deshalb können auch die Satzungen noch nicht so der Run sein.