Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Um von der Kapitalertragsteuer betroffen zu sein, müssen die Bürger unseres Landes normalerweise erst einmal eines tun, nämlich sparen.

Wer in Deutschland spart, der tut dies in der Regel, indem er bei der Arbeit hart verdientes Geld beiseitelegt. Dieses Geld muss natürlich am Ende des Jahres erst einmal versteuert werden. Der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer liegt in Deutschland bei 42 %. Dazu kommt dann noch der Krankenkassenbeitrag, der der Höhe des Einkommens angepasst ist. Des Weiteren kommen der Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls die Kirchensteuer hinzu. Rechnet man diese Positionen zusammen, sollte es schon fast 50 % ergeben.

50 % sind aber nichts zu dem, was mit den LINKEN möglich wäre. Zu DDR-Zeiten hat man den Selbständigen mit einem Steuersatz von sage und schreibe 90 % in die Tasche gegriffen. Aus diesem Grund habe ich auch immer kein gutes Gefühl, wenn ich Anträge der LINKEN in der Hand habe, in denen es um Steuererhöhungen geht.

(Zustimmung bei der AfD)

Aber, liebe LINKE, eines ist klar: In Deutschland wird es nie wieder einen Steuersatz von 90 % für Selbständige geben. Dafür werden wir kämpfen; darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei der AfD)

Nun, meine Damen und Herren, viele Menschen in unserem Land haben begriffen, dass sie sparen und selbst vorsorgen müssen, um im Alter ein würdiges Leben führen zu können. Ausgerechnet diese Sparer würden aber mit der Änderung der Kapitalertragsteuer einer höheren Steuerbelastung unterworfen werden.

Berechnungen der Wirtschaftsprüfungsgesell

schaft KPMG haben ergeben, dass es vor allem die Besserverdiener treffen würde, die auch schon am Ende des Jahres sehr hohe Einkommensteuer zahlen müssen. Die Besserverdiener

sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft. Es sind die, die sehr oft einen sehr langen Bildungsweg gehen mussten, wie zum Beispiel Ärzte.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Oh ja!)

Es trifft also auch den Mittelstand und nicht nur die Reichen, die mehrere Millionen besitzen, die Ihnen Kapitalerträge erwirtschaften.

Die Berechnungen der KPMG ergaben im Gesamten ein uneinheitliches Bild. Darum möchten wir eine Überweisung in den Ausschuss beantragen, um dort die Angelegenheit tiefgründiger beraten zu können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Es gibt keine Fragen. Ich danke dem Abg. Büttner für die Ausführungen. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Meister. Herr Meister, Sie haben das Wort.

Danke schön. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Steuerpolitik ist nicht nur eine durchaus schwierige und komplexe Angelegenheit. Sie greift auch tief in die Verhältnisse des einzelnen Menschen ein und ist für die Frage, wie unsere Gesellschaft funktioniert, von ausschlaggebender Bedeutung. Deshalb war ich überrascht, dass eine Dreiminutendebatte für dieses generelle Thema angesetzt wurde. Die Entscheidungen des Ältestenrates sind manchmal unergründlich.

(Eva Feußner, CDU: Na, na, na! - Zuruf: Weise!)

- Um Gottes Willen, weise, auf jeden Fall weise. Es sind ja auch sechs Minuten geworden. Der Minister hat ja dafür gesorgt, diesen Ausgleich zu schaffen.

Wichtig ist, dass die öffentliche Hand so ausgestattet ist, dass sie die vielfältigen hinzukommenden Aufgaben - von sozialer und innerer Sicherheit über die Bereitstellung von Infrastruktur und Bildung bis zur Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen - auch leisten kann - wir wollen eben keinen Nachtwächterstaat -, und zwar ohne über Schulden die Lasten auf die nächste Generation zu verschieben und natürlich immer mit der kritischen Frage, ob die einzelne Ausgabe auch nötig ist und wirtschaftlich erfolgt.

Die andere Frage ist, wer in welchem Umfang zur Finanzierung herangezogen wird. Damit kommen wir zur Steuergerechtigkeit. Es gilt der Grundsatz, dass jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu den gesellschaftlichen Kosten heranzuziehen ist. Eine Privilegierung bestimmter Ein

kommen gegenüber anderen muss daher sehr gut begründet sein.

Die Frage, die sich zum Thema des Antrages der Abgeltungssteuer stellt, lautet daher: Wieso sollte das Einkommen, das aus Kapitalerträgen erzielt wird, anders, nämlich privilegiert, behandelt werden als zum Beispiel das Einkommen aus der Arbeitsleistung?

Ehrlich gesagt, sehe ich hierfür systematisch keinen überzeugenden Grund. Kapitalerträge sind gerade sozial nicht schutzwürdiger als Arbeitseinkommen. Sie fallen vielmehr naturgemäß verstärkt bei Personen mit hohem Einkommen und Vermögen an. Gerade diese Personengruppe im Verhältnis zu der übrigen Bevölkerung steuerlich zu privilegieren, ist nicht unsere Vorstellung von Steuergerechtigkeit.

Der Grund der vorliegenden Privilegierung war jedoch etwas anderes. Der Antrag deutet es an: Man wollte insbesondere Steuerflucht verhindern.

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Das haben Sie gesagt!)

- Ja, gut. Empirische Belege, dass dies tatsächlich gelungen ist, gibt es bislang nicht. Der Austausch von Steuerdaten, national wie international, ist mittlerweile weiter ausgebaut worden, sodass eine effektive Besteuerung auch so möglich ist bzw. möglich wird. Das Ausweichen in Steueroasen ist schwieriger und seit staatlichen CDAnkäufen auch gefährlicher geworden.

Die als Abgeltungsteuer erhobene Kapitalertragsteuer wird dem ursprünglichen Anspruch unserer Auffassung nach nicht gerecht und steht unter dem Aspekt der Steuergerechtigkeit zu Recht in der Kritik. Dies geht letztlich zu Lasten einer intakten Gesellschaft.

Angesichts der sich weiter öffnenden Schere zwischen Arm und Reich muss es uns ein Anliegen sein, unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt zu bewahren und zu stärken. Wenn wir uns dieser Notwendigkeit verschließen, besteht das nicht unerhebliche Risiko, dass sich wachsende Teile der Bevölkerung entkoppeln. Die Folgen solcher Entwicklungen können wir im Ansatz im gegenwärtig aufstrebenden Populismus betrachten. Dessen Ursachen sind vielfältiger; das ist mir klar. Aber ich glaube durchaus, dass diese Problematik mit dazu gehört.

Um dieser Tendenz entgegenzutreten, gilt es, Steuergerechtigkeit und die Ausgestaltung unseres Steuersystems zu überdenken. Eine Kapitalertragsteuer an sich ist ein wichtiger Bestandteil eines gerechten Steuersystems. Es ist jedoch zu hinterfragen, ob die derzeitige Ausgestaltung angemessen ist, und es ist zu erörtern, wie wir die Kapitalertragsteuer zukünftig gestalten.

Ich habe mich gefreut, dass sich der Finanzminister bei der Frage eine offene Diskussion, einen offenen Prozess genauso vorstellen kann und über diese Frage eine Diskussion führen möchte.

Die Meinungen in der Koalition zu dem Antrag gehen - das ist deutlich geworden - durchaus auseinander. Aus den von mir dargelegten Gründen beantragen wir, den Antrag in den Ausschuss für Finanzen zu überweisen. Dort können wir dann über die weiteren Dinge trefflich diskutieren. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt keine Fragen. Ich danke Herrn Meister für die Ausführungen. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Heuer. Herr Abg. Heuer, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Erst einmal muss ich sagen, dass der Finanzminister mir die Argumente fast alle vorweg genommen hat.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der LINKEN hat, wie ganz klar herausgekommen ist, das Ziel, die Kapitaleinkünfte wieder der progressiven Einkommensteuer zu unterwerfen. Wie bei der ständigen Forderung nach einer Vermögensteuer wird auch in diesem Fall versucht, die vermeintlich Reichen stärker zu belasten.

Werte Kolleginnen und Kollegen der LINKEN! Wie definieren Sie denn den Begriff reich?

(Ulrich Thomas, CDU: Genau! - Zustim- mung bei der AfD)

Wo beginnt das Reichsein, bei einem Bruttojahreseinkommen von 50 000 €, 100 000 € oder bei 86 000 €, wofür Sie in Ihrem Programm wieder einen Spitzensteuersatz von 53 % fordern oder gar die Reichensteuer von 60 % ab 260 000 €? Von den 75 % bei 1 Million € will ich gar nicht reden.

Sie sagen, dass Einkünfte aus Kapitalerträgen privilegiert seien. Sie scheinen zu vergessen, dass angelegtes Geld bereits der Einkommensteuer unterlag. Deshalb sind diese Einkünfte eigentlich benachteiligt.

Hinzu kommt, dass im Falle der Abschaffung der Abgeltungsteuer auch viele kleinere Einkommen stärker belastet würden. Denn bereits bei einem zu versteuernden Einkommen - der Finanzminister sagte es bereits - von 16 071 € in der Einzelveranlagung bzw. bei 32 142 € bei der Zusammenveranlagung wird der Grenzsteuersatz von 25 % überschritten, sofern die Einkünfte aus Kapi

talvermögen die Pauschbeträge von 801 € bzw. 1 602 € übersteigen.

Auch Dividenden aus Unternehmensgewinnen werden doppelt besteuert, da diese ebenfalls bereits entweder bei Unternehmern bzw. den Anteilseignern der Einkommensteuer oder bei den Kapitalgesellschaften der Körperschaft- bzw. der Gewerbesteuer unterlagen.

Unter den noch 28 EU-Staaten liegt Deutschland bei der Besteuerung von Kapitalerträgen auf Platz 24. In nur vier Ländern der EU also werden Kapitalerträge stärker besteuert als bei uns in Deutschland.

Somit hätte die Abschaffung der Abgeltungssteuer nicht nur eine zusätzliche Belastung der Menschen, sondern auch negative Auswirkungen auf die Altersvorsorge zur Folge, von den höheren Verwaltungskosten ganz zu schweigen.

Des Weiteren unterstellen Sie, dass die Lockerung des Bankgeheimnisses die Abgeltungsteuer obsolet macht. Das ist mitnichten der Fall. Es hat nach wie vor eine große Bedeutung bei der Sicherung der Privatsphäre der Menschen.

(Zustimmung von Eva Feußner, CDU)

Die CDU-Fraktion hätte heute gern Ihren Antrag abgelehnt. Jedoch bestand in der Koalition ein Dissens. Darum können wir im Ausschuss weiter diskutieren, Herr Knöchel. Jedoch wird mit der CDU eine Abschaffung der Abgeltungssteuer zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu machen sein. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Ulrich Thomas, CDU: Sehr gut!)

Da es keine Fragen gibt, danke ich dem Abg. Heuer. - Als letzter spricht der Abg. Herr Knöchel für DIE LINKE. Herr Abg. Knöchel, Sie haben das Wort.

Eigentlich wollte ich uns Zeit schenken; denn der Dissens steht nun einmal im Raum und wir wollten darüber diskutieren. Aber das Koreferat des Kollegen Farle, das mit viel steuerrechtlicher Kenntnis vorgetragen wurde, hat mich veranlasst, noch einmal nach vorn zu gehen.

Herr Farle, richtig, Sie haben erfasst, worum es geht. Aber Sie haben unseren Antrag nicht gelesen. Stimmt es?