Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Uns ist nun noch ein Antrag der LINKEN vorgelegt worden, der diese Dinge noch einmal in ähnlicher Form auffasst. Um mit dem Highlander zu sprechen: Es kann nur einen geben.

(Kristin Heiß, DIE LINKE, lacht)

Es ist sinnvoll, nur einen dieser Anträge zu beschließen. Wir als Koalition neigen dazu, den unsrigen zu nehmen, und werden dementsprechend den anderen Antrag ablehnen. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Ulrich Thomas, CDU, und von Ministe- rin Prof. Dr. Claudia Dalbert)

Es gibt keine Nachfragen. Ich danke Herrn Meister für die Ausführungen. - Wir kommen damit

zum Tagesordnungspunkt 6 b). Die Einbringung des Antrages erfolgt durch den Abg. Herrn Lange von der Fraktion DIE LINKE. Herr Lange, Sie haben das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das können wir dann jetzt immer so machen, Herr Meister: Ich kündige im Parlament etwas an und die Koalition reagiert mit einem eigenen Antrag darauf, der gar nicht mal so schlecht ist. Ich finde diese Arbeitsteilung gar nicht so schlecht. Ich könnte schon mit einer Liste dessen kommen, was wir alles noch so einbringen müssten.

(Beifall bei der LINKEN - Ulrich Thomas, CDU: Angekündigt hat es ein anderer! Ich habe in meiner Rede schon angekündigt, was wir machen werden! Das können wir nachlesen! - Siegfried Borgwardt, CDU: Es muss Vordenker geben!)

- Das können wir wirklich nachlesen. Das war in der Einbringungsrede. Als Sie das mit der Störerhaftung dazwischengerufen haben, habe ich gesagt: Dazu bringen wir beim nächsten Mal einen Antrag ein. Das finden wir im Protokoll heraus, Herr Thomas.

Jetzt aber im Ernst. Die Störerhaftung ist ein Ärgernis, das Deutschland zu einer Free-WiFiWüste gemacht hat. Freien Internetzugang über einen WLAN-Router eines anderen ist in den meisten Ländern gang und gäbe. Es ist ein Service in Bars, in Cafés, in Restaurants, in Hotels oder auch einfach eine Freundlichkeit von privaten Initiativen. Aber auch Vereine und Verbände, staatliche Institutionen, Kommunen sind in vielen Ländern dabei, einen freien WLAN-Zugang zum Internet anzubieten.

Wer schon einmal eine SMS mit den Preisen bekommen hat, die verlangt werden, wenn man via Roaming mobil ins Netz gehen möchte, der kennt die oft horrenden Preise für wenige Megabyte. Dann ist man oft froh, wenn man über einen freien WLAN-Zugang die neuesten Nachrichten aus der Heimat lesen kann, mit der Familie kommunizieren kann oder einfach nur so im Netz surfen kann.

Das gilt in Deutschland übrigens auch für alle Mobilfunkkunden, zum einen wegen des schlechten Netzausbaus, zum anderen aber eben auch wegen der geringen Datenmengen zu hohen Preisen. Einen freien Zugang zum Internet zu haben, das gehört zu den Grundrechten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Nachdem die Abmahnkanzleien ein sehr gutes Geschäft mit der Störerhaftung und auf Kosten der WLAN-Betreiber gemacht haben, hat man die Folgen gesehen:

Freies WLAN gibt es kaum. Als Reaktion darauf hat der Bundestag einem nur halbherzig geänderten Telemediengesetz zugestimmt. Die Folge ist, dass es zwar keine Abmahnungen geben soll, dass jedoch WLAN-Betreiber bei Rechtsverstößen von Nutzern zur Unterlassung verklagt und durch die Gerichte verurteilt werden können. Die Kosten dafür müssen weiterhin die WLANBetreiber tragen. Das ist ein Risiko, das nur wenige auf sich nehmen.

Meine Damen und Herren! Unsere Anträge zielen darauf ab, einen echten freien Zugang zum Netz zu ermöglichen und die Störerhaftung abzuschaffen - ohne erzwungenen Passwortschutz, ohne Registrierung, ohne komplizierte Vorschaltseiten. Und siehe da: Gestern hat Frau Zypries einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgestellt; Herr Meister ist schon darauf eingegangen.

Aber unsere Anträge unterscheiden sich in einem sehr wichtigen Punkt: Wir kritisieren die Netzsperren, die angeordnet bzw. gefordert werden können.

Meine Damen und Herren! Den freien Netzzugang durch Netzsperren privater Anbieter zu blockieren, das ist schon ein starkes Stück. Es widerspricht dem demokratischen Ansatz des Internets, es ist aber auch eine erneute Überforderung der WLANBetreiber. So müssen eventuelle Gerichtskosten weiterhin von diesen getragen werden, eventuell müssen neue Router angeschafft werden, weil der interne Speicher nicht ausreicht.

Wirksame Netzsperren zu programmieren ist zudem voraussetzungsvoll. Insbesondere die Gefahr des Overblockings ist massiv gegeben, da Anwälte von Rechteinhabern durch formlose Schreiben Netzsperren erwirken können und sich WLANBetreiber nicht auf das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung einlassen werden.

Insbesondere Portsperren können zum Overblocking führen, da auch legale Anwendungen betroffen sind. So werden über BitTorrent LinuxDistributionen angeboten, und das völlig legal. Auch Videostreamingdienste oder Skype können von diesem Overblocking betroffen sein. Das führt die Idee des freien Netzzugangs ad absurdum, meine Damen und Herren. Rechtssicherheit sieht anders aus.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wenn man weiß, dass Netzsperren auch umgehbar sind, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit.

Meine Damen und Herren! Die Netzsperren werden zu Aufwand-, Kosten- und Rechtsunsicherheit für WLAN-Betreiber führen. Ob damit das Ziel nach mehr freiem WLAN in Deutschland erreicht wird, ist daher fraglich.

Wir fordern daher, den Irrweg der Netzsperren nicht zu beschreiten. Die Störerhaftung gehört abgeschafft, ohne Wenn und Aber; es braucht endlich Rechtssicherheit für jeden freien WLANBetreiber.

Jetzt noch einmal zu Ihrem Antrag, Herr Meister. Die Koalition geht in ihrem Antrag auch auf die Förderung von Freifunk und auf die Selbstverpflichtung des Landtags ein, auch hier freies WLAN anzubieten. Das finden wir absolut unterstützenswert.

Nun zu Ihrer Aussage, es könne nur einen geben.

(Olaf Meister, GRÜNE, lacht - Zurufe von der LINKEN)

Ich finde, damit sind Sie ein bisschen zu sehr im Schwarz-Weiß-Denken verhaftet, obwohl Sie GRÜNE sind.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Grün-weiß!)

Es sind zwei selbstständige Anträge, die hier vorliegen, die auch unterschiedliche Akzente setzen. Einen Akzent, den Sie setzen, habe ich genannt, den wir auch unterstützenswert finden. Deswegen werden wir natürlich beiden Anträgen zustimmen können, weil Ihrer ganz in Ordnung ist, unserer aber wegen der Netzsperren auch gut und insbesondere gut ist.

(Zurufe von der LINKEN)

Ich bitte Sie einfach um Zustimmung auch zu unserem Antrag, wenn Sie die Gefahren der Netzsperren genauso sehen wie wir.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt keine Anfragen. - Für die Landesregierung spricht nun Minister Herr Prof. Dr. Willingmann. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Schönen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Anträge mit großer Überschneidung in den Inhalten liegen vor. Sie werden gleich feststellen, dass auch die Landesregierung wesentliche Aspekte teilt. Das mag ein Stück weit an der Dynamik des Prozesses liegen; denn in der Tat ist gestern auch die Bundesregierung in dieser Angelegenheit aktiv geworden.

Ich versuche, es ein bisschen zu strukturieren, nach den verschiedenen Anliegen, die verfolgt werden. Die Unterstützung von freiem und öffentlichem Wireless Local Area Network, also WLAN, wie wir es nennen, und auch von Freifunkinitiativen ist der Landesregierung ein wichtiges Anlie

gen. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hat es entsprechende Landtagsbeschlüsse gegeben; auch der Koalitionsvertrag unterstützt das Anliegen.

Wie sieht es nun aktuell in Sachsen-Anhalt aus? - In Sachsen-Anhalt gibt es derzeit schon weit mehr als 1 500 WLAN-Access-Points, davon mehr als 1 000, die über Freifunkinitiativen auf den Weg gebracht wurden.

Zum letzten Sachsen-Anhalt-Tag im September 2016 in Sangerhausen hat das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung ein offenes WLAN-Netz mit Förderung auf den Weg gebracht.

Zurzeit ist eines unserer wichtigen Projekte in diesem Zusammenhang das Luther-WLAN. Ebenfalls mit Förderung durch das Ministerium entstehen derzeit in der Lutherstadt Wittenberg, in der Lutherstadt Eisleben, in der Lutherstadt Mansfeld, in Stolberg und in Allstedt offene und kostenfrei zugängliche WLAN-Netze, eben LutherWLAN, von denen nicht nur die Besucher und Touristen zum Reformationsjubiläum, sondern dauerhaft die Bürgerinnen und Bürger profitieren sollen. Immerhin mussten sich die Betreiber verpflichten, diese Netze mindestens fünf Jahre lang vorzuhalten, wenn sie gefördert wurden.

Die aktuelle WLAN-Landschaft in Sachsen-Anhalt lässt sich als positives Zwischenergebnis charakterisieren. Es ist zugleich für uns Ansporn für weitere Ausbauaktivitäten. Deshalb gibt es eine entsprechende Förderrichtlinie, die wir mit 2 Millionen € ausstatten wollen, um das Entstehen weiterer Netze in den Städten und Gemeinden unseres Landes auf den Weg zu bringen.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Hauptaugenmerk sind dabei stark frequentierte öffentliche Plätze, touristische Ziele, Kultureinrichtungen. Die Freifunkinitiativen des Landes wollen wir - das wurde bereits erwähnt - mit einem speziellen Förderprogramm ebenfalls unterstützen. Zurzeit sind dafür Mittel in Höhe von 100 000 € eingeplant. Wir gehen davon aus, dass beide Programme noch im Frühjahr 2017 zur Verfügung stehen und damit mehr Dynamik in den Prozess kommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei unseren Initiativen ist die aktuelle Rechtslage in der Tat nicht unproblematisch. Es ist heute zwar leicht möglich, öffentliche WLAN-Netze im öffentlichen Raum, in Gaststätten, Einkaufszentren, Museen und Sportstätten zu errichten und zu betreiben, aber dies ist mit dem einen oder anderen rechtlichen Risiko verbunden. Deshalb ist das Unbehagen, das in beiden Anträgen, die heute hier vorgestellt wurden, zum Ausdruck kommt, für uns nachvollziehbar.

Wir müssen vor dem Hintergrund des Antrags der Fraktion DIE LINKE insbesondere das Urteil des EuGH vom September 2016 heranziehen, McFadden versus Sony, mit dem zwar die Änderung des zweiten Telemediengesetzes vorgenommen wurde, jedoch keine vollständige Rechtssicherheit erreicht wurde.

Der gestern vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung ist insoweit ein deutlicher Fortschritt; diese Novellierung führt jedenfalls dazu, dass die Störerhaftung weitestgehend zurückgedrängt wird.

Deshalb ein Wort zu den Netzsperren, damit man sich das noch einmal klar macht: Netzsperre bedeutet, dass der Rechteinhaber verlangen kann, dass der Betreiber eines WLAN-Netzes bestimmte Inhalte sperrt, sodass sie nicht mehr heruntergeladen werden können.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung schränkt dies in doppelter Weise nunmehr ein, indem erstens eine Sperre erst nach bereits begangener Rechtsverletzung, also im Wiederholungsfall, eingefordert werden kann und dies zweitens nur bei entsprechender Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit der Sperre möglich sein soll. Darüber wird man im weiteren Verfahren noch reden müssen, aber es ist jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung.

Darüber hinaus - das wurde bereits erwähnt - enthält der Gesetzentwurf wichtige Dinge, die den Betrieb von WLAN und öffentlichem WLAN künftig erleichtern. Die Entlastung von Kostentragungsgesichtspunkten, also Pflichten etwa im Zusammenhang mit Abmahnungen, und zugleich der Verzicht auf Verpflichtungen, den Nutzer zu registrieren, Passwörter auszugeben oder Dienste einzustellen, sind wichtige Signale.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Gesetzgebungsverfahren wird auch noch einmal den Bundesrat erreichen. Wir werden uns dort als Landesregierung im Sinne beider Anträge einbringen. - Vielen Dank.