Protokoll der Sitzung vom 07.04.2017

Vielen Dank. Es gibt eine Nachfrage von Frau Feußner. - Bitte, Frau Feußner.

Frau Bull-Bischoff, ich habe Ihre Rede aufmerksam verfolgt. Sie haben versucht zu begründen, warum ein Teil Ihrer Fraktion den Antrag, den Stasi-Untersuchungsausschuss einzusetzen, ablehnt bzw. - das haben Sie zum Ende Ihrer Rede gesagt - dafür stimmen wird.

Nein, der Stimme enthalten.

Oder sich der Stimme enthalten. - Für mich war es trotzdem nicht nachvollziehbar. Sie haben versucht darzustellen, dass Ihre Partei absolute Aufklärung möchte und ein Untersuchungsausschuss mehr oder weniger nur einen Tunnelblick einnimmt und nur einen Teil der Vergangenheit aufgreift.

Erstens möchte ich Sie fragen, Sie haben als Partei nie in diesem Untersuchungsausschuss mitgearbeitet und wissen gar nicht, was dieser Ausschuss eigentlich bewirken will und wie er arbeitet. Er hat nämlich nicht nur diesen Tunnelblick. Es geht nicht nur allein um die Mitgliedschaft beim MfS, sondern weit darüber hinaus. Er hat genau diese Aufarbeitung im Blick.

Zweitens, wenn Sie wirklich für diese Aufklärung sind und sagen, Sie wollten alles komplexer behandeln, dann ist das genau ein Schritt dorthin -

(Zustimmung von Daniel Szarata, CDU, von Silke Schindler, SPD, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

genau ein Schritt dorthin! - zu sagen, wir lassen uns überprüfen. Wenn Sie sagen, wir haben sowieso nichts zu verbergen, weil wir uns angeblich in der Öffentlichkeit vor Parteitagen und überall schon sozusagen klar dazu bekannt haben, dann sehe ich kein Problem, warum man sich nicht noch einmal durch einen solchen Untersuchungsausschuss überprüfen lassen kann - keine Ahnung -, wenn man so ehrlich miteinander umgeht. Dann, kann man sagen, kommt man in eine Diskussion über Schuld und Sühne, wie Sie es darstellen wollten.

Erklärlich, begründbar, ist das für mich nicht. Vielleicht können Sie mir das noch ein bisschen erhellen.

Zunächst zu dem differenzierten Abstimmungsverhalten. Das kann ich ganz einfach machen,

weil ich finde, dass meine Begründung, die ich vorgetragen habe, sowohl in eine Enthaltung münden kann als auch in eine Ablehnung.

Das ist klar.

Dann will ich sagen, die Art und Weise der Regelüberprüfung muss man messen an dem, was danach passiert ist, wie sozusagen die Debatten danach erfolgt sind.

Sie waren noch nie dabei, als Partei.

Die Debatten danach waren öffentlich, Frau Feußner. Darf ich ausreden?

(Eva Feußner, CDU: Ja!)

Deswegen habe ich gesagt, ein solcher Ausschuss oder die Arbeit dieses Ausschusses muss sich daran messen lassen, welche öffentlichen, welche parlamentarischen Debatten sich im Anschluss daraus ergeben haben. Dazu habe ich eine ganze Menge gesagt, dass sich diese Debatten, wie Sie gesagt haben, lediglich auf Schuld und Sühne, auf „schuldig“ und „unschuldig“ begrenzt haben.

Deswegen sage ich, diese Form der Auseinandersetzung bringt kaum eine differenzierte Betrachtung auf den Weg, weil das Komplexe, was ich gesagt habe, SED, Blockpartei, FDJ, dort kaum eine Rolle spielt und im Übrigen auch im Parlament zumindest im Zuge dieser Art von Aufarbeitung keine Rolle gespielt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Feußner, Sie haben eine Nachfrage?

Ich habe noch einen Satz.

Ach so, Entschuldigung, Sie waren noch nicht fertig.

Ja, Sie haben recht, man könnte sagen, es ist der erste Schritt. Wenn es der erste Schritt wäre und andere folgten, dann würde ich sagen, Ihre Argumentation stimmt, aber genau diese anderen Schritte haben gefehlt.

Deswegen denken wir, es führt zu einem Tunnelblick. Das sind Erfahrungen aus 27 Jahren.

Eine kurze Nachfrage, Frau Feußner? - Ja.

Stimmen Sie vielleicht mit mir darin überein, wenn man nicht einmal an dem Ausschuss teilnimmt und nicht genau diesen Blick mit verfolgt, aber im Nachhinein einen solchen Ausschuss in seinen Darlegungen kritisiert, dann ist das, glaube ich, ein bisschen unfair. Das funktioniert so nicht. Wenn man sich selbst nicht an der Aufklärung beteiligt und dann sagt, die Aufklärung gefällt mir nicht - diese Argumentation ist schier etwas schräg.

Nein, das finde ich nicht. Ein Ausschuss, ein Arbeitskreis muss sich daran messen lassen, was er im Anschluss daran zutage fördert

(Zuruf von Eva Feußner, CDU)

bzw. welche Diskussionen geführt werden. Allein die Anlage, der Auftrag des Ausschusses ist nicht dazu angelegt, tatsächlich die Komplexität von Verstrickungen aufzudecken.

(Beifall bei der LINKEN - Eva Feußner, CDU: Doch!)

Ich denke, wir sollten jetzt nicht in einen Dialog eintreten. Es gibt zwei weitere Nachfragen. Möchten Sie diese beantworten?

Das ist einmal Herr Lehmann und danach Herr Szarata. Herr Lehmann, bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Bull, würden Sie mir zustimmen, dass es nicht wichtiger oder mindestens genauso wichtig ist, nachzuforschen, wer gegenwärtig in der heutigen Gesellschaft von den Parlamentariern zu einem heutigen Dienst gehört und im Parlament sitzt,

(Eva von Angern, DIE LINKE: Das ist jetzt nicht Ihr Ernst!)

als nachzuforschen, wer zu einem Dienst in einem Staat gehörte, der seit 30 Jahren nicht mehr existiert?

(Beifall bei der AfD - Zurufe von der AfD: Richtig! - Jawohl!)

Frau Bull-Bischoff, bitte.

Herr Lehmann, dahinter steht implizit die Behauptung, Geheimdienste von heute seien mit der Stasi vergleichbar. Nun wissen Sie, dass meine Partei eine extrem kritische Position auch zur Geheimdiensttätigkeit heute hat. Dennoch muss ich konstatieren, dass Geheimdiensttätigkeit heute unter demokratischen Spielregeln - wenngleich ich sie gern sehr viel anders ausgestaltet wissen möchte - in ganz anderen Zusammenhängen stattfindet als zu Zeiten der DDR.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. - Herr Szarata, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Kollegin, Sie haben bewiesen, wie man ein sehr hartes Thema in einer Rede ganz schön weichspülen kann. Aber das soll nicht meine Frage sein.

Aus der Erfahrung, die ich hier nicht allzu lange sammeln durfte, muss ich feststellen, dass DIE LINKE zu den Parteien gehört, die zu jedem noch so unwichtigen Antrag einen Änderungsantrag stellt, Alternativanträge stellt, die bei jedem kleinen Verdacht von irgendetwas, ob sich Gerichte schon damit beschäftigt haben oder nicht, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss fordert, weil diese Frage nach Schuld und Sühne unheimlich wichtig ist.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Beispiele!)

Wenn es aber um Ihre eigene Vergangenheit geht, ist der parlamentarische Untersuchungsausschuss

(Zuruf von der LINKEN: Untersuchungs- ausschuss!)

oder ein Untersuchungsausschuss an sich auf einmal nicht mehr gut genug. Dann muss es noch mehr sein. Aber dann, wenn es mehr sein soll, frage ich mich: Warum tragen Sie nicht dazu bei?

(Eva Feußner, CDU: Genau!)

Warum fordern Sie nicht noch mehr und sagen nicht nur, wir müssten mehr machen? Machen Sie es doch! Stellen Sie einen Antrag, dass noch viel, viel mehr beleuchtet wird! Dann können wir uns gern darüber unterhalten, und sagen Sie nicht, na ja, das beleuchtet nur einen Teil der Geschichte; das ist uns zu wenig. Dann machen Sie mehr!

(Beifall bei der CDU und bei der AfD)

Frau Bull-Bischoff.