Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

(Heiterkeit)

Jetzt sind wir auch fast - - Nein, jetzt sind wir beschlussfähig. Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Wir steigen ein in den

Tagesordnungspunkt 22

Zweite Beratung

Europäische Verantwortung wahrnehmen - Keine Abschiebungen nach Afghanistan

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/702

Beschlussempfehlung Ausschuss für Inneres und Sport - Drs. 7/1518

(Erste Beratung in der 17. Sitzung des Landtages am 15.12.2016)

Für den Ausschuss ist der Berichterstatter Herr Kohl; der hat hiermit das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 7/702 mit dem Titel „Europäische Verantwortung wahrnehmen - Keine Abschiebungen nach Afghanistan“ überwies der Landtag in seiner 17. Sitzung am 15. Dezember 2016 zur Beratung und Beschlussfassung in den Ausschuss für Inneres und Sport.

Die antragstellende Fraktion möchte erreichen, dass der Landtag die Landesregierung auffordert, sich auf der Ebene des Bundes dafür einzusetzen, dass Deutschland die Länder Italien und Griechenland durch die Aufnahme eines noch zu bestimmenden Kontingents an Geflüchteten entlastet.

Außerdem soll die Landesregierung aufgefordert werden, Abschiebungen von Geflüchteten aus Afghanistan gemäß § 23 Abs. 1 oder hilfsweise gemäß § 60a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auszusetzen.

Schließlich soll die Landesregierung gegenüber dem Bundesminister des Innern darauf dringen, dass er sein Einverständnis gegenüber den Bundesländern für eine Aufenthaltsgewährung aus humanitären Gründen gemäß § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes für Geflüchtete aus Afghanistan erklärt und dass Geflüchteten aus Afghanistan angesichts hoher Schutzquoten den Zugang zu Integrationskursen mit Beginn des Asylverfahrens ermöglicht wird.

Der in Rede stehende Antrag stand auf der Tagesordnung der 8. Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport. Noch bevor die Tagesordnung beschlossen wurde, sprach sich der Ausschuss mehrheitlich dafür aus, diesen Antrag von der Tagesordnung zu nehmen. Zur Begründung wurde angeführt, dass auf der Ebene der Koalitionsfraktionen eine Einigung hierzu erzielt wurde, jedoch noch an der Formulierung eines Beschlussvorschlags gearbeitet wird, der der Komplexität des Problems gerecht wird.

Diesen Beschlussvorschlag legten die regierungstragenden Fraktionen dem Ausschuss für Inneres und Sport vor, sodass er sich in seiner 11. Sitzung am 8. Juni 2017 erneut mit dem Thema befassen konnte.

Mit 7 : 5 : 0 Stimmen folgte der Ausschuss für Inneres und Sport mehrheitlich diesem Beschlussvorschlag.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport liegt Ihnen in der Drs. 7/1518 vor. Im Namen des Ausschusses für Inneres und Sport bitte ich um Ihre Zustimmung.

Danke. Ich sehe keine Wortmeldungen für Fragen an den Berichterstatter. - Bevor wir in die Debatte einsteigen, möchten wir ganz herzlich begrüßen Damen und Herren der Seniorenunion Thale. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im ganzen Hause)

In der Debatte spricht für die Landesregierung der Minister Herr Stahlknecht. - Herr Stahlknecht verzichtet.- Dann spricht für die SPD-Fraktion Frau Schindler.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie der Berichterstatter des Ausschusses schon ausgeführt hat: Die Koalitionsfraktionen haben sich mit dieser Beschlussempfehlung ein wenig schwer getan. Wir haben lange miteinander darum gerungen, einen Kompromiss zu finden. Es ist vielleicht auch nicht unerwartet und nicht verwunderlich, dass auch bei diesem Thema die Koalitionsfraktionen in ihren eigenen Parteien inhaltlich auseinander liegen.

Deshalb begrüße ich aber trotzdem die gefundene Beschlussempfehlung, und die SPD-Fraktion

steht zu dieser Beschlussempfehlung.

Sie nimmt auch die aktuelle Situation, die in Afghanistan herrscht, wahr. Wir als SPD-Fraktion nehmen diese Situation ernst. Vor diesem Hintergrund sehen wir natürlich jetzt auch die Einigung, die auf der Ebene der Bundesregierung zu Beginn des Monats gefunden wurde, dass auf die aktuelle Situation in Afghanistan reagiert wurde, indem nämlich bis auf einzelne Ausnahmefälle die Abschiebung nach Afghanistan ausgesetzt wird, bis eine neue Einschätzung der Sicherheitslage in Afghanistan vorliegt.

Genau dieses ist auch Inhalt unserer Beschlussempfehlung unter Punkt 3, in dem wir schreiben, die Sicherheitsbewertung zu Afghanistan soll ständig aktualisiert werden, und daraufhin sollen Entscheidungen zur Abschiebung getroffen werden.

Hier ist es auch von besonderem Interesse, dass bundesweit eine einheitliche Regelung gefunden wird. Sonst könnte es wie ein Flickenteppich sein. Natürlich können die obersten Landesbehörden in Einzelfällen zu Abschiebungen die Ausnahme ermöglichen. Aber hierbei wäre es wichtig, dass wir eben zu einer einheitlichen Regelung in der Bundesrepublik kommen.

Vor der Abschiebung erfolgt in jedem Einzelfall eine lange Prüfung zu den Asylanträgen. Wir wissen, dass jeder Asylantrag ein Einzelfall ist und eine Einzelbewertung durchgeführt werden soll. Bei einem abgelehnten Asylantrag ist es dann auch wiederum noch eine Einzelfallentscheidung, ob eine entsprechende Abschiebung verfügt wird oder nicht.

Ich stehe zu den Worten, die ich gerade erst in einem Fernsehbeitrag über Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration gehört habe. Dort sagte eine Entscheiderin: Ich habe nach den objektiv vorliegenden Voraussetzungen über den Asylantrag zu entscheiden, nicht danach, ob mir die Person sympathisch ist oder ob sich der Mensch in der Zwischenzeit schon intensiv in Deutschland integriert hat, das wäre Willkür, sondern ich muss objektiv nach den vorliegenden Tatsachen entscheiden. Genauso erfolgt es auch bei den Abschiebungen. Darum bitten wir um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keinen Bedarf an Nachfragen. Deswegen können wir in der Debatte fortfahren. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Quade. Bevor sie das allerdings tut, wollen wir ganz herzlich begrüßen Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Osterburg, heute schon die zweite Be

suchergruppe aus der Altmark. - Ganz herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Quade, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Frau Schindler, Sie geben mir sicherlich recht, dass die Terroranschläge in Afghanistan auch Fakt und Realität sind, die wir zur Kenntnis nehmen müssen.

Meine Damen und Herren! Im Dezember letzten Jahres brachte ich hier für meine Fraktion den Antrag „Keine Abschiebungen nach Afghanistan“ ein. Ich zitierte die aktuelle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Ich legte dar, dass Afghanistan vieles ist, aber nicht sicher; daran hat sich nichts geändert.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun brauchen wir nicht über die AfD und ihre Haltung dazu zu reden. Aber auch Herr Erben machte sich damals darüber lustig, dass ich die gleichen Sicherheitsmaßstäbe wie für Deutsche auch für Afghaninnen und Afghanen, die aus Sachsen-Anhalt abgeschoben werden, anlegen will. Ja, in der Tat, das wollen wir. Sie überwiesen jedenfalls den Antrag in den Innenausschuss; dort lag er dann.

Kurz nach der ersten Behandlung hier Plenum gab es die erste Sammelabschiebung unter Beteiligung Sachsen-Anhalts. Im Innenausschuss passierte lange Zeit nichts, obwohl die KeniaKoalition den Antrag ja mit Verweis auf einen enorm hohen Beratungsbedarf dorthin überwiesen hatte.

Ein ums andere Mal haben Sie die Behandlung dieses Antrages vertagt. Einmal wurde er von der Tagesordnung genommen, weil die Zeit nicht so drängt, dann mussten sich die Koalitionsfraktionen einigen. Irgendwann gab es dann eine Beschlussvorlage.

Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Neben der an sich skandalösen Entscheidung, Afghanistan als unsicher für Deutsche, aber sicher genug für Afghaninnen und Afghanen zu behandeln, weil die ja bloß Opfer und nicht Ziel von Anschlägen seien, ist auch dieser parlamentarische Umgang mit dem Antrag schlichtweg verantwortungslos.

Es gibt mittlerweile eine Entscheidung des Bundes - darauf ist verwiesen worden - nach dem letzten schweren Anschlag in Kabul, zunächst mit Rücksicht auf die organisatorische Situation am Flughafen in Kabul, mittlerweile mit der Aussicht auf eine Neubewertung der Sicherheitslage, vorübergehend keine Abschiebungen nach Afghanistan stattfinden zu lassen. Und - auch das muss

man erstmal schaffen -: Die in der letzten Innenausschusssitzung beschlossene Beschlussempfehlung bleibt sogar hinter dieser Regelung auf der Bundesebene noch zurück. Sie ändert nichts, aber auch wirklich gar nichts an der Situation.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN und von der SPD! Ich habe viele Beiträge nach den ersten Sammelabschiebungen aus Sachsen-Anhalt von Ihnen gelesen, dass sie traurig waren über die Abschiebungen, dass Ihnen das nahegeht, dass Sie das bewegt, dass Sie ein Moratorium fordern, dass auch Sie für eine Neubewertung der Sicherheitslage sind. Das glaube ich Ihnen alles. Das Problem ist nur: Das nützt denjenigen, die abgeschoben worden sind, rein gar nichts; das wissen Sie auch.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass in Koalitionen Kompromisse gemacht werden müssen, ist klar. Die Art und Weise, wie schleppend und debattenlos Sie zu dieser Beschlussempfehlung gekommen sind, ist enttäuschend. In der Tat ist diese Kenia-Koalition mittlerweile eher eine Afghanistan-Koalition. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Striegel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Quade, ich wünschte mir auch, wir könnten hier heute zu einer deutlicheren Beschlussfassung kommen, aber ich muss zur Kenntnis nehmen, dass wir dafür Mehrheiten in diesem Hause brauchen und dass diese Mehrheiten eben aus Kompromissen entstehen. Ich meine, wir brauchen für Afghanistan einen sofortigen und umfassenden Abschiebestopp. Dorthin darf niemand abgeschoben werden. Ich sage aber auch: Um die politische Mehrheit dafür müssen wir kämpfen; die können wir nicht einfach herbeidefinieren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Afghanistan ist kein sicheres Land. Das machen die Bombenanschläge der letzten Tage und Wochen noch einmal deutlich.