Protokoll der Sitzung vom 24.08.2017

Herr Stahlknecht, Sie können das wirklich gut. Ich staune immer wieder. Das war eine sehr schöne Antwort, wie Sie die Frist von zehn Jahren begründet haben.

(Zustimmung von Florian Philipp, CDU)

Das hat das Gericht genannt.

(Zuruf von Silke Schindler, SPD)

Gerade darum ist unser Antrag nicht obsolet. Denn wir wollen eine dreijährige Frist. Aber die zehn Jahre wollen wir nicht mehr. Wir wollen, wenn ein Kanal gebaut wurde, eine Verpflichtung zur Abrechnung innerhalb von drei Jahren nach dem BGB.

(Zuruf von Silke Schindler, SPD)

Das ist viel weniger. Das ist durchschaubar. Wer seine Aufgaben jahrelang nicht erfüllt hat und einen Kanal nicht abgerechnet hat, der hat eben Pech gehabt. So sieht es aus.

(Zustimmung bei der AfD)

Also ist unser Antrag nicht obsolet.

DIE LINKE gibt hier nur ein trauriges Bild ab. Sie sagen immer, Sie würden etwas im sozialen Bereich für die Leute tun. Aber Sie haben heute wieder einmal gezeigt, dass das eigentlich nur ein Spruch ist. Die Information, dass vieles schon aus DDR-Zeiten Bestand hat, habe ich nicht erfunden. Es hat mir erst jemand in der letzten Woche berichtet, dass sein Kanal zu Zeiten des Dritten Reiches angelegt wurde. Ich habe leider keine Redezeit mehr und muss das beenden. Aber das ist tatsächlich abgerechnet worden, und die Leute haben mir das berichtet. Das ist leider so. Dagegen werden wir uns in Zukunft immer weiter wehren, bis diese Praxis beendet wird.

(Beifall bei der AfD)

Da es keine Fragen gibt, kommen wir zum Abstimmungsverfahren. Ich konnte keinen Antrag auf Überweisung des Antrages vernehmen. Somit stimmen wir direkt über den Antrag in der Drs. 7/1743 ab. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die AfDFraktion und die fraktionslose Abgeordnete. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Gibt es Stimmenthaltungen. - Die sehe ich nicht. Somit ist der Antrag abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt 16 ist erledigt. Der Tagesordnungspunkt 17 wurde zurückgezogen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 18

Erste Beratung

Sofortprogramm 3 mal 200 zur Verbesserung des Schulerfolgs

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/1752

Einbringer ist der Abg. Herr Lippmann. Für die Debatte ist eine Redezeit von drei Minuten je Fraktion vorgesehen. - Herr Lippmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in unserem Land schon von jeher das Problem, dass viel zu viele Schülerinnen und Schüler ohne Schulerfolg bleiben und letztlich an unserem Schulsystem scheitern.

Zu Beginn der 2000er-Jahre hatte sich diese Fehlentwicklung schon so weit zugespitzt, dass damals bereits jeder siebente Schüler die allgemeinbildenden Schulen ohne regulären Abschluss verlassen hatte. Und das, obwohl doch fast alle diese Kinder einmal als hoffnungsvolle und erwartungsfrohe Abc-Schützen gestartet sind, so wie vor 14 Tagen wieder mehr als 18 000 Schulanfänger. Auch von diesen jüngsten Schulkindern werden in zehn Jahren wieder 2 000 mit leeren Händen dastehen, und noch einmal 2 000 werden über einen Hauptschulabschluss nicht hinauskommen, wenn wir nicht endlich entschlossen und wirksam gegensteuern.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, können und das dürfen wir uns nicht weiter leisten, nicht im Interesse der Heranwachsenden, denen wir sonst die Chancen für ein selbstbestimmtes Leben verbauen, und nicht im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes, deren Fachkräftebasis wir durch mangelhafte Bildung zusätzlich beschneiden.

Noch in den Jahren 2008 und 2009 war die Situation bei den Schulabschlüssen absolut dramatisch. Damals erreichte ein Anteil von fast 30 % eines Altersjahrgangs keinen Realschulabschluss, während der Anteil der Abiturienten auf etwa 23 % abgesackt war. Damals sprach zwar noch niemand davon, das Problem des Schulversagens zur Chefsache zu machen, gleichwohl wurde aber konkret gehandelt.

In den nachfolgenden sieben Jahren von 2009 bis 2016 gab es dann auch eine durchaus bemerkenswerte Entwicklung. Der Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss konnte zwar nur leicht, der Anteil der Absolventen mit Hauptschulabschluss konnte dafür aber deutlich gesenkt werden. In der Summe ist in dieser Zeit der Anteil der Jugendlichen, die insgesamt keinen Real

schulabschluss erreichten, von knapp 30 % im Jahr 2009 auf unter 20 %, also um ein Drittel, gesunken. Gleichzeitig hat sich der Anteil der Abiturienten von vormals 23 % auf inzwischen über 30 % erhöht.

Diese Entwicklung ist erfreulich, und sie war dringend geboten. Es sind dies allerdings die Ergebnisse, die in den Jahren vor dem Schuljahr 2013/ 2014 erarbeitet wurden, als die Schulen noch keine bedarfsmindernden Maßnahmen zu ertragen hatten, die Unterrichtsversorgung bis zu 105 % betrug und im Umfang von bis zu 400 Vollzeitstellen das Bildungsangebot an Grund- und Sekundarschulen durch erweiterte schulische Angebote, die sogenannten ESA-Stunden, verstärkt wurde.

Es sind auch die Jahre, in denen das Programm „Produktives Lernen“ an den Sekundarschulen entwickelt und das ESF-Programm „Schulerfolg sichern“ ins Leben gerufen wurden.

Und es sind die Jahre, als nach dem Beschluss der EU-Behindertenrechtskonvention und der einstimmig beschlossenen Empfehlung des Bildungskonvents mit dem schrittweisen Übergang von der sonderpädagogischen Förderung in Förderschulen zur Förderung im gemeinsamen Unterricht in Regelschulen begonnen wurde.

Diese Maßnahmen, die unter Herrn Olbertz auf den Weg gebracht und von Herrn Dorgerloh zumindest noch teilweise weitergeführt wurden, waren also geeignet, dem massenhaften Schulversagen Mitte der 2000er-Jahre wirksam entgegenzutreten.

Ab dem Beginn der letzten Legislaturperiode begannen sich die Erfolge dieser Maßnahmen nach und nach einzustellen. Denn grundlegende Änderungen und Korrekturen im Schulsystem benötigen in der Regel drei bis fünf Jahre, bis sie ihre Wirkungen entfalten.

(Angela Gorr, CDU: Genau!)

Als verantwortlicher Politiker erntet man also, zumindest soweit es die Schulen betrifft, in der ersten Amtszeit nie die Früchte der eigenen Arbeit, sondern beerbt stets seine Vorgänger, im Guten wie im Schlechten. Erfolge fallen nicht vom Himmel und Misserfolge eben auch nicht. Beides entsteht durch entsprechende Rahmenbedingungen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Leider musste uns der MP heute Nachmittag verlassen. Die nachfolgenden Ausführungen richten sich weitgehend an ihn persönlich.

(Minister Marco Tullner: Wir richten es ihm aus!)

- Davon gehe ich fest aus. - Wenn also jetzt der Ministerpräsident die sich wieder verschlechtern

den Abschlussergebnisse zur Chefsache erklären will, dann hat er aus unserer Sicht dafür sehr gute Gründe. Denn er beginnt jetzt gerade damit, die Ernte seiner eigenen Regierungspolitik aus der letzten Legislaturperiode einzufahren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden zunehmend Missernten sein.

(Hardy Peter Güssau, CDU: Das ist aber Verkürzung!)

Denn seit fünf Jahren, seit dem Schuljahr 2013/ 2014, wurden und werden die Arbeits- und Lernbedingungen an den Schulen massiv verschlechtert. Das gerade angelaufene Schuljahr stellt dabei mit einer noch nie dagewesenen Unterversorgung den bisherigen traurigen Höhepunkt dar.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir also unseren Ministerpräsidenten und die Ankündigung seiner Chefsache ernst nehmen wollen, dann kann ich nur dazu auffordern, den Leuten nicht zu erzählen, dass sich an den beklagenswerten Zuständen irgendetwas ändern wird, wenn er einfach nur mal persönlich genauer hinschaut und vorbeischaut, wie es im Sommer in der Zeitung zu lesen war. Die Schulen brauchen ganz gewiss keinen Oberpädagogen, der ihnen sagt, wie sie ihren Job zu machen haben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sie brauchen einen Landesvater, der klug genug ist, die Wirkungszusammenhänge zu erkennen, statt sie ständig zu leugnen und zu verdrängen, und der politisch erfahren und verantwortungsvoll genug ist, um endlich die notwendigen Kurskorrekturen vorzunehmen. Ich kann nur an die Landesregierung und an die Koalition appellieren: Wachen Sie auf und lassen Sie den wortreichen Erklärungen und Versprechungen endlich die notwendigen Taten folgen.

Mit unserem Antrag liegt alles auf dem Tisch, was für diese Chefsache gebraucht wird. Denn Schulerfolg entsteht ausschließlich durch die Menschen, die ihn sich gemeinsam erarbeiten, durch die Schülerinnen und Schüler auf der einen und die Lehrkräfte, die pädagogischen Mitarbeiterinnen und die Schulsozialarbeiterinnen auf der anderen Seite.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Die Eltern soll- ten aber ein bisschen mithelfen!)

- Ich komme gleich dazu, Herr Borgwardt, ich hoffe, Sie folgen mir gut. Ich versichere Ihnen an dieser Stelle noch einmal, dass derzeit 1 500 Pädagogen für eine solide und angemessene Ausstattung der Schulen fehlen. Wenn die Pädagogen fehlen, dann führt dieser Mangel zwangs

läufig zu einer Verschlechterung des Schulerfolgs für einen Großteil der Schülerinnen und Schüler.

Allerdings betrifft dieser schwindende Erfolg nicht alle Schüler gleichermaßen. Der Mangel schadet vor allem den Schülerinnen und Schülern, die auf die Unterstützung in der Schule in besonderer Weise angewiesen sind, weil sie durch soziale Problemlagen in ihren Entwicklungsmöglichkeiten beeinträchtigt sind und damit sehr eng verbunden eben auch entsprechende Leistungsprobleme haben.

Starke Schüler bleiben starke Schüler in jedem System und auch unter widrigen Bedingungen, weil sie zu Hause Unterstützung haben. Aber die Schwachen bleiben einfach auf der Strecke, weil ihnen diese Unterstützung außerhalb der Schule fehlt.

(Beifall bei der LINKEN)