Protokoll der Sitzung vom 24.08.2017

Um es zusammenzufassen - ich möchte es wiederholen -: Ihr Antrag ist oberflächlich, nicht umsetzbar und schlichtweg reiner Populismus. Wir werden beim nächsten Plenum einen lösungsorientierten, tiefgreifenden Antrag einbringen, der das Problem wirklich löst, meine Damen und Herren. - Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei der AfD - Lachen bei den GRÜNEN)

Keine Fragen. Frau Frederking hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Strom gehört zur Existenzsicherung. Das Anliegen, Stromsperren zu vermeiden, halten wir für richtig. Denn die Folgen von

Stromsperren können besonders im Winter gravierend sein. Man muss nur daran denken, was passiert, wenn stromgesteuerte Heizungen ausfallen.

Ursachen von Stromsperren sind in den allermeisten Fällen soziale Probleme wie wenig Geld oder gravierende Änderungen der Lebensumstände. Deshalb soll ja der Antrag auch zur Mitberatung in den Sozialausschuss überwiesen werden.

Wir müssen gemeinsam vereinbaren, wie einkommensschwache Haushalte dauerhaft gestärkt werden können, sodass es nicht zur Energiearmut kommt. Denkbar sind für uns folgende Maßnahmen:

Versorger könnten zum Beispiel verpflichtet werden, im Vorfeld einer Stromsperre eine Ratenzahlungsvereinbarung anzubieten. Wenn Energieversorger Unregelmäßigkeiten bei der Zahlung feststellen, könnten sie von sich aus auch eine Energieberatung anbieten.

Wir halten jedenfalls nichts davon, dass der Energieversorger im ersten Schritt an die Sozialbehörden herantritt. Frau Ministerin Dalbert hat es ausgeführt. Im Übrigen müsste so eine Initiative natürlich immer erst von den Betroffenen selber ausgehen.

Es gibt bereits bestehende und gute Beratungsangebote von Verbraucherzentralen, Schuldnerberatungen, Wohlfahrtsverbänden. Diese sollten besser koordiniert werden, damit die Infos auch tatsächlich bei den Betroffenen ankommen. Es ist ganz besonders wichtig, dass bei der Schuldnerberatung die Umschuldung so erfolgt, dass Betroffene auch den Stromversorger wechseln könnten, um einen günstigeren Vertrag zu bekommen. Das ist heute nicht möglich. Wenn sie nicht kreditwürdig sind, können sie aus ihrem Grundversorgungstarif nicht aussteigen.

Es ist eine ganz, ganz wichtige Forderung, dass unabhängig von der Kreditwürdigkeit ein Wechsel zu einem günstigeren Anbieter für alle Verbraucherinnen und Verbraucher möglich sein muss.

Wir hatten es schon gesagt: Es ist in den allermeisten Fällen ein soziales Problem. Die Regelsätze für die Grundsicherung des Lebensunterhalts sollten auch angehoben werden, sodass immer eine Grundversorgung mit Strom sichergestellt werden kann.

Programme, die den Erwerb von energiesparenden Haushaltsgeräten für einkommensschwache Haushalte ermöglichen, sollen bestehen bleiben oder gegebenenfalls ausgebaut werden.

Ein Verbot von Stromsperren, so, wie es die LINKE fordert, ist nicht unbedingt zielführend. Wer fröhlich ausufernd Strom verbraucht und die ent

sprechende Rechnung ignoriert, kann sicherlich nicht erwarten, solch ein Verhalten bis Ultimo durchziehen zu können.

(Zustimmung von Dietmar Krause, CDU, und von Olaf Meister, GRÜNE)

Sympathien haben wir allerdings bezüglich des Vorschlags vom Bund der Energieverbraucher, Stromsperren in den Wintermonaten zu verbieten, um besondere Härten auszuschließen.

Sozialhilfeträger haben schon heute die Möglichkeit, zur Vermeidung einer Notlage, wie es eine Stromsperre ja ist, zu handeln. Bei einer Datenerhebung, wie sie in Punkt 1 des Antrages der LINKEN gefordert wird, wäre zu hinterfragen, ob heute von dieser Möglichkeit ausreichend Gebrauch gemacht wird.

Wir möchten den Antrag zur federführenden Beratung im Ausschuss für Umwelt und Energie und zur Mitberatung im Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung sehen. Denn an dem Erfolg der Energiewende sollen alle teilhaben können. Das bedeutet auch, dass die großen Energieversorger in größerem Umfang als bisher ihre Preisvorteile, die sie durch die gesunkenen Börsenstrompreise aufgrund der EEG-Umlage erzielen, auch an die Kundinnen und Kunden weitergeben. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sehe keine Wortmeldungen. Als nächste Rednerin spricht in der Debatte für die SPD-Fraktion Frau Schindler.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin mit meinen Überlegungen zu dem Antrag sehr nah bei Herrn Krull. Er sagte, dass wir einerseits natürlich bereits viele Regelungen haben, die Möglichkeiten aufzeigen, wie Stromsperrungen vermieden werden. An der Stelle bin ich auch sehr nah bei Ihnen, Frau Frederking. Im Vordergrund muss das Anliegen stehen, Stromsperren zu vermeiden.

Wie gesagt, die Stromgrundversorgungsverordnung hat im Zusammenhang mit dem SGB II viele Möglichkeiten. Es ist ein umfangreiches Regelwerk, das aufzeigt, wie die Unterbrechung der Stromversorgung durch den Grundversorger vermieden werden kann.

Es bedarf aber auch - so ist es von meinen Vorrednern auch schon gesagt worden - natürlich immer der Mitwirkung des Betroffenen. Die Fristen, die abgewartet werden, bis es zu einer Stromsperre kommt, hat Herr Krull schon sehr

ausführlich dargelegt. Das brauche ich an der Stelle nicht zu wiederholen.

Nimmt man den Antrag der LINKEN genau, stellt sich die Frage, wer kommt denn dann für die nicht bezahlte Rechnung auf. - Eine entsprechende Stromrechnung muss bezahlt werden, wenn keine Stromsperre verhängt werden soll. Ihr Antrag schweigt zu der Frage, wer zum Schluss für diese Stromrechnung aufkommen soll.

(Tobias Rausch, AfD: Richtig!)

Sie zielen immer darauf, dass es in vielen Fällen um Sozialfälle geht, aber nicht automatisch. Nicht jeder Zahlungsunfähige ist ein Sozialfall.

(Tobias Rausch, AfD: Richtig!)

Deshalb sollte das auch genau unterschieden werden.

(Zustimmung bei der AfD - Siegfried Borg- wardt, CDU: So ist das nämlich!)

Deshalb sagen wir zu Punkt 1 Ihres Antrages, in dem es darum geht, dass es eine Analyse der Istsituation und eine Datenbasis geben soll, hier kann es nicht darum gehen - hier sehe ich auch den Zusammenhang mit dem Datenschutz -, eine Analyse zu machen, die aufzeigt, wie es denn zu diesen Stromsperren gekommen ist. Denn das würde sehr intensiv in die rechtlichen Verhältnisse eines Stromkunden eingreifen. Da sehe ich sehr starke Bedenken. Und die Zahlungsunfähigkeit hat, wie gesagt, verschiedene Ursachen.

Genauso sehe ich bei Punkt 3 Ihres Antrages die Frage, inwieweit die Mitteilung erfolgen kann. Auch da habe ich rechtliche Bedenken, weil der Stromversorger den Betreffenden nicht einfach wegen Zahlungsunfähigkeit dem Sozialamt nennen kann, weil nicht jeder Zahlungsunfähige ein Sozialfall ist.

Trotzdem gilt es natürlich, dort Möglichkeiten aufzuzeigen, wie es jetzt schon die Stromgrundversorgungsverordnung und vor allen Dingen auch das SGB II vorsieht. Die Sozialbehörden arbeiten jetzt auch schon eng mit Betroffenen zusammen, vor allem mit den Wohnungsunternehmen, bei denen die meisten sozial Schwächeren wohnen. Von den Wohnungsunternehmen wird sehr eng mit den Sozialbehörden und mit den Jobcentern zusammengearbeitet, um eben dieses zu vermeiden, weil das Interesse darin besteht, den Zahlungsfluss zu erhalten.

In Ihrem Punkt 4 geht es um die Frage, inwieweit auch die Regelsätze einer entsprechenden Überprüfung bedürfen. Ich denke, es ist legitim, dieses zu hinterfragen und auch darüber zu diskutieren. Deshalb möchte ich mich der Überweisung in die betreffenden Ausschüsse, die von der CDU und

auch von den GRÜNEN schon beantragt wurde, anschließen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt keine Nachfragen. Zum Ende der Debatte hat Frau Eisenreich noch einmal das Wort. Bitte sehr.

Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen erst einmal für diese aufrichtige Debatte zu diesem Antrag. Ich habe gesehen, dass bei allem, über das zu diskutieren ist, die Botschaft angekommen ist, dass wir einen Themenbereich haben, über den wir unbedingt einmal diskutieren und für den wir Lösungsansätze bieten müssen.

Ich habe aber eine Frage, die eigentlich an alle drei Rednerinnen und Redner der Koalition geht. Deswegen habe ich sie nicht einzeln gestellt. Können Sie sich vorstellen, in welcher Situation Menschen sind, die unverschuldet zahlungsunfähig sind - ich rede nicht von denen, die das bewusst machen oder wie auch immer -, und wie groß die Scham ist, sich damit zu offenbaren? - Ich weiß nicht, ob es jemand von Ihnen erlebt hat.

Ich kenne das aus dem Bekanntenkreis. Fast jeden Tag wenden sich Menschen wegen dieser Problematik an mich. Die sagen zu mir, ich kann damit nicht zum Amt gehen; um Gottes Willen. Und ich kann auch nicht zum Energieversorgungsträger gehen und denen sagen, ich habe kein Geld. Das geht nicht; das schaffe ich nicht, obwohl die Situation so gravierend ist.

Ich glaube, genau diese Aspekte sollten wir bei unserer Diskussion in den Ausschüssen einfach einmal mit beleuchten: Wie können wir diesen Menschen dann tatsächlich diese Hemmschwelle nehmen - das ist eigentlich das Schwerste -, diese Beratungsleistungen, die es gibt - ich bezweifle nicht, dass es die gibt -, wirklich annehmen. Nicht jeder ist dafür gemacht; das sage ich ganz offen. Ich glaube, da müssen wir uns einmal gehörig zusammenreißen; denn es ist zu einfach gesagt, derjenige, den es betrifft, der soll sich einfach Beratung holen. Das funktioniert nicht immer.

Dessen ungeachtet ist eine ganze Menge gesagt worden. Wir haben übrigens nicht behauptet, dass Stromrechnungen nicht bezahlt werden sollen. Das stand nicht zur Debatte und zur Diskussion. Ich habe es nicht explizit als Punkt aufgeführt, weil wir vor allen Dingen von den Menschen ausgegangen sind, die tatsächlich Hilfe brauchen. Deswegen beinhaltet unser Antrag einen Punkt zu den Regelsätzen. Es geht um eine Erhöhung, damit Stromsperren frühzeitig vermieden werden

können, indem eine ausreichende Finanzierung sichergestellt wird.

Das sind jetzt nur noch einmal zwei Aspekte gewesen. Wir sind damit einverstanden, den Antrag wie vorgeschlagen in die Ausschüsse, also in den Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und Energie zur federführenden Beratung und in die Ausschüsse für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung sowie für Arbeit, Soziales und Integration zur Mitberatung zu überweisen. Ich hoffe auf eine sehr konstruktive Diskussion und ich denke, da werden wir Menschen hier im Land durchaus weiterhelfen. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Nachfrage gibt es offensichtlich doch. - Frau Frederking, bitte sehr. Und dann hat Herr Rausch auch noch eine Frage.

Frau Eisenreich, Sie haben uns eine Frage gestellt, die wir jetzt nicht mehr beantworten können. Aber mit Ihren Ausführungen haben Sie mich neugierig gemacht, was Sie sich vorstellen, was man mit Menschen machen soll, die keine Beratungsangebote annehmen können.

Ich meine, es gibt zum Beispiel die Wohlfahrtsverbände. Sie bieten nicht nur rein technische Beratung zum Energiesparen an, sondern die fangen auch die Menschen in ihrem sozialen Umfeld mit ihren psychologischen Belangen auf und versuchen, sie auch insgesamt an Beratung heranzuführen. Also ich weiß nicht, was Sie noch mehr wollen als das, was es heute schon gibt. Oder ich kann es mir nicht vorstellen. Deshalb meine neugierige Frage.

(Dr. Verena Späthe, SPD: Klären Sie das im Ausschuss!)

Der Zwischenruf ist korrekt. Natürlich ist das eine Sache, über die man im Ausschuss diskutieren muss, einfach auch aufgrund der Erfahrungen, die jeder jetzt vor Ort hat.