Vielen Dank. - Der Präsident hat mir netterweise erlaubt, dass ich meine persönlichen Abschiedsworte sozusagen in diese Debatte mit einbinde und daran anfüge. Ansonsten wäre ich noch einmal extra aufgestanden. Es passt aber auch sehr gut bei dem Thema europäische Regionen.
Ich bin jetzt 27 Jahre und 13 Tage Mitglied dieses Parlaments. Am 14. Oktober 1990 hat sich in Dessau der erste wieder frei gewählte Landtag konstituiert. Damals war ich jüngst Abgeordnete, Schriftführerin. Das war ein beeindruckender Moment,
muss ich sagen. Das war so etwas, was man erhebend nennt. Wenn man so jung ist, dann kriegt man das vielleicht gar nicht mit, aber in der Rückschau merkt man eben vieles, vor allen Dingen nach dem Herbst 1989, der noch sehr ungewiss war, und den großen Veränderungen, die sich Bahn gebrochen haben.
Diejenigen, die mich länger kennen, wissen, dass mein Herzblut über 27 Jahre immer der Wirtschaftspolitik gehört hat. Das wird auch immer so bleiben. Es war - das kann ich Ihnen sagen - am Anfang auch in der eigenen Fraktion nicht so einfach, dass eine junge Frau mit 25 Jahren gesagt hat, ich will für wirtschaftliche Entwicklung Politik machen. Man wurde, zumindest damals, schon eher gebeten, in den Sozialbereich zu gehen. Heute hat sich einiges verändert. Ich hoffe, dass es auch so bleibt, auch wenn weniger Frauen in den Parlamenten sind.
Ich habe das Thema damals deshalb gewählt, weil ich glaube, dass ein gutes Einkommen, eine gute, faire und gut bezahlte Arbeit die Grundlage für ganz vieles ist: für ein selbstbestimmtes Leben, für die Gründung einer Familie, für das Hierbleiben. Ich weiß, dass wir dabei heute, wenn überhaupt, auf halbem Wege sind und dass es noch ganz viel zu tun gibt, damit es in unserer Region hier so wird, dass die Menschen wieder hierher ziehen, anstatt wegzugehen und der Arbeit nachzuziehen. Daran müssen Sie hier arbeiten und ich will das gern auf anderer Ebene tun.
Es waren 27 Jahre ausgefüllt mit ganz vielen anspruchsvollen Themen in vielen Funktionen: als wirtschaftspolitische Sprecherin, als Ausschussvorsitzende, als Ministerin, als stellvertretende Fraktionsvorsitzende, als Fraktionsvorsitzende die letzten zehn Jahre, mit Erfolgen und Niederlagen, in Opposition und Regierungsverantwortung, auf der Parlamentsbank, auf der Regierungsbank.
Meine Kinder sind im Juli 1996 geboren. Im September des gleichen Jahres saß ich wieder hier im Landtag.
Familie und Beruf miteinander zu verbinden, auch anspruchsvolle, zeitfüllende Berufe, das ist ein Anspruch, den wir hier im Parlament, glaube ich, alle gemeinsam haben und worum wir in den nächsten Monaten wieder ringen werden. Ich wünsche dafür ein gutes Händchen.
Ich konnte das immer, weil es bei uns gute staatliche Rahmenbedingungen gab, noch aus dem Osten übernommen und weiterentwickelt, aber weil ich auch eine Familie und Freunde hatte, die das immer getragen haben. Das wünsche ich jedem, der hier in jungen Jahren im Parlament sitzt und diese Phase sozusagen hier mit erlebt. Dafür will ich auch Danke sagen, aber auch an die vielen Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter: die
verlässlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landtag, in der Landtagsverwaltung, in meiner Fraktion - mit vielen von ihnen habe ich angefangen -, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien.
Und was wären die Abgeordneten ohne ihre Mitarbeiter im Wahlkreisbüro. Ich will das an dieser Stelle einmal deutlich sagen: Sie sind unser verlängerter Arm - in Anführungsstrichen - in den Regionen vor Ort.
Ich hatte das Glück, 23 Jahre lang - das ist eine lange Zeit - eine Mitarbeiterin an meiner Seite zu haben, der ich vorbehaltlos vertrauen konnte und die meine Leidenschaft für sozialdemokratische Politik geteilt hat. Das ist eine lange Zeit und zeugt von einer tiefen Verbundenheit. Auch dafür will ich einfach einmal Danke sagen - weil denen selten von hier aus gedankt wird.
(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN, von Eva von Angern, DIE LINKE, und von Minister Marco Tullner)
In 27 Jahren passiert viel, auch politische Gewichte verschieben sich und gesellschaftliche Stimmungen ändern sich. Wir leben nach meiner Einschätzung in einer schwierigen Zeit.
Ich glaube, es sind große Verunsicherungen gewachsen. Zugehörigkeiten sind verloren gegangen, Zusammenhänge lösen sich auf, Gewissheiten verlieren sich. Ganz vieles verändert sich. Die Tonlage in der gesellschaftlichen Debatte hat sich verschärft.
Bundestagspräsident Schäuble hat das so beschrieben, dass die gesellschaftliche Situation zunehmend als ungemütlich empfunden wird. Das empfinde ich auch oft so, muss ich sagen.
Meine Damen und Herren! Demokratie ist die Kunst des Kompromisses. Sie ist anstrengend, verdammt anstrengend. Man bekommt selten, eigentlich nie, zu 100 % recht. Man muss die eigene Meinung mit der anderer messen und Mehrheiten respektieren lernen. Diese Mehrheiten sind dann aber eben auch legitim. Auch das muss man akzeptieren lernen.
Inhalte infrage zu stellen, nach vorn zu denken, etwas anderes zu wollen, ohne demokratische Entscheidungen in Gänze verächtlich zu machen, demokratisch zu streiten, aber dabei Regeln und Umgangsformen einzuhalten, das war vor 27 Jahren meinem Gefühl nach irgendwie selbstverständlicher. Es ist leider, meinem Empfinden nach, heute nicht mehr immer so.
Ich habe auch in diesem Hohen Haus in den letzten Jahren zunehmend das Gefühl bekommen, dass das Maß zumindest für mich an zu vielen Stellen überschritten ist.
Bundestagspräsident Schäuble hat das beschrieben, indem er mahnte: Niemand vertritt das Volk allein. Niemand hat den Volkswillen gepachtet. Volkswille entsteht in einer Demokratie im Parlament. Demokratie und Parlamentarismus, das ist ein hohes Gut. - Ja, das ist es.
(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU, bei der LINKEN, bei den GRÜNEN, von André Poggenburg, AfD, und von der Regierungs- bank)
Ich war heute Morgen in der Andacht, was ich nicht immer geschafft habe, aber heute habe ich es wieder geschafft. Mit einem Blick auf mich hat Herr Steinhäuser gesagt: Und jetzt das letzte Lied: Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist. - Das werde ich tun. Weiter hinten heißt es dann: im gelobten Land. - Das ist der Bundestag ganz sicher nicht.
Ich verabschiede mich also heute aus diesem Parlament und werde künftig die Ehre haben, unser Land im Bundestag zu vertreten. Ich freue mich auf diese Aufgabe und sage schlichtweg einfach Danke für 27 spannende politische Jahre.
(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Zu- stimmung bei der LINKEN, bei den GRÜ- NEN und von der Regierungsbank)
Danke schön. - Ich denke, im Namen aller Abg. Frau Budde für die geleistete Arbeit in diesem Parlament danken zu dürfen. Wir wünschen Frau Budde in Berlin, im Bundestag, viel Erfolg und viel Kraft, sodass sie weiterhin ihre politische Arbeit und ihre politischen Ziele verfolgen kann.
Jetzt noch einmal, Frau Budde, wollen Sie noch Fragen beantworten oder sagen Sie, Sie möchten nicht.
Ich würde sagen, für mich war das ein gutes Schlusswort. Ich werde mich mit Ihren Kollegen sicherlich in Berlin über das eine oder andere Thema auseinandersetzen, aber das ist auch Inhalt einer demokratischen Debatte.
Gestatten Sie mir, dass ich heute an diesem Punkt einfach Schluss mache und keine Fragen mehr beantworte.
Alles klar. Vielen Dank, Frau Budde. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Poggenburg. Herr Poggenburg, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Werte Abgeordnete! Das Thema Europäische Union heute als Aktuelle Debatte aufzumachen, ist sehr zu begrüßen. Dieses Thema ist allerdings so umfänglich und komplex - wir haben es schon gerade gemerkt -, dass wir es hier, in dieser Debatte, auch wieder nur anreißen und keinesfalls erschöpfend behandeln können.
Zuallererst sollten wir bei diesem Thema den Versuch einer Begriffsdefinition vornehmen. Auf vielen Politikfeldern meint man heute nämlich, über das Gleiche zu sprechen, redet aber eigentlich völlig aneinander vorbei.
Kommen wir daher erst einmal zu dem Begriff „Europa“. Europa ist ein Kontinent - das wissen wir. Europa ist allerdings auch die Summe der einzelnen Nationalstaaten, der gemeinsamen bewegten, teils glorreichen, teils düsteren Geschichte.
Es ist in weitestem Sinne auch eine Werte- und Schicksalsgemeinschaft. Ja, es ist ebenso ein gewisser Machtfaktor und Taktgeber auf dieser Welt, wirtschaftlich, militärisch und anderweitig.
Ich unterstelle, dass bis hierhin Konsens unter den hier Anwesenden und insoweit auch ein klares Bekenntnis zu einem gemeinsamen Europa herrscht.
Kommen wir nun aber zum Begriff, zum sehr strapazierten Begriff „Europäische Union“. Die Europäische Union, die EU, ist nichts Natürliches, nichts automatisch aus langer Leidensgeschichte Gewachsenes
Die EU ist vor allem in ihrer heutigen Form, gipfelnd in der Euro-Währungsunion und im ständig vorangetriebenen Zentralismus, zuallererst ein ideologisches Konstrukt, welches in dieser Art wissentlich - ich betone: wissentlich - und berechnend gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung, zumindest der Deutschen, installiert und von oben vordiktiert wurde.
Die EU in ihrem Istzustand ist nichts weiter als ein Instrument der Knebelung von Nationalstaaten, der Ausbeutung einzelner Völker und der Gleich
macherei, welches der Umverteilung von unten nach oben Vorschub leistet und die Vielfalt der oft kultur- und traditionsreichen Nationalstaaten lieber heute als morgen hinwegfegen möchte. Das ist die EU, werte Abgeordnete.
Die von ihren meist - meist - linken Jublern als moderne und einzig gangbare europäische Zukunft gepriesene EU ist mit ihrem, wie ich ganz klar feststellen muss, postkommunistischen Zentralismuscharakter tatsächlich ein Konstruktionsversuch von vorgestern.
Werte Abgeordnete! An dieser Stelle könnten die Ansichten hier im Saal vielleicht doch schon ein klein wenig auseinandergehen. Das ist nicht schlimm.
Egal, wie man zur EU steht, völlig egal: Fakt ist, dass diese teils undemokratisch und unter Anwendung von unsauberen Winkelzügen konstruierte Union - ich erinnere nur an die Aufnahme von Griechenland in die Währungsunion - mit ihrem Anspruch von Diktat und Einmischung den Frieden und das zuträgliche Miteinander in Europa nicht sicherstellen konnte, sondern immer öfter Grund für Konflikte jeglicher Art zwischen den einzelnen Nationalstaaten ist.
Wer heute, wie die AfD, für ein friedliches Europa der Vaterländer steht, der lehnt heute auch den Moloch EU aus ganzer Überzeugung ab.
Nun haben wir zumindest hinsichtlich unserer Begriffsdefinition, des Begriffsverständnisses, erst einmal Klarheit geschaffen und Sie wissen, wovon die AfD spricht, wenn sie über Europa und die EU diskutiert.