Protokoll der Sitzung vom 23.11.2017

(Beifall bei der LINKEN)

Ob sich durch die Anhebung der Altersgrenze vom 65. Lebensjahr auf das 67. Lebensjahr das durchschnittliche Rentenzugangsalter und auch die durchschnittlichen Beitragszeiten erhöhen werden, lässt sich hier nur schwer sagen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein breiter Teil unserer Anfrage beschäftigte sich mit der Entwicklung der Einkommen vor dem Beginn der gesetzlichen Altersgrenze und mit den zu erwartenden Renten. Leider lagen zu Erstem keine Angaben vor. Dennoch haben wir Daten zur Einkommenssituation der 60-Jährigen und älter bekommen. Auch diese Information war sehr aufschlussreich.

Der Median, also der Mittelwert in der Statistik, zeigt uns das monatliche Bruttoarbeitsentgelt von Vollbeschäftigten in Sachsen-Anhalt, also auch in den Landkreisen und kreisfreien Städten an. Während der Median im Jahr 2015 in Sachsen-Anhalt bei 2 573 € lag, gab es in den kreisfreien Städten eine Entwicklung oberhalb des Wertes des Landes. Halle und Magdeburg liegen dicht beieinander mit 2 902 € bzw. 2 906 €. Schlusslicht bildet der Landkreis Anhalt Bitterfeld mit 2 349 €. Obwohl es in der Börde oder im Landkreis Harz die geringste Arbeitslosenquote gibt, profitieren die Vollbeschäftigten der Altersgruppe 60 plus nicht bei den monatlichen Bruttoarbeitsentgelten. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Rente.

Deshalb wollten wir in einem nächsten Fragenkomplex wissen, wie sich die durchschnittlichen Renten in Sachsen-Anhalt entwickelt haben. Man konnte am deutlichsten erkennen, welche Auswirkungen unter anderem mit der Absenkung des Rentenniveaus, mit der Einführung der geringfügigen Beschäftigung oder auch mit der Ausweitung des Niedriglohnsektors einhergingen. Lag der durchschnittliche Rentenzahlbetrag im Jahr 2015 bei den Bestandsrenten für Männer bei 1 114,82 €, so erhielten Neurentner erstmals im gleichen Jahr nur 964,84 €. Das ergibt eine Differenz von 149,98 €. Bei den Frauen ergibt sich für diesen Zeitraum ein Plus von 8 €. Hierbei kommt unter anderem die Mütterrente zum Tragen.

Schaut man sich dann noch den Kaufkraftverlust der letzten 15 Jahre an - dieser lag bei rund 26 % - verändern sich diese Ergebnisse nochmals sehr stark. Der DGB-Rentenreport Sachsen-Anhalt 2017 beziffert für den durchschnittlichen männlichen Bestandsrentner zwar nominal ein Plus von 81 €, aber real einen Verlust von 187 €. Frauen standen dagegen im Jahr 2015 kaufkraftbereinigt lediglich 73 € mehr zur Verfügung.

Bei den Neurentnerinnen und Neurentnern zeigt sich eine ähnliche Situation. Die männlichen Neurentner haben gegenüber dem Jahr 2000 einen Kaufkraftverlust von 205 € zu bewältigen, während es bei den Neurentnerinnen im Jahr 2015 kaufkraftbereinigt 2 € weniger als im Jahr 2000

sind. Damit ist klar, dass auch der aktuelle Mindestlohn von 8,84 € nicht ausreicht, um ein materiell abgesichertes Leben zu führen, geschweige denn, ausreichend für das Alter vorzusorgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für beides ist eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns auf 12 € erforderlich.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sprach vorhin davon, dass die durchschnittlichen Beitragszeiten im Jahr 2015 im Land bei 41,99 Jahren lagen. Darin sind auch die Bezieherinnen und Bezieher, die mit Abschlägen in die gesetzliche Altersrente eintreten, enthalten.

Die Zahlen für Sachsen-Anhalt sind auch hierbei sehr hoch. Waren es im Jahr 2000 insgesamt 4 948 Rentenfälle, sind es im Jahr 2015 bereits 10 393 Fälle. Auffallend ist, dass ab dem Jahr 2005 deutlich mehr Frauen von der Abschlagsrente Gebrauch gemacht haben als Männer. Auch wenn sich die Zahlen in den letzten Jahren etwas stabilisierten, wird sich wahrscheinlich durch die Arbeitszeitverlängerung auch in diesem Bereich eine Änderung vollziehen.

In diesem Zusammenhang muss nochmals an den Irrsinn der Einführung der Rente mit 67 Jahren erinnert werden. Sie geht absolut an der Lebenswirklichkeit vorbei. Laut Statistik reduziert sich die Vollzeitbeschäftigung in der Personengruppe 60 plus gegenüber anderen Altersgruppen auffallend.

Auch die geringfügig entlohnten Beschäftigten nehmen in dieser Gruppe deutlich zu. Umso mehr sich die Beschäftigten ihrem Renteneintrittsalter annähern, umso geringer sind die Beschäftigungsquoten Älterer in den Betrieben und Verwaltungen.

Bundesweit sind lediglich 15 % der 63-Jährigen und rund 10 % der 64-Jährigen im Jahr 2015 in Vollzeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt, so der Rentenreport des DGB Sachsen-Anhalt. Es bedarf unbedingt und dringend eines Umdenkens auch bei den Arbeitgebern.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Fraktion sagt deshalb zu Recht, die Menschen müssen wieder ab 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können, und wer 40 Beitragsjahre hat, der muss auch ab 60 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen dürfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Im letzten Teil unserer Anfrage wollten wir uns über die Altersarmut im Land berichten lassen. Die Armutsgefährdungsquote gemessen am Bundesmedian lag im Jahr 2015 für Männer in einem Alter von 65 Jahren und älter bei 12,1 % und für Frauen in

diesem Alter bei 16,1 %. Demnach sind von der Gesamtbevölkerung in Sachsen-Anhalt in einem Alter von 65 Jahren und älter aktuell 28 653 Männer und 52 779 Frauen von Altersarmut bedroht. Ich finde dies skandalös.

(Beifall bei der LINKEN)

Leider sieht es die Landesregierung etwas anders. Sie sieht das Armutsrisiko bei den Älteren nur beim Anteil derer, die Grundsicherung im Alter beziehen, und das sind 3,1 %.

Die Landesregierung verkennt, dass die Grundsicherungsleistungen nicht armutsfest ausgestaltet und die Leistungen schlichtweg zu niedrig sind.

Des Weiteren gibt es gerade bei der Grundsicherung im Alter eine sehr große Dunkelziffer. Die Zahl derjenigen, die aus Scham oder anderen Gründen gar keine Grundsicherungsleistungen beantragen, ist extrem hoch.

Nach einer Studie von Dr. Irene Wickert - ich habe dies bereits in einer meiner letzten Reden zur Altersarmut genannt - liegt die Quote der Nichtinanspruchnahme bei der Grundsicherung im Alter bei 68 %.

Die vorliegenden Zahlen für Sachsen-Anhalt geben für 2016 insgesamt 7 318 Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter an. Im Jahr 2005 waren es 6 485 Fälle. Die meisten betroffenen Fälle leben in den kreisfreien Städten Halle und Magdeburg sowie im Landkreis Harz und dem Salzlandkreis.

Eine weitere Gruppe, die mit zunehmender Altersarmut zu kämpfen hat, sind die Menschen, die Erwerbsminderungsrente beziehen. Hier können wir Folgendes feststellen: Erhielten Männer im Jahr 2000 noch durchschnittlich 729,83 €, sind es im Jahr 2015 nur noch 668,72 €. Bei den Frauen reduzierte sich die Erwerbsminderungsrente von 869,03 € auf 737,99 € im gleichen Zeitraum. Damit liegen beide Einkommen derzeitig eindeutig unterhalt des Grundsicherungsbedarfs bei Erwerbsminderung von 766 €.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch meinen Unmut über die Beantwortung der Frage 7 b zum Ausdruck bringen. Ich halte es für falsch, wenn Kinderarmut gegen Altersarmut oder auch umgekehrt gegeneinander ausgespielt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Vergleiche verbieten sich an dieser Stelle.

Wir sind als Politik aufgefordert, in beiden Fällen die Weichen so zu stellen, dass sich hier ein grundlegender Wandel vollzieht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zusammenfassend kann ich sagen: Wenn nicht endlich ein Umsteuern in der Renten- und Arbeitsmarktpolitik

passiert, steuert Sachsen-Anhalt in ein katastrophales Armenhaus innerhalb der Bundesrepublik.

(Zuruf von der CDU)

Das stimmt.

(Beifall bei der LINKEN)

Schauen Sie sich die Zahlen an, und dann geben Sie mir Recht. Was ist zu tun? - Hier einige Vorschläge:

Erstens. Die gesetzliche Rente muss wieder den Lebensstandard sichern.

Zweitens. Das Rentenniveau darf nicht nur auf dem heutigen Stand stabilisiert werden, es muss dringend auf 53 % angehoben werden, und Lücken in der Erwerbsbiografie, zum Beispiel durch Kindererziehung, Pflege, Niedriglöhne oder Arbeitslosigkeit, dürfen nicht zu Altersarmut führen.

Drittens. Die Armutsschwelle - -

Frau Hohmann, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ja. - Die Armutsschwelle von 1 050 € netto muss in Form einer einkommens- und vermögensgeprüften solidarischen Mindestrente für alle ab 65 Jahre garantiert werden.

Viertens. Der Mindestlohn ist auf 12 € anzuheben.

Mit diesen Maßnahmen, meine Damen und Herren, können wir für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen. Lassen Sie uns endlich handeln! - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Hohmann für die Ausführungen. - Für die Landesregierung spricht die Ministerin Frau GrimmBenne. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die heutige Debatte zur Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE „Entwicklung der Altersrenten in Sachsen-Anhalt“ steht - das ist heute schon angeklungen - in engem Zusammenhang mit dem im Oktober in diesem Plenum behandelten Thema „Zunehmende Altersarmut stoppen - würdevolles Leben ermöglichen“.

Der dazu ergangene Beschluss ist Ihnen gewiss noch im Gedächtnis, zielt er doch darauf, sich gegenüber dem Bundestag, der zukünftigen Bundesregierung dafür stark zu machen, Altersarmut durch entsprechende Regelungen im Rentenrecht möglichst zu verhindern.

Die Sicherung des Mindestrentenniveaus, wozu unter anderem die Besserbewertung von Pflegebeitragszeiten sowie Zeiten der schulischen Ausbildung und der Arbeitslosigkeit beitragen kann, erachte ich weiterhin dafür als sehr wichtig.

Vor dem Hintergrund der Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit soll an den derzeitigen Grenzen zur Inanspruchnahme von Altersrenten festgehalten werden. Weitere Erhöhungen der Regelaltersgrenze werden daher von der Landesregierung strikt abgelehnt. Wer in den nächsten Jahren in Rente gehen möchte, soll dies bereits frühzeitig und verlässlich planen können.

Auch werden weitere flexiblere Übergänge zwischen dem Erwerbsleben und dem Rentenbezug notwendig sein. Beschäftigte, die langjährig in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, sollen einen Rentenzahlbetrag erhalten, der deutlich über dem derzeitigen Grundsicherungsanspruch liegt.