Protokoll der Sitzung vom 19.12.2017

- Falls sich die Gemüter wieder etwas beruhigen, könnten wir fortfahren. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Aldag.

(Zurufe)

Ich bin oft genug im Land, keine Angst.

(Zurufe von der CDU)

- Nee, nee, ich bin oft genug im ländlichen Raum unterwegs.

(Zurufe von den GRÜNEN und von der CDU)

- Nein, fragen Sie mal Kollegin Brakebusch; sie hat mich erst am letzten Wochenende auf dem Lande gesehen. - Vielen Dank, Herr Präsident. Entschuldigung, dass ich jetzt vorgegriffen habe. Ich frage Sie deshalb jetzt ganz offiziell, ob ich das Wort erhalten darf.

Jetzt geht‘s los. Sie müssen sich beeilen; denn Sie haben nur zwei Minuten.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Wieder einmal beschäftigen wir uns im Plenum mit dem Thema Wolf. Lassen Sie mich gleich zum Beginn eines klarstellen: Nach Aktueller Debatte, vielen Kleinen Anfragen, Ausschussdiskussionen folgt nun die Große Anfrage. Spätestens jetzt sollten eigentlich alle mitbekommen haben, dass der Wolf nicht wieder angesiedelt wird, sondern zurückgekehrt ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das ist der entscheidende Unterschied, den ich hier nochmals ganz deutlich machen möchte. Wir stehen hier in der Verantwortung, Klarheit zu schaffen und nicht durch falsche Begriffsverwendungen für Verwirrung zu sorgen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Aber kommen wir zur Großen Anfrage. Im Großen und Ganzen hat die Große Anfrage viele wichtige Informationen gebracht, jedoch keine neuen Erkenntnisse, die zu einer Veränderung der bisherigen Positionen führen. Es gibt dennoch Handlungsbedarf.

Was wir aufmerksam im Blick haben müssen, ist die Tierhaltung, insbesondere die Schafhaltung. Unbestritten ist, dass der Wolf wirtschaftlich zusätzlich Druck verursacht. Deswegen müssen wir darüber diskutieren, wer in Zukunft entschädigt wird, brauchen also Klarheit bei der Entschädigungsrichtlinie. Wir müssen eventuell die Höhe der Entschädigung anpassen und die Schnelligkeit, wie die Entschädigungen dann ausfallen, um auch die Haushaltsmittel für das Jahr 2019 realistisch einstellen zu können.

Es gibt weiteren Handlungsbedarf. Damit komme ich auf den Beginn meiner sehr kurzen Rede zurück. Es liegt an uns, die Menschen im Land aufzuklären und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wolfskompetenzzentrums in ihrer Arbeit zu unterstützen, anstatt die Institution ständig infrage zu stellen.

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wolfskompetenzzentrums gebührt unser Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sie haben innerhalb relativ kurzer Zeit ihre Aktivitäten hochgefahren. Die Informationsangebote zum Verhalten des Wolfes, zu Rissentschädigungen und zu Präventionsmaßnahmen werden die Diskussion in Zukunft versachlichen. Einfach ist der Job nicht. Aber ich bin froh, dass wir hier in diesem Jahr mehr Professionalität bekommen haben. Sachsen-Anhalt ist mit dem Kompetenzzentrum Vorreiter und es ist gut, dass die Ministerin das Wolfskompetenzzentrum eingerichtet hat. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Aldag, Sie haben Glück, Herr Harms hat eine Frage.

Ich hatte ja schon die Ministerin auf den vorherigen Tagesordnungspunkt mit dem gemeinsamen KiFöG hingewiesen. Wie beurteilen Sie denn den Betreuungsschlüssel von fünf Mann im Wolfskompetenzzentrum für 70, 75 Wölfe? Halten Sie das für angemessen?

Ich glaube, es ist noch viel zu wenig, um den Aufgaben dann entsprechend gerecht zu werden.

Gut. Dann sind wir mit diesem Debattenbeitrag am Ende. - Zum Abschluss der Debatte hat der Abg. Herr Gürth noch mal das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur kurz auf die Redebeiträge in der Debatte eingehen. Das Erste, was mir jetzt wirklich noch am Herzen liegt, ist, zu sagen: Wir haben nun das Wolfskompetenzzentrum, und wir sollten dieses Wolfskompetenzzentrum nicht beschimpfen, sondern sollten gemeinsam gut zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass der Ruf als ein wissenschaftlich fundiertes, objektiv für alle, vor allem für das gemeinwohlorientierte, fachliche Zentrum zum Thema Wolf weiter wächst.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich denke, das sollte ein Ziel sein. Daran wollen wir festhalten, daran wollen wir arbeiten.

Das Zweite ist: Ich möchte auf Herrn Lange eingehen. Er hat zu Recht, wie ich finde, gesagt: Gegen Ängste und Gerüchte helfen am besten Fakten. Ich füge hinzu: auch Glaubwürdigkeit. Deswegen möchte ich hier noch mit einigen wenigen Fakten aufwarten.

Ich denke, ganz wichtig ist, weil das wahrscheinlich noch niemand so in den letzten Wochen nachgelesen hat, darauf hinzuweisen, dass bei der Frage der Spitzenprädatoren oder der großen Beutegreifer, wie er immer gesagt hat, Bären, Luchse und Wölfe, von einer ganz bestimmten Lobby der Eindruck erweckt wird, dass die alle vom Aussterben bedroht sind. Die Fakten sind wie folgt: Wir haben in Europa ohne Russland, Weißrussland und Ukraine ungefähr 17 000 Bären in zehn Populationen, 9 000 Luchse in elf Populationen, 12 000 Wölfe in zehn Populationen. Die Zahl der Wölfe, wie sie sich in Deutschland entwickelt, haben wir durch das Monitoring und durch die öffentliche Debatte schon einmal ins Bewusstsein gerückt.

Wir hatten im Jahr 2008 einen Wolfsangriff mit zehn toten Schafen. Wir hatten im Jahr 2017 bis jetzt 68 Attacken mit 183 gerissenen Nutztieren. Seit dem Jahr 2000 sind das mehr als 3 600 Nutztierrisse, die dokumentiert wurden; darin sind nicht die inbegriffen, bei denen sich die Betroffenen nicht gemeldet haben, weil sie schon aufgegeben haben oder nicht wussten, wie sie es machen sollen. - So viel zu den Fakten.

Wir sind auch gut beraten, jetzt dem entgegenzutreten, wenn Leute vielleicht mit bester Absicht, ja, als Wolfsromantiker oder warum auch immer, sozusagen alles schönreden oder ihre Fake News in die Öffentlichkeit tragen; denn das macht es uns, die wir zu diesem Thema einen Konsens in der Gesellschaft haben wollen, unglaublich schwer, dem entgegentreten, weil die Glaubwürdigkeit weggeht.

Wildtiergesundheit als erstes Stichwort: Der Wolf trage zur Wildtiergesundheit bei. Es gibt keine belastbaren Studien, keine wissenschaftlichen Beweise für diese These, dass der Wolf bei den Wildtieren immer nur die kranken und schwachen Tiere reißt.

Wenn der Wolf, was niemand bestreiten mag, tatsächlich ein sehr intelligentes Tier ist, dann wird er nicht sozusagen von Umweltverordneten, von irgendwem festgelegte Tiere, die krank sind, reißen, wenn er mit viel geringerem Aufwand - der Wolf ist ein Nahrungsopportunist - beim Schaftierhalter einen gedeckten Tisch vorfindet.

Nehmen wir ein anderes Beispiel, den Yellowstone-Nationalpark. Hunderte Male, Tausende Male wurden Beiträge dazu angeklickt und weitergeleitet, wie schön der Wolf zur Wildtiergesundheit beigetragen hat. Es sind Fake News - erkundigen Sie sich; darüber sind wissenschaftliche Arbeiten erhältlich -, dass es bis zur bestandsgefährdenden Dezimierung dieses dort schön gezeigten Wapitihirsches gekommen ist. Die ökologische Funktion ist also auch ein Scheinargument.

Nächster Punkt. Ich will auf das Tierwohl hinweisen. Wer sich mit den Spitzenprädatoren beschäftigt, der weiß, dass Bär, Luchs und Wolf gänzlich anders jagen und anders töten. Der Luchs ist ein Einzelgänger. Der Bär ist ein Einzelgänger. Der Wolf jagt allein oder im Rudel. Der Unterschied zu Luchs und Wolf ist aber, dass der Wolf erst einmal alles tötet, was er töten kann. In einem Gatter, in dem die Tiere nicht wegkönnen, tötet er auch bis zu 90 Tiere. So viele wurden im schlimmsten Fall einmal gezählt. Manchmal sind es zwölf; manchmal sind es 14; manchmal sind es neun.

Die Menschen haben früher von einem Blutrausch gesprochen. Das ist einfach darin begründet, dass der Wolf, wenn er Beute gefunden hat, tötet, was er töten kann. Dann vergräbt er es oder lässt es dort und kehrt zurück, wenn er nichts anderes findet. Hier aber ist der Tisch reichlich gedeckt.

Was passiert in Sachen Tierwohl? - Gerade die Bewohner der Großstädte in ihren Jugendstilvillen sind natürlich entsetzt, wenn sie mit ihren Kindern so etwas sehen, wenn sie draußen sind.

In diesem Todeskampf setzt der Körper Adrenalin frei. Durch die Überlebensfunktion, die durch das Gehirn gesteuert wird, wird der Schmerz weggedrückt. Wenn aber die Attacke vorbei ist, das Adrenalin aus dem Blut ist, setzt das Tierleid ein.

Wenn Schäfer oder Schulklassen, die das auch schon gesehen haben, früh morgens auf die Weide kommen und dort liegen vier, fünf, sechs, sieben Schafe, die am Verenden sind und blöken, dann ist das nicht nur herzzerreißend, dann ist

das auch eine Frage des Tierwohls, das man nicht komplett ausblenden kann.

(Zustimmung bei der CDU)

Zum Artenschutz, Kollege Lange. In Bezug auf das Muffelwild wird oft gesagt: Ach, das können wir ja wieder ausrotten. Dazu muss man wissen - ich will jetzt gar nicht lange über die Herkunft des Muffelwildes philosophieren -, dass es hier auch schon früher vorgekommen ist.

(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Wir haben vor ungefähr 100 Jahren die Wiedereinbringung des Muffels in der Göhrde und im Harz zu verzeichnen gehabt. Wir müssen aber wissen, in Göhrde und Harz ist der reinste Genpool des Muffelwildes festzustellen, weil es in den Herkunftsgebieten dieser Population, in Korsika und Sardinien, durch starke Wilderei und Einkreuzungen diesen Genpool dieser Rasse in dieser Form gar nicht mehr gibt, um die Art erhalten zu können. Rotten wir sie hier aus, rotten wir diese Art aus, weil der Rest, der sonst wo noch verbreitet ist, Hybriden sind. Insofern ist das wirklich auch einmal naturschutzfachlich zu betrachten.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn man sich dann noch in Zweifeln befindet, ob sie hierher gehören oder nicht, dann sollte man in § 7 des Naturschutzgesetzes nachlesen. Es ist eine heimische Art.

Nehmen wir ein zweites Beispiel. Es wurde behauptet, Schafe könnten betroffen sein, aber Pferde und Rinder nicht - ich erinnere mich noch daran; die Artikel habe ich alle abgeheftet; ich habe sie alle noch -; denn das Größenverhältnis Prädator und Beutetier stimme nicht.

Jetzt haben wir uns daran gewöhnt, dass auch Pferde von Wolfsattacken betroffen und infolgedessen verenden sowie bereits getötet wurden, auch in Sachsen-Anhalt. Ich will nicht bloß das Lamstedter Rudel in Niedersachsen erwähnen und andere. Es gibt sogar Rudel, die sich auf Rinder spezialisiert haben. Diese töten sie auch.

Dann ist vom Nabu gesagt worden: Ab einer Höhe von 90 cm besteht ein wolfssicherer Zaun. Ich erinnere mich, auch in Sachsen-Anhalt wurde diese Zahl genannt. Dann war es eine Höhe von 1,20 m, von 1,50 m. Jetzt haben wir nachgewiesene Wolfsattacken zu verzeichnen. Ich nenne die Goldenstedter Wölfin; das ist die F365w. Die werden alle registriert. Sie überwindet 2 m hohe Streckmetallzäune. Unsere Schutzbehauptungen werden langsam alle einkassiert. Wenn wir so weitermachen, verlieren wir diesbezüglich die Glaubwürdigkeit.

Jetzt will ich noch einmal zu Wildschäden kommen. Eine Behauptung war, die Wiederansiedlung

des Wolfes tue nicht nur der Wildgesundheit, sondern tue auch unseren Wäldern und den Habitaten insgesamt gut, weil wir zu große Bestände an Schalenwild und Schwarzwild haben. Die wiederum schaden dem Wald und der Landwirtschaft.

Was können wir jetzt feststellen? - Es ist viel schlimmer geworden. Was ist denn nämlich passiert? - Es bilden sich Großrudel. Es gab immer schon mal Großrudel. Aber diese Anzahl von Großrudeln mit so einer hohen Stückzahl von Wild hat es vorher nicht gegeben.