Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer sich hier gelegentlich über die Presse ärgert, sollte wenigstens einmal zuhören. Dabei geht es nämlich um die Dinge, die vielleicht den einen oder anderen doch einmal interessieren.

Im Mittelpunkt steht dabei der Begriff des sogenannten Medienprivilegs. Ich möchte daher in der heutigen ersten Lesung des Gesetzentwurfs dieses Thema besonders herausstellen.

Die EU-Datenschutz-Grundverordnung, die zum 25. Mai 2016 in Kraft getreten ist, bringt grundlegende Neuerungen für den Datenschutz in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Nach Artikel 99 Abs. 2 erlangt die Verordnung ab dem 25. Mai 2018 in allen Mitgliedstaaten Gültigkeit.

Insbesondere die in der Grundverordnung enthaltenen Öffnungsklauseln schaffen dem nationalen Gesetzgeber erhebliche Gestaltungsspielräume. Diese Öffnungsklauseln, meine Damen und Herren, gewähren bewusst Entscheidungsspielräume, in die Besonderheiten aus der jeweiligen nationalen Rechtsordnung einfließen können. Auf diese Weise kann der nationale Gesetzgeber etwa spezifischen verfassungsrechtlichen Vorgaben Genüge tun.

Die für die Medien zentrale datenschutzrechtliche Vorschrift regelt diesbezüglich Artikel 85 der Datenschutz-Grundverordnung.

Unter der Überschrift „Verarbeitung und Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit“ trifft Artikel 85 Regelungen zur Abwägung zwischen dem Datenschutz einerseits und der Meinungs- und Informationsfreiheit andererseits - Absatz 1 -, zum Medienprivileg - Absatz 2 - und zur Informationspflicht der Mitgliedstaaten im Hinblick auf gemäß Absatz 2 erlassene Rechtsvorschriften - Absatz 3.

Artikel 85 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung enthält zunächst den allgemeinen Auftrag an die Mitgliedstaaten, einen Ausgleich zwischen dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten einerseits und der Meinungs- und Informationsfreiheit andererseits herzustellen. Der Ausgleich zwischen dem Datenschutz auf der einen Seite und der Kommunikationsfreiheit auf der anderen Seite bleibt damit weiterhin den Mitgliedstaaten vorbehalten.

Artikel 85 Abs. 2 der Datenschutz-Grundverordnung erlaubt den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Aufrechterhaltung des Medienprivilegs für die Verarbeitung zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken.

Zugleich erweitert Artikel 85 DSGVO die Ausnahmemöglichkeiten von der grundsätzlichen Anwendung derselben gegenüber den in der bisherigen Datenschutzrichtlinie vorgesehenen Ausnahmemöglichkeiten.

Zum einen tritt in Artikel 85 Abs. 1 nunmehr auch die Informationsfreiheit als für den Abwägungsprozess relevantes Grundrecht neben die Meinungsfreiheit. Zum anderen wird der Kreis der Verarbeitungszwecke in Artikel 35 Abs. 1 und 2 erweitert. Der Begriff der journalistischen Zwecke erscheint nicht mehr als eng umgrenzter Ausnahmebereich wie in der bisherigen Datenschutzrichtlinie, sondern muss vielmehr weit ausgelegt werden.

(Unruhe)

Ziel des durch Artikel 85 Abs. 2 ermöglichten Medienprivilegs ist es, bestimmte grundrechtlich geschützte Tätigkeiten, die wesentlich darauf angewiesen sind, personenbezogene Daten ohne Einwilligung des Betroffenen, meine Damen und Herren, zu erheben und zu verarbeiten, aus der Anwendung zentraler Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung herauszunehmen.

Damit entbindet das Medienprivileg den Journalisten im Rahmen seiner Recherche insbesondere vom Erfordernis der Einholung der Zustimmung des Betroffenen zu der Erhebung und Verarbeitung ihn betreffender personenbezogener Daten. Ein solches datenschutzrechtlich gebotenes Zustimmungserfordernis würde den für investigative journalistische Recherchen unerlässlichen Informantenschutz konterkarieren und damit jede kritische Berichterstattung unmöglich machen.

Durch die Einbindung von grundlegenden Vorgaben des Datenschutzrechts schützt das Medienprivileg damit auch die investigative journalistische Recherche als zentrales Element der Ausübung der Presse- und Rundfunkfreiheit.

Es handelt sich somit zwar aus datenschutzrechtlicher Sicht um ein Privileg, also eine Ausnahme

von grundlegenden datenschutzrechtlichen Vorschriften; aus der grundrechtlichen Perspektive ist dieses Privileg jedoch das zwingend erforderliche Ergebnis der grundrechtlichen Abwägung zwischen dem Schutz personenbezogener Daten auf der einen Seite und der Presse- und Rundfunkfreiheit auf der anderen Seite.

Meine Damen und Herren! Die jetzt in Artikel 85 der Datenschutz-Grundverordnung geforderte

Abwägungsentscheidung zwischen den Grundrechtspositionen der informationellen Selbst

bestimmung - Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes, Artikel 5 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 4 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - das weiß jeder, aber ich betone es nochmals - einerseits und der Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes und Artikel 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt andererseits wurde bereits auch im Rahmen der bestehenden medienrechtlichen Regelungen vorgenommen.

Diese Abwägungsentscheidung wurde im Lichte der Datenschutz-Grundverordnung einer erneuten Überprüfung unterzogen, insbesondere auch im Hinblick auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß Artikel 8 und 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die Untersuchung führte zu keinen erheblichen Veränderungen bei der Gewichtung der einzelnen Positionen. Vor diesem Hintergrund wurden vor allem die Änderungen des Landespressegesetzes und des Mediengesetzes auf das erforderliche Maß beschränkt, um damit in Sachsen-Anhalt bewährte Strukturen möglichst beizubehalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Im Interesse einer konzentrierten Beratung der medienrechtlichen Umsetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung liegt dem

Landtag daher der 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag gemeinsam mit den notwendigen Anpassungen des Landesrechts vor. Die Einzelheiten des Gesetzentwurfes sollten im zuständigen Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien erörtert werden.

Bei dieser Gelegenheit sei abschließend darauf hingewiesen, dass die ebenfalls notwendige datenschutzrechtliche Anpassung des MDR-Staatsvertrages, über die bereits eine Vorinformation des Landtages erfolgte, in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren stattfinden wird.

Die Zuständigkeit des Landes für die Medien und die Umsetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung wird in diesem Gesetzgebungsvorhaben in ausgewogener Weise wahrgenommen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke für die Einbringung, Herr Minister. Ich sehe keine Nachfragen aus dem Plenum. - Demzufolge können wir, da wir keine Debatte vereinbart haben, sofort zur Überweisung kommen. Herr Minister, haben Sie explizit einen Ausschuss vorgeschlagen? - Für den Fall, dass Sie es getan haben, würde ich gern daran erinnern, dass Sie den Europa- und Medienausschuss dafür vorgeschlagen haben.

(Minister Marco Tullner: So ist es!)

- Gut, dann sind wir uns darin einig. - Gibt es darüber hinaus noch weitere Vorschläge? - Das ist nicht so. Somit stimmen wir nun über die Überweisung ab.

Wer der Auffassung ist, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drs. 7/2267 zur Beratung in den Europa- und Medienausschuss überwiesen werden soll, den bitte ich um sein Kartenzeichen. - Ich sehe, das ist das ganze Haus. Ich frage aber sicherheitshalber noch: Gibt es Gegenstimmen? - Diese sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? - Sehe ich ebenfalls nicht. Damit ist dieser Gesetzentwurf einstimmig in den Europa- und Medienausschuss überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt 10 ist erledigt.

Bevor es hier vorn weitergeht, gibt es einen kleinen Wechsel.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 11

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zum bereichsspezifischen Verbot der Gesichtsverhüllung

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 7/2328

Hierzu wird für die Landesregierung Minister Herr Stahlknecht sprechen. Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wir kommen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einer Bitte des Hohen Hauses nach; denn in der 21. Sitzung hat das Hohe Haus uns als Landesregierung gebeten, bestehende gesetzliche Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Vollverschleierung von Menschen im öffentlichen Raum, wo notwendig, zu begrenzen und zu prüfen, inwieweit ein Verbot der Vollverschleierung in Behörden und Einrichtungen des Landes Sachsen-Anhalt zur Identifizierung von Personen rechtlich möglich ist. - So weit der Auftrag.

Ich denke, wir sind uns einig, dass für das Selbstverständnis eines demokratischen Rechtsstaates die offene Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern auf der einen Seite notwendig ist sowie zwischen Repräsentanten und Bürgern auf der anderen Seite, und dass wir in einer offenen Gesellschaft Gesicht zeigen. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn jemand mit staatlichen Stellen in Kontakt tritt, insbesondere dann, wenn er wählen geht, damit jemand erkennbar ist und die Vollverschleierung nicht möglicherweise zur Täuschung nutzen könnte. Insofern brauchen wir es für die Identifikation.

Im Schulbereich muss dies ebenso gewährleistet sein. Es muss eine offene Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern möglich sein, und Schülerinnen und Schüler müssen für Lehrerinnen und Lehrer erkennbar sein, auch für die Vermittlung der Werte unserer freien Gesellschaft. Insofern haben wir für diese beiden Fälle geregelt, dass dort eine - ich verwende einmal den allgemeinen Begriff - Vollverschleierung nicht zulässig ist, sowohl bei Wahlhandlungen als auch innerhalb der Schule.

Nun könnte man fragen, warum wir das heute nicht für Beamte geregelt haben. Es ist bereits geregelt. In der Neufassung des § 125 des Landesbeamtengesetzes wird gesagt - das wurde hier bereits vorgestellt -, dass dies auch für Tarifbeschäftigte, Unterrichtskräfte usw. gilt. Insofern haben wir eine umfassende Regelung.

Alles Weitere können wir nach einer Überweisung - diese werden Sie gleich beantragen - in den Innenausschuss und den Bildungsausschuss miteinander besprechen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt keine Anfragen. - Somit steigen wir in die Dreiminutendebatte der Fraktionen ein. Beginnen wird die AfD-Fraktion mit dem Abg. Herrn Dr. Tillschneider. Sie haben das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landesregierung will mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Gesichtsverschleierung verbieten lassen - im Prinzip ein sinnvolles Anliegen, da es vor allem orthodoxe Muslimas trifft und so einer schleichenden Islamisierung entgegenwirkt. Nur wollen Sie leider die Gesichtsverschleierung nicht generell, sondern nur im Wahllokal und in der Schule verbieten lassen, und das ist, mit Verlaub, einfach lächerlich. Denn die Zahl der vollverschleierten ultraorthodoxen Mus

limas in Sachsen-Anhalt mit deutschem Pass, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen wollen, liegt gefühlt bei unter null,

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Übrigens auch der Vollverschleierten!)

und die Zahl der ultraorthodoxen vollverschleierten Muslimas, die eine Schule in Sachsen-Anhalt besuchen, dürfte nicht viel höher liegen.

(Minister Holger Stahlknecht: Noch nicht! - Heiterkeit und Beifall bei der AfD)

Herr Minister Stahlknecht, ich habe Sie bislang für einen ernsthaften Mann gehalten, aber erlauben Sie die Frage: Was soll dieser Unsinn? - Ich erinnere Sie daran, dass die CDU noch 2004 in Baden-Württemberg ein generelles Kopftuchverbot in Schulen eingeführt hat - kein Burkaverbot, ein Kopftuchverbot -, dann aber hat sie dem Druck der Islamverbände nachgegeben, und ich habe den Verdacht, dass Sie mit diesem ganzen Gerede über das Burkaverbot in Wahrheit nur davon ablenken, dass Sie nicht mehr den Mut haben, das zu fordern, was wir brauchen: ein Kopftuchverbot im gesamten öffentlichen Dienst.

(Beifall bei der AfD)

Weiterhin lenken Sie davon ab, dass mit diesem Gesetz ein weiterer Islamisierungsschub verbunden ist; denn der Preis, den die GRÜNEN für ihre Zustimmung verlangt haben, war die Einführung islamischer Bestattungsriten in SachsenAnhalt - anders als die Burka im Wahllokal ein durchaus lebensrelevanter Sachverhalt, der die Friedhofskultur in unserem Land nachhaltig verändern wird.