Es gibt keine Anfragen. Herrn Roi wurde gestattet, seine Redezeit um fast zwei Minuten zu überschreiten. Ich habe es an dieser Stelle ein bisschen lockerer genommen. Denn wir haben es mit zwei Gesetzentwürfen und mit sehr komplexen Regelungen zu tun. Das soll in Zukunft nicht einreißen, aber es erschien mir bei diesem Thema angebracht.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Roi, zu behaupten, dass die AfD das alles selbst erfunden hat, ist schon ein starkes Stück, auch dass Sie aus dem Koalitionsvertrag abschreiben und das dann zu Ihrer Meinung machen.
Ich erinnere daran, dass die Koalitionsfraktionen in ihrem Koalitionsvertrag eins zu eins das aufgeschrieben haben, was sie als Einsetzungsbeschluss für die Enquete-Kommission benannt haben. Wir haben uns schon frühzeitig Gedanken darüber gemacht, wie wir es schaffen, die entsprechenden demokratischen Rechte für die Bürger zu erweitern, und dieses auch im Koalitionsvertrag verankert.
Wir haben dann in Ergänzung zu Ihrem Antrag, den Sie nicht richtig formulieren konnten, im Landtag am 27. Oktober 2016 den Beschluss zum Thema „Mehr Demokratie wagen“ gefasst.
Wir haben uns auch der Enquete-Kommission gestellt und haben uns, anders als Sie, die Sie schon zu Beginn der Beratungen der EnqueteKommission Ihre Meinung vorgefertigt vorgelegt haben, die Experten angehört und unsere Schlussfolgerungen daraus gezogen.
Aus all diesen Dingen - Koalitionsvertrag, Beschluss des Landtages und die Ergebnisse der Enquete-Kommission - ist dieser lang angekündigte, aber doch von uns genau so angekündigte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung und anderer Gesetze entstanden.
Wir haben, weiß Gott, zusätzlich zu den Dingen, die wir vorher schon vereinbart haben, weitere Dinge aufgenommen. So ist dieses umfangreiche
Werk, das Ihnen heute vorliegt, entstanden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die bürgerschaftliche Mitwirkung auf kommunalpolitischer Ebene verbessert wird und dass die Rechte der Mitglieder in den Kommunalvertretungen gestärkt werden.
Wir haben darüber hinaus Dinge aufgenommen, die aus der Erfahrung und aus den Gesprächen vor Ort bekannt sind. Wir haben die Kommunalverfassung in der letzten Legislaturperiode beschlossen. Es sind in den Gesprächen vor Ort viele Hinweise benannt worden, wo es noch hakt und wo Veränderungen notwendig sind. Dies ist jetzt mit aufgenommen worden.
In der Anhörung der Landesregierung, so konnten wir es auch in der Begründung zum Gesetzentwurf lesen, gab es noch viele unterschiedliche Auffassungen. Wir werden bestimmt auch in dem Gesetzgebungsverfahren im Parlament noch
Die wichtigsten Dinge des Gesetzentwurfes sind schon genannt worden: Einwohnerantrag, Bürgerbegehren, Bürgerentscheide. Hierzu sind wesentliche Vereinfachungen und Erleichterungen vorgesehen. Bürgerfragestunden sollen in allen Ausschüssen möglich und Gegenstand der Tagesordnung sein.
Ortschaftsräte sollen auch weiterhin in Ortschaften unter 300 Einwohnern gebildet werden können. Im Zuge der Kommunalverfassung soll es auch Änderungen in den Verbandsgemeinden geben. Rechtliche Regelungen zu Investitionen von Verbandsgemeinden wurden aufgenommen.
Hinweise wurden in der Anhörung auch von den Spitzenverbänden vorgetragen. So wurde es begrüßt, dass nunmehr die Aufstellung von Doppelhaushalten möglich ist. Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass die vorgesehene Änderung von § 100 Abs. 5 - das betrifft die Haushaltskonsolidierung - kritisch bewertet wird. Ich denke, wir werden uns auch in der Anhörung noch einmal genau erläutern lassen, ob diese Regelung praxistauglich ist und welche Folgen sie für die Gemeinden haben kann.
Wir begrüßen ausdrücklich die Änderung in § 128, die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen betreffend, dass zu den privilegierten Vorhaben jetzt der Breitbandausbau gehört. Das ist eine wichtige Frage der Daseinsvorsorge, und es ist richtig, dass das auch als ein Punkt der Daseinsvorsorge definiert wird, wie es jetzt im Gesetzentwurf vorgesehen ist.
Zu dem Gesetzentwurf der LINKEN möchte ich nur darauf hinweisen, dass viele ähnlich lautende Vorschläge natürlich auch in diesem Gesetzentwurf enthalten sind. Teilweise gehen Ihre Vorschläge über die der Landesregierung hinaus.
Weil Sie so stark betont haben, dass Sie das Kommunalwahlalter auf 14 Jahre herabsetzen wollen, möchte ich an dieser Stelle nur auf eines hinweisen: Ich habe hier gesessen, als das Jugendparlament einen Beschluss dazu gefasst hat und die Jugendlichen selbst diesen Antrag zur Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre abgelehnt haben. Sie haben hier darüber debattiert, haben das Für und Wider abgewogen und haben für sich selbst entschieden, dass das Wahlalter auf der kommunalen Ebene bei 16 Jahren bleiben soll.
In einigen Fällen schießen Sie weit über unser Ziel hinaus, so etwa bei § 79a - Hauptamtliche Beauftragte. Dabei lassen Sie einen wichtigen Punkt offen - vielleicht haben Sie deshalb gesagt, dass der Gesetzentwurf auch in den Finanzausschuss überwiesen werden soll -; denn Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf keinen Finanzierungsvorschlag für § 79a unterbreitet. Wenn neue Aufgaben übertragen werden sollen, dann muss das Konnexitätsprinzip eingehalten werden. Deshalb sollte der Gesetzentwurf dieses auch beinhalten.
(Eva von Angern, DIE LINKE: Es ist ja nun nicht so, dass die Koalitionsvorschläge immer ausfinanziert sind! - Zuruf von Sieg- fried Borgwardt, CDU)
Viele Dinge werden wir noch erörtern. Ich hoffe, dass wir uns viel Zeit dafür nehmen, aber auch nicht zu viel Zeit, sodass der Gesetzentwurf für die Vorbereitung der Kommunalwahlen im nächsten Jahr rechtzeitig das Parlament erreicht, damit die Kommunen eine entsprechende Rechtsgrundlage haben. Ich bitte, wie schon gesagt, um eine Überweisung der Gesetzentwürfe in die Ausschüsse. - Vielen Dank.
Danke, Frau Schindler. - Dann fahren wir in der Debatte der Fraktionen fort und kommen zu dem Abg. Herrn Striegel, der für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Demokratie lebt davon, dass Menschen für ihre Anliegen und Interessen eintreten können, dass sie ihre Heimat mit- und ausgestalten können. Das gelingt gerade auch auf kommunaler Ebene. Politikverdrossenheit und Misstrauen gegen „die da oben“ sollten im kommunalen Bereich eigentlich gar nicht erst entstehen können; denn man kennt sich, ist gemeinsam von ähnlichen Problemen betroffen und will die eigene Gemeinde, die eigene Stadt gemeinsam mit anderen zu einem lebens- und liebenswerten Ort machen.
Gerade in unseren Kommunen gilt: Mitmachen ist hier möglich. Wir als Koalitionsfraktion sorgen dafür, dass die Möglichkeiten zum Mitmachen weiter ausgebaut werden. Mit unserem neuen Kommunalverfassungsgesetz wird mehr Mitmachen möglich.
Dennoch sage ich, das KVG geht mit mehr Beteiligung und mehr Transparenz in die richtige Richtung. Wir GRÜNE hätten uns jedoch noch deutlich mehr vorstellen können. Wenn Kommunen die Orte unmittelbaren Erlebens von Demokratie sind, warum sollten wir dies dann nicht auch jungen Menschen bereits ab 14 Jahren ermöglichen, indem wir sie wählen lassen? Frau Kollegin Schindler, es ist nicht überzeugend, wenn Sie hierfür ein nicht repräsentativ zusammengesetztes Gremium heranziehen.
Wenn alle Menschen von den Entscheidungen des Gemeinderates betroffen sind, warum sollten wir dann nicht auch alle Einwohnerinnen ab 14 Jahren, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, an Wahlen teilhaben lassen?
Beim Einwohnerantrag gehen wir als Koalitionsfraktionen diesen Weg schon konsequent, indem wir die Antrags- und Unterschriftsberechtigung auf das 14. Lebensjahr absenken. Beim Wahlrecht liegt da noch ein gutes Stück Weg vor uns. Wir GRÜNE wollen diesen Weg gehen und setzen uns dafür ein, dass alle jungen Menschen in Sachsen-Anhalt früher in politische Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Dafür stehen wir und das mag uns vielleicht auch von der SPD und der CDU unterscheiden. Das halten wir nicht für problematisch,
aber wir gehen da weiter voran. Denn gerade bei jungen Menschen in unserer Gesellschaft muss bürgerschaftliches Engagement gefördert werden. Die jungen Menschen sind doch diejenigen, die in den kommenden Jahrzehnten für eine starke Demokratie in unserem Land eintreten müssen.
Und sie sind gegenüber der Masse der älter werdenden Gesellschaft gefährlich unterrepräsentiert, gerade auch in Sachsen-Anhalt, einem Land mit einem sehr hohen Durchschnittsalter.
Einwohneranträgen und Bürgerbegehren die Antragsvoraussetzungen vereinfacht und insbesondere die erforderlichen Quoren gesenkt. Das ist eine richtige Entscheidung und eine Entscheidung, für die wir die Grundlage im Koalitionsvertrag gelegt haben. Sie, meine Damen und Herren von der AfD, haben da bei uns abgeschrieben.
Mehr Mitmachen möglich machen, heißt aber nicht nur, Quoren abzusenken, sondern auch bessere, das heißt informiertere Entscheidungen zu ermöglichen. Deswegen ist es entscheidend, den Zugang zu Informationen für die Bürgerinnen und Bürger vor der Abstimmung zu erweitern und zu erleichtern.
So regelt der in das KVG neu einzufügende § 27 Abs. 2a, dass den stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürgern die Auffassungen zum Gegenstand des Bürgerbegehrens, die von der Vertretung und den Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens jeweils vorgebracht werden, durch eine öffentliche Bekanntmachung oder eine Zusendung von Informationen darzulegen sind. Ich meine, das ist ein Schritt hin nicht nur zu einer besseren Quantität - durch Absenkung des Quorums -, sondern auch zu mehr Qualität.
Für eine Stärkung des politischen Engagements auf kommunaler Ebene ist es ebenso wichtig, die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger ortsnäher auszugestalten. Aus diesem Grund sollen die Ortschaftsräte bestehen bleiben und das Institut der Ortschaftsverfassung als Instrument der bürgerschaftlichen Mitwirkung in der örtlichen Gemeinde soll auf das gesamte Gebiet der Gemeinde erweitert werden. Auch Stadtteile können nun, wenn gewünscht, Ortsteile bilden.
Das neue Kommunalverfassungsgesetz ist ein richtiger Schritt zur rechten Zeit. Es erweitert pünktlich zur neuen Kommunalwahlperiode ab dem Jahr 2019 die Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger, sich vor Ort zu beteiligen. Das ist auch ein grüner Erfolg. Es ist ein gemeinsamer Erfolg mit unseren Koalitionspartnern. Wir legen hier ein sorgfältig abgewogenes Gesetz vor. Das ist kein grünes Parteiprogramm in Reinkultur, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Deswegen sagen wir ja zu diesem Gesetz und bringen es hier gemeinsam ein. - Herzlichen Dank.
Danke, Herr Striegel. Ich sehe keine Nachfragen. - Demzufolge können wir in der Debatte der Fraktionen fortfahren. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Krull.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Mitglieder des Hohen Hauses! Wie bereits mehrfach angekündigt, wurde heute ein umfassender und durchdachter Vorschlag zur Änderung der Kommunalverfassung und weiterer kommunalrechtlicher Vorschriften vorgelegt. Herr Roi, das unterscheidet diesen Entwurf von den Entwürfen, die uns von Ihrer Seite vorgelegt worden sind. Dieser ist nämlich durchdacht und kein Stückwerk, wie wir es bei Ihnen gesehen haben.
Diese Entwürfe wurden in zahlreichen Runden mit Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern sowie den kommunalen Spitzenverbänden erstellt und stehen in einem Zusammenhang mit den Ergebnissen der Enquete-Kommission „Stärkung der Demokratie“ sowie den Verabredungen des Koalitionsvertrages. Denn vieles, was wir in diesem Gesetzentwurf vorschlagen, ist so auch schon in unserem Koalitionsvertrag zu finden. Ich finde es etwas albern, wenn hier jetzt über den Verfasserstatus diskutiert wird. Schauen Sie einfach nach, wo es zuerst stand. Das war bei uns.