Ich sehe keine weiteren Anfragen. Somit sind wir am Ende angelangt. Beschlüsse in der Sache werden nach § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages in Bezug auf die Aktuelle Debatte nicht gefasst.
Bevor wir jetzt zum zweiten Thema der Aktuellen Debatte kommen, erlauben Sie mir bitte auch, ein paar persönliche Worte zu sagen. Ich denke, die
ses Thema im Rahmen der Aktuellen Debatte ist auch ein ganz besonderes Thema und ganz besonders natürlich auch heute für uns Frauen. Deswegen erlauben Sie einfach, doch mal diese Worte zu sagen.
Als erste Frau überhaupt ergriff Marianne Weber, Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und Frau des Soziologen Max Weber, bei der konstituierenden Sitzung am 15. Januar 1919 im Karlsruher Ständehaus das Wort und wandte sich mit folgenden Worten an ihre männlichen Kollegen.
„Wir Frauen können nur unserer hohen Freude und Befriedigung darüber Ausdruck geben, dass wir zu dieser Aufgabe mitberufen sind, und ich glaube, sagen zu dürfen, dass wir besser für sie vorbereitet sind, als vielleicht die meisten von Ihnen glauben.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Partizipation der Frau nimmt heute in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert ein. Was war vor über 100 Jahren geschehen? - Es war undenkbar und heute ist das Wirklichkeit und Selbstverständlichkeit: Die Gleichberechtigung von Mann und Frau schritt mehr und mehr voran und ist ein schützenswertes Merkmal unserer entwickelten Gesellschaft. Möge der heutige Internationale Frauentag ein gutes Datum sein, um in einer offenen und gleichberechtigten Diskussion über die Gleichstellung von Mann und Frau zu diskutieren, ohne die mögliche und wertvolle Ergänzung der Geschlechter aus den Augen zu verlieren.
An dieser Stelle sei es mir auch erlaubt, ein Signal aus dem Landtag heraus zu senden an alle jungen Frauen und jungen Mädchen. Ich sage an dieser Stelle: Seien Sie mutig und nutzen Sie diese Gelegenheit, die für uns vor 100 Jahren erstritten wurde; denn viel zu wenig nutzen die Frauen heute auch diese Möglichkeit. Ausgenommen - das sage ich immer an dieser Stelle - sind davon die Frauen, die heute hier im Plenum sitzen. Ich wünsche mir in der Zukunft mehr junge Frauen und mehr Frauen auch in der Politik und in der Wirtschaft.
Es wurde folgende Reihenfolge vereinbart: SPD, AfD, GRÜNE, DIE LINKE und die CDU. Bevor ich aber der Antragstellerin, der SPD, das Wort übergebe, das heißt der Abg. Frau Prof. Dr. KolbJanssen, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, die erste Besuchergruppe hier bei uns begrüßen zu können. Es sind junge Mitglieder der Jugendfeuerwehren aus dem Saalekreis. - Herzlich willkommen hier bei uns im Hohen Hause!
„Ich möchte hier feststellen, dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa im althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit. Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten war.“ Das, sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, waren die Worte der Sozialdemokratin Marie Juchacz, mit denen diese am 19. Februar 1919 die Einführung des Frauenwahlrechtes kommentierte.
Seit dem Jahr 1918 dürfen Frauen in Deutschland wählen und gewählt werden. Dem vorausgegangen war ein langer Kampf, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Es war ein steiniger, ein kurvenreicher Weg mit oft widersprüchlichen Argumentationen. Es gab einen Krieg und die November-Revolution, in deren Ergebnis Frauen als gleichberechtigte Staatsbürgerinnen anerkannt wurden.
Nach 100 Jahren Frauenwahlrecht ist es so selbstverständlich, dass Frauen wählen können, dass das Wahlrecht als Errungenschaft etwas aus dem Blick gerät, meinte Manuela Schwesig als ehemalige Bundesfrauenministerin. Und auch die Heldinnen dieser Zeit sind heute weitgehend vergessen.
Wer erinnert sich noch an Louise Otto-Peters, die bereits im Jahr 1843 feststellte, die Teilnahme der Frauen an den Interessen des Staates ist nicht ein Recht, sondern eine Pflicht? Oder wer erinnert sich Hedwig Dohm, die im Jahr 1873 in einem Essay explizit das Stimmrecht für Frauen gefordert hat? Für sie war das Wahlrecht die Voraussetzung für jede weitere emanzipatorische Entwicklung und schlichtweg ein Menschenrecht.
Die Juristin Anita Augsburg hat im Jahr 1902 in Hamburg den ersten Frauenstimmrechtsverein gegründet. Er entwickelte sich in kurzer Zeit zu einem in ganz Deutschland wirkenden Sprachrohr für das Frauenwahlrecht und holte die internationale Debatte ins Land. Die Aktivistinnen aus ganz Europa haben sich in dieser Zeit vernetzt, um sich gemeinsam mehr Geltung und Gewicht zu verschaffen.
Das von den Frauen erstrittene allgemeine und freie Wahlrecht war ein Meilenstein hin zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern, und man kann diese Leistung im historischen Kontext gar nicht hoch genug schätzen; denn man muss auch daran erinnern, dass es nach dem Preußischen Vereinsgesetz, das bis zum Jahr 1908 galt, Frauen verboten war, politischen Vereinen beizutreten oder auch nur politischen Veranstaltungen beizuwohnen. Deshalb mussten sie sich als Wohltätigkeitsvereine tarnen.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es mir und meiner Fraktion wichtig, dass wir uns heute hier im Jahr 2018 an diese Frauen und an ihre Leistungen erinnern; denn was sie erreicht haben und was für uns heute selbstverständlich ist, kam nicht von selbst. Und auch das, was wir noch erreichen müssen, wird nicht von selbst kommen.
Da die Entwicklung eng mit der Geschichte des Internationalen Frauentages verknüpft ist, haben wir hier heute mehr als einen Grund, um über dieses Thema zu debattieren. Auch ich möchte die Gelegenheit nutzen und meinen weiblichen Kolleginnen heute zum Internationalen Frauentag gratulieren.
Es sei mir an dieser Stelle auch erlaubt, darauf hinzuweisen, dass die SPD als einzige politische Partei für die Einführung des Frauenwahlrechts eingetreten ist und das ab dem Jahr 1891 in ihrem Programm verankert hat.
Im Dezember 1917 reichten Frauenstimmrechtsvereine eine gemeine Erklärung zur Wahlrechtsfrage beim Reichsparlament und allen Länderparlamenten ein - ohne Erfolg. Am 12. November 1918, also drei Tage nach Ausrufung der Republik und einen Tag nach der Beendigung des Ersten Weltkrieges, wurde in Deutschland das Frauenwahlrecht vom Rat der Volksbeauftragten verkündet. Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 gaben 82 % der Frauen ihre Stimme ab. Das ist eine Wahlbeteiligung, von der
wir heute nur träumen können. Es kandidierten 300 Frauen und 37 erlangten ein Mandat. Diese Quote von knapp 9 % wurde im Deutschen Bundestag erst im Jahr 1983 wieder erreicht.
Dieses Gesetz hatte bewusstseinsbildende Kraft für die Gesellschaft. Man kann das am Beispiel von Maria Otto erklären, die es erreicht hat, im Jahr 1922 als erste Frau Rechtsanwältin zu werden, weil nämlich vorher der Zugang zu juristischen Berufen Frauen nicht gestattet war und weil es eben den weiblichen Abgeordneten mit Nachdruck gelungen ist, diesen Zugang zu erreichen.
Der männliche Zeitgeist hielt Frauen wegen ihrer vermeintlichen geistigen Unzulänglichkeit und ihrer angeblich anderen natürlichen Bestimmung für unfähig, Recht zu sprechen und Rechtsbeistand zu geben.
Heute sind mehr als 50 % der Neueinstellungen in der Justiz Frauen, aber in den letzten Jahren wurden unter den Schlagworten „Gender-Wahn“ und „Gender-Ideologie“ die alten, überwunden geglaubten Argumente wieder aus der Mottenkiste hervorgeholt.
Tatsächlich hat sich in den vergangenen 100 Jahren viel getan. Wir haben seit 2005 eine Bundeskanzlerin. Es gibt immer mehr Spitzenpolitikerinnen. Aber ist das tatsächlich ein verlässlicher Indikator, dass Frauen wirklich die gleichen Chancen haben? - Ein Blick in die Parlamente, auch in den Landtag von Sachsen-Anhalt, zeigt ein anderes Bild. Die Frauenquote in den Parlamenten ist mittlerweile auf einem historischen Tief: knapp 22 % in Sachsen-Anhalt. Damit sind wir Schlusslicht im Bundesvergleich. Auch auf kommunaler Ebene sieht es nicht anders aus.
Dr. Elisabeth Selbert, die Mutter des Grundgesetzes, hat die mangelnde Heranziehung von Frauen zu öffentlichen Ämtern und ihre geringe Beteiligung in den Parlamenten als „Verfassungsbruch in Permanenz“ bezeichnet.
Wir brauchen daher Instrumente, die Frauen die verbindliche Teilhabe in allen Bereichen der Gesellschaft und eben auch in den Parlamenten ermöglichen.
Das bedeutet keine Privilegierung eines Geschlechtes, sondern schlicht die Beseitigung von Ungleichbehandlung, so wie sie als Staatsauftrag in Artikel 3 des Grundgesetzes, aber auch in Artikel 34 unserer Landesverfassung formuliert ist.
Vorschläge gibt es bereits: Ein Parité-Gesetz wäre eine Möglichkeit. Frankreich hat uns gezeigt, wie es mithilfe eines solchen Gesetzes möglich ist, einen Anteil von knapp 50 % von Frauen in den Parlamenten zu erreichen. Ich bin froh darü
ber, dass sich die Koalitionsfraktionen darauf verständigt haben, die Einführung eines ParitéGesetzes in Sachsen-Anhalt zu prüfen.
Schade finde ich, dass sich zwei Ministerien seit zwei Jahren nicht einigen können, wer diesen Prüfauftrag ausführen soll. Deshalb, sehr geehrte Ministerin Keding, fassen Sie sich ein Herz und nehmen Sie die Sache in die Hand. Als Verfassungs- und als Gleichstellungsministerin liegt diese Sache bei Ihnen in guten Händen.
Ja, ich kenne die Einwände der Kritiker: Woher sollen die Kandidatinnen kommen? Viele Frauen wollen nicht oder trauen sich nicht. Auch dazu, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir aber bereits konkrete Maßnahmen beschrieben, wie wir es verbessern können, in unserem Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt.
Darin ist beispielsweise von einer stärkeren Unterstützung durch Mentoring-Programme, Einstiegsbegleitung oder Coaching die Rede, aber es geht auch um eine stärkere Anerkennungskultur und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie; denn viele, gerade junge, Frauen haben tatsächlich Schwierigkeiten, das Ehrenamt neben Beruf und Familie tatsächlich wahrzunehmen.
Auch hierbei fehlt es mir an einer konsequenten Unterstützung dieser Maßnahmen, die wir in diesem Hohen Haus bereits beschlossen haben.