Protokoll der Sitzung vom 09.03.2018

- Es ist aber nun mal so wie im normalen Leben: Wenn ich alles allein entscheiden kann, mache ich es so, wie ich es persönlich für richtig halte. Hat man Partner - das gibt es in vielfältigen Lebenslagen -, muss man sich natürlich auch mit den Partnern ins Benehmen setzen und schauen, was man am besten daraus machen kann. Sie unterstellen allerdings, dass die Landkreise gar nicht wollen.

(André Poggenburg, AfD: Was? - Zurufe von Lydia Funke, AfD, und von Robert Far- le, AfD)

So weit würde ich nicht gehen und das glaube ich auch nicht.

Dazu, was die technischen Möglichkeiten der Altersfeststellung betrifft, hat auch Frau Ministerin in ihrer Rede bereits Ausführungen gemacht.

(Zurufe von den GRÜNEN und von der AfD)

Da kann man sicherlich das eine oder andere tun. Wichtig ist aus meiner und aus unserer Sicht, dass da, wo berechtigte Zweifel bestehen, der Hebel angesetzt werden kann. Da muss man schauen, in welcher Art und Weise man hier zu entsprechenden Regelungen kommt.

(Unruhe und Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Herr Abg. Hövelmann, Sie haben das Wort.

Vielen herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Kollege Kolze, Sie haben als ein Beispiel in SachsenAnhalt für den Beratungsgegenstand der Altersfeststellung die Geschehnisse in Dessau-Roßlau angesprochen. Meines Wissens war zu keinem Zeitpunkt die Volljährigkeit der potenziellen oder der vermeintlichen Täter infrage gestellt, sodass dieses Beispiel, glaube ich, nicht zählen kann.

Aber ich will mit meiner Frage auf etwas anderes hinaus. Sie haben sinngemäß gesagt, wenn ich Sie richtig verstanden habe: Sie kritisieren, dass in der Berichterstattung über vermeintliche Straftaten auch in unserem Land die ethnische bzw.

die Migrationsherkunft der potenziellen Täter oder Täterinnen nicht angegeben wird.

Nun ergeben sich daraus für mich zwei Fragen. Die eine Frage lautet: Wie weit zurück soll Migrationsherkunft Ihrer Ansicht nach relevant sein? Betrifft das Personen, die erst jetzt im Zuge der Flüchtlingsproblematik zu uns gekommen sind? Oder betrifft das auch Menschen, die zugewandert sind und die schon Jahre, Jahrzehnte, vielleicht sogar mehrere Generationen hier leben?

Die zweite Frage: Sind Sie mit mir nicht der Auffassung, dass vor dem Gesetz, auch vor dem Strafgesetz, alle Menschen gleich sind?

(Beifall bei der SPD)

Herr Abg. Kolze.

Zu Ihrer letzten Frage: Natürlich ja. Aber die Erfahrung zeigt, dass es eben nicht immer so ist, dass es eben auch mal anders herum ist. Gerade aus diesem Grund habe ich das Dessauer Beispiel zitiert. Sie kennen mich doch besser, als dass Sie nicht wüssten, wie ich es gemeint habe.

Vielen Dank, Herr Kolze. - Bevor ich Herrn Farle das Wort erteile, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler des Dr.-Frank-Gymnasiums aus Staßfurt recht herzlich hier zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Farle, Sie haben das Wort.

Herr Kolze, Sie haben aus meiner Sicht sehr gute Ausführungen gemacht, die sich wohltuend unterscheiden von dem nichtssagenden Gerede der Frau Ministerin, die kurz zuvor gesprochen hat.

Ich bin sehr interessiert daran, dass Sie auch noch die Ausführungen machen, die Sie nicht machen konnten, weil Ihnen nicht das Wort gegeben wurde; denn ich möchte wissen, was Sie am Ende Ihrer Rede noch ausführen wollten, bevor Sie abbrachen, wie es bei Ihnen üblich ist. Ich möchte wissen, welche Gedanken verloren gegangen sind, weil Sie nicht zu Ende sprechen konnten; auch diese Gedanken würde ich gern kennen.

(Unruhe - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Herr Kolze, ich denke aber nicht,

(Zurufe)

dass Sie jetzt Ihre Rede fortsetzen können. Bitte.

Frau Präsidentin! Herr Farle, es tut mir gut, dass Sie mir noch Redezeit verschaffen wollen. Aber ich glaube, die Regeln im Hohen Hause sind, wie sie sind. Wenn Sie mir eine konkrete Frage gestellt hätten, hätte ich mich auf diese eingelassen. Aber dass ich meine Rede jetzt weiterführe, halte ich nicht für möglich; dann würde die Frau Präsidentin zu Recht einschreiten. Es tut mir sehr leid. Aber ich kann Ihnen meine Rede zur Verfügung stellen.

(Heiterkeit - Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. Es gibt keine weiteren Anfragen. - Somit kommen wir zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Heiß. Sie haben das Wort, Frau Heiß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits gesagt wurde, haben wir schon zweimal einen fast wortgleichen Antrag hier im Landtag behandelt, im November 2016 und auch in der vergangenen Sitzung. Es gibt lediglich sprachlich minimale Abweichungen. In der vergangenen Sitzung haben wir einen Antrag der Koalition verabschiedet. Daher kann ich nicht recht verstehen, warum Sie diesen Sachverhalt hier noch einmal zum Thema machen.

(Zuruf von André Poggenburg, AfD)

Aus meiner Sicht geht es Ihnen nicht um Inhalte, sondern es geht Ihnen um Aufmerksamkeit.

Sie machen in Ihrem Antrag zwei Unterstellungen, zum einen die Unterstellung, dass das Alter junger Menschen zweifelsfrei bestimmbar sei, zum anderen, dass es einen massenhaften Betrugsversuch derer gebe, die hier Schutz suchen.

Zur Bestimmbarkeit des Alters. Das „Deutsche Ärzteblatt“ hat im Mai 2014 ein Themenheft herausgebracht, das sich mit der Altersdiagnostik bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen beschäftigt. Bereits der erste Absatz dieser Expertise ist sehr eindeutig formuliert - ich zitiere -:

„Es ist ein Irrglaube, dass Ärzte das Alter exakt definieren können. Möglich ist nur eine grobe Schätzung. Für die betroffenen Jugendlichen können umstrittene radiologische Verfahren“

- wie es auch schon Frau Grimm-Benne sagte -

„dramatische Folgen haben.“

Nun zur Betrugsunterstellung. Sie sprechen in der Begründung zu Ihrem Antrag von teurem Missbrauch der Jugendhilfe sowie von Missbrauch des Jugendstrafrechts. Auch hier kommen fachkundige Untersuchungen zu gegenläufigen Ergebnissen.

Eine Stichprobe der Bayerischen Ärzteinitiative für Flüchtlingsrechte lässt den Schluss zu, dass regelmäßig Jugendliche für erwachsen erklärt werden, obwohl sie es gar nicht sind. Auch andernorts hat sich schon häufig gezeigt, dass ein später erfolgter Nachweis die ursprüngliche Altersangabe der Jugendlichen bestätigte. Die Flüchtlingsräte in allen Bundesländern kennen genügend Fälle, in denen dieser Nachweis für die Betroffenen zu spät oder gar nicht kam.

Jugendliche werden wie Erwachsene behandelt und die Unterstützung der Jugendhilfe wird Ihnen vorenthalten. Genau an diesem Punkt setzt die Kritik der LINKEN an. Wir brauchen nicht mehr Repression durch gesundheitsgefährdende Untersuchungen und weniger Jugendhilfe, sondern eine bedarfsgerechte Jugendhilfe.

(Beifall bei der LINKEN)

Was wir am Beispiel der hier aufgewachsenen jungen Menschen für richtig und wichtig halten, können wir bei den Zuflucht Suchenden nicht völlig ausblenden. Vielleicht haben Sie sich die Zahlen zu den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Sachsen-Anhalt angeschaut. Diese liegen weit unter der Quote der Menschen, die wir aufnehmen müssten, momentan gerade einmal bei 76 %. Um diese jungen Menschen kümmert sich das Land im Rahmen seiner Möglichkeiten.

Unbegleitete Flüchtlinge, die angeben, minderjährig zu sein, müssen in der geschützten Umgebung einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht werden.

(Zuruf von der AfD)

Dort kann in einem Clearingverfahren neben der Feststellung des Jugendhilfebedarfes auch eine Abschätzung des Alters gemäß der Empfehlung des UN-Ausschusses für die Rechte der Kinder vorgenommen werden.

So oder so dürfte deutlich geworden sein, warum wir Ihren Antrag entschieden ablehnen.

(Zurufe von der AfD - Weitere Zurufe: Aber bewusst! - Ja! - Das ist wichtig! - Aber fünf- mal!)

Zum Schluss noch dieses: Wenn man einen Antrag zu demselben Thema dreimal in den Landtag

einbringt, könnte man denken, das Thema ist wichtig. Man könnte annehmen, dass es Ihnen um die jungen Menschen geht, darum, etwas Gutes zu tun.

(Zuruf von André Poggenburg, AfD)

Es geht Ihnen aber nur darum, Grenzen auszuloten. Es geht Ihnen nicht um die jungen Geflüchteten und darum, wie diese hier im Land behandelt werden.

(André Poggenburg, AfD: Die Opfer! - Zuruf von Lydia Funke, AfD)