Vielen Dank, Frau Abg. Zoschke. Auch hierzu gibt es keine Nachfragen. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann. Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zu dem konkreten Inhalt des Antrages und zur Situation haben wir schon einiges gehört. Lassen Sie mich noch grundsätzliche Überlegungen anschließen.
Der Antrag widmet sich zu Recht der Herausforderung, die bisher trotz aller Diskussionen um die Zukunft der Pflege zu kurz gekommen ist.
Vergleichen wir beispielsweise die Aufmerksamkeit, die das Kinderförderungsgesetz erreicht hat - das ist auch richtig, aber vergleichen wir das einmal -, dann ist eine große Diskrepanz festzustellen. Dabei sind die Inhalte dessen, was wir hier betrachten, ähnlich, es geht nämlich um diejenigen, die die Pflegearbeit leisten müssen.
In beiden Fällen, sowohl, wenn es um kleine Kinder geht, als auch, wenn es um alte Menschen geht, gibt es Familienmitglieder, die begrenzt selbstständig sind, die Begleitung und Unterstützung im Tagesgeschehen brauchen. In beiden Fällen kollidiert dieser Bedarf - natürlich im Einzelfall unterschiedlich, mehr oder weniger stark - mit weiteren Verpflichtungen der Angehörigen, insbesondere natürlich mit der Berufstätigkeit.
In beiden Fällen gab und gibt es Vorbehalte gegen die Nutzung öffentlicher Institutionen, öffentlicher Unterstützungseinrichtungen. Die Bestürzung in dem Satz: „Was, du gibst deine Mutter in ein Pflegeheim?“ ist zu vergleichen mit dem Satz: „Was, du bringst dein Kind schon mit ein paar Monaten oder mit eineinhalb Jahren in die Kita?“. Das wird in Deutschland sicherlich jeden Tag häufig so zum Ausdruck gebracht.
Im Bereich der Kita schwinden diese Vorbehalte, auch im Westen Deutschlands, auch in Bayern, nicht zuletzt, weil Krippen und Kitas längst nicht mehr reine Betreuungseinrichtungen sind. Über den Wert frühkindlicher Bildung werden wir heute auch noch ausführlich sprechen.
Ich glaube, im Bereich der Pflege ist dieses Bild, dass von mir erwartet wird, mich um meine Eltern oder meinen Ehepartner zu kümmern, noch sehr viel stärker ausgeprägt. Im Bereich der stationären Unterbringung - auch das ist dankenswerterweise heute noch ein Tagesordnungspunkt in diesem Hohen Hause - tut sich aktuell sehr viel. Auch die Schreckensvision, im Alter ins Heim abgeschoben zu werden, kann dadurch schwinden. Irgendwann wird sich vielleicht sogar eine positive Vision des gemeinsamen Lebens im Alter dagegensetzen.
Aber auch all jene, die ihre Angehörigen zu Hause betreuen wollen, sollen und dürfen wir nicht allein lassen. Der Wert und die Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigen sich unter anderem im Wesentlichen darin, wie wir unsere älteren und alten Menschen behandeln.
Bei uns pflegen - das ist gesagt worden - fast 50 % der Angehörigen jemanden ohne weitere Unterstützung. Ambulante Dienste oder Unterstützungsangebote im Alltag erreichen sie aus unterschiedlichen Gründen nicht, zum Teil, weil sie nicht den Bedarfen entsprechen, weil es nicht passfähig ist, oft aber auch, weil es dort, wo sie gebraucht werden, einfach keine Dienste gibt. Manchmal sind die Angebote aber auch schlicht und ergreifend nicht bekannt. An dieser Stelle müssen wir dringend ansetzen. Dafür brauchen wir ein umfassendes Bild; das fordert der in Rede stehende Antrag ein.
Dabei stehen folgende Fragen im Fokus: Greift die Stärkung der Selbsthilfe durch die neue Pflegeverordnung? Findet im Land nun - um es technisch auszudrücken - eine Förderung von Angeboten nach § 45c SGB XI statt? Wie gestaltet sich die ehemalige Förderung von niedrigschwelligen Beratungsangeboten nach deren Neuvergabe und Konzipierung als Unterstützung im Alltag?
Und vor allem: Welche Aktivitäten gibt es im Land im Bereich der Losung „Die Zukunft der Pflege liegt im Quartier“ und konkret im Bereich der Bil
dung von regionalen Pflegekonferenzen? - Ich glaube, das sind Zukunftsfragen. Wir sollten uns diesen Fragen jetzt widmen, ehe sie drängend bei uns vor der Tür stehen.
Wir haben diese Zielrichtung deswegen auch im Koalitionsvertrag verankert. Wir arbeiten daran, entsprechende Maßnahmen in den letzten Doppelhaushalt in dieser Legislaturperiode zu implementieren.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit ich mich mit Quartiersansätzen in der Pflege etwas tiefer gehend beschäftigt habe und sehr gelungene Beispiele, zum Beispiel in NordrheinWestfalen, in Brandenburg, Niedersachsen oder Baden-Württemberg, kennenlernen durfte, steht für mich außer Frage, dass wir auch in SachsenAnhalt an dieser Stelle einen starken Impuls setzen müssen; denn das ist tatsächlich eine Struktur, in der sich letztlich Pflege mit anderen Unterstützungseinrichtungen verbinden lässt, was letztendlich gute Synergien bildet.
In lokalen Verantwortungsgemeinschaften - so der Fachbegriff - liegt für mich die Zukunft und in diesem Fall auch die Zukunft guter Pflege. Dort ergibt sich das Bild eines selbstbestimmten Wohnens und Pflegens auch bei Pflegebedürftigkeit, also dass man gut leben kann, wenn man pflegebedürftig ist, und zwar wohnortnah, familiennah, inklusiv, getragen von professionellen Pflegediensten und niedrigschwelligen Hilfen ehrenamtlicher und nachbarschaftlicher Unterstützung. Es gilt also, das gesamte Potenzial zivilgesellschaftlicher Initiative und professioneller Arbeit zusammenzuführen.
In diesem Sinne - ich sehe, dass meine Redezeit zu Ende ist - kann ich abschließend nur an Sie appellieren: Wir dürfen die pflegenden Angehörigen nicht allein lassen, wir sollten heute einen belastbaren Schritt tun. Denn diese Pflege ist oft Pflege bis zur Selbstaufgabe und das dürfen wir als Politik nicht zulassen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abg. Lüddemann. Auch hierzu gibt es keine Nachfragen. - Frau Dr. Späthe hat zum Abschluss noch einmal das Wort. Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Eine der Prämissen des Handelns von Landesregierung und Koalitionsfraktionen ist das Ziel, allen Menschen ein möglichst langes Leben in der gewohnten Umgebung
Wir sind uns einig: Dieses Ziel bedeutet, dass es neben einer kleinteiligen regionalen Versorgungsstruktur verstärkt auf individuelle und passgenaue Maßnahmen ankommt. Dabei muss, weil es gar nicht anders möglich ist, das private Umfeld einbezogen werden und einen Teil der Pflegeleistungen übernehmen.
Pflegearbeit ist Schwerstarbeit. Das wurde, glaube ich, fraktionsübergreifend festgestellt. Unser Dank gilt allen, die sich auf diesem Gebiet engagieren.
Fakt ist aber auch, dass die Gesellschaft dieses private Engagement erwartet und es als normal und legitim ansieht. Mit dem Koalitionsvertrag haben wir uns vorgenommen, die hohen Zuwachsraten an stationären Plätzen im Land zu drosseln und insbesondere pflegende Angehörige zu entlasten, die bisher oftmals ohne weitere Unterstützung die Pflege der Nächsten leisten. Mit unserem Antrag, zu dem ich Sie nochmals um Zustimmung ich bitte, wollen wir das fördern und wollen vor allem das Thema noch einmal in die breite Öffentlichkeit tragen.
Vieles findet im Lande schon statt, ist aber zu wenig bekannt. Angebote der Selbsthilfe - sie wurden erwähnt -, der „Runde Tisch Pflege“ des Ministeriums, die vereinzelt existierenden Bündnisse zur Pflege im Land sowie Forschungsvorhaben und Pilotprojekte des Ministeriums, von denen die Frau Ministerin sprach, müssen offensiv beworben und propagiert werden.
Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Auch das ist eine Tatsache, meine Damen und Herren, von der ich meine, dass sie in manchen Amtsstuben noch nicht angekommen ist. Verantwortung für einen Landkreis oder eine Region zu tragen bedeutet auch, die Lebensbedingungen zu gestalten, Stichwort: Pflege im Quartier.
Gerade in unserem ländlich geprägten Bundesland kommt dabei dem Engagement pflegender Angehöriger und der Unterstützung durch das persönliche Netzwerk Betroffener eine besonders hohe Bedeutung zu. Um dieser Bedeutung gerecht zu werden und diese Menschen nicht allein zu lassen, bedarf es unterschiedlicher Angebote, die in Halle und Magdeburg ganz anders aussehen als in der Altmark oder im Mansfelder Land.
In den Flächenkreisen ist aus verwaltungsrechtlicher Sicht ein völlig anderer Ansatz für Pflegebündnisse zu wählen als in den kreisfreien Städten. Dafür suchen wir mit den Praxispartnern nach Lösungen; dafür brauchen wir auch Forschung und Pilotprojekte. Ich bitte Sie also noch einmal um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
Ich muss einmal fragen: Soll der Antrag in einen Ausschuss überwiesen werden? Das habe ich bisher nicht vernommen. - Es soll eine Direktabstimmung vorgenommen werden. Okay.
Wir stimmen nun über den Antrag in der Drs. 7/2714 ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion der AfD sowie ein fraktionsloses Mitglied des Landtages. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Teile der Fraktion DIE LINKE enthalten sich der Stimme. Damit ist der Antrag angenommen worden.
- Der Alternativantrag kommt noch. - Nein, Entschuldigung. Wir haben über den Antrag direkt abgestimmt, diesem wurde zugestimmt und damit ist der Alternativantrag obsolet. Wenn dem ursprünglichen Antrag nicht zugestimmt worden wäre, dann wäre der Alternativantrag zum Tragen gekommen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Besondere Bedarfe verlangen nach besonderer Förderung - so kann man den Kern dieses Antrags zusammenfassen. Der Personalschlüssel, die FachkraftKind-Relation, ist d e r Schlüssel für die Qualität in Kindertageseinrichtungen.
Wir haben in der Vergangenheit viel für die Quantität getan und werden dies auch weiterhin tun. Wir tun bald sehr viel, um die Eltern finanziell zu entlasten und somit den Zugang zu erleichtern. Aber gleichzeitig müssen wir auch deutlich mehr in die Qualität investieren. Da - Sie kennen mich - alles im Leben seinen Preis hat und nicht alles auf einmal geht, fangen wir bei den Schwächsten an, und zwar dort, wo besondere Bedarfe bestehen.
Die in Rede stehenden Bedarfe sind wohlbekannt. Wir alle wissen: Viele Kinder in unserem Land wohnen und leben unter sozioökonomisch schlechten Bedingungen. Die hohe Kinderarmutsquote in Sachsen-Anhalt wie auch die bundesweit höchste SGB-II-Quote bei Alleinerziehenden sind uns Mahnung und Auftrag, politisch aktiv zu werden.
Auch die zum Teil bundesweit bemerkenswert schlechten Ergebnisse bei der Schuleingangsuntersuchung zeigen: Wir müssen sehr viel früher sehr viel stärker aktiv werden, und zwar aktiv werden für mehr Chancengerechtigkeit, aktiv werden, um die volle Teilhabe aller Kinder im Land zu ermöglichen. Mit der Sonderförderung werden wir aktiv. Wir werden aktiv für mehr Chancengerechtigkeit in Sachsen-Anhalt.
Das Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, ist eine zusätzliche Förderung für Kitas mit besonderen Herausforderungen. Kinder aus schwierigen Verhältnissen brauchen einfach mehr Zuwendung. Sie brauchen mehr Zeit und Aufmerksamkeit als Kinder, die unter günstigeren und fördernden Bedingungen aufwachsen. Um diesen Kindern einen guten Lebensstart zu ermöglichen - damit ist natürlich auch ein guter Schulstart gemeint -, braucht es zum Beispiel eine besondere Sprachförderung oder eine Stärkung der Mitbestimmung der Kinder, um deren Selbstwirksamkeit zu erhöhen, damit Kinder von klein auf lernen: Ja, ich habe mein Leben ein Stück weit selbst in der Hand, ich kann bestimmen, was aus mir und meinem Leben wird, ich bin den widrigen Gegebenheiten nicht schutzlos ausgesetzt.