Sehr geehrter Herr Aldag, Sie sprechen für die Fraktion DIE GRÜNEN - mein zweiter Versuch. Sie haben das Wort. Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den letzten Jahren ist in der Schulpolitik in unserem Bundesland nicht immer alles gut gelaufen. Entsprechend hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der letzten Legislaturperiode die Personalpolitik der Landesregierung stark kritisiert. Ehrlich und offen sind nun die Äußerungen - wo ist er denn? Er ist weg - des Bildungsministers.
- Ah, dort versteckt er sich, hinter Herrn Felgner. - Ehrlich und offen sind nun die Äußerungen des Bildungsministers, und ich freue mich ehrlich, dass hier ein Umdenken stattfindet und wohl ein neuer Schwung ins Haus kommt.
Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, sind das Resultat einer Politik mit wenig Weitblick. Umso wichtiger ist es, dass wir uns in dieser Legislaturperiode im Sinne einer nachhaltigen Verbesserung der Bildungslandschaft in SachsenAnhalt nun die notwendige Zeit nehmen, aber auch zusehen, dass wir im Interesse der Schülerinnen und Schüler, der Eltern sowie der Lehrkräfte zu einer möglichst baldigen gemeinsamen Lösung kommen.
Die im Koalitionsvertrag definierten Ziele zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung sind ambitioniert. Die Landesregierung ist jedoch motiviert, die gesteckten Ziele schnellstmöglich zu erreichen. Das zeigt sich am schnellen Handeln des Kabinetts zur Neueinstellung von 270 Lehrkräften für das Schuljahr 2016/2017 und in dem Verzicht
Darüber hinaus - das haben Sie in Ihrem Antrag zur Kenntnis genommen - sind im Koalitionsvertrag zahlreiche Maßnahmen genannt, die die Unterrichtsversorgung gewährleisten und verbessern werden. Ich will hier einige wenige Eckdaten nennen:
Der Koalitionsvertrag sieht eine durchschnittliche aktive Unterrichtsversorgung an den öffentlichen Schulen von 103 % vor. Nach den derzeit bekannten Zahlen bedeutet dies ein Arbeitsvermögen von 14 500 Vollzeitlehrereinheiten an den allgemeinbildenden und 1 900 Vollzeitlehrereinheiten an den berufsbildenden Schulen.
Dem Koalitionsvertrag können Sie ebenfalls entnehmen, dass eine Neueinstellung von ca. 3 500 bis 4 000 Lehrkräften für allgemein- und berufsbildende Schulen bis zum Ende der siebenten Legislaturperiode vorgenommen werden soll. Diese Zahl ist entsprechend einer positiven Entwicklung der Zahl der Schülerinnen und Schüler im Land jeweils anzupassen.
Für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen wir dauerhaft ein Arbeitsvermögen von 1 800 Vollbeschäftigteneinheiten erreichen.
Auch die Flexibilisierung haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben, die nach Aussagen des Ministers seit einiger Zeit bereits umgesetzt wird. Sie können sicher sein, dass dies auch zukünftig bei den Ausschreibungen eine gängige Praxis sein wird. So sollen zum Beispiel die bürokratischen Hindernisse beim Prozess zur Gewinnung von Vertretungslehrkräften abgeschafft werden, um so längere Abwesenheit jeder Art durch befristete Vertretungen zu kompensieren.
Seiten- und Quereinsteigern sollen attraktive Möglichkeiten zur Qualifizierung angeboten werden. Dazu hat der Bildungsminister bereits ausgesagt, dass sein Haus sich in der Lage sieht, bis zum Jahresende 2016 einen Bericht zur Beratung vorzulegen. Ich denke, dieser wird dann im Ausschuss ausführlich behandelt und die Grundlage für eine konkrete politische Handlung sein.
Ich kann die Fraktion DIE LINKE verstehen, dass sie Zweifel an der Umsetzung der wirklich hochgesteckten Ziele hat. Der Antrag resultiert vermutlich auch aus dem Ergebnis der Kleinen Anfrage aus dem Mai, und die darin geschilderten Aussichten sind alles andere als rosig. Wir sind uns aber als Koalitionsparteien sicher, dass die zuständigen Stellen daran arbeiten - der Minister hat das bestätigt -, die Unterrichtsversorgung insgesamt für das kommende Jahr und darüber hinaus in den Griff zu bekommen.
2025“ unter der Federführung des Bildungsministeriums vor, deren Aufgabe darin besteht - ich zitiere -, „die Lehrkräftebedarfe über die Legislaturperiode hinaus insgesamt und regional schulform- und fachbezogen zu beschreiben.“ - Ich denke, damit ist die Zielrichtung klar formuliert.
Meine Damen und Herren! Sie sehen, dass auch im Bereich der schulischen Bildung gemäß dem Koalitionsvertrag mittel- bis langfristig - ich gebe zu, nicht kurzfristig - eine Verbesserung zu erwarten ist. Ich habe es anfangs erwähnt: Die Koalition ist motiviert, die Herausforderungen in der Unterrichtsversorgung anzunehmen und die Situation deutlich zu verbessern.
Wir wollen diesen Antrag federführend in den zuständigen Ausschuss für Bildung und Kultur und aufgrund seiner finanziellen Auswirkungen in den Finanzausschuss überweisen und dort im Einzelnen ausführlich im Dialog miteinander behandeln. Somit geben wir uns und dem zuständigen Ressort in der Landesregierung die Möglichkeit und die nötige Zeit, inhaltlich und konzeptionell über die Aufforderungen in diesem Antrag bzw. aus dem Koalitionsvertrag zu diskutieren. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abg. Aldag. - Für die Fraktion der AfD spricht Frau Abg. Funke. Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Hohes Haus! Es wird der LINKEN vielleicht nicht ganz gefallen, dass wir im Bildungsbereich doch einige Schnittmengen haben.
Ich bin beispielsweise bei Herrn Knöchel voll dabei, wenn er sagt, dass die Bildung der Schlüssel zur Lösung ist; denn Wissenschaft und Wirtschaft korrelieren natürlich unweigerlich mit Bildungspolitik.
Es werden oft genug Bilder der Resignation statt Motivation unter den Pädagogen spürbar sichtbar. Die Altersstruktur unserer Lehrerschaft und die Unterrichtsversorgung sind in diesem Land desolat. Hinzu kommt die allmähliche Absenkung des Bildungsniveaus in den einzelnen Schulformen. Da muss man, glaube ich, nicht mehr fragen, ob
Die Lehrer kommen an ihre Grenzen, gehen folglich in Rente oder in den Vorruhestand, sind häufig krank oder gar langzeitkrank und blockieren damit die Neubesetzung der Stellen. Und warum? - Sie sind schlichtweg überlastet und stöhnen und ächzen unter dem Druck verschiedenster Anforderungen, die heute auf einen Pädagogen einprasseln, die mit der eigentlichen pädagogischen Tätigkeit nicht mehr viel zu tun haben. Die klassische pädagogische Arbeit ist scheinbar obsolet geworden.
Sie müssen wissen, ein Klassenverband setzt sich heutzutage nicht mehr wie vor 25 Jahren zusammen. Wir haben heute hochkomplexe Klassenstrukturen. In Großklassenverbänden von bis zu 30 Schülern, die ebenfalls ein Resultat des Lehrermangels sind, haben bis zu drei Viertel der Kinder, gleich welcher Schulform, in der Regel einen erhöhten Förderbedarf.
Wir haben Schulverweigerer, mit denen sich der Lehrer auseinandersetzen muss. Wir haben überforderte Eltern, mit denen sich der Lehrer auseinandersetzen muss. Es besteht ein erhöhter psychischer Förderbedarf. Die Lehrer haben mittlerweile mehrheitlich in allen Bildungseinrichtungen mit verhaltensgestörten Kindern und Jugendlichen zu tun.
In einigen Schulen ist die Situation innerhalb der Klasse so gravierend, dass man meinen könnte, man befände sich bereits an einer Sonderschule. In den Klassen befinden sich Kinder mit Lernschwächen wie Legasthenie und Dyskalkulie, mit Lernunwilligen, man hat mit Mobbing zu tun. Eine hohe Frequenz psychisch Auffälliger kommt noch hinzu, die sich beispielsweise im Suchtverhalten äußern.
Es zeigen sich also eine Menge Nebenkriegsschauplätze, die mittlerweile klassenbeherrschend sind und stetig weiter zunehmen. Zu guter Letzt kommen Sie dann leider noch mit Ihren Gesellschaftsexperimenten wie Inklusion und Gendering daher.
Ich komme zum Antrag der LINKEN. In Punkt 1 stellt die Fraktion DIE LINKE hauptsächlich auf eine Sicherstellung der Unterrichtsversorgung ab. Wenn Sie bei einem derzeitigen Lehrerbestand von 100 % ausgehen, sollen 103 % diese Förderbedarfe, Krankheit und Rente absichern? - Ich sage Ihnen, 105 % wären hier vielleicht noch besser, wenn nicht sogar mehr nach den Zahlen, die wir vom Finanzminister gehört haben.
Dann muss man sich die Frage des Nachteilsausgleichs stellen, meine Damen und Herren. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind
hier nicht das entsprechende Problem. Die Landesregierung muss sich fragen, was an Leistungen zu erbringen ist, um diese Nachteile auszugleichen und mit welchem Personal - ich empfehle Ihnen, mit qualifiziertem Personal.
Der Aufforderung der LINKEN an die Landesregierung, den konkreten Personalbedarf beizubringen, stimme ich zu, stimmt auch die Fraktion der AfD zu. Ich frage mich allerdings, wie man im Koalitionsvertrag überhaupt auf die Zahlen bzw. die Zahl der Neueinstellung von 270 gekommen ist.
Ich lese den Koalitionsvertrag so, dass es eigentlich die Stellen sind, die gestrichen werden sollten, frei nach dem Motto. Wir schreiben einfach eine Zahl hinein. 270 Neueinstellungen, das hört sich prima an. Das Ganze geht für mich gegen null. Wie man dann von Spielräumen frei werdender Stellen sprechen kann, das frage ich mich, das frage ich die Koalition und das frage ich auch die LINKE.
Damit komme ich zum nächsten Punkt des Antrages. Die Ausschreibungspraxis des Landes ist seit Jahren scheinbar eine Antiausschreibungspraxis oder Antieinstellungspraxis. In diesem Sinne würde die AfD-Fraktion Punkt 3 des Antrags sogar befürworten. Aber auch das ist von Ihnen nur einmal geblinkt, werte LINKE, und nicht die Lösung; denn - womit ich schon zum nächsten Punkt Ihres Antrags komme - die Ausschreibungskriterien sind auf keinen Fall aufzuweichen.
Die Flexibilisierung hinsichtlich der Online-Bewerbung ist allerdings zu begrüßen; denn auch in anderen Branchen ist es bereits gängige Praxis. Warum sollte das nicht auch hierbei so sein?
Den Bewerberkreis auf Lehramtsabsolventen zu erweitern, obwohl das Referendariat noch nicht begonnen oder abgeschlossen wurde, ist ein Schritt in die richtige Richtung unter der Bedingung, dass das Staatsexamen erfolgreich abgeschlossen wurde. Das Referendariat ist sehr anspruchsvoll, ja, und bisweilen in einigen Teilen auch übertrieben.
Um eine Änderung herbeiführen zu können und um auf alle Fälle die Motivation der jungen Lehrer, aber auch die Attraktivität des Lehrerberufes zu erhöhen, ist der Vorbereitungsdienst, wenn überhaupt, dann zu verkürzen. Des Weiteren sollte man endlich von Zeitverträgen abrücken und den Junglehrern auch eine Perspektive geben oder auch über eine Verbeamtung nachdenken.
Als weiterer Anhaltspunkt, werte Koalition und werte LINKE: Sie wollen immer so vielen Menschen eine Chance geben.
Ja. Ich bin sofort dabei. - Dann geben Sie bitte auch den jungen Pädagogen eine Berufschance und -perspektive, die ihre Lehrerausbildung vielleicht nur mit der Note 3 absolviert haben. - Gut.
Da oben links - darauf haben Sie jetzt Ihr Papier gelegt - ist diese Anzeige. Diese haben Sie jetzt leider verdeckt.