Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 7/538 mit dem Titel „Personalstrategie in der Justiz - Die Dritte Gewalt im Land Sachsen-Anhalt auf tragfähige Füße stellen“ wurde in der 14. Sitzung des Landtages am 24. November 2016 von mir eingebracht. Dort wurde er zur Beratung und Beschlussfassung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen.

Ziel des Antrages ist es, neben einigen Feststellungen zur aktuellen nicht zufriedenstellenden Personalsituation im Bereich der Justiz die Sicherstellung einer auskömmlichen Personal- und Sachausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften zu erreichen.

Ferner sollte dem Landtag durch die Landesregierung eine Personalstrategie in Form einer strategisch angelegten Personalplanung vorgelegt werden. Im Rahmen einer Berichterstattung in den Ausschüssen für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie für Finanzen sollte die kurz-, mittel- und langfristige Personalentwicklung für den gesamten Bereich der Justiz - einschließlich des Justizvollzuges - dargestellt werden. Zur Vervollständigung des Bildes sollte der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung eine Anhörung unter Beteiligung der Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie der Justizvollzugsanstalten

einschließlich der Interessenvertretungen der Beschäftigten durchführen.

In seiner 4. Sitzung am 2. Dezember 2016 befasste sich der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung erstmals mit diesem Antrag und verständigte sich darauf, eine Anhörung zu dieser Thematik durchzuführen.

Zu dieser Anhörung, welche in der 6. Sitzung am 17. Februar 2017 stattfand, wurden neben Vertreterinnen und Vertretern der Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes sowie der Personalvertretungen auch die Interessenvertretungen wie der Landesverband im Deutschen Juristinnenbund, der Deutsche Anwaltsverein, der Bund der Richter und Staatsanwälte, der Bund der Strafvollzugsbediensteten, der Landesverband des Justizwachtmeisterdienstes, der Bund Deutscher

Rechtspfleger, die Rechtsanwaltskammer, die Deutsche Justizgewerkschaft und der Verband der Gerichtsvollzieher eingeladen.

Ohne hier näher auf die Anhörung eingehen zu wollen, kann ich zumindest sagen, dass alle Anzuhörenden mehr oder weniger stark ausgeprägte Defizite in der Personalausstattung sahen. Aufgrund des hohen Altersdurchschnitts und der daraus resultierenden „Pensionierungswelle“ der nächsten Jahre würden sich diese Probleme noch verschärfen - so die Aussagen.

Die nächste Beratung zu diesem Antrag fand in der 8. Sitzung am 21. April 2017 statt. In deren Ergebnis verständigte sich der Ausschuss darauf, die Landesregierung um einen schriftlichen Bericht noch vor der Sommerpause im letzten Jahr zu bitten. Dieser sollte neben den im Antrag, insbesondere im Punkt 4, sowie in der Anhörung aufgeworfenen Aspekten auch auf weitere drängende Fragen der Abgeordneten eingehen.

Um dieser Bitte zu entsprechen, übersandte das Ministerium für Justiz und Gleichstellung dem Ausschuss ein 43 Seiten nebst Anlagen umfassendes Grobkonzept zur Personalstrategie in der Justiz.

Mit diesem Grobkonzept befasste sich der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung ausführlich in seiner 14. Sitzung am 10. November 2017 und stellte eine erneute Ausschussbefassung für seine Februarsitzung - sofern das auf dem Grobkonzept fußende Feinkonzept vorläge - in Aussicht.

Ebenfalls in dieser Ausschusssitzung wurden der Antrag der Fraktion der AfD in der Drs. 7/1155 mit dem Titel „Attraktivitätsoffensive Justizdienst - Justizwachtmeister aufwerten“ sowie der Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE in der

Drs. 7/1211 zu diesem behandelt. Aufgrund des thematischen Zusammenhangs entschied sich der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstel

lung, diese zukünftig gemeinsam zu beraten. Einzelheiten zu diesen beiden parlamentarischen Initiativen werden Sie zu gegebener Zeit, wenn die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Finanzen dem Landtag vorliegt, von diesem erfahren.

Das sehr umfangreiche Feinkonzept zur Personalstrategie in der Justiz lag dem Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung Anfang Februar vor, sodass sich dieser in seiner 17. Sitzung am 16. Februar 2018 erneut mit der Thematik befassen konnte. Bevor man jedoch in die inhaltliche Beratung in Bezug auf den Antrag einsteigen wollte, sollten zunächst im Rahmen eines Treffens der rechts- und finanzpolitischen Sprecher mit der Arbeitsebene des Ministeriums offene Fragen erörtert werden.

Hierzu trafen sich die besagten Fachpolitiker und Fachpolitikerinnen am 4. April 2018 mit Herrn Staatssekretär Böning sowie weiteren Vertretern des Ministeriums und berieten intensiv das vorgelegte Feinkonzept.

In der darauffolgenden 19. Sitzung am 4. Mai 2018 befasste sich der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung erneut mit diesem Antrag und verständigte sich darauf, in seiner nächsten Sitzung eine Beschlussempfehlung für den Landtag zu erarbeiten. Ferner wurde festgelegt, dass den an der Anhörung beteiligten Verbänden und Vereinen das erarbeitete Feinkonzept, gemeinsam mit dem heute zu fassenden Beschluss, übersandt werden wird.

Zur abschließenden Beratung in der 20. Sitzung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung am 8. Juni 2018 lag ein Beschlussvorschlag der Fraktionen CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor.

Nach kurzer Aussprache wurde der Beschlussvorschlag der Koalitionsfraktionen unverändert zur Abstimmung gestellt und mit 9 : 3 : 0 Stimmen als Beschlussempfehlung an den Landtag verabschiedet. Diese liegt Ihnen in der Drs. 7/2999 vor.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Namen des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung bitte ich um Zustimmung zur Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU)

Danke für die Berichterstattung. - Wir treten nun in die Debatte ein; es ist eine Dreiminutendebatte. Als Erste spricht für die Landesregierung die Ministerin Frau Keding. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, sich mit der Personalstrategie in der Justiz so intensiv zu befassen.

Die Justiz ist eine der drei Säulen des Staates. Den Richtern ist die Rechtsprechung anvertraut. Die Gerichte verkörpern die dritte Gewalt. Dabei werden sie von Staatsanwaltschaften, sozialen Diensten und Justizvollzugsanstalten flankiert.

Nicht nur in Sachsen-Anhalt steht aber die Justiz auch vor großen Herausforderungen. Zwar ist die Personalausstattung zumindest bei einer Durchschnittsbildung über die verschiedenen Dienste und die Gerichte heute noch annähernd auskömmlich. Das wird sich in den kommenden Jahren aber ganz gravierend ändern. Bis 2030 - also in den kommenden zwölf Jahren - werden rund 55 % aller Bediensteten altersbedingt ausscheiden. Bei den Arbeitsgerichten ist die Tendenz besonders dramatisch. Alle dort tätigen Richter sind älter als 55 Jahre. Die Sozialgerichte sind derzeit so stark belastet, dass sie ihren Verfahrensbestand nicht abbauen können.

Bei den Staatsanwaltschaften können Bedienstete in hochspezialisierten Sonderdezernaten ihr Wissen und ihre prozessualen Erfahrungen nicht weitergeben. Fast alle jungen Leute, die ich überhaupt noch einstellen kann, müssen derzeit in die Verwaltungsgerichte, um der zahlreichen Klagen im Asylbereich Herr zu werden.

Ich habe deshalb dem Rechtsausschuss zuerst ein Grobkonzept, dann ein „Feinkonzept zur Personalstrategie in der Justiz“ vorgelegt. Diesem Feinkonzept liegt eine Personalprognose bis zum Jahre 2030 zugrunde. Wir haben dabei errechnet, welcher Einstellungsbedarf sich ergibt, wenn man einerseits die regulären Pensionierungen in den nächsten zwölf Jahren, andererseits aber auch die Bevölkerungs- und Geschäftsentwicklung berücksichtigt.

Dabei lässt sich festhalten, dass es Jahre mit sehr, sehr vielen und Jahre mit sehr wenigen Altersabgängen geben wird. Man könnte nun bei jeder Pensionierung prüfen, ob die Stelle wieder besetzt werden soll und dann das ganze Prozedere ablaufen lassen. Dann käme es aber in Jahren mit vielen Altersabgängen zu regelrechten Einstellungswellen, wie wir sie Anfang der 90er-Jahre erlebt haben - mit allen Problemen, die diese mit sich gebracht haben.

Sinnvoller ist es, die Gesamtzahl - das ist der Ansatz dieses Konzeptes - der bis 2030 erforderlichen Einstellungen gleichmäßig auf die einzelnen noch kommenden Jahre zu verteilen und da

mit eine Glättung dieser zu erwartenden Pensionierungswelle zu erreichen.

Für diese Vorgehensweise sprechen drei gewichtige Gründe. Erstens. Der Altersklassenaufbau in der Justiz muss verstetigt werden. Es ist nicht gut, wenn in einer Dienststelle, wenn in einem Gericht über viele Jahre überwiegend dieselben Leute derselben Altersgruppe tätig sind.

Meine Damen und Herren! Dazu kommt noch: Richter und Richterinnen können nicht einfach nach Bedarf versetzt und anderen Gerichten oder Gerichtsbarkeiten zugewiesen werden.

Zweitens wollen wir den Wissenstransfer fördern. Erfahrene Bedienstete sollen ihr Wissen rechtzeitig an die nächste Generation weitergeben können.

Drittens müssen wir die Einstellungskapazitäten ausschöpfen können. Derzeit sind noch verhältnismäßig viele geeignete Bewerber und Bewerberinnen auf dem Arbeitsmarkt verfügbar, aber die anderen Länder werden auch einstellen, und sie stellen schon ein.

Ich habe deshalb das Feinkonzept der Anmeldung des Personalhaushalts und den Personalbedarf der Justiz den Haushaltsanmeldungen für das Jahr 2019 zugrunde gelegt. Wir streben einen Personalbestand von 4 511 Vollzeitäquivalenten an. Damit würden wir, wie im Koalitionsvertrag verabredet, eine 101-prozentige PEBB§Y-Auslastung sicherstellen. Dabei ist PEBB§Y keine Schleichwerbung, sondern eine mathematischanalytische Personalbedarfsberechnung, etwas, das bundesweit anerkannt ist und den Personalbedarf in der Justiz nachvollziehbar belegt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei der LINKEN)

Danke, Frau Ministerin. Ich sehe keine Nachfragen. - Dann können wir in die Debatte der Fraktionen einsteigen. Es spricht als Erste für die SPD-Fraktion die Abg. Frau Schindler.

Ich habe noch die Bitte, dass wir den Geräuschpegel auf den Bänken ein bisschen reduzieren. Das ist ein bisschen störend. - Danke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn sich die Koalitionsfraktionen in ihrem Koalitionsvertrag bereits mit der Problematik der Personalstrategie in der Justiz auseinandergesetzt haben, war aber auch der Antrag zur Personalstrategie von den LINKEN, wie ihn Frau von Angern bereits dargestellt hat, ein wichtiger Impuls, der gegeben worden ist, sich

mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. An der Stelle auch von mir ein Dank für diesen Antrag.

Es war wichtig, diese Debatte in das Parlament und in die Ausschüsse zu holen. Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht auf eine starke, unabhängige und effiziente Justiz. Es ist unstrittig, dass wir zwar auf der einen Seite eine leistungsfähige Justiz haben, diese aber, wie auch die Ministerin gerade ausführte, vor großen Herausforderungen steht. Es sind die Worte „Altersabgänge“ und „steigende Arbeitsbelastung“ gefallen.

Auch in meiner Rede zum Antrag - diese war vor nun schon fast zwei Jahren - habe ich darauf hingewiesen, dass eine leistungsfähige Justiz nur dann funktioniert, wenn die notwendigen personellen und sächlichen Ressourcen gegeben sind. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das ist nicht immer der Fall, so wie uns das die Analyse auch gezeigt hat.

Im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung haben wir uns intensiv mit diesen Fragen auseinandergesetzt, und die Anhörung hat gezeigt, wie die Perspektive und die Situation vor Ort aussehen. Sie ist in Teilen sehr dramatisch geschildert worden.

Deshalb begrüßen wir den gemeinsamen Weg, den wir mit dem Grob- und dem Feinkonzept gegangen sind. An der Stelle noch einmal herzlichen Dank an alle, die daran mitgearbeitet haben, sowie für die Zusammenarbeit im Ausschuss, die in dieser Sache sehr konstruktiv war.

Das Konzept ist aus meiner Sicht eine gute Grundlage für die nun anstehenden Beratungen zum Haushalt. Deshalb möchte ich es vor allem unseren Haushaltspolitikern in allen Fraktionen ans Herz legen. Sie müssen nicht das gesamte Konzept lesen. Vielleicht reicht es auch, das Fazit zu lesen, welches auf den Seiten 30 bis 35 und auf der Seite 45 zusammengefasst ist. Das sagt schon vieles.

Das macht sehr anschaulich, vor welchen Problemen wir stehen und welche Möglichkeiten wir zur Problemlösung aufgezeigt haben. Hierzu zählt neben der Einstellung von 100 zusätzlichen Bediensteten im Justizvollzug, wozu wir uns bereits im Koalitionsvertrag verpflichtet haben, auch die Erhöhung der VZÄ-Ziele ab dem Haushaltsjahr 2019.

Also noch einmal meine Bitte an alle hier, sich dieser Sache in den kommenden Haushaltsberatungen anzunehmen, und die Möglichkeiten, die wir mit diesem Feinkonzept aufgezeigt haben, zu sehen. Ich bin froh über die gefundene Beschlussempfehlung, die auch im Rechtsausschuss eine sehr große Zustimmung gefunden hat, und bitte deshalb um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

Danke, Frau Schindler. Ich sehe keine Nachfragen. - Deswegen können wir in der Debatte fortfahren. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Höse. Herr Höse, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag bescheinigen die Regierungsfraktionen der Justiz zwar vollmundig ihre Leistungsfähigkeit; die Gerichtsvollzieher und Justizbeamten, mit denen wir sprechen konnten, bewerten die Situation allerdings völlig anders.

Allein im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit gehen bis 2030 376 Beamte in Pension. Die Bewerberzahlen sind rückläufig. Eine eigene Ausbildungsstätte im Land gibt es nicht. Ähnlich sieht es bei den Justizwachtmeistern aus. 170 Kollegen gehen bis 2029 und bereits jetzt wären rund 40 Bedienstete mehr erforderlich.

Die Sicherheit der Bürger und ihr Anspruch auf einen effektiven Rechtsschutz sind ernsthaft gefährdet. Zusätzlich aber überziehen die Gäste der Flüchtlingskanzlerin unsere Gerichte mit Tausenden von Asylklagen und legen damit de facto den ganzen Gerichtsapparat lahm.