Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

Die Sicherheit der Bürger und ihr Anspruch auf einen effektiven Rechtsschutz sind ernsthaft gefährdet. Zusätzlich aber überziehen die Gäste der Flüchtlingskanzlerin unsere Gerichte mit Tausenden von Asylklagen und legen damit de facto den ganzen Gerichtsapparat lahm.

Allein im Jahr 2017 verzeichneten die Verwaltungsgerichte in Sachsen-Anhalt einen Eingang von ca. 8 000 Verfahren. Das ist eine Verzehnfachung gegenüber 2012. Zu 70 % beschäftigen sie sich nur noch mit Asylklagen. Die Leidtragenden sind aber die eigenen Bürger, deren Verfahrensdauer sich sinnlos verlängert.

Täglich toben sich unsere neuen Spezialisten und Fachkräfte bei Raub, Vergewaltigung und Mord aus und drängen damit Ermittlungsbehörden, Gerichte und Justizvollzug an den Rand der Belastbarkeit. - So weit die Situation, meine Damen und Herren.

Jeder, der täglich zum Wohle aller in der Justiz seinen Dienst tut, leidet unter diesen unerträglichen Belastungen - Stichwort: Krankenstand im Justizvollzug. Auch die Justiz wurde in den letzten Jahrzehnten kaputtgespart; das wissen Sie. Ihr Feinkonzept sagt für die nächsten Jahre im Bereich des Justizvollzuges einen sinkenden Personalbedarf aufgrund negativen Bevölkerungs

wachstums voraus. Diese Annahme ist in Anbetracht offener Grenzen aber völlig absurd. Der Personalbedarf wird explodieren. So viel steht fest.

In Anbetracht dessen ist die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einstellung von 100 zusätzlichen Bediensteten ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Kuscheljustiz aber liegt Ihnen am Herzen. Das zeigt die Tatsache, dass im Sozialen Dienst der Justiz der Personalbestand trotz angeblich sin

kender Gefangenenzahlen bis 2030 auf dem derzeitigen Niveau gehalten werden soll. Vom Willen, die Weichen im Personalbereich endlich umzustellen, wie Herr Striegel Ihnen im November 2016 verkündete, ist noch nichts zu spüren.

Unser Antrag zur Aufwertung der Justizwachtmeister, Drs. 7/1155 - der Herr Diederichs wird sich vielleicht an diesen Antrag erinnern -, wäre eine solche Möglichkeit der Weichenstellung gewesen, wurde aber im Ausschuss logischerweise abgelehnt. Damit böte sich eine kostenneutrale Möglichkeit, Personal aus dem Vollzug in den Wachtmeisterdienst zu verschieben, wenn beispielsweise gesundheitliche Einschränkungen

eine Tätigkeit im Vollzugsdienst nicht mehr erlauben. Doch diese effektive Änderung der Personalstrukturen wollten Sie nicht.

Die AfD-Fraktion lehnt den Antrag und die Beschlussempfehlung des Ausschusses daher ab. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Oliver Kirchner, AfD)

Ich sehe keine Fragen. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bedeutung einer personell und sachlich optimal ausgestatteten Justiz kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, denn diese Ausstattung ist im Verbund mit klaren gesetzlichen Vorgaben Grundlage für gute Gerichtsentscheidungen. Diese guten und hoffentlich oft auch zeitnahen Entscheidungen und Urteile prägen auch das Empfinden der Menschen.

Die Kollegin der Fraktion DIE LINKE fordert mit ihrem Antrag unter anderem strategisch angelegte Personalplanung für einen längeren Zeitraum. Ich meine, diesem Anspruch des gesamten Hauses ist die Landesregierung mit der Ausarbeitung eines Grob- und insbesondere eines Feinkonzeptes mit der erforderlichen Sorgfalt nachgekommen.

Das Feinkonzept ist eine geeignete Grundlage für die bevorstehenden Haushaltsverhandlungen. Die Kernaussagen des Konzeptes haben uns noch einmal verdeutlicht, vor welchen Herausforderungen wir stehen und wo genau wir bei der Personalplanung für die Justiz Vorsorge treffen müssen.

Es wird deutlich, wie wichtig die Vereinbarung im Koalitionsvertrag für eine Regelung von 101 % nach dem Personaldeckungsschlüssel PEBB§Y ist.

Nach den Feststellungen des Feinkonzeptes sind für den Betrachtungszeitraum bis 2030 in Sach

sen-Anhalt 1 230 Neueinstellungen im Bereich der Justiz nötig. Will man einen gesunden Altersklassenaufbau erreichen, sind das rund 90 Neueinstellungen jährlich. Eine gleichmäßige Anzahl an jährlichen Neueinstellungen - auch das ist heute schon deutlich geworden - ist unabdingbar für eine gesunde Altersstruktur; denn der heute zu hohe Altersdurchschnitt führt dazu, dass in den kommenden Jahren wertvolles Erfahrungswissen verloren geht. Wir merken zudem bereits heute, dass qualifiziertes Personal nicht auf einen Schlag auf dem Markt zu finden ist.

Im Justizvollzugsdienst zeigt sich heute schon ein hoher Krankenstand, der häufig auch mit Schichtdienstuntauglichkeit verbunden ist. So wurden zwischen 2012 und 2016 durchschnittlich 32,45 Krankentage pro Bediensteten festgestellt. Ein wichtiger Pfeiler zur Lösung dieser Problematik ist sicherlich die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einstellung von bis zu 100 zusätzlichen Bediensteten für den Justizvollzug.

Überdies sollten die Ursachen für den hohen Krankenstand eruiert und ein entsprechendes Gesundheitsmanagement in diesem Bereich überarbeitet werden. Hiermit konnten beispielsweise in Berlin gute Erfahrungen erzielt werden.

Ferner haben wir - auch das ist schon deutlich geworden - im Bereich der Gerichtsvollzieher einen erheblichen Handlungsbedarf. Deshalb begrüße ich ausdrücklich das Vorhaben, die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher so anzupassen, dass auch den Quereinsteigern die Ausbildung ermöglicht wird.

Die bereits vor zwei Jahren angesprochenen neuen Modelle der Personalpolitik sollten - wie aus dem Feinkonzept hervorgeht - nicht uneingeschränkt auf Sachsen-Anhalt übertragen werden.

Es gilt, die nun gewonnenen Erkenntnisse umzusetzen. Dann können wir sicherstellen, dass Sachsen-Anhalt auch in Zukunft für diese Herausforderungen gewappnet sein wird.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen kurzen Satz sagen. Ich meine, dass es gut ist, dass Sachsen-Anhalt auch im Bereich der Verwaltungsgerichte eine Stärkung vornehmen wird bzw. das bereits getan hat, weil ich finde, es ist das Wesen eines Rechtsstaates, dass es Menschen den Rechtsweg ermöglicht und diesen nicht von der Herkunft der Beteiligten abhängig macht. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Ich sehe auch hierzu keine weiteren Wortmeldungen. - Für die CDU-Fraktion hat der Abg. Herr Kolze das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich unserer Justizministerin Frau Keding ausdrücklich danken, dass ihr Haus uns dieses umfangreiche Feinkonzept zur Personalstrategie in der Justiz erarbeitet hat.

Es ist zwar kein Geheimnis, dass in großen Teilen der Justiz, und zwar nicht nur in Sachsen-Anhalt, Personalnot herrscht und es angesichts starker Konkurrenz, insbesondere durch die Wirtschaft, immer schwieriger wird, gute Leute zu finden.

Dennoch ist es hilfreich, ein Konzept zu haben, was uns ganz konkret aufzeigt, wo wir an den Stellschrauben drehen müssen. Das Feinkonzept ist eindeutig; daher möchte ich nichts beschönigen oder kleinreden.

Unsere Justiz leidet unter einem überalterten Personalkörper, der sich angesichts der Personalnot zum Teil erheblicher Arbeitsbelastungen ausgesetzt sieht. Dies wirkt sich nicht nur negativ auf die Gesundheit der Beschäftigten aus, es führt auch zu längeren Wartezeiten für die Bürger bei Verfahren und Urteilen. Verfahren ziehen sich hin und neue Verfahren können erst mit Verzögerung eröffnet werden. Insbesondere bei Strafverfahren kann dies erhebliche Konsequenzen haben.

Wir brauchen für unsere Justiz ganz konkret eine gleichmäßige Anzahl an jährlichen Neueinstellungen, um die Altersabgänge kompensieren und den Wissenstransfer zwischen erfahrenen und jungen Kollegen sicherstellen und letztlich einen Altersklassenaufbau zu erreichen, damit wir nicht irgendwann wieder vor demselben Problem stehen, dass zu viele Altersabgänge eine kaum zu füllendes Lücke in die Personaldecke reißen.

Dazu müssen zum einen dringend die VZÄ-Ziele entsprechend der Zahlen aus dem Feinkonzept erhöht werden. Eine personelle Verstärkung bei der Polizei kann nur mit einer funktionierenden Justiz volle Wirkung entfalten.

Wenn ich von Justiz spreche, meine ich nicht nur Richter und Staatsanwälte. Ich meine auch die Beschäftigten im Justizvollzug, deren Arbeit aufgrund zunehmender Mehrfacherkrankungen, ausgeprägter Suchtproblematiken und psychischer Auffälligkeiten der Gefangenen immer komplexer wird. Und ich meine auch den mittleren Justizdienst und die Wachtmeister. Dabei muss der Ansatz jedoch ganzheitlich gewählt werden. Neben der Erhöhung von VZÄ-Zielen muss auch Vorsorge für ausreichend Nachwuchs getroffen werden.

Hierzu hat die Ministerin bereits eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, um beispielsweise die Qualität des Vorbereitungsdienstes für Rechtsreferendare zu erhöhen und die weiteren Arbeitsgemeinschaften einzurichten. Zugleich startete im

Februar dieses Jahres eine Kampagne zur Nachwuchsgewinnung im Justizvollzug.

Wir haben die Probleme erkannt. Als Landesgesetzgeber obliegt es uns, die entsprechenden Mittel im Haushalt einzustellen. Meine Fraktion wird sich in den Haushaltsberatungen ausdrücklich dafür einsetzen, dass die Durststrecke in der Justiz beendet wird. Ein Rechtsstaat kann nur funktionieren, wenn Justiz und Polizei auskömmlich ausgestattet sind und nicht nur Löcher gestopft werden.

Wir stimmen der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung zu. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sehe keine Fragen. - Abschließend hat Frau von Angern für die Fraktion DIE LINKE noch einmal das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die dritte Gewalt Justiz zeichnet sich regelmäßig dadurch aus, dass sie sich eher nicht auf das politische Parkett begibt, dass sie nicht selten Entscheidungen trifft, die wir dann hier umzusetzen haben, manchmal gern, manchmal weniger gern. Das hängt auch jeweils davon ab, in welcher Fraktion bzw. in welcher Position man sich befindet.

Das, was allerdings im Februar letzten Jahres hier in diesem Raum stattfand - unter einer großen Beteiligung an einer Anhörung, an einem Freitag; die Ränge waren voll besetzt mit Bediensteten der Justiz -, kann man durchaus als Aufschrei der Justiz betiteln; denn diese hat sich sehr wohl auf das politische Parkett begeben, hat in allen Reden der Anzuhörenden sehr deutlich gemacht, an welche Grenzen sie stößt, wenn man ihr nicht das gibt, was sie personell und sächlich auch tatsächlich braucht, um ihren Aufgaben gerecht zu werden.

Alle Angehörten haben immer wieder gesagt - das waren, glaube ich, die wichtigsten Worte, die in der Anhörung gefallen sind -: „Wir wollen unseren Auftrag erfüllen, um dem Vertrauen in den Rechtsstaat gerecht zu werden, sowohl bei den Rechtssuchenden als auch insgesamt in der Bevölkerung.“

Ich glaube, gerade das Beispiel Oury Jalloh zeigt, was passiert, wenn Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert wird und wie schwer es ist, dieses wiederherzustellen. Der Präsident des Deutschen Richterbundes hat Beispiele genannt, wie die Familienrechtsstreiten, bei denen es auf ganz klare Fristen ankommt, wo Richterinnen und Richter

unter Beteiligung von vielen anderen Fristen einzuhalten haben, wobei diese Fristen ja auch nicht ohne Grund gesetzt worden sind, sondern natürlich auch im Interesse der Betroffenen liegen.

Insofern kann auch ich nur sagen: Vielen, vielen Dank für diese sehr intensive Debatte zu dem Antrag, die wir im Rechtsausschuss geführt haben, die wir auch gemeinsam mit den Finanzpolitikerinnen geführt haben. Auch vielen Dank an das Haus, das ist heute schon ein paarmal gesagt worden.

Ich bin ja noch ein Kind des Personalentwicklungskonzeptes in diesem Lande. Ich glaube, viele haben sich hier immer gefragt: Wie sind denn diese Zahlen entstanden, die uns Jens Bullerjahn immer präsentiert hat?

In Ihrem Konzept, Frau Ministerin, konnte man sehen, wie was entsteht. Man konnte darin vor allen Dingen auch sehen, wie kreativ Ihr Haus darin ist zu überlegen: Wie kann man Bedienstete auch bei einem Fachkräftemangel bzw. bei nicht genügend Personal auf dem Markt in die Justiz hereinzuholen? Welche Wege kann man dabei gehen?

Ich glaube, wir können ganz stolz sagen, dass wir uns vor Konzepten aus anderen Ländern mit diesem Feinkonzept nicht verstecken müssen. Nun ist es an Ihnen, zunächst im Haushaltsentwurf - in Anführungsstrichen - durchzuboxen, dass das eins zu eins umgesetzt wird.

Sie haben es schon gesagt: Der Ausschuss hat sich ganz klar für die 101-%-Lösung ausgesprochen plus dem Altersklassenaufbau. Ich möchte allerdings auch sagen: PEBB§Y ist ein Rechenmodell, das wir für die Justiz haben. Es ist gut, dass wir es haben, aber es ist nicht ausreichend. Es ist vor allem sehr kritikwürdig hinsichtlich der Altfälle, die eben nicht berücksichtigt werden. Wir haben auch aufgrund von Änderungen in Bundesgesetzlichkeiten in einigen Bereichen mehr Altfälle, die einfach abgearbeitet werden müssen.

Also noch einmal: Vielen Dank. Auch wir als Fraktion werden heute dieser Beschlussempfehlung zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)